Annelie wehrt sich gegen die Liebe - Gloria von Felseneck - E-Book

Annelie wehrt sich gegen die Liebe E-Book

Gloria von Felseneck

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Der Garten war der Schönste von Klein Rossewitz, einem Dorf mit 306 Einwohnern, einer schlecht gepflasterten Straße und mehr oder weniger ansehnlichen Häusern. In ihm wuchsen inmitten weiter Rasenflächen und umgeben von einer niedrigen Ligusterhecke prächtige Stauden, Rosen in allen Farben und Formen, blühende Sträucher und eine Unmenge von Zwiebelblumen, angefangen von den zierlichen Schneeglöckchen bis hin zu den zartlila Herbstzeitlosen. Edith Reimer war sehr stolz auf diesen Garten, nachdem sie ihn nach dem Tod ihres wesentlich älteren Mannes erst mit ihrer Hände Arbeit zu einem wahren Schmuckstück hatte werden lassen. Der Verstorbene hatte aber auch so gar keinen Sinn für die Gartengestaltung nach englischem Vorbild gehabt und Blumen nur als Unkraut angesehen und Gräser als Kuhfutter bezeichnet. Nun ja, er hatte es nicht besser gewusst und mit seinem Bauernhof immerhin soviel verdient, dass sie nach dem Verkauf desselben und einer für sie angelegten Rente recht gut leben konnte. Üppig allerdings nicht, denn die Hälfte seines Besitzes erbte Annelie, ihr einziges Kind. Ein Mädchen, das ihrem Mann leider allzu ähnlich war, das lieber las oder arbeitete, als zur Disco zu gehen, und kaum Anklang bei den Jungen des Dorfes fand. Nur den Sinn für schöne Möbel, kostbare Vorhänge, Teppiche und alles, was zu einem gepflegten Heim gehörte, hatte sie von der Mutter geerbt. Landwirtin war sie allerdings nicht geworden, sondern Kauffrau, und hatte in der nur acht Kilometer entfernten Kreisstadt eine gute Stellung. Selbstverständlich wohnte Annelie noch zu Hause. Wo denn sonst? An einen eigenen Hausstand war leider nicht zu denken. Ja, wenn sie so aussehen würde wie ihre Cousine Nelly – mit hübscher Oberweite und langen schlanken Beinen –, wenn sie blonde Locken, himmelblaue Augen und einen herzförmigen Mund gehabt hätte, dann hätte ihr sicher so mancher Mann einen zweiten Blick gegönnt. Doch Annelies Haare waren einfach nur braun, waren glatt und sahen im Grunde genommen nach Nichts aus. Ihre Augen waren grau und eigentlich recht schön, aber hinter der Brille kaum zu sehen. Gewiss, sie war recht hübsch und schlank auch, aber mit Nelly natürlich nicht zu vergleichen. Das Schlimmste aber war, dass ihre Tochter so gar nichts an sich hatte, was einem jungen und heiratswilligen Mann gefallen würde, sie war viel zu ernst, konnte nicht flirten und nicht tanzen. Das arme Kind, es war genauso still und unbeholfen wie sein Vater. Edith Reimer, die an diesem Nachmittag verblühte Blumen abschnitt, seufzte bei diesen Gedanken, wurde aber im gleichen Augenblick auf eine junge Frau aufmerksam, die über den Rasen lief und sie gleich darauf stürmisch umarmte. Dabei flüsterte sie aufgeregt: »Mario will mich heiraten, Tantchen.

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Leseprobe: Enttäuscht – verfolgt – verliebt!

Alexandra von Waldenburg sah sich im Spiegel an, dann schüttelte sie den Kopf. Nein, das war sie nicht! Hier hatte sie einfach zu tief in den Farbtopf gegriffen. Sie ging nicht zu einem Fernsehauftritt, wo sie wegen der vielen starken Scheinwerfer mehr als üblich geschminkt sein musste. Sie wollte zu Mike fahren, und der kannte sie eigentlich eher naturgelassen und würde sich sehr wundern, sie so zu sehen. Also herunter mit allem. Als Alexandra sich wenig später wieder ansah, war sie zufrieden. Ja, das war sie. Ein wenig Wimperntusche, Rouge und Lippenstift, das reichte vollkommen. Das passte auch zu der beigen Leinenhose, dem weißen T-Shirt und der leichten Sommerjacke. Und die Haare? Mit denen machte Alexandra auch kurzen Prozess und bürstete sie nur einfach glatt herunter. Jetzt konnte sie zufrieden sein. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, welche Schnapsidee sie in die Tat umsetzen wollte. Es war verrückt! Aber dennoch wusste Alexandra, dass sie, wenn sie es jetzt nicht tun würde, die Finger ganz davon lassen würde. Sehr eilig verließ sie ihre privaten Wohnräume und rannte die Treppe hinunter. Zum Glück sah sie niemanden vom Personal, der Köchin hatte sie Bescheid gesagt, dass sie zum Essen nicht daheim sein würde, und im Gegensatz zu Klara, die noch immer Urlaub hatte, schien es deren Vertretung nichts auszumachen. Im Gegenteil, Alexandra hatte den Eindruck, dass sie froh darüber war, wenn sie zum Essen nicht zu Hause war, das ersparte der Guten Arbeit. Für Klara war ihr Beruf im wahrsten Sinne des Wortes Berufung.

Fürstenkrone Classic – 8 –

Annelie wehrt sich gegen die Liebe

Ist sie für den Sohn des Barons nicht nur eine Affäre?

Gloria von Felseneck

Der Garten war der Schönste von Klein Rossewitz, einem Dorf mit 306 Einwohnern, einer schlecht gepflasterten Straße und mehr oder weniger ansehnlichen Häusern. In ihm wuchsen inmitten weiter Rasenflächen und umgeben von einer niedrigen Ligusterhecke prächtige Stauden, Rosen in allen Farben und Formen, blühende Sträucher und eine Unmenge von Zwiebelblumen, angefangen von den zierlichen Schneeglöckchen bis hin zu den zartlila Herbstzeitlosen.

Edith Reimer war sehr stolz auf diesen Garten, nachdem sie ihn nach dem Tod ihres wesentlich älteren Mannes erst mit ihrer Hände Arbeit zu einem wahren Schmuckstück hatte werden lassen. Der Verstorbene hatte aber auch so gar keinen Sinn für die Gartengestaltung nach englischem Vorbild gehabt und Blumen nur als Unkraut angesehen und Gräser als Kuhfutter bezeichnet.

Nun ja, er hatte es nicht besser gewusst und mit seinem Bauernhof immerhin soviel verdient, dass sie nach dem Verkauf desselben und einer für sie angelegten Rente recht gut leben konnte. Üppig allerdings nicht, denn die Hälfte seines Besitzes erbte Annelie, ihr einziges Kind. Ein Mädchen, das ihrem Mann leider allzu ähnlich war, das lieber las oder arbeitete, als zur Disco zu gehen, und kaum Anklang bei den Jungen des Dorfes fand. Nur den Sinn für schöne Möbel, kostbare Vorhänge, Teppiche und alles, was zu einem gepflegten Heim gehörte, hatte sie von der Mutter geerbt.

Landwirtin war sie allerdings nicht geworden, sondern Kauffrau, und hatte in der nur acht Kilometer entfernten Kreisstadt eine gute Stellung. Selbstverständlich wohnte Annelie noch zu Hause. Wo denn sonst? An einen eigenen Hausstand war leider nicht zu denken. Ja, wenn sie so aussehen würde wie ihre Cousine Nelly – mit hübscher Oberweite und langen schlanken Beinen –, wenn sie blonde Locken, himmelblaue Augen und einen herzförmigen Mund gehabt hätte, dann hätte ihr sicher so mancher Mann einen zweiten Blick gegönnt.

Doch Annelies Haare waren einfach nur braun, waren glatt und sahen im Grunde genommen nach Nichts aus. Ihre Augen waren grau und eigentlich recht schön, aber hinter der Brille kaum zu sehen. Gewiss, sie war recht hübsch und schlank auch, aber mit Nelly natürlich nicht zu vergleichen. Das Schlimmste aber war, dass ihre Tochter so gar nichts an sich hatte, was einem jungen und heiratswilligen Mann gefallen würde, sie war viel zu ernst, konnte nicht flirten und nicht tanzen. Das arme Kind, es war genauso still und unbeholfen wie sein Vater.

Edith Reimer, die an diesem Nachmittag verblühte Blumen abschnitt, seufzte bei diesen Gedanken, wurde aber im gleichen Augenblick auf eine junge Frau aufmerksam, die über den Rasen lief und sie gleich darauf stürmisch umarmte. Dabei flüsterte sie aufgeregt: »Mario will mich heiraten, Tantchen. Er will mich tatsächlich heiraten.«

Der älteren Frau war bei dieser Attacke die Schere aus der Hand gefallen, doch sie achtete nicht da­rauf, sondern strich der Nichte über den Rücken und schob sie dann sanft von sich.

»Dann gratuliere ich euch sehr herzlich und wünsche euch alles Gute«, fuhr sie anschließend fort. »Und dir wünsche ich von Herzen, dass du mit diesem Mann mehr Glück hast als mit Robert.«

»Ach der …« Nelly winkte lässig ab. »Der ist doch zum Zugeben und hat kaum für meinen Lebensunterhalt gesorgt, am Haus hat er auch nichts gemacht. Mario ist da ganz anders. Der weiß, was er will.«

Edith Reimer kannte Mario Lewerenz kaum und wusste nur, dass er beim Landmaschinenbau als Meister arbeitete und im Gegensatz zu Nellys Ex-Mann handwerklich begabt war.

»Dann will er wohl bei euch einziehen?«, erkundigte sie sich schmunzelnd, während sie nun die Schere aufhob und in den Korb zu den verblühten Blumen legte.

»Ja, natürlich. Es geht ja auch nicht anders. Wir können doch Mutti nicht allein lassen.«

»Nein, das könnt ihr nicht«, gab Edith zurück und atmete insgeheim erleichtert auf. Nun brauchte sie anscheinend nicht mehr zu befürchten, dass ihre stets kränkliche und weinerliche Schwester zu ihr ziehen wollte. »Doch nun komm, ich denke, wir können beide einen Kaffee vertragen.«

»O ja, gern«, zwitscherte Nelly und setzte dann noch leise lachend hinzu: »Wie gefällt dir übrigens mein neues Kleid?«

»Es ist wunderschön«, antwortete die ältere Frau beinahe andächtig. »Blau steht dir sehr gut.«

»Ja, Mario sagt das auch.« Cornelia Holt wartete ab, bis ihre Tante den Korb auf dem Komposthaufen entleert und diesen einschließlich der Schere in den Geräteschuppen gestellt hatte. Danach folgte sie ihr zum Haus, wo sie kurz darauf in der geräumigen Küche saßen und Kaffee tranken. Dazu gab es Kirschkuchen.

»Wenn du willst, kannst du Mario und deiner Mutter ein paar Stücke mitnehmen«, schlug Edith vor, nachdem sie sich beide gestärkt hatten.

Nelly nickte zustimmend und bekannte dann treuherzig: »Da wird Mutti sich aber freuen. Sie sagt immer, keiner kann so gut backen wie du.«

»So etwas kann man lernen. Doch nun erzähle mal, wann ihr heiraten wollt, damit ich mich rechtzeitig um ein passendes Geschenk kümmern kann.«

»Das wird noch dauern, weil Mario leider …« Nellys Stimme begann plötzlich zu zittern, und es schien ihr schwerzufallen, weiter zu sprechen.

»Was hast du denn auf einmal?«, erkundigte sich die Hausfrau bestürzt. »Hat deine Mutter etwas gegen Mario?«

»Nein, eigentlich nicht. Sie ist ja froh, dass ich wieder jemanden gefunden habe, aber sie nörgelt gern und ist manchmal so neugierig. Und recht eng ist es bei uns auch. Deshalb meint Mario, es wäre ihm sehr lieb, wenn wir das Haus noch vor der Hochzeit umbauen lassen würden, damit sie eine separate Wohnung und einen eigenen Eingang hat.«

»Ach, wenn es das nur ist. In der heutigen Zeit bekommt man sehr schnell eine Baufirma. Ihr werdet schon sehen.«

»Ein Umbau kostet aber viel Geld«, warf Nelly bedrückt ein.

»Das muss er natürlich haben. Oder ihr müsst einen Kredit aufnehmen.«

»So viel Geld hat er nicht, seine Eltern auch nicht, und Kredit gibt es nicht, weil er nur allein verdient. Er hat schon bei der Bank nachgefragt. Kannst du uns nicht etwas leihen?«

»Leider nicht, weil mein Geld in einem Rentenfond angelegt ist. Das weißt du doch. Ich komme da nicht heran, beim besten Willen nicht. Außerdem würde ich dann wahrscheinlich kaum noch Rente bekommen.«

Denken war nicht Nellys starke Seite. Sie hatte mit Mühe und Annelies Unterstützung die Hauptschule geschafft und anschließend eine Haushaltsschule besucht. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag hatte sie Robert Holt geheiratet, der weder mit Glücksgütern noch mit Geistesgaben gesegnet war. Er hatte nur Interesse für sein Motorrad gehabt, was seine ehemalige Schwiegermutter heute noch wort­reich beklagte.

Die Unterlippe enttäuscht vorschiebend, sah Ediths Lieblingsnichte in diesem Moment ihrer jammernden Mutter sehr ähnlich. Und ihre Stimme klang genauso, als sie nun hervorstieß: »Ja, natürlich …, daran habe ich gar nicht gedacht. Du bekommst ja keine Rente vom Staat …«

»… weil ich erst 47 und noch lange nicht 67 bin«, ergänzte Frau Reimer trocken, als Nelly nicht weiter wusste. »Aus diesem Grund hat Onkel Hans den Hof noch vor seinem Tod verkauft und so für Annelie und mich gesorgt.«

»Annelie!« Dieser Name schien eine magische Wirkung auf die zukünftige Frau Lewerenz auszuüben. »Ob sie uns etwas leihen würde?«

»Das weiß ich nicht«, entgegnete Edith vorsichtig. »Aber ich werde mit ihr sprechen. Sie braucht das Geld doch vorläufig nicht. Heiraten wird sie nach dem Reinfall mit Ralf Bregenz sowieso nicht …, und sie bekommt es ja auch bald wieder. Dein Mario ist ja so fleißig und wird innerhalb von ein paar Jahren die Summe zurück gezahlt haben.«

»Bestimmt«, versicherte Nelly freudestrahlend. »Nun bin ich beruhigt, denn es geht ja nicht nur um Mutti, sondern auch um uns. Ich glaube, ich bekomme ein Kind.«

»Und das braucht selbstverständlich Platz. Mach dir nur keine Sorgen. Ich werde mit Annelie reden, sobald sie von der Arbeit kommt.«

Cornelia Holt tätschelte daraufhin der Tante liebevoll den Rücken und dachte an das schicke Herbstkostüm, das sie gestern im Schaufenster einer Boutique gesehen hatte. Und dann packte sie den restlichen Kirschkuchen in eine Plastikdose. Es blieb auch nicht ein einziges Stück übrig.

*

Knapp zwei Stunden später, Nelly war längst nach Hause gegangen, um vor dem Fernsehapparat auf ihren Verlobten zu warten, betrat Annelie Reimer ihr Elternhaus und begrüßte die Mutter mit einem »Hallo, Mama« und einem flüchtigen Kuss auf die Wange.

»Ach, da bist du ja, mein Kind«, gab Edith zerstreut zurück und ließ sich bei der Zubereitung des Gurkensalates nicht stören.

Ihre Tochter hatte unterdessen den Küchenschrank geöffnet und fragte nun erstaunt: »Wo ist denn der Kirschkuchen, den du gestern gebacken hast?«

»Den hat Nelly für Mario und Tante Marie mitgenommen.«

Annelie nickte vor sich hin. Ihre Mutter liebte Nelly wie ein eigenes Kind – und unterstützte damit deren Faulheit und Verschwendungssucht. Aber es war zwecklos, sich darüber aufzuregen. So nahm sie sich nur einen Keks und ging dann zu ihrem Zimmer, wo sie die Musikanlage einschaltete, anschließend den eleganten Hosenanzug mit bequemer Hauskleidung vertauschte und dann ihre Blumen goss. Mehr war heute nicht zu tun. Außerdem war sie nach einem langen Arbeitstag müde. Sie würde deshalb früh zu Bett gehen.

Doch daraus wurde nichts. Unmittelbar nach dem Abendessen verkündete ihre Mutter: »Nelly will heiraten und bekommt ein Kind.«

»Na, dann wird Tante Marie ja noch viel mehr zu jammern haben als ohnehin schon.«

»Mag sein, aber Nelly hat nun wieder jemanden, der für sie sorgt. Außerdem ist Mario nicht so wie Robert. Der hat viel Geschick und wird ein Segen für die beiden Frauen sein.«

»Das hoffe ich auch. Gute Nacht, Mama.« Annelie gähnte hinter der vorgehaltenen Hand und wollte die Küche verlassen, doch Edith hielt sie auf, in dem sie hastig sagte: »Sie brauchen Geld für einen Anbau. Tante Marie soll eine separate Wohnung bekommen. Und ein Kinderzimmer brauchen sie auch.«

»Ja und?«

»Sie haben nicht so viel.«

»Dann müssen sie eben sparen oder einen Kredit aufnehmen.«

»Aber, Kind, so einfach ist das nicht.« Annelie bekam nun die ganze Litanei zu hören, die mit den eindringlichen Worten abgeschlossen wurde: »Da müssen wir ihnen doch helfen, nicht wahr? Sie haben doch nur uns.«

»Und wie hast du dir diese Hilfe gedacht?«, fragte Annelie gedehnt. »Willst du ihnen später einen Garten anlegen?«

»Nein, ich würde ihnen gern mit Geld aushelfen, selbstverständlich leihweise. Doch ich komme an meines nicht heran. Da dachte ich, du könntest mal darüber nachdenken, ob du ihnen etwas borgst.

Du brauchst das Geld doch gar nicht …«

Annelie starrte ihre Mutter fassungslos an. »Das meinst du nicht im Ernst.«

»Doch, denk an das Baby. Es braucht Platz.«

»Wenn man kein Geld und große Wünsche hat, soll man sich keines anschaffen. Andererseits könnte Nelly arbeiten gehen. Vielleicht bekommen sie dann doch einen Kredit.«

»Arbeiten? Wo denn? Sie hat nichts Rechtes gelernt und hat überdies mit Tante Maries Pflege genug zu tun.«

»Mama, du weißt ganz genau, dass deine liebe Schwester nur eine eingebildete Kranke ist und sich in dieser Rolle sehr wohl fühlt«, antwortete Annelie ungehalten. »Ich kann mir schon aus diesem Grund gut vorstellen, dass Mario Lewerenz sie nicht in seiner Wohnung haben möchte. Und dass Nelly nichts Rechtes gelernt hat, stimmt nicht so ganz. Sie könnte zum Beispiel bei Dr. Petersen als Haushaltshilfe anfangen.«

»Das heißt, dass du ihnen kein Geld borgen willst«, fasste Edith Reimer mit schrill werdender Stimme zusammen.

»Nein, ich brauche es selbst.«

»Dann löse ich meinen Rentenfond auf. Die arme Nelly und ihre Familie sollen nicht unter deiner Hartherzigkeit leiden.«

Dieser letzte Trumpf wirkte nicht, denn Annelie erwiderte ungerührt: »Du kannst dich sicher erinnern, dass ich dieser Maßnahme schriftlich zustimmen muss. Und das werde ich in keinem Fall tun, denn dein und mein Geld ist für einen Schmarotzer wie Nelly viel zu schade.«

»Nelly ist kein Schmarotzer.«

»Doch, ist sie. Meinst du, ich weiß nicht, dass du ihr jeden Monat Geld zusteckst? Und dieses Geld gibt sie in teuren Boutiquen aus, kauft sich Schmuck und lauter unnützen Kram. Ich habe sie selbst in diesen Geschäften gesehen. Da­rum überlege dir genau, Mama, ob du wirklich so weitermachen willst. Nelly ist nämlich ein Fass ohne Boden. Die bekommt nie genug. Und glaube ja nicht, dass sie noch zu dir kommen wird, wenn du nichts mehr hast. Und sie wird dir auch nicht helfen, wenn du mal krank wirst und sie brauchst.«

Edith überging die Argumente ihrer Tochter und erwiderte lediglich: »Nelly hat eine Familie und wird sich um mich gar nicht kümmern können. Es ist auch nicht notwendig, denn ich habe ja dich. Willst du nicht doch noch überlegen, ob du ihnen etwas leihst? Ich denke, achtzigtausend werden reichen. Wir machen es auch notariell und …«

»Nein, nein und nochmals nein, Mama!« Mit diesen Worten unterbrach Annelie ihre Mutter und setzte dann noch hinzu: »Ich habe Nelly vor drei Jahren tausend Euro geborgt, weil sie angeblich den Führerschein machen wollte. Den hat sie bis jetzt noch nicht, und mein Geld hat sie mir auch nicht wiedergegeben. Frag sie nur und erinnere sie an den Schuldschein.«

»So schnell macht sich ein Führerschein nicht, aber ich werde sie natürlich daran erinnern …, bei Gelegenheit. Eine schwangere Frau soll man nicht aufregen.«

Annelie zuckte nur mit den Schultern und ging dann wortlos hinaus. Ihre Mutter war ja so verblendet, vernarrt und ließ sich von ihrer Nichte immer wieder um den kleinen Finger wickeln. In diesem Fall jedoch würden Nelly, Tante Marie und der ehrenwerte Mario sich selbst helfen müssen. Oder es blieb alles, so wie es war.

*

Der nächste Tag war ein Samstag, an dem Annelie meist länger schlief. Das gemeinsame Frühstück mit der Mutter entfiel ohnehin, da diese stets zum Wochenmarkt fuhr, begleitet von Helmar Jansen, mit dem sie seit einigen Monaten (nach eigener Aussage nur platonisch) befreundet war.

Platonisch?? Daran konnte Annelie nun gar nicht glauben, denn ihre jugendlich wirkende Mama und der vitale Tierarzt waren von so einer Beziehung sicher weit entfernt. Also frühstückte sie allein und war gerade dabei, das gebrauchte Geschirr in die Spülmaschine zu stellen, als ihre Cousine plötzlich in der Küche auftauchte.

»Mein Gott, Nelly, musst du mich so erschrecken?«, rief Annelie leicht verärgert. »Kannst du nicht klingeln?«

»Wozu denn?«, kam es katzenfreundlich zurück. »Ich habe doch einen Schlüssel.«