Die Spiel-Uhr: Ein klassischer Science-Fiction-Roman - Gerd Maximovic - E-Book

Die Spiel-Uhr: Ein klassischer Science-Fiction-Roman E-Book

Gerd Maximovic

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Beschreibung

Der Forschungskreuzer ABEL ist unterwegs Richtung Milchstraßenzentrum. In der Region PLICA wird ein interessanter Fund-Gegenstand, der einer Spiel-Uhr ähnelt, an Bord gebracht. In diesem Zusammenhang spielen sowohl die Schwerkraft wie die Vorstellungen von der Zeit eine Rolle. Planeten-Trümmer erscheinen und verschwinden, selbst Gold ist dabei von Bedeutung.
Die verrostete Spiel-Uhr läuft wieder, zur Überraschung aller. Man hat auch das Gefühl des »Déjà-vu«, demnach, alles schon einmal erlebt zu haben. Wie ist der Mann mit dem geschniegelten Bärtchen einzuschätzen, der in historischen Aufnahmen verspricht, jeden zu vernichten, der sich ihm in den Weg stellt? Was hat die aufgespürte Box, welche sich selbst zu reparieren imstande ist, hinsichtlich der Zeit zu bedeuten? Die PLICA-WESEN waren den Besuchern von der Erde technisch gewiss haushoch überlegen. Was aber verursachte dann ihr offensichtliches Scheitern?
Auf Grund der Vorgänge wird die Besatzung des ABEL immer mehr zu grundlegenden Erwägungen gezwungen. So stellt sich beispielsweise die Frage, gibt es eigentlich einen Schutzengel, wie die II. Ingenieurin felsenfest behauptet? Oder, wozu ist das Universum überhaupt vorhanden?

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Gerd Maximovic

 

 

Die Spiel-Uhr

 

 

Ein klassischer Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer, 2024

Korrektorat: Katharina Schönfeld

Dieser Roman ist auf ausdrücklichen Wunsch des Autors in der alten deutschen Rechtschreibung verfasst und veröffentlicht.

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau (OT), Gemeinde Oberkrämer. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Copyright auf den Text oder andere Medien und Illustrationen und Bilder erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren. Es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv. Hiermit untersagen wir ausdrücklich die Nutzung unserer Texte nach §44b Urheberrechtsgesetz Absatz 2 Satz 1 und behalten uns dieses Recht selbst vor. 13.07.2023. 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Die Spiel-Uhr 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

26. Kapitel 

27. Kapitel 

28. Kapitel 

29. Kapitel 

30. Kapitel 

Weitere Romane und Erzählungen von Gerd Maximovic, einem Meister der klassischen Science-Fiction, sind erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung 

 

Das Buch

 

 

Der Forschungskreuzer ABEL ist unterwegs Richtung Milchstraßenzentrum. In der Region PLICA wird ein interessanter Fund-Gegenstand, der einer Spiel-Uhr ähnelt, an Bord gebracht. In diesem Zusammenhang spielen sowohl die Schwerkraft wie die Vorstellungen von der Zeit eine Rolle. Planeten-Trümmer erscheinen und verschwinden, selbst Gold ist dabei von Bedeutung.

Die verrostete Spiel-Uhr läuft wieder, zur Überraschung aller. Man hat auch das Gefühl des »Déjà-vu«, demnach, alles schon einmal erlebt zu haben. Wie ist der Mann mit dem geschniegelten Bärtchen einzuschätzen, der in historischen Aufnahmen verspricht, jeden zu vernichten, der sich ihm in den Weg stellt? Was hat die aufgespürte Box, welche sich selbst zu reparieren imstande ist, hinsichtlich der Zeit zu bedeuten? Die PLICA-WESEN waren den Besuchern von der Erde technisch gewiss haushoch überlegen. Was aber verursachte dann ihr offensichtliches Scheitern?

Auf Grund der Vorgänge wird die Besatzung des ABEL immer mehr zu grundlegenden Erwägungen gezwungen. So stellt sich beispielsweise die Frage, gibt es eigentlich einen Schutzengel, wie die II. Ingenieurin felsenfest behauptet? Oder, wozu ist das Universum überhaupt vorhanden?

 

Dieser Roman ist auf ausdrücklichen Wunsch des Autors in der alten deutschen Rechtschreibung verfasst und veröffentlicht.

 

***

Die Spiel-Uhr

 

Ein klassischer Science-Fiction-Roman

 

1. Kapitel

 

»Schröder?«

»Ja, Chef.«

»Was gibt’s denn?«

»Ja, Chef, das Fundstück ist untergebracht«, erwiderte Schröder, der Frachtchef, der seinen höchsten Vorgesetzten angerufen hatte.

Um hinzuzusetzen: »Allerdings bereitete uns der Vorgang gewisse Schwierigkeiten, Chef.«

»Ganz unübliche«, fügte er hinzu.

Sagen Sie nur, dachte Ketteler bei sich. Da ist er nun also mit allen möglichen Dingen beschäftigt. Das macht er im übrigen sorgfältig und gut. Das ist insofern in Ordnung. Doch jetzt tauchen plötzlich Probleme auf. Ob das an der dem Raum geschuldeten außergewöhnlichen Belastung liegt? Oder an den energieverwirbelten Zonen, durch welche wir gelegentlich gleiten? Oder einfach daran, daß ihn seine Tätigkeit abstumpft?

Ich kann das gut verstehen, überlegte der Kommandant weiter, das kommt nämlich gerade bei den immer gleichen, mithin eintönigen Arbeiten vor. Welche man übrigens trotzdem stets mit größter Sorgfalt zu verrichten hat. Daß man – ja, wie soll ich mich ausdrücken –, daß man geistig buchstäblich wegtritt. In andere Welten sich verirrt.

»Frachtstück, Werner?«, fragte Jakob Ketteler darum betont freundlich, indes, Besorgnis schwang in seiner Stimme.

»Fundstück, Herr Kapitän«, berichtigte ihn dieser.

»Fundstück«, willigte Ketteler ein.

Um dann – bei aller Fürsorge – vielleicht sogar etwas empört hinzuzusetzen: »Welches Fundstück, Werner?«

Über die schiffsinterne Leitung erblickte er ein ungläubiges Gesicht. Dieses schien eben gerade das auszudrücken, was der Kommandant hinsichtlich seines Fracht-Chefs gerade noch empfunden hatte: nämlich etwa, ist der Gute jetzt tatsächlich verrückt geworden? Und zwar infolge der unaufhörlich an ihm zerrenden Routine. Zugleich bei Arbeiten, bei welchen man sich in der Abgeschiedenheit der schier unermeßlichen Weiten des Alls, genau genommen, nicht den geringsten Fehler erlauben durfte. Wollte man nicht scheitern.

»Na, welches wir geborgen haben«, gab Werner Schröder widerwillig und zähneknirschend, sich der Lächerlichkeit seiner Erwiderung wohl bewußt, zur Antwort.

»Geborgen haben?«, flüsterte der Kommandant des Forschungs-Kreuzers ABEL fast unhörbar leise.

Ob er nicht wo anders hin unter Deck anrufen sollte? Bei einem engen Mitarbeiter Schröders? Der sich der Sache und insbesondere des Gesundheitszustands des Fracht-Chefs einmal annehmen sollte? Oder, anderer Gedanke, ob diese Leute, auf Anerkennung und Ruhm erpicht, eigene Nachforschungen anstellten? Indem sie Fundstücke abseits des offiziellen Dienstweges an sich brachten, um sie später auf Erden und den besiedelten Planeten dann als ihre große Forschungs-Leistung anzupreisen und auszustellen? Man hatte bei den Streifzügen rings um die Galaxis ja wirklich schon einiges gefunden. Doch die meisten dieser Entdeckungen waren rein wissenschaftlicher oder bloß geologischer Natur. Ob er, der Fracht-Chef Schröder, etwa gar ein Artefakt einer fremden Kultur an sich gebracht hatte?

Das wäre das erste Mal überhaupt, sann Ketteler. Und wie, bitteschön, machte er das dann, ohne im geringsten aufzufallen?

Andererseits, überlegte er weiter, Schröder ist es doch, der anruft. Um Meldung zu erstatten. Wichtig ist, wie man seinen Untergebenen begegnet. Obwohl er Angelegenheiten gerne auch gemütlich angehen ließ, so war im Zweifelsfalle doch stets ein Höchstmaß an Disziplin gefordert. Dazu gehörte auch, daß er, der Kapitän des Kreuzers, auch nur ansatzweise keine Schwäche zeigen durfte.

Also, Frachtstück oder Fundstück, wovon redet dieser Mann da eigentlich?

Jedenfalls, sicher war, was immer an Bord oder außerhalb unternommen wurde, und gerade, ihre besondere Forschungs-Mission betreffend, er, der Kapitän des Schiffes, wäre stets als allererster zu unterrichten oder jedenfalls zu befragen, ob sie ihre Zeit und ihre wertvollen Ressourcen in dieses oder in irgend ein anderes Projekt stecken durften.

Werner Schröder schaute ratlos, auch verblüfft von dem Bildschirm herunter. Wie man jemanden anblickt, an dessen Vernunft man plötzlich zweifelt. Es beruhte also auf Gegenseitigkeit, daß sie sich wechselseitig derart einschätzten.

Indes, der Fracht-Mann nahm nun all seinen Mut zusammen, indem er nachhaltig, unbeirrt, dabei ein wenig herausfordernd, versetzte: »Ja, Chef, das Stück, welches wir auf Ihre Anweisung hin geborgen haben, nicht wahr.«

Wie spricht man mit einem Verrückten? Indem man ihm sagt, oder zumindest nahelegt, was man von seiner geistigen Verfassung hält? Wohl kaum, das wäre unklug, mehr als nur unklug, alle Umstände gerechnet (einmal davon abgesehen, daß es sich bei dieser Person um den eigenen Vorgesetzten handelt).

Immerhin, Jakob Ketteler, seinerseits der Kommandant des Schiffes, war ein geübter Menschenführer. Er nahm das Irrlichtern in den Augen des Fracht-Chefs war, und auch, dieser meinte es – egal, wie er dazu käme, egal, aus welchen Gründen – ehrlich.

Da war also ein Gegenstand an Bord des ABEL gekommen oder genommen worden. So viel schien mittlerweile gesichert. Ohne seinen Befehl oder sein Bewirken. Da waren die treuen Augen des Fracht-Chefs, welche weiterhin entsagungsvoll auf ihm hingen. Und, immerhin, man bedenke nochmals: hatte nicht ausgerechnet Werner Schröder, der Fracht-Chef, ihn angerufen (und nicht etwa umgekehrt)?

Jakob Ketteler, der Kapitän des ABEL, seufzte innerlich. Schwierigkeiten? Erwähnte Schröder nicht soeben Probleme bei der Bergung des Fundgegenstandes? Und überhaupt, wo, in welcher Gegend war das Stück – also, man mußte ja annehmen, daß es ein solches gab – ausfindig gemacht worden? Vermutlich in unmittelbarer Umgebung, wo sonst?

»Schwierigkeiten bei der Bergung, Werner?«

»Ja, Chef, bei der Bergung und Unterbringung«, bestätigte der Fracht-Mann, froh, daß sein Vorgesetzter endlich auf die Umstände einging.

»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen, Werner«, murmelte Ketteler versonnen.  

Darauf bedacht, nur nicht allzuviel von seinen Zweifeln oder von seiner Unkenntnis preiszugeben. Hatte er tatsächlich einen entsprechenden Bergungsauftrag erteilt? Und lag er nun völlig daneben? Nicht wahr, das ist schon eigenartig, wenn ein anderer – hier also der Fracht-Führer –, seiner Sache gewiß, so entschieden auftritt.

»Auf welche Probleme beziehen Sie sich genau, Werner? Ich meine, Sie werden, gleich, um welches Fundstück es sich handelt, dasselbe doch wohl immer noch regulär verstauen können, oder vielleicht nicht?«

»Dieses nicht, Chef«, lautete die knappe Antwort.

»Dieses nicht, Werner?«

»Nein, Chef. Das ist nicht so einfach.«

»Und worin liegt das Problem, Werner?«

»Ja, Chef, es ist eigenartig, das auszudrücken, Chef, wenn Sie gestatten.«

»Sprechen Sie bitte ganz frisch von der Leber weg, Werner!«

»Zu Befehl, Käpten! Frisch von der Leber weg!«

»Also?«

»Nun«, Werner Schröder, der Fracht-Chef, zögerte nach wie vor sichtlich mit einer Antwort.

 Dann aber raffte er sich auf, indem er sagte: »Also, Tim hatte die Absicht, das Frachtstück – oder ich meine, das Fundstück – in Speicher A zu lagern, Chef.«

»Wo es ja auch hingehört, Werner«, bestätigte sein Vorgesetzter.

»Ja, genau, Chef. Aber es stellte sich dabei ein Problem ein.«

»Welches Problem, Werner?«, fragte Ketteler, nunmehr ungeduldig werdend.

»Also, er bugsierte die Trophäe mit dem Hubstapler in besagten Frachtraum.«

»Und?«

»Oder versuchte vielmehr, sie zu bugsieren.«

Jakob Ketteler lachte. »Aber es gelang ihm nicht?«

»Nein, Chef, es gelang ihm nicht.«

»Und warum nicht, Werner?«

»Weil das Frachtstück oder die Trophäe schon dort war.«

»Was?«, schnappte nun der Kommandant (sich auf den Arm genommen fühlend). »Schon dort war, verstehe ich Sie richtig, Werner?«

Dieser blickte bekümmert aus dem Bildschirm.

»So hat er es mir erklärt, Chef. Ich kann nur wiederholen, was er vortrug.«

»Sie wollen damit sagen«, versetzte Ketteler nun mit scharfer Stimme, »ein Transport der … so nannten Sie es doch … der Trophäe wäre gescheitert, weil sich dieselbe schon in Box A befunden hätte?«

Jakob Ketteler schnappte nach Luft, wie er sich selbst so absurd, so unsinnig reden hörte.

Und er, mit sich rötenden Wangen, setzte nach: »Das Frachtstück war schon dort, Werner, ich meine in Box A?«

»So ist es, Herr Kapitän«, versicherte dieser tonlos.

»Und wer hat es dorthin verbracht?«, wütete Ketteler weiter, über sich selbst erstaunt, wie er, wenn man einen unsinnigen, einen absurden Zusammenhang zugrunde legte, überhaupt so fragen konnte.

»Ich meine, bevor Tim Morowski die Verfrachtung selbst besorgen konnte?«

»Es war schon dort, Chef«, beharrte Schröder eigensinnig auf seiner Ansicht.

»Es war schon dort«, schnaufte der Kommandant des Forschungskreuzers ABEL.

»Gut«, sagte er, sich beruhigend, doch noch immer wutentbrannt, »geben Sie mir besagten Morowski, von der Frachtabteilung. Ich möchte einmal hören, was er dazu zu sagen hat, Werner.«

»Sehr wohl, Chef, ich schalte Sie sofort weiter!«

Da erschien er also auf dem Monitor, dieser Tim Morowski. Ein vierschrötiger, indes zuverlässiger Mann, wie Jakob Ketteler sicher wußte. Alle an Bord waren übrigens zuverlässig. Er hatte sie alle für diese heikle, vielversprechende Mission doch selbst ausgewählt. Und nun dies!

»Ja, Tim«, versetzte er eher zögerlich.

»Herr Kapitän?«

»Tim, es wurde mir soeben von Ihrem Fracht-Führer etwas schwer Verständliches eröffnet.«

»Ja, ich weiß, Chef, das heißt, ich kann es mir denken.«

»Sie wollten das Fundstück in den geeigneten Speicher verbringen?«

»So ist es, Herr Kapitän.«

»Aber das ist Ihnen nicht gelungen?«

»Nein, Herr Kapitän, es ist mir nicht gelungen.«

»Und warum nicht, Tim?«

»Tja, wie soll ich sagen, Herr Kapitän.«

»Sprechen Sie frei und frischweg, Tim!«

»Also, wir hatten den Fund dort draußen geborgen, Herr Kapitän.«

»Auf dem Kleinplaneten?«

»Ja, genau, Herr Kapitän.«

»Und?«

»Nun, wir wollten das Frachtstück an Bord des ABEL verbringen.«

»Das sagten Sie schon, Tim. Mit dem Hubstapler.«

»Ja, genau, Herr Kapitän. Weil es so schwer ist.«

»Und? Wie ging das weiter, Tim?«

»Also ich habe das Stück – mit Hilfe anderer Leute – auf das Schaufelblatt aufgeladen, Herr Kapitän.«

Jakob Ketteler stöhnte.

»Und?«, wollte er dann wissen.

»Nun, das war seltsam, als wir damit vor der Frachtluke ankamen, Herr Kapitän.«

»Seltsam, Tim? Was war daran seltsam?«

»Also, meinem Gefühl nach hatten wir das Fundstück ordnungsgemäß aufgeladen.«

»Auf dem Schaufelblatt?«

»Ja, Herr Kapitän.«

Jakob Ketteler stöhnte wieder. »Ihrem Gefühl nach?«

»Anders kann ich es nicht ausdrücken, Herr Kapitän.«

»Und was war nun mit diesem Frachtstück, das Sie – Ihrem Gefühl nach – korrekt aufgeladen hatten?«

»Also«, nun druckste der Frachtmann herum, »es war nicht vorhanden, Herr Kapitän.«

»Nicht vorhanden, Tim?«

»Nein, nicht vorhanden, Herr Kapitän.«

»Wo nicht vorhanden, Tim?«

»Auf dem Schaufelblatt, Herr Kapitän, war es nicht vorhanden.«

»Also auf jenem Blatt, auf welches Sie es mit Hilfe anderer Leute aufgeladen hatten, Tim?«

»Ja, genau so ist es, Herr Kapitän.«

»Hat denn jemand«, fragte, tief Luft holend, der Kommandant, »das Fundstück zwischendurch von besagtem Schaufelblatt wieder herunter genommen, Tim?«

Das fragte er, obwohl ihm das selbst wie unsinnig vorkam. Aber wie sollte man sich diesen tatsächlichen oder angeblichen Vorfall anders erklären?

»Nein, Herr Kapitän. Niemand stand zwischen dem Fundstück und meinen Geräten.«

»Das hätte ich doch bemerkt«, fügte Morowski entrüstet hinzu.

»Sie wollen damit sagen, Tim, Sie haben also mit Hilfe anderer Leute das Fundstück baggermäßig aufgeladen – und dann ist es verschwunden?«

»Als verschwunden kann man es nicht bezeichnen, Herr Kapitän.«  

»Nein, Tim, kann man nicht?«

»Nein, Herr Kapitän, kann man nicht.«

»Und warum nicht, Tim?«

»Es war ja schon vorhanden, Herr Kapitän.«

Jakob Ketteler, der Kapitän des Forschungs-Kreuzers ABEL, schnaufte wieder.

»Es war schon vorhanden, Tim? Also nicht auf der Schaufel?«

»Nein, Herr Kapitän, nicht auf der Schaufel.«

»Und wo dann, Tim?«, stöhnte der Kommandant verzweifelt.

»Im Speicher A, Herr Kapitän, wohin es gehört, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten.«

»In Box A, wohin es gehört, Tim?«

»Sehr wohl, Herr Kapitän.«

»Aber Sie – mit Ihrem Hubstapler – haben es nicht dorthin verbracht, Tim?«

»Nein, Herr Kapitän, ich wollte wohl, doch ich konnte nicht.«

Eigentlich hätte Jakob Ketteler seinen Fracht-Mann nun fragen müssen, ob dieser ihn ernsthaft auf den Arm nahm. Doch alleine der Gesichtsausdruck des seriösen Mannes verbot dies. Vor allem auch, weil die Züge Morowskis arbeiteten, wie er dies noch nie bei jemanden seiner Besatzung oder auch außerhalb gesehen hatte.

»Danke, Tim, ich melde mich wieder.«

»Sehr wohl, Herr Kapitän!«

»Werner?«

»Chef?«

»Sie haben das gehört, was Ihr Frachtmann Morowski soeben von sich gegeben hat?«

»Habe ich, Chef. Zugeschaltet.«

»Was halten Sie von dem Vorfall, Werner?«

»Wie ich schon sagte, Chef.«

»Nämlich?«

»Merkwürdig.«

»Sie meinen, daß das Ding vom Schaufelblatt verschwindet?«

»Ja, aber nicht nur, Chef.«

»Also, daß das Fundstück sich scheinbar von selbst bewegt, das stört Sie nicht, Werner?«

»Doch das wundert mich auch, Chef.«

»Und was erstaunt Sie sonst noch?«

»Wie wir schon angesprochen haben, Herr Kapitän.«

»Worauf beziehen Sie sich, Werner?«

»Auf das Gewicht, Chef.«

»Auf das Gewicht, Werner?«

»Ja, Chef. Daß man überhaupt einen Hubstapler nehmen mußte, um so ein seltenes Frachtgut an Bord zu verbringen.«

»Weil es halt schwer war oder ist«, schaltete sich Ingversen, der I. Offizier, ein.

»Aber warum?«, fragte Schröder. »Ich meine, wenn Sie – sagen wir einmal – eine Spieluhr auf Erden konstruieren, dann ist das eine Sache, ja?«

»Und andererseits, Werner?«

»Nun, ich verstehe nicht, wieso diese Spieluhr dann so schwer sein muß, Chef. Begreifen Sie das?«

»Nun?«

»Was immer ich baue«, wunderte sich der Fracht-Chef, »ich konstruiere es doch so einfach und leicht wie möglich. Oder vielleicht nicht?«

»Doch, gewiß, Werner.«

»Und da gibt es noch einen weiteren Umstand, Chef, der mich stört, um es einmal gelinde auszudrücken.«

»Was stört sie denn darüber hinaus, Werner?«

»Nun, der Fundort, Chef.«

»Der Kleinplanet hier in der Nähe des galaktischen Zentrums?«

»Ganz genau, Chef.«

»Und was stört Sie daran, Werner?«, wollte Ketteler wissen, dem allerdings die zuvor geführte ausgiebige Erörterung in dieser Hinsicht durch den Kopf ging.

»Sein Gewicht, seine Masse, Chef.«

»Ja, das hat uns auch schon gewundert«, versetzte Ingversen.

»Sie meinen, ein so schweres Stück wie das gefundene, es paßt nicht zu einer im Grunde leichtgewichtigen Welt?«, erkundigte sich der Kommandant entgegenkommend.

»In etwa«, bestätigte Schröder.

»Glauben Sie nicht, mein lieber Werner, daß das, was Sie soeben verkünden, ein wenig weit hergeholt ist?«

»Es paßt irgendwie nicht zusammen«, stellte der Fracht-Chef nüchtern fest.

»Darling?«

»Chef?«

»Joe, können Sie irgend welche besonderen Merkmale auf dem Kleinplaneten feststellen, welche uns der Einschätzung dieser Angelegenheit näher bringen werden?«

»Auf dem Fundort, Chef?«

»Ja, Joe. Auf dem Fundort.«

»Ich kann es einmal versuchen, Chef«, antwortete der Chef-Astronom an Bord des ABEL, der sich zwischenzeitlich auch um ganz andere Angelegenheiten – im übrigen immerhin in der Nähe des galaktischen Zentrums – gekümmert hatte.

»Darf ich nochmals fragen, was Sie genau vermuten, Chef? Ich meine, worauf wir unser Augenmerk im besonderen richten müssen?«, wiederholte Darling.

Auch der Chef-Astronom war sich, so, wie es klang, seiner Sache sicher (wie Jakob Ketteler leicht entsetzt bemerkte). Schwere des gefundenen Brockens. Zeitlicher Verzug, um die Angelegenheit einmal beschönigend so zu bezeichnen. Und dann kam vor allem sein eigenes persönliches Vorstellungvermögen hinzu. Er hatte (der Kommandant schluckte bei diesem Gedanken) selbst den Befehl gegeben, die Trophäe zu bergen. (Alle seine bislang angesprochenen Mitarbeiter bestätigten dies auf direkte oder indirekte Weise.) Und er konnte sich, jedenfalls vorübergehend, nicht mehr daran erinnern. Aber seine bewährten Leute sehr wohl.

Und er selbst besann sich jetzt auch wieder, wie der Kommandant gelassen, aber im Grunde auch verwundert erwog. Gedächtnisausfall, was ist das? Das kam bei ihm (oder bei seiner Gattin) kaum oder gar nicht vor. Gewiß, man erinnerte sich oftmals nicht sofort an etwas, was einem auf der Zunge lag. Doch wenig später fiel einem etwa der Name oder die Bezeichnung anstandslos wieder ein. Gleichwohl, ihm wurde fast schwindlig, dies hier war eine größere oder (wer wußte das schon) eine andere Angelegenheit.

Aufgeschreckt und verwundert, riß er sich zusammen.

»Nun, irgendwelche Verformungen oder sogenannte energetische Einschlüsse oder dergleichen, Joe«, erklärte er rein sachlich. »Verstehen Sie das? Es wären doch magnetische oder auch schlichtweg materielle Effekte denkbar, welche zu einer abnormen Schwerkraft-Erhöhung führen müßten. Oder vielleicht nicht?«

»Nach so etwas haben wir routinemäßig auch vorhin schon gepeilt«, eröffnete der zweite Astronom, Hilvers.

»Und nichts gefunden, Frank?«

»Nein, Chef, nichts dergleichen. Aber wer weiß schon, wie sich die Schwereverhältnisse in unmittelbarer Nähe des galaktischen Zentrums auswirken.«

»Gut.« Jakob Ketteler seufzte. »Aber werfen Sie bitte schlicht und einfach nochmals einen Blick darauf. Das ist alles.«

»Chef?«

»Wir vermuten nämlich, daß, wenn wir alle Daten – also die vom gefundenen Sachgegenstand sowie die von der Ursprungswelt – zusammenführen, dann läßt sich ein uns inzwischen allerdings beeindruckendes Rätsel umfassend oder doch wenigstens teilweise lösen.«

»Schon verstanden, Chef«, antwortete Darling.

Und er schwenkte die ihm verfügbare flexible Optik elektronisch in Richtung von TARTAR – so nannten sie, mittlerweile auch kontaktmäßig abgesichert, den Fundort ihres sich so merkwürdig oder eher eigenwillig verhaltenden Frachtstücks.

»Sie Narr!«, sagte Darling, der Chef-Astronom, ganz ungeschminkt und direkt, zu Hilvers, dem zweiten Astronomen.

Gewiß arbeiteten sie gut zusammen. Darum waren ja sie und andere Fachleute für optische Erkennung mit an Bord dieser wichtigen Expedtion in die Nähe des Milchstraßen-Zentrums genommen worden. Doch es bestand auch ein Spannungsverhältnis unter ihnen, wie das bei Wissenschaftlern oftmals der Fall ist. Welches sich dann in der Regel in sachlichen Diskussionen oder Erörterungen äußerte oder entlud. Welches aber auch durchaus in wachsenden persönlichen Empfindlichkeiten oder zu allermindest in unangebrachten Gefühlsausbrüchen münden konnte. Denn in der Regel findet jemand wie Joseph Darling einen willkommenen Anhänger, oder die Fronten verhärten sich gerade im Verlauf einer solch langen Reise immer weiter.

Streitpunkte gibt es dafür ja genug. Sie beginnen mit dem Anfang des Universums, sie führen selbstverständlich zu seinem vorausgesagten Ende. Und dazwischen häufen sich andere ungeklärte Fragen, über welche zwangsläufig unterschiedliche Meinungen herrschen, die dann wohlbegründet zu Streit und Zwietracht führen.

Indes, hier stellte sich die Lage anders. Der Zweite Astronom Hilvers erwies sich nach Ansicht seines unmittelbaren Vorgesetzten schlicht und einfach als unfähig. So, gewissermaßen als Idiot, hatte er seinen ansonsten in manchen Bereichen durchaus auch geschätzten Kollegen überhaupt noch nicht wahrgenommen.

»TARTAR«, knurrte Darling, beinahe jeden einzelnen Buchstaben seiner Äußerung betonend, »das ist es, was Sie aufnehmen, einfangen, wieder auffinden sollen. Ja, drücke ich mich klar genug aus?«

»Den Kleinplaneten«, setzte er, verärgert werdend (mit sich rötendem Gesichte), hinzu.

»Wir wollen nämlich oder wir sollen auf begründete Anweisung des Kommandanten hin feststellen, was es mit dieser Schwerkraft-Anomalie auf sich hat, Frank. Ja, haben Sie das verstanden?«

Frank Hilvers schaute bekümmert drein. Er hatte wohl verstanden, zumal, da er ja wie die übrigen an Bord des ABEL oftmals sehr wohl alle nicht als ausdrücklich geheim oder vertraulich bezeichneten Unterredungen mit anhörte. Oder, wenn man so will, auch belauschte. Man konnte ja nie genug in Erfahrung bringen, nicht wahr, selbst zum eigenen Vorteil.

»Tut mir leid, Herr Kollege«, erwiderte Hilvers eher herausfordernd, doch in seiner Stimme schwang auch ein Übermaß an echter Verwunderung. »Aber ich kann Ihnen nicht dienen.«

Nun konnte Joseph Darling jederzeit nicht nur das astronomische Kommando übernehmen (schließlich war er ja der verantwortliche Chef dieser Abteilung). Sondern er vermochte auch jeden Ausguck (wenn man die zugehörigen elektronischen Manöver so benennen wollte) an sich zu ziehen. Andererseits, was dieser Frank Hilvers da vortrug, es klang verrückt. Doch befand sich dieser Mann (der zweite Astronom) nunmehr wirklich auf dem falschen Posten?

Nein, natürlich nicht, antwortete sich Darling sofort selbst in Gedanken. Es gab doch genug Beispiele alleine auf ihrer Herreise, welche Hilvers’ besonderes Vermögen und seine Fähigkeiten bestätigten. Er erwies sich auch als Astronom als äußerst findig, wenn nicht beschlagen.

Aber jetzt? Wie hatte er sich geäußert?

»Tut mir leid, Chef, aber ich kann ihn nicht finden.«

»Was nicht finden, Frank?«, wollte Darling, nichts ahnend, wissen.

»Na, das, wonach wir suchen, Chef.«

»Wir suchen den Kleinplaneten TARTAR, Frank.«

»Das ist mir schon klar, Chef.«

»Und, worin besteht das Problem da, mein Lieber?«

»Ja, Herr Kollege, sehen Sie doch selber!«, lautete die Antwort, die der Chefastronom als unverfroren empfinden mußte.

Nicht einmal die einfachsten Arbeiten kann man den Untergebenen überlassen, dachte Darling endlich. Der Aufforderung seines Mitarbeiters folgend, bemühte er sich aber denn doch an einen der kleinen Spiegel. (Denn wozu brauchte man den Hauptspiegel oder andere leistungsstarke Instrumente auf diese lächerlich kurze Entfernung?)

Darling schaute also – wie in alten Zeiten – durch die Linse, indem er sein Auge auf das Okular drückte. Was er dort erkannte, erwies sich im übrigen als äußerst ungenügend. Er ließ darum, auch, um seine eigene Objektivität und sein Urteilsvermögen zu wahren, den ganzen optisch erfaßbaren Vorgang auf einen der Nebenschirme überspielen. Damit alle, jedenfalls, soweit damit beschäftigt, erkannten, was gerade auch ihn, Joseph Darling, vor ein nicht gelindes Rätsel stellte. Und womit dann ausgerechnet auch noch Frank Hilvers bestätigt wurde.

Wie hatte der zweite Astronom doch gleich gesagt: Wir können ihn nicht finden, Chef, den Kleinplaneten TARTAR.

Und nun ging es auch seinem Vorgesetzen, Joseph Darling so, und nicht nur ihm, sondern allen, die verabredungsgemäß auf die einschlägige Monitorfläche starrten.

»Da«, versetzte Strothmann, der III. Offizier, wie in heller Entrüstung, »hätte er sein müssen.«

»Aber da ist er nicht mehr«, fügte er hinzu.

Um ratlos, verärgert, verzweifelt zu enden: »Demnach ist er verschwunden.«

»Was«, murmelte der III. Offizier weiter, so, als ob er Selbstgespräche führe, »wieso kann ein Kleinplanet verschwinden? Weil er so klein ist?«

»Das ist ja lächerlich«, beantwortete er seine eigene, fast unhörbare Frage. »Aber weg ist er.«

Er ließ nicht locker, denn da wälzte sich etwas durch seinen Kopf.

»Das ist ja unglaublich. Oder«, knurrte er, »haben wir die Koordinaten verwechselt?«

»Wahrscheinlich«, ereiferte er sich, »das kann ja gar nicht anders sein. Da liegt ein Irrtum vor. Das kommt ausgerechnet immer bei den wichtigsten Dingen vor. Ich erinnere mich, wie eine Raumsonde der USA vor langer Zeit einfach deswegen verschollen ist oder zu allermindest mißgeleitet wurde, weil man für die Entfernung die falschen Meilen-Zahlen eingegeben hatte. Die rechnen nämlich nicht mit Kilometern, wie es weltweit üblich ist, sondern mit besagten Meilen. Und da verfügen sie gleich über drei verschiedene Sorten. Das heißt, weltweit selbstverständlich ist also die Kilometer-Angabe auch nicht, aber es ist einfach vernünftiger, sich auf ein Einheitsmaß zu verständigen.«

»Was«, Strothmann, der III. Offizier, gab sich einen Ruck, »der Kleinplanet TARTAR ist verschwunden?«

»Hannes?«

»Sie werden es nicht glauben, Chef«, sagte der II. Offizier, Köhler, den sein Chef, Ketteler, allerdings auf dessen Aufforderung hin angerufen hatte.

»Was nicht glauben, Hannes?«

»Also schwerkraftmäßig, Chef.«

»Ja, was ist damit, Hannes?«

»Also, daß der Kleinplanet TARTAR verschwunden ist, Chef.«

»Ja, Hannes, Sie wußten es?«

»Ja, Chef, aber.«

»Woher wußten Sie es? Haben Sie durch die Linsen hinausgeschaut, so, wie die Astronomen?«

»Uns steht, wie allen, das Rundumbild zur Verfügung, Chef.«

»Aber? Was ist mit der Schwerkraft, Hannes?«

»Ja, nun, Chef, daß sich da etwas tut, das haben wir schon vor jedem Blick auf die Monitore bemerkt, Chef.«

»Ah ja, und auf welche Weise, Hannes?«

»Nun, die Schwerkraft ist verschwunden, und dann wurde sie ersetzt durch ein ganz anderes Kaliber, Chef, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Sie beziehen sich darauf, die geringe Schwerkraft von TARTAR ging verloren, Hannes? Das haben Sie registriert?«

»Ja, genau, Chef«, knurrte der II. Offizier angriffslustig.

»Und dann aber trat eine andere Schwerkraft an ihre Stelle?«

»Ganz genau, Chef.«

»Die von einem wuchtigeren Himmelskörper?«

»Das können Sie wohl sagen.« Und Hannes Köhler, der II. Offizier, schluckte bei dieser Bemerkung.

Denn abgesehen vom Austausch der Schwerkraft – zwischen einem Kleinplaneten und einer deutlich größeren oder massiveren Welt –, woher war dieser letztere Himmelskörper nun überhaupt gekommen?

»Wir hatten ihn nicht in der Peilung«, stellte Jan Ingversen, der I. Offizier, eher hilflos fest, und so, als erkläre dies irgend etwas.

»Wie erklären Sie sich das, Jan?«, faßte Ketteler sofort nach.

Und auch der Kommandant selbst starrte auf die einschlägige Szene. In ihrer nächsten Umgebung hatte sich der Weltraum deutlich verändert. Und in der Tat, das bemerkte man nicht nur an der zu allermindest verschobenen Schwerkraft ringsum, sondern sogar an der Ablenkung des Sonnenlichtes, welches sie und den ABEL wie unbefangen bestrahlte.

»Das ist unmöglich, Chef«, stellte Ingversen, der sich dabei allerdings räuspern mußte, trocken fest.

Ketteler lächelte dünn.

»Ein Planet erscheint, ein anderer verschwindet«, murmelte er versonnen.

Und, fast herausfordernd: »Haben Sie so etwas schon einmal erlebt, Jan?«

»Nein, Chef«, lautete die schlichte Antwort.

»Aber, Jan?«

»Sie meinen, Herr Kapitän, daß die zuständigen Fachleute«, der I. Offizier zögerte etwas, »daß die einschlägigen Experten ihrer Sache nun nicht mehr gewachsen wären, Chef? Ja, spielen Sie darauf an?«

»Demnach sind wir alle diesen uns umgebenden Verhältnissen nicht gewachsen«, mischte sich Hans Köhler, der II. Offizier, ungefragt in die Unterredung ein.

»Den Eindruck habe ich bis zu einem gewissen Grade auch, Hannes«, bestätigte der Kommandant und nickte.

Schweigen trat ein.

»Chef?«, wollte Ingversen dann wissen.

»Jan?«

»Ist das Ihr Ernst, Chef?«

»Daß wir der Lage nicht in vollem Umfang gewachsen wären, Jan?«

»Ja, genau, Chef.« Der I. Offizier schluckte. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Noch niemals, Chef. Erst das Fundstück und dann die Planeten.«

»Was glauben Sie, Chef«, er setzte wieder an, »spielt uns da jemand einen Streich?«

»Wenn es nur das wäre, Jan«, lautete die Antwort seines Vorgesetzten, der, einem unbestimmten Verdacht folgend, seine Worte wohl abwägte.

 

 

2. Kapitel

 

»Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten«, eröffnete Ketteler die nachfolgende Erörterung, insbesondere hinsichtlich der Überlegung, was sie in dieser ungewöhnlichen Lage nun unternehmen sollten.

Der ABEL war ja eigentlich als Forschungsschiff hinausgesandt zu den Sternen. Hier also in die Nähe des Milchstraßenzentrums, von dem man sich eine Fülle an Erkenntnissen versprach. Unter anderem natürlich deswegen, weil sich hier die Sterne ballten. Woraus man von der Erde aus schloß, daß alle Entwicklungen, welche auch den eigenen Planeten betreffen könnten, sich hier, vor Ort, bereits ereignet oder abgespielt hatten. Das hing also von der Entwicklung der Sterne und ihrer Planeten ab. Doch alleine die vorhandene Fülle derselben versprach reichlichen Aufschluß. Das war fast so, als ob man einen Blick in die eigene Zukunft werfen könne.

»Woran dachten Sie, Chef?«, fragte Strothmann, den neu aufgetauchten, mit seiner Schwerkraft an ihnen zerrenden Planeten wohl im Auge.

Der III. Offizier schaute auf die Sichtfläche und wirkte bekümmert.

»Ein Planet aus dem Nichts«, murmelte er dann, eindeutig beunruhigt.

»Unmöglich!«, knurrte er. »Das gibt’s doch gar nicht! Wir müssen ihn irgendwie versäumt haben. Ich meine, das Auftauchen desselben. Er muß schon immer da gewesen sein. Oder stammt der Planet vielleicht wirklich aus dem Nichts?«

»Nein, das kann nicht sein«, beantwortete der III. Offizier seine eigene Frage. »Aus dem Nichts kommt nichts. Auch nicht das Universum. Diese Vorstellung ist ja lächerlich!«

»Nicht wahr«, überlegte Strothmann weiter, »wir haben ihn nur nicht verzeichnet oder aufgenommen. Oder er hat sich – meinetwegen infolge irgendwelcher Schwerkraftanomalien – vorübergehend unserem Zugriff entzogen.«

»Ja, das muß es sein, Chef!«, stellte er fröhlich, fast glücklich fest (denn nun war ihm ja doch noch eine Erklärung gelungen).

»Denn aus dem Nichts«, wiederholte er versonnen, »ist er, der fremde Planet, gewiß nicht gekommen. Wie wollen wir ihn eigentlich benennen?«

»Immer diese Bürokraten«, brummte der Chef-Astronom Darling, auch diese Unterredung verfolgend. »Die Sache interessiert sie im Grunde überhaupt nicht. Hauptsache, sie können das benennen, was es eigentlich gar nicht geben dürfte.«

»Ja, Chef«, sagte Schröder, der Fracht-Chef, auch er in die Unterredung eingebunden. »Uns plagt dieser verflixte, aus dem Nichts gekommene Planet und das Fundstück.«

Letzteres betonte er, denn für dasselbe Frachtstück war ja er verantwortlich, auch wenn er sich dessen regelloses Verhalten (um dies einmal so schlicht zu benennen) nicht zu erklären vermochte.

»Ja, Joseph, was machen die Aufnahmen?«, fragte Ketteler den Chef-Astronomen bezüglich eines Planeten, der wie verschwimmend, zugleich ein wenig zitternd im Raum hing.

»Der wird doch nicht mit einer Bombe verbunden sein?«, erkundigte sich Köhler, der II. Offizier, arglos, indem er sich auf die nachweislich gemessene Unschärfe des fremden Planeten bezog.

»Mache die Leute bitte nicht verrückt, Hans!«, gebot ihm sein Kollege Ingversen, der I. Offizier.

»Verzeihung«, beharrte der Zweite, »aber ich werde zu unserer Sicherheit doch wohl noch Vermutungen anstellen dürfen!«

Der I. Offizier schwieg darauf. Denn einen solchen Planeten hatte auch er noch nie in Augenschein genommen. Und das wollte, wenn man alleine ihre lange Anreise auch durch den Zwischenraum bedachte, schon etwas heißen.

»PLICA«, schlug Hilvers, der zweite Astronom, vor.

»PLICA, Frank?«

»Ja, Joe. Das heißt auf Deutsch ›Falte‹.«

»Das schlägst Du als Namen des Planeten vor, Frank?«

»Ja, Joe, das wäre meine Meinung.«

»Weil er sich so unruhig verhält, wie wir es hinsichtlich anderer Brocken oftmals bei der Durchquerung des Zwischenraums erleben?«

»Ganz genau, Joe.«

»Und wegen der Faltung des Raumes oder vielmehr des Zwischenraumes?«

»Genau, Joe.«

»Sie haben es vernommen, Herr Kapitän?«

»Habe ich, Herr Astronom.«

»Und, wie stehen Sie dazu?«

»Gut, meinetwegen, soll er, zumindest vorläufig, PLICA heißen. Dann haben wir wenigstens einen Namen für ihn und können ihn ohne Umstände bezeichnen. – Joseph, was machen die Aufnahmen von PLICA?«

»Ja, sieht schlecht aus, Chef, doch betrachten Sie es bitte selber.«

Da rollte die fremde Welt, die soeben einen Namen erhalten hatte, vor ihnen groß auf dem Bildschirm herauf.

»Aber das ist nicht so, wie wir es gewohnt sind«, meldete nun auch Morowski von der Fracht-Abteilung seine Bedenken an.

»Kannst Du irgend etwas erkennen, Werner?«, fragte er unmittelbar seinen Vorgesetzten.

»Wieso glaubst Du, PLICA könnte ausgerechnet mit einer Bombe verbunden sein, Hannes?«

»Also, das folgere ich auf Grund seines Verhaltens«, erwiderte der II. Offizier, Köhler, eher trotzig (man muß sich ja behaupten).

»Und sonst noch, mein Lieber?«

»Was meinst Du mit sonst noch, Jan?«

»Nun, Du mußt doch irgend einen Hinweis haben, der Dich auf diesen verwegenen Gedanken bringt. Ich meine, abgesehen von PLICAS in der Tat etwas seltsamem Verhalten.«

»Du meinst, er verhält sich seltsam, wenn wir ihn nicht richtig oder vermutlich gar nicht erkennen können?«

»Gut, ich verstehe schon, was Du meinst«, räumte Ingversen, der I. Offizier, ein.

»Und Du meinst jetzt«, setzte er hinzu, »da draußen im Weltraum und insbesondere, das muß ich zugeben, in mutmaßlich hoch entwickelten Zonen, da ist alles möglich. Oder man muß jedenfalls so ziemlich mit allem rechnen?«

»Warum nicht, Jan?«

»Und darum ist PLICA also mit einer Bombe verbunden, Hannes?«

»Das habe ich so nicht gesagt, Jan.«

»Sondern?«

»Sondern, ich gehe schlicht und einfach davon aus, daß die anderen – denen wir hier vermutlich begegnen dürften – uns in jeder Hinsicht weit voraus sind.«

»Zugegeben«, räumte der I. Offizier ein. »Was aber die gemutmaßte oder unterstellte Bombe betrifft, Hannes, dann gehst Du als davon aus, daß die anderen ähnlich wie wir sind, nur eben deutlich höher entwickelt. Indem sie also«, sann Ingversen, »alle möglichen Mittel zur Kriegsführung benutzen.«

Er ereiferte sich bei diesem Gedanken. »Und wir stoßen dann auf ihre Hinterlassenschaften.«

»Da gibt es nämlich noch einen anderen Punkt«, erwähnte Köhler.

»Die Spieluhr, Hannes?«

»Wenn Du das gefundene Dinge so nennen willst, Jan.«

»Und der andere Punkt wäre das unschlüssige Verhalten des Fundstücks, Hannes?«

»Nicht wahr, beide Gegebenheiten, PLICA und der Fundgegenstand, so ganz normal sind die beiden nicht. Darum wird man ja wohl noch etwas spekulieren dürfen, oder vielleicht nicht?«

»Doch das darf man, Hannes«, räumte der I. Offizier unwillig ein.

»Da ist etwas, Chef!«, rief, ganz aufgeregt, der I. Astronom Darling.

Na endlich, dachte Ketteler, der Kommandant, bei sich. Das war ja auch Zeit. Wir hängen hier im normalen Weltraum, unter oder bei uns die herüberschwappende Dünung des Zwischenraumes – und diese Leute behaupten, daß sie infolge der unscharfen, verwackelten Bewegungen auf diesem stattlichen Planeten nichts erkennen könnten.

»So, was denn, Joseph?«

Der Chef-Astronom schnaufte.

»Sehen Sie selbst, Herr Kapitän!«, erklärte er dann und wies mit knapper Handbewegung auf den Großschirm.

Das Bild auf ihm zitterte bisher ähnlich wie der Planet PLICA ganz in ihrer Nähe. Doch jetzt schälte sich aus den unklaren Umrissen auf der gewaltigen Fläche etwas heraus, das ihnen irgendwie bekannt vorkam.

Diana Fowler, die II. Ingenieurin, war vor dem Großschirm zugegen, während ihre Kollegin, Sylvia Bellmann, die I. Ingenieurin, bei dem Fundgegenstand verweilte, um welchen sie sich in ihrer Eigenschaft als Hauptverantwortliche für solche auch zweifelhaften Fragen kümmern sollte.

Und jetzt ließ die I. Ingenieurin tatsächlich ihre eigene Arbeit ruhen. Sie wies sogar die Kollegin vom technischen Dienst, Michaela Müller, an, nunmehr ihre Finger von dem seltenen Objekt zu lassen. Denn Letztere konnte, wie es schien, nicht damit aufhören, dieses zu berühren oder abzutasten (so, als ob man ausgerechnet auf diese primitive Weise mehr an Erkenntnissen über das Objekt gewinnen könne).

»Sieht wie ein Gesicht aus«, stellte die Bellmann kühl fest.

»Wie ein menschliches Gesicht«, setzte die Fowler, von einer Überraschung in die andere stürzend, hinzu.

»Was ist das, Joseph?«, wollte Ketteler von ihrem Chef-Astronomen und Verantwortlichen für die Bilder und alle entsprechend gewonnenen Eindrücke schlicht und einfach wissen.

»Verstehen Sie das, Herr Kapitän?«, fragte dieser arglos zurück.

Dabei drückte er seine Augen begierig auf eins der Okulare (wie, um auf diese Weise per Fernaufklärung noch ein zusätzliches Quäntchen an Informationen über die verdächtige Erscheinung zu gewinnen).

»Ist das ein Mann?«, fragte die Bellmann mit zweifelndem Unterton in der Stimme.

»Ein Mann«, bestätigte der III. Offizier, Strothmann.

»Er hat Haare, wo Du keine hast, meine Liebe«, bemerkte, leicht unverschämt, die Fowler.

»Worauf beziehst Du Dich, Diana?«

»Seht Ihr das, auf der Oberlippe trägt er nämlich ein geschniegeltes Bärtchen«, lautete prompt die Erklärung.

»Ach ja«, gab die Chefingenieurin unumwunden zu.

»Sagt er etwas, Joseph?«

»Sieht so aus. Er bewegt jedenfalls die Lippen.«

»Verstehen wir davon irgend etwas, Jan?«

»Sie beziehen sich auf die Entschlüsselung der eindeutig von ihm geäußerten Worte, Käpten?«

»Ja, genau. Nun?«

»Derzeit unmöglich, Käpten.«

»Weil uns die Vergleichsgrößen und mithin die Anhaltspunkte fehlen?«

»Genau, Chef.«

»Aber die Laute, die Geräuschkulisse, sie läßt sich selbstverständlich aufzeichnen und speichern?«

»Ja, Chef, wie üblich, wenn wir Signale aus den substellaren Zonen empfangen.«

»Wie klingt das, Chef?«, wollte die Bellmann von der Frachtabteilung her wissen.

»Klingt wie ein selbstzufriedenes, nein, sogar triumphierendes Raunen, Sylvia.«

»Von Störungen im Zwischenraum abgesehen«, ergänzte Köhler.

»Dabei sieht er doch wie einer von uns aus«, stellte wiederum die I. Ingenieurin mit Blick auf den ihr verfügbaren Bildausschnitt fest.

Dabei sah sie Michaela Müller strafend an, die, ungeachtet dieser wirklich sensationellen Aufnahmen vom Planeten PLICA, ihre Finger nicht von dem Fundgegenstand lassen konnte.

»Waren Sie schon einmal so richtig zufrieden, Chef?«, wollte der II. Offizier, Köhler, wissen.

»Sie meinen, Hannes, so wie der Mann auf der Aufnahme da?«

»Ja, Chef, in der Tat, genau so wie der da.« Hans Köhler nickte.

»Dann würde ich genau so zufrieden dreinschauen?«

»In etwa, Chef.«

»Und woher wollen Sie wissen, daß das eine Aufnahme ist, Chef?«, erkundigte sich nun wiederum die II. Ingenieurin.

»Was soll es sonst sein, Diana?«

»Weil er sich sprunghaft bewegt?«, fragte die Fowler zurück.

»Zum Beispiel.«

»So, als ob das Ganze in einem Kopierstudio zusammengeschnitten wäre?«

»Eigenartig«, stellte Hilvers, der II. Astronom, fest.

»Frank?«

»Das ganz Bild ist oder wird unscharf, Chef. Sehen Sie das? Die Konturen des Mannes verschwimmen.«

Auch Strothmann, der III. Offizier, ächzte bei dem sich auflösenden Anblick.

»Jedenfalls«, versetzte er, »wissen wir jetzt, wie sie aussehen.«

»Oder ausgesehen haben«, bemerkte Köhler, von dem der Vorschlag des mit einer Bombe verbundenen Planeten stammte.

»Joseph?«

»Chef?«

»Haben Sie nicht früher schon etwas von diesem Planeten PLICA oder seiner Umgebung oder seiner Einbettung in die zwischenräumlichen Zonen aufnehmen oder entnehmen können?«

»Das ist zu viel verlangt, Chef«, erwiderte Darling leicht entrüstet (nicht wahr, das war fast unverschämt, das nahezu Unmögliche von ihm und seinen Mitarbeitern zu verlangen).

Den Kommandanten kümmerte das nicht. »Wegen der Fülle an Sonnen und auch an Planeten in dieser Umgebung, Joseph?«

»Ja, Chef. Vielleicht«, der Chef-Astronom zögerte jetzt, »vielleicht liegen einige wenige Aufnahmen oder wenigstens Eindrücke von PLICA vor. Das würde ich nicht völlig ausschließen wollen.«

»Aus der Ferne aufgenommen, Joseph?«

»Ja, Distanzaufnahmen, Chef, Käpten.«

»In der Datenbank, Joseph?«

»Ja, Chef, eben dort.«

»Denn nichts, was wir je ausfindig gemacht haben, geht je verloren?«

»Ganz genau, Chef, nichts geht verloren.«

»Aber der Mann da, Chef«, versetzte Ingversen zögernd.

»Der mit dem Bärtchen, Jan?«, fragte Ketteler herausfordernd.

»Ja, Chef.«

»Wo ist er abgeblieben? Hat ihn jemand gelöscht, bitte?«

»Tatsächlich«, stellte die Chefingenieurin Bellmann fest, »eben noch grinste er selbstzufrieden, dann ist er plötzlich aus dem Bild verschwunden. Wie ist so etwas möglich?«

»Das beruht auf Störungen in der Empfangsqualität, Sylvia, oder es liegt am Rauschen im Raume?«, vermutete ihre Kollegin.

»Das Bild ist einfach abgerissen, Chef«, stellte der Chef-Astronom fest. »Ich meine, ganz ohne äußerliche Einwirkung oder eine ähnliche Erklärung.«

»Wissen Sie, was mir daran auffällt, Chef?«, wollte die II. Ingenieurin wissen.

»An dem Mann mit dem geschniegelten Bärtchen, Diana?«

»Ja, Chef. An demselben.«

»Nein, ich weiß nicht, was Ihnen an ihm auffällt, Diana.«

»Diese selbstsichere Grinsen, Chef. Ist Ihnen das nicht auch schon aufgefallen? Er wirkte doch so von sich überzeugt.«

»Du meinst also in Wirklichkeit, schmierig, Diana?«, wollte die Chefingenieurin von ihrer Kollegin wissen.

Diese erklärte sich mit dieser Auffassung einverstanden, indem sie versetzte: »Ja, schmierig, so kann man es bezeichnen.«

»Also, jemand hat das Bild weggenommen«, wiederholte hartnäckig Hilvers (das ließ ihm anscheinend keine Ruhe).

»Oder abgebrochen«, überlegte der II. Astronom weiter.

»Da ist ein Schnitt in dem Film da«, sann er.

»Erst war der Mann da«, flüsterte er fast ergriffen, »dann ist er verschwunden.«

»Und zwar«, das beschäftigte den II. Astronomen, nämlich, als ereigne sich höchst persönlich ein Wunder vor seinen Augen, »weggenommen.«

»Können Sie das nicht zurückspulen, Joseph?«, wollte Ketteler vom Chef-Astronomen wissen (um Anhaltspunkte für das Geschehen zu erlangen).

»Können wir, Chef«, bestätigte dieser.

»Dann tun Sie das bitte!«

»Von Anfang an, da der Mann mit dem geschniegelten Bärtchen erscheint, Chef?«

»Ganz genau, Joseph.«

»Wird gemacht oder versucht, Chef.«

»Also, vorwärts, bitte!«

»Also, das ist TARTAR?«, wollte Ketteler unmittelbar zu Beginn der Rekonstruktion wissen.

Die Aufzeichnung dessen, was sie soeben noch gewärtigt hatten, glitt auf einem Nebenaspekt des Schirms vorüber. Der verschwommene Kleinplanet und Fundort ihres Gebrauchsgegenstandes oder Spielzeugs, TARTAR, war wieder erschienen.

»Das war TARTAR, Herr Kapitän«, erwiderte, tief Atem schöpfend, der Chef-Astronom (als könne er das, was er vortrug, selbst nicht glauben).

»Kommt das eigentlich vor«, erkundigte sich Ingversen, der I. Offizier, belustigt, »daß Planeten so ganz einfach erscheinen und wieder verschwinden?«

»Fehler in der Aufzeichnung oder Kommunikation?«, fragte Köhler, sein Kollege von der Führungsmannschaft.

»Meinen Sie, eine fremde Macht hat da ihre Hände mit im Spiel?«, wollte die Bellmann, desgleichen leicht belustigt, wissen.

»Wenn ja«, versetzte die Fowler, ernsthaft auf diesen Gedanken eingehend, »wo sind sie?«

»Ich vermag«, ergänzte die II. Ingenieurin, »auf diese kurze Distanz nichts von ihnen zu erkennen.«

Pause. Planeten erscheinen und verschwinden. Ob das an der Aufnahmequalität liegt? Wohl kaum!

»Wie haben wir die Trophäe geborgen?«, gedachte dann wiederum Hans Köhler, der II. Offizier, in Erfahrung zu bringen (das Geschehen vor kurzer Zeit und insbesondere den eigentlichen Fundort einigermaßen vor Augen).

Jakob Ketteler seinerseits starrte das unverfälschte wieder gewonnene Bild an. »Holen Sie bitte den Bergungsvorgang der Trophäe in einer Nahaufnahme heran, Joseph, ist Ihnen das möglich?«

»Ich hole alles, was real aufgezeichnet wurde, heran, Chef«, erwiderte Darling gehorsam.

»Also los, Joseph, worauf warten Sie!«, erfolgte prompt die eindringliche Aufforderung.

»Sehr wohl, Chef!«

Werner Schröder, der Fracht-Chef, rückte demnach erneut ins Blickfeld, diesen Befehl zu befolgen. Man wollte also die Bergung der Trophäe nochmals nachvollziehen. Man hatte der Einfachheit halber Schröder und seine Mitarbeiter beauftragt, den Kleinplaneten TARTAR – nach vorheriger sorgfältiger Inspektion – nach brauchbaren Spuren von Rohstoffen oder gar von Artefakten zu untersuchen. Und natürlich all jene zu bergen, welche man mittlerweile aufgespürt hatte (mögliche Rohmaterialien konnten gerne warten). Dafür setzte man zunächst niemanden von der Besatzung den Gefahren des Weltraums aus, indem man Personal in die unbekannte Umgebung hinausschickte. Sondern man griff selbstverständlich zu künstlichen Hilfsmitteln wie Robotfahrzeugen und dergleichen.

»Weißt Du, wie mir dieser Kleinplanet vorkommt?«, wollte Michaela Müller vom technischen Dienst, längst zusammen mit der Bellmann bei ihrem geborgenen Fundstück, wissen.

»Wie denn, Micha?«

»Ziemlich rauh und kantig«, erklärte die Frau vom technischen Dienst voller Überzeugung.

»Du meinst schroff, Micha?«

»Ja, genau, Sylvia.« Die Müller nickte.

»Und wie, glaubst Du, sind diese Kantenformen entstanden?«, forschte die Bellmann weiter.

»Das ist die Frage«, antwortete die Müller verhalten.

»Sieht wirklich ziemlich schroff aus«, erklärte, sich einmischend, der III. Offizier, Strothmann.

»Oder sah so aus«, berichtigte ihn wiederum Köhler, sein Kollege, indirekt auf das jähe Verschwinden des Kleinplaneten hinweisend.

»Wie gesprengt«, murmelte Strothmann nachdenklich.

»Ja, seht Ihr das auch? Erweckt den Eindruck einer Detonation«, versetzte der III. Offizier schnaufend. »Gibt oder gab es da nicht auch noch andere Trümmer, welche in dieser Gegend im Weltraum herumschwirren? Frank, was sagst Du dazu?«

»Vor der Annäherung haben wir die ganz Gegend abgesucht und erkundet«, erwiderte der II. Astronom.

»Und, was ist dabei herausgekommen?«

»Nun ja«, der II. Astronom, Hilvers, sträubte sich innerlich etwas.

»Trümmer, Bruchstücke und dergleichen«. räumte er dann ein.

»Und worauf läßt dieser Fundbestand schließen?«

Joseph Darling, mit Blick auf die allerdings aufschlußreiche Rückschau, wies diese Frage ab. »Auf gar nichts.«

»Sie meinen, Herr Kollege, es handelt sich dabei um stellare Bruchstücke, vergleichbar mit Asteroiden oder Kometen, wie sie auch in der Nähe unserer Erde in größerer Zahl herumzuschwirren pflegen, Joseph?«, faßte Ketteler nach.

»Ziemlich sicher, Chef«, antwortete der Chef-Astronom.

»Worauf spielen Sie an, Karl?«, fragte der Kapitän dann seinen III. Offizier, obwohl er sich das sehr wohl denken konnte.

Indes, er wollte es von diesem durchaus nochmals in aller Deutlichkeit vernehmen.

»Nun ja, Chef«, antwortete Karl Strothmann zögernd, »ich meine, wie wäre es, wenn all diese Brocken – oder zu allermindest ein Großteil von ihnen – zusammengehören würden? Nun, was denken Sie, Chef?«

»Daß sie zu einem einzelnen Objekt gehören oder gehörten, Karl, ja, ist es das, worauf Sie sich beziehen?«

»Und wenn dem so wäre, Chef?«

»An welches Objekt denken Sie, Karl?«, fragte Ketteler, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, streng zurück.

»Nun, natürlich an einen einzelnen kompakten Körper, Chef«, lautete unverzüglich dessen Antwort.

»Der sich gewissermaßen aufgelöst hat, Karl?«

»Na ja, aufgelöst oder so etwas ähnliches, Chef.«

»Sie meinen gesprengt, Karl? Daß das unterstellte Objekt gesprengt wurde und daß seine Trümmer jetzt in dieser nach wie vor begrenzten Umgebung durch den Raum wirbeln, Karl?«

»Und warum nicht, Chef?«

Nun mischte sich auch erneut Hans Köhler ein.

»Ein Planet als Bombe, oder mit einer Bombe verbunden?«, erkundigte er sich nämlich wieder.

»Gut, Hannes«, erwiderte der Kommandant zögernd. »Aber selbst, wenn es so wäre, wie Sie behaupten, wenn also eine Bombe in irgend einer Weise hier ins Spiel kommt, warum sollte jemand auf diese Art einen – ich vermute das doch – ganzen Planeten in die Luft jagen wollen? Oder jedenfalls in den luftleeren Raum befördern?«

»Ja«, der Kommandant faßte nach, »ergibt das für Sie oder für irgend jemanden sonst einen Sinn?«

»Sich selbst«, fügte er hinzu, »oder die Lebensgrundlage anderer zu zerstören?«

»Das läßt sich feststellen, Chef«, warf Jan Ingversen, der I. Offizier, einigermaßen verwegen ein.

»Indem wir die vermeintlichen Trümmerteile genauer durchleuchten und untersuchen, Jan?«

»Ganz genau, Chef«, bestätigte dieser. »Dann werden wir ja feststellen, ob sie zusammengehören. Oder vielleicht nicht.«

»Joseph?«

»Chef?«

»Was die entsprechenden Trümmerteile betrifft, Joseph.«

»Chef?«

»Welche, so entnehme ich das doch, eindeutig um TARTAR schwirrten.«

»Und?«, wollte Darling unverdrossen wissen.

»Sind da jetzt«, der Kommandant schluckte, »auch noch welche um den Planeten PLICA vorhanden? Ich meine«, er atmete tief durch, »sie, diese Trümmer oder was auch immer, das war oder ist gleichzeitig um den Kleinplaneten vorhanden. Oder vielleicht nicht?«

»Doch, Chef«, versicherte der I. Astronom Joseph Darling. »Wir haben sie jedenfalls bereits bei der Fernerkundung, sagen wir mal, bis zu gewissen Graden auf- oder wahrgenommen.«

»Und jetzt, Joseph, um oder bei diesem neuen Planeten, den es eigentlich gar nicht geben dürfte?«

Der Chef-Astronom schnaufte jetzt selber.

»Keine Trümmer irgend welcher Art um den Planeten PLICA oder in seiner Nähe«, verkündete er. »Jedenfalls keine auffälligen, Chef.«

»So, wie jene um TARTAR, Joseph?«

»Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen, Chef.«

»Diese eindeutig vorhandenen Bruchstücke, als solche darf ich sie doch wohl bezeichnen, sie sind uns also nur noch in der Retrospektive, in der Aufzeichnung der jüngsten Vorgänge verfügbar?«

»Sieht so aus, Chef«, bestätigte Darling.

»Also läßt sich da nicht allzuviel auf Zusammengehörigkeit der Trümmer überprüfen«, seufzte Ketteler.

»Wir könnten einen gewissen Aufschluß mit Hilfe der Radio-Karbon- Methode erlangen, Chef«, versicherte nun Diana Fowler, die II. Ingenieurin.

»Hinsichtlich der Trümmer oder Brocken, Diana?«

»Ja, Chef.«

»Auf die Ferne, Diana?«, fragte Ketteler, obwohl er gleichzeitig an den Fracht-Chef und dessen Einholmanöver denken mußte.

»Ja, Chef, das ist nicht nur per Peilung bis zu einem gewissen Grade möglich.«

»Sie beziehen sich da auf die emittierten radioaktiven Gitter der Abstrahlung, Diana?«

»Ja, Chef. Alles und jedes gibt – selbst in der Aufzeichnung feststellbar – ein Muster oder Merkmal von sich. Danach können wir peilen.«

»Gut«, verkündete Ketteler ergeben. »Aber da sollte es ja noch eine andere direkte Methode geben.«

»Chef?«

»Lassen Sie uns diese radioaktiven sowie alle übrigen Meßwerte bezüglich TARTAR, aber auch hinsichtlich seiner kosmischen Umgebung ermitteln!«, forderte er dann.

»Chef?«, fragte die Fowler wißbegierig.

Der Kommandant hingegen wandte sich wieder an Werner Schröder, den Fracht-Chef. Denn im übrigen erinnerte er sich gerne an dessen eigenmächtiges Vorgehen, das ihnen jetzt allerdings in der Tat gewisse Vorteile einbringen sollte.

»Werner?«

»Chef?«

»Sie haben doch das Fundstück geborgen, Werner«, eröffnete Ketteler.

»So ist es, Chef«, erwiderte, äußerst zurückhaltend, dieser.

Worauf sein höchster Vorgesetzter wohl hinaus wollte? Na ja, das war nicht schwer zu erraten. Auf die Bergung nicht nur des Fundstücks, sondern – in diesem Zusammenhang – auch auf die Bewertung gewisser mineralischer Aufschlüsse. Aber nun, war das nicht selbstverständlich?

»Das Fundstück, welches sich gewissermaßen selbständig machte, Werner?«

»So ist es, Chef«, bestätigte treuherzig der Fracht-Chef.

»So etwas habe ich noch nie erlebt«, fügte er hinzu. »Ein Material oder Aggregat, das sich selbst einlagert. Unvorstellbar! Und zwar ausgerechnet dort«, nun überschlug sich der Fracht-Chef beinahe mit seinen Worten, »wohin es tatsächlich gehört.«

»Sie haben da nicht nachgeholfen, Werner?«, faßte der Kommandant nochmals nach.

»Mein Gott, Herr Kapitän«, verwahrte sich dieser sich. »Wo denken Sie hin!«

»Das würde«, fügte er, sichtlich außer sich geratend, hinzu, »im übrigen allen unseren gängigen Vorschriften widersprechen. Unangemessen Hand an ein Fundstück zu legen.«

»Gut«, stellte Ketteler versöhnlich fest. »Aber Sie haben ja nicht nur das Fundstück geborgen, Werner, oder?«

»Nein, natürlich nicht, Chef«, lautete glatt und anstandslos die Antwort.

»Sondern, Werner?«

»Nun, Chef, Sie habe es ja selbst gesehen.«

»Brocken aus der Umlaufbahn von TARTAR und von diesem Kleinplaneten selber, Werner?«

»So ist es, Chef.«

»Aber?«

»Nun, die Bergung von Schrott – Verzeihung, ich meine von Müll oder vielmehr von kometenhaften Bruchstücken – aus dem Weltraum ist trotz aller verfügbaren ferngesteuerten Spitzentechnologie nicht so einfach möglich, Chef, wenn Sie mich verstehen.«

Jakob Ketteler verstand schon.

»Aber Sie haben«, setzte er nach, »jedenfalls durch den Raum um TARTAR schwirrende Trümmerstücke oder Asteroiden-Fragmente geborgen?«

»Haben wir, Chef«, versicherte, nach wie vor stolz auf die erbrachte Leistung, Schröder.

»Und was ist mit diesen, Werner?«

»Sie meinen, Chef«, nun mußte Werner Schröder, der Fracht-Chef, beinahe lachen, »ob auch diese sich gewissermaßen wie von selber in die Boxen, wohin sie gehören, wo sie überhaupt noch erst untersucht werden sollen, begeben haben?«

Und er lachte wieder, allerdings jetzt eher verdrießlich.

»Und, Werner? Haben diese Bruchstücke so etwas wie einen eigenen Willen erwiesen?«, wollte der Kommandant aufreizend gemütlich wissen.

Der Fracht-Chef prustete nun.

»Sie haben sich verhalten, wie es sich für taubes oder totes Material gehört, Chef!«, verkündete er.

»Also keine widersinnigen Reaktionen wie bei der Trophäe, Werner?«

»Nein, Chef, keine absurden Reaktionen wie bei der Trophäe.«

»Danke, Werner! Ich komme darauf später nochmals zurück.«

Das klang jedenfalls wie eine Ermahnung. Etwa, weil der Fracht-Chef seine Kompetenzen – wohlgemerkt, zum Vorteil und Nutzen des Schiffes – wenigstens ein klein wenig überschritten hatte.

»Danke Ihnen Chef«, verkündete Schröder, an Gegenstände, welche sich selbständig machten, denkend.

»Noch eine Frage, Werner.«

»Chef?«, erkundigte sich Schröder (Fragen kostet ja nichts, dachte er bei sich).

»Zur späteren Untersuchung«, bemerkte der Kommandant eher unbestimmt.

»Dieser um TARTAR im übrigen unter schwierigsten Bedingungen geborgenen Fundgegenstände, Chef?«

»Ja, genau, mein Lieber. Nun, was ist damit? Ich meine, ist so etwas – untersuchungshalber – bereits durchgeführt worden?«, gedachte Ketteler in aller Unschuld in Erfahrung zu bringen.

»Nein, noch nicht so richtig, Chef«, lautete die Antwort.

»Was heißt das nun wieder, Herr Schröder?«

»Nun«, der Fracht-Chef zögerte etwas. »Dafür wäre die Zeit in jedem Fall zu knapp bemessen gewesen, Chef, wenn Sie erlauben.«

»Aber?«, fragte Ketteler, im übrigen stolz auf seine durchaus unternehmungslustigen Leute.

Dafür konnte er sie brauchen, dafür hatte man sie ja gezielt mit an Bord genommen. Allerdings sollte es auch keiner wagen, sich über seinen Kopf hinwegzusetzen.

»Nun, es wurde eine erste provisorische Untersuchung eingeleitet, Herr Kapitän, routinemäßig, versteht sich.«

»Erste provisorische Untersuchung?«

»Nun, ich habe Ole ein paar Bruchstücke der geborgenen Materie zukommen lassen.«

»Dem Astro-Chemiker, Physiker und vor allem dem Material-Wissenschaftler Ole Gunlaugh, Werner?«

»Ja, genau dem, Chef.«

»Und was ist bei dieser ersten Expertise herausgekommen, Werner?«

»Weiß ich auch noch nicht, Chef«, bekannte Schröder.

»Aber?«

»Aber er will sich melden.«

»Danke, Herr Schröder. Sie waren mir von großem Nutzen!«

»Das höre ich gerne, Herr Kapitän.«

»Ole?«

»Chef?«

Der Wissenschaftler wirkte, so plötzlich angesprochen, wie aus einem Traum gerissen.

»Ole, Werner Schröder hat Ihnen Beipack-Material von TARTAR zukommen lassen?«

»Richtig, Chef, hat er«, erwiderte der Angesprochene.

»Und? Haben Sie und Ihre Leute dasselbe schon einer Untersuchung unterzogen, Ole?«

»Haben wir, Chef.« Der Wissenschaftler nickte.

»Und, Ergebnis, Ole?«

»Nun, zwei Sachen, Chef.«

»Zwei Sachen, Ole? Was meinen Sie damit? Worauf beziehen Sie sich?«

»Nun, die eine ist nahliegend, Chef.«

»Das Verhältnis des verschwundenen Kleinplaneten in Beziehung auf den Beipack?«

»Ja, ganz genau, Chef.«

»Beide Sorten Material entsprechen einander, gehören demnach zusammen?«

»Ganz genau, Chef.«

»Das können Sie feststellen und ermessen, auch wenn der Kleinplanet verschwunden ist?«, erkundigte sich Ketteler, der sich alleine bei dieser Frage selbst schon unwohl fühlte.

Nicht wahr, da verschwindet ein Teil des Universums aus der unmittelbaren Umgebung, sei es ein kleiner oder ein großer Brocken, das ist doch ganz unmöglich!

»Wir haben von dem vorhandenen Material, das sich ja leicht auswerten ließ, über die ebenfalls gesicherten genauen Aufnahmen von TARTAR – ich meine von seiner Oberfläche und Beschaffenheit – auf diesen Kleinplaneten zurückgeschlossen, Chef.«

»Und durch diese – wenn auch in gewisser Hinsicht ungewisse oder auch fragwürdige – Methode eine Übereinstimmung beider Partien gefolgert, Ole?«

»So ist es, Chef, und zwar ziemlich eindeutig.«

Der Wissenschaftler, er fühlte sich anscheinend in seiner Ehre angegriffen, blies die Backen auf.

»Gut, Ole, Kleinplanet und Brocken gehören demnach zusammen. Sie bildeten also ursprünglich eine Einheit, aus welcher beide Größen entsprangen.«

»Genau so ist es, Chef!«, bestätigte Gunlaugh mit sich rötenden Ohren.

»Also aus einem größeren Objekt stammen beide, Ole?«

»So muß es wohl sein, Chef.«

Und dann kam natürlich die entscheidende Frage von Seiten des Kommandanten: »Haben Sie Ihre mit einer gewissen Vorsicht zu genießenden Meßmethoden und der Fernerkundung demnach auch auf PLICA angewendet, Ole?«

»Haben wir, Chef. Das ist ja – eben über die aufnahmetechnische Fernerkundung – zunächst einmal ein Leichtes.«

»Und, Resultat, Ole?«

»Nun, Sie werden es nicht glauben, Chef.«

»Was nicht glauben, Ole?«

»Nun, deswegen wollten wir uns umgehend bei Ihnen melden.«

»Aber die Meldung ist unterblieben, Ole?«

»Ja, gut, Chef, das ist schon erstaunlich. Darum arbeiten wir mit mehreren Rückversicherungen.«

»Ja, gut, ich verstehe. Und was im Vergleich der Beziehung TARTAR mitsamt Trümmern zu PLICA ist so umwerfend, Ole?«

»Die Übereinstimmung, Chef«, lautete die glatte Antwort.

»Zwischen Groß- und Kleinplanet, Ole?«

»Ja, ganz genau, Chef.«

Jakob Ketteler, der Kommandant des Schiffes, sann für einen Augenblick über die letzte Mitteilung nach.

»Aber kann es nicht sein, daß ohnehin alles die Planeten und Kleinplaneten betreffende Material ganz ähnliche oder gar dieselben Strukturen aufweist? Weil ja gewissermaßen alles aus demselben Universum stammt, Ole?«, wollte er dann wissen.

»Letzteres ist richtig, Chef«, lautete die knappe Antwort.

»Aber, Ole?«

»Nun, das ändert nichts daran, daß die Beschaffenheit des letztlich aus derselben Quelle stammenden Materials in sich gehörige Unterschiede aufweist.«

»Und, was hat der Vergleich der beiden untersuchten Planeten insofern erbracht, Ole?«

»Nun, wenn man sich das – trotz ungesicherter Grundlagen insbesondere der Fernaufklärung, das will ich gerne zugeben – atomar in der Mikrostruktur betrachtet, dann gibt es da die üblichen Unterschiede, je nach eingebrachter feiner Probe.«

»Von denen es ja wohl nicht viele geben dürfte, Ole?«

»Nein, Chef, so weit sind wir noch nicht. Aber das Material ist ausreichend für eine erste Abschätzung.«

»Und was stellten Sie jenseits der üblichen Unterschiede, wie Sie es nennen, fest, Ole?«

»Nun, natürlich eindeutige, nein, ich möchte sagen, unwiderlegbare Gemeinsamkeiten, Chef!«, gab der Materialwissenschaftler fast triumphierend von sich.

»Unbestreitbare Gemeinsamkeiten, Ole?«

»Ja, Chef, daran gibt es keinen Zweifel!«

»Und woran, genau, besteht kein Zweifel, Ole?«, fragte Ketteler eher bange, der die Antwort schon längst wußte oder zu allermindest ahnte.

»Nun, an der Gemeinsamkeit der Materialproben und mithin der Zugehörigkeit beider Weltkörper zueinander, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf, Chef.«

»TARTAR und PLICA, sie gehören aufs Engste zusammen, Ole?«

»Mehr als nur eng, Chef«, verkündete Ole Gunlaugh einmal mehr triumphierend.

»Und wie eng denn also, Ole?«, bohrte der Kommandant, sich Gewißheit verschaffend, unverdrossen nach.

»Nun, Chef«, der Materialwissenschaftler leckte sich begierig die Lippen, »enger geht’s gar nicht.«

Jakob Ketteler seufzte. Daß man immer alles an Informationen aus den Leuten herauspressen mußte.

»Enger geht’s nicht, Ole? Was heißt das nun wieder?«

»Nun, ich meine damit«, erwiderte Gunlaugh (und schluckte allerdings selbst bei dem Gedanken), »dieser Kleinplanet und der Großplanet, Herr Kapitän, das ist – allen unseren Messungen nach – ein und dasselbe. Also«, er wurde jetzt unruhig, »ich meine damit, es gibt oder gab nach unseren Erkenntnissen nicht zwei solcher getrennter Objekte im Weltraum.«

»Sondern, Ole?«

»Sondern, es bestand immer nur eines, Herr Kapitän.«

»Obwohl es jetzt zwei sind – oder waren, Ole?«

»Ich weiß«, den Materialwissenschaftler überkam das Gefühl, sich jetzt zur Wehr setzen zu müssen, »das klingt verrückt, aber anders kann man die molekulare Wesensverwandtschaft, nein, die entsprechende Übereinstimmung beider Körper – und natürlich der sie umschwirrenden Brocken – nicht begründen.«

 

 

3. Kapitel

 

»Und, was halten Sie nun davon, Chef?«, wollte Ingversen, der I. Offizier, von seinem höchsten Vorgesetzten wissen.

»Die beiden gehörten zusammen«, erwiderte Ketteler knapp.

»TARTAR und PLICA?«

»So ist es, Jan.«

»Und dann wurden sie getrennt?«, erkundigte sich Ingversen wieder begierig.

»Sieht so aus, Jan.«

»Aber auf welche Weise? Ich meine«, nun schluckte auch der I. Offizier bei diesem Gedanken, »mit TARTAR entsteht ein ziemlich ungehobelter Brocken, der demnach – gemäß aller Ermittlung – ursprünglich zu PLICA gehörte. Oder vielleicht nicht?«

»So sieht es wohl aus, Jan.«

»Ob uns die Trümmer, welche TARTAR umschwirren – oder ich meine natürlich, die ihn umschwirrten – darüber Aufschluß zu geben vermögen?«, warf Strothmann, der III. Offizier, ein.

»Nun, alleine, daß es sich um zahlreiche vereinzelte, indes insgesamt zusammengehörige Bestandteile handelt, wirft ja schon ein bezeichnendes Licht auf die Szene«, versetzte jetzt Sylvia Bellmann, die I. Ingenieurin.

Hans Köhler, der II. Offizier, lachte.

»Planeten oder dergleichen«, gab er zu bedenken, »lösen sich ja nicht freiwillig oder gewissermaßen von selbst auf, nicht wahr, sondern sie oder die sie bildende Materie, sie streben doch vielmehr zusammen.«

»Hannes, wie kamen Sie auf den Gedanken, daß dies alles mit einer Bombe zusammenhängen könnte?«, wollte Ketteler von seinem Zweiten wissen.

»Also, wenn man sich dieses zerrissene Raumgebiet so anschaut, Herr Kapitän«, antwortete dieser trocken, »dann muß man ja auf so einen oder auf einen ähnlichen Gedanken kommen.«

»Womit das Hauptproblem nicht gelöst wäre«, warf Ingversen ein.

Das sah sein Vorgesetzter genau so.

Trotzdem fragte er: »Worin besteht das Hauptproblem, Ihrer Ansicht nach, Jan?«

»Nun«, antwortete dieser, »einmal im Verschwinden dieses Kleinplaneten, und dann im völlig überraschenden, nein, ich möchte sagen, im völlig unnötigen oder auch überflüssigen Erscheinen des Großplaneten.«

»Und Sie meinen nicht, daß unsere Meßgeräte uns dabei einen Streich gespielt haben oder noch immer spielen könnten, Jan?«

»Aber erlauben Sie mal, Herr Kapitän«, verwahrte sich Joseph Darling, der Chef-Astronom, an dieser Stelle. »Glauben Sie wirklich, wir wären nicht imstande, über die Okulare mit unseren eigenen Augen höchstselbst in den Weltraum zu spähen, wenn schon die elektronische Feinabstimmung versagen sollte?«

»Die Elektronik spinnt immer«, bemerkte Köhler geringschätzig.

»Nun, immer kannst Du nicht sagen, Hannes«, wies ihn die Chefingenieurin zurecht.

»Aber des öfteren, Sylvia?«

»Na ja«, bequemte sie sich einzuräumen, »jedenfalls häufiger, als wir denken. Das muß man zugeben.«

»Die Elektronik führt ein Eigenleben, Madam?«, wollte Ketteler von seiner I. Ingenieurin zuvorkommend wissen.

»Wie alle Elektronik und wie alles, was in irgend einer Weise elektrisch leitet, Herr Kapitän«, lautete die ernüchternde Antwort.

»Wie ist das mit unseren Köpfen, Madam?«, faßte Ketteler nach.

»Inwiefern, Herr Kapitän?«

»Nun, Sie werden doch zugeben müssen, daß sich auch in unseren Köpfen etwas Elektrisches verbirgt?«

»Wie man vom Elektro-Enzephalographen sehr wohl weiß«, meldete sich Köhler erneut triumphierend zu Wort.

»Sie wollen das eindeutig aufgezeichnete Problem – nämlich das Verschwinden sowie das Auftauchen eines Planeten, egal, ob nun groß oder klein – auf diese Weise erklären, Herr Kapitn?«, wollte Diana Fowler, die II. Ingenieurin, an dieser Stelle wissen.

»Sie meinen«, schob der II. Offizier entwaffnend nach, »daß wir alle spinnen? Und daß sich das Problem auf diese Weise gewissermaßen von selber auflöst?«

»Wie bewältigen wir das Problem?«, wollte nun auch Ingversen, der I. Offizier, wissen.

Auch ihm war ungemütlich, fast mulmig zumute. Denn vor solch einer Schwierigkeit – war es denn ein echtes Rätsel? – hatten sie in all den Jahren – jedenfalls seiner Beteiligung an der Raumfahrt – noch nie gestanden.

»Indem wir alles uns verfügbare Material auswerten, Jan«, erteilte Jakob Ketteler bereitwillig Auskunft.

»Aha«, sagte der Erste, auf PLICA starrend.

»Das«, erklärte er dann, mit dem Finger auf den Bildschirm und auf den auf demselben abgebildeten Himmelskörper deutend, »ist dann ja wohl die erste Fundstelle oder Spur in diesem Unterfangen. Oder sehe ich das nicht richtig?«

Köhler versetzte: »Wir haben das Ding ja direkt vor der Nase. Besser kann es gar nicht gehen, oder vielleicht doch?«

»Und seine Bewohner«, warf die Fowler unerschrocken ein.

»Du beziehst Dich auf den Mann mit dem Bärtchen?«, erkundigte sich Strothmann.

»Der spöttisch und anmaßend auf uns geblickt hat, als wolle er uns verhöhnen, das sollten wir nicht vergessen«, ergänzte er.

»Er hat doch etwas gesagt«, überlegte Ketteler. »Heinz?«

»Chef?«

Der Linguist und Sprachforscher, Heinrich Fröhlich, aufgerufen, meldete sich prompt zur Stelle. Seine Erforschung und Vermittlung von Sprachen stellte eigentlich nur einen Nebenaspekt seiner Tätigkeiten dar. Denn wer hätte bei aller hochgespannten Erwartung schon gedacht, daß er, der sich sonst mit psychologischen und selbst medizinischen Fragen befaßte, sich ausgerechnet auf diesem, ihm allerdings sehr am Herzen liegenden linguistischen Gebiet werde bemühen müssen.

»Haben Sie inzwischen die aufgefangene oder abgeschöpfte Sprechblase entschlüsseln können, Heinz?«