Atem des Teufels: Teil 2 - Isobel Starling - E-Book

Atem des Teufels: Teil 2 E-Book

Isobel Starling

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Teil 2 von Band 5 der Shatterproof Bond Thriller-Reihe. Bitte Teil 1 von Band 5 zuerst lesen. Ihre Mission führt Sam und Declan von London nach München und schließlich nach Wien, und die beiden landen kopfüber in einem Szenario, das geradewegs aus einem der Thriller-Romane stammen könnte, die sie so lieben – allerdings mit einem verstörend brutalen, sexuellen Dreh! Sam entdeckt schockierende Fakten über James’ Vergangenheit. Während Erik Madsson noch immer im A.L.L.-Hauptquartier gefangen gehalten wird, kommt James die Erkenntnis, dass er besser auf seinen Sohn gehört hätte – den Feind in seinem eigenen Zuhause einzusperren stellt sich als der größte Fehler heraus, den er je begangen hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

INHALT

ATEM des TEUFELS

TEIL 2

SHATTERPROOF BOND #5

Isobel Starling

Aus dem Englischen übertragen

von

Betti Gefecht

www.decentfellowspress.com

Copyright © 2020-2023 Isobel Starling

Aus dem Englischen von Betti Gefecht

ISBN: 9783757929206

Deutsche Erstausgabe

Alle Reche vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Autorin nachgedruckt oder anderweitig verwertet werden. Davon ausgenommen sind Rezensionen: Kurze Passagen können in einer Rezension zitiert werden und als Teil davon auch in Zeitungen oder Zeitschriften abgedruckt werden.

Die Figuren und Ereignisse, die in diesem Buch beschrieben werden, sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2019

by Isobel Starling

Alle Rechte vorbehalten.

Cover Art Design by Isobel Starling

Dies ist eine zweiteilige Geschichte. Bitte lesen Sie den ersten Teil, bevor Sie dieses Buch lesen, da es sonst keinen Sinn ergibt.

Danke.

INHALT

TEIL 2: OPERATION POWDER BURNS

KAPITEL 1 MÜNCHEN

KAPITEL 2 DIE KONFERENZ

KAPITEL 3 GANZ SCHÖN VIEL AUFHEBENS

KAPITEL 4 DER CLEANER

KAPITEL 5 STAND DER MISSION

KAPITEL 6 VERBINDUNGEN

KAPITEL 7 KEINE RUHE

KAPITEL 8 GEHEIMSACHE

KAPITEL 9 OH, VIENNA!

KAPITEL 10 UNGEKLÄRTE ANGELEGENHEITEN

KAPITEL 11 WAS WEIßT DU?

KAPITEL 12 TESTLAUF

KAPITEL 13 TRAUMGARTEN

KAPITEL 14 IM CLUB

KAPITEL 15 HOCH DAS BEIN

KAPITEL 16 KATZE AUS DEM SACK

KAPITEL 17 IM TRAUM

KAPITEL 18 ERINNERUNGEN ZUM FRÜHSTÜCK

KAPITEL 19 RISKANTES SPIEL

KAPITEL 20 KOMPROMAT

KAPITEL 21 ECO-KLEEN

KAPITEL 22 LEKTION

KAPITEL 23 ES IST SO WEIT!

KAPITEL 24 VERSCHLEPPT

KAPITEL 25 DIE AUFLÖSUNG

KAPITEL 26 PERFORMANCE

KAPITEL 27 TU ES!

KAPITEL 28 DUNKLER

KAPITEL 29 FLUCHT

EPILOG TEIL 1

TEIL 2

Über die Autorin

Was bisher geschah:

Sam und Declan begeben sich für den nächsten Abschnitt ihrer Mission, Codename: Powder Burns, nach Wien. Sam begegnet einem Geist aus der Vergangenheit, der Informationen für ihn hat, die ihn an seinem ganzen bisherigen Leben zweifeln lassen.

Declan stimmt zu, sich selbst unmittelbar in die Schusslinie zu bringen, um das Ziel der Mission zu erreichen. Aber er er wird dabei einige Geheimnisse entdecken, die nicht nur Sir James, sondern auch sein Sohn bisher zurückgehalten haben.

Sir James Aiken hat dieses Mal nicht alle Karten in der Hand, und er muss schon bald erkennen, dass es der größte Fehler seines Lebens war, einen Auftragskiller in seinem eigenen Haus gefangen zu halten.

****

TEIL 2:

OPERATION:

POWDER BURNS

KAPITEL 1

München

Declan nahm ein Taxi vom Josef Strauss Flughafen in München. Sehr zu seiner Erleichterung war der Fahrer nicht geschwätzig, und Declan konnte während der dreißig Minuten langen Fahrt zum Hotel in aller Ruhe die Ereignisse auf dem Drilsink-Gelände Revue passieren lassen, deren Zeuge er sieben Tage zuvor geworden war.

Declan hatte ursprünglich gedacht, die Londoner Zelle von Öko-Rev wäre nur ein Haufen selbstgerechter Studenten der gehobenen Mittelschicht und ein paar Fanatiker, die die Welt retten wollten – mit Darius Clarke als ihr heimlicher, verehrter Anführer. Aber er hatte sich gründlich getäuscht. Etwas viel Übleres war hier im Gange. Becky Saunders war verschwunden. A.L.L. konnte sie nicht aufspüren, weder in dem sicheren Haus in Richmond, noch in ihrem offiziellen Wohnheim oder zuhause in Bristol. Und sie war auch zu keinem ihrer Kurse am Imperial College wieder erschienen. Declan fragte sich, ob sie untergetaucht war, denn nach dem, was er mit eigenen Augen gesehen hatte, hatten sich die Erzeugnisse ihrer Handwerkskunst als sehr viel zerstörerischer herausgestellt, als irgendjemand erwartet hatte.

Vier der Saboteure waren festgenommen und verhört worden. Darius Clarke ging seiner Wege und schien über das Verschwinden seiner Kampfgenossen nicht weiter besorgt zu sein. Er stand unter Beobachtung, und machte einfach so weiter wie bisher, ging seiner normalen Routine am Imperial College nach. Noch immer hatte A.L.L. keine Informationen über die Identität des Organisators der Gruppe. Aber da Declan nun wusste, dass Öko-Rev Zugang zu Geld und Plastiksprengstoff hatte und dass Becky Saunders eine trainierte Bombenbastlerin war, interessierte ihn mehr als je zuvor, was die Gruppe langfristig im Schilde führte. Declan wollte wissen, wer Becky in Wien ausgebildet hatte. Und wohin war sie nach dem Anschlag auf Drilsink verschwunden?

Declan starrte aus dem Fenster auf die streng konstruierte Landschaft des deutschen Industriegebiets, das an ihm vorbeirauschte. Aber er sah nur die Bilder vor seinem inneren Auge, den Anblick der blutenden und schreienden Demonstranten, die von Darius Clarke wie Schafe zur Schlachtbank geführt worden waren. Es war ein wahres Wunder, dass bei dem Anschlag niemand ernsthaft verletzt oder gar getötet worden war. Das Schlimmste waren ein paar gebrochene Handgelenke und Finger bei denen gewesen, die panisch versucht hatten, aus den Handschellen und Fesseln zu kommen, mit denen sie sich ans Tor gekettet hatten. Dazu kamen einige Schnitte und Blutergüsse von herumfliegenden Trümmerteilen, sowie Hörschäden von den ohrenbetäubenden Explosionen.

Die Nachrichtensender stürzten sich auf die Geschichte, aber „niemand bekannte sich öffentlich zu dem Anschlag“. Und zu Declans Ärger gab A.L.L. seine Informationen nicht an die Strafverfolgungsbehörden weiter. Den Grund dafür konnte er nicht verstehen – immerhin hatten sie vier der sieben Bombenleger und Filmbeweise. James hätte die Terroristen und die Beweise ans SO15 liefern können – die Anti-Terror-Abteilung der Regierung – und A.L.L. wäre alle Verantwortung für Operation Fire Angel los gewesen. Aber das war nicht geschehen, und Declan war sicher, dass Sir James Aiken irgendetwas im Schilde führte.

Die Reise nach München war im Zusammenhang mit seiner Tarnidentität als Dr. Tobias Hunter seit langem geplant gewesen. Aber es ging dabei um mehr als um einen Vortrag zum Thema Fracking. Declan hatte erst an diesem Morgen auf seinem Weg zum Londoner Flughafen die vollständigen Anweisungen für die Münchner Mission bekommen. Ein Team von A.L.L. sollte den Hauptredner der Konferenz beobachten – ein Mitglied der griechischen Regierung namens Georgios Xenelis. Er war der Vorsitzende der internationalen Umweltkommission, und sein Bericht enthielt angeblich Daten, die nicht nur Auswirkungen auf James’ Investments im Energiesektor haben würden, sondern auf den gesamten Energieweltmarkt. Sir James wollte eine Kopie dieses Berichts, bevor er an die Öffentlichkeit gelangte. Declan würde diesen Job zusammen mit den Agenten Finlay, Strauss und Kimura koordinieren.

Das Taxi bog auf den Promenadeplatz ein, eine ruhige, von Bäumen gesäumte Straße im Zentrum der Münchener Altstadt, und hielt vor dem Hotel Bayerischer Hof.

Es war ein 5-Sterne-Grandhotel, berühmt nicht nur für seine Architektur, seinen Stil und Service, sondern auch, weil es Gastgeber der jährlichen Munich Security Conference war. Es war der größte Kongress seiner Art, und unter den Teilnehmern waren Staatsoberhäupter und Regierungen, sowie hochrangige Repräsentanten der Streitkräfte, Wissenschaften, Wirtschaft und Medien. Sir James Aiken nahm jedes Jahr daran teil und kannte den Veranstaltungsort gut. Hier war es, wo viele seiner Hinterzimmergeschäfte abgeschlossen wurden.

Declan stieg aus dem Taxi und wartete, während der Fahrer sein Gepäck aus dem Kofferraum holte. Er schaute nach rechts und links, sog die frostige Herbstluft ein und betrachtete die seltsam friedliche Straße mitten in Münchens Innenstadt. Das Hotel lag in einer Fußgängerzone, und so fehlten der Lärm und die Hektik, die man von einer so zentral gelegenen Örtlichkeit erwartet hätte. Es war Ende November, und überall in Deutschland hatten die Weihnachtsmärkte ihre Pforten geöffnet. Die Bäume am Straßenrand waren mit bunten Lichterketten geschmückt, und Declan war sicher, dass sie bei Einbruch der Dunkelheit magisch aussahen. Einwohner und Touristen spazierten durch den kleinen Park gegenüber des Hotels. Eine Straßenbahnlinie verlief unaufdringlich mitten durch den Park, und die Häuser auf der anderen Straßenseite wurden von hohen, alten Bäumen verdeckt, die der ganzen Straße ein geschütztes Gefühl verliehen.

Declan drehte sich um und hob den Blick hinauf zu dem blauen Hotelschild und der herrlichen, klassischen Fassade mit ihren einförmigen Reihen ordentlicher Panoramafenster. Das Hotel war ein weitläufiger Komplex mit 337 Zimmern, vierundsiebzig Suites, einem Theater, einem Kino und diversen Restaurants, Bars, Sälen und Konferenzräumen.

„Das macht fünfundzwanzig Euro, der Herr. Nur Bargeld“, informierte ihn der Taxifahrer.

„Danke.“ Declan zog die nagelneuen Geldscheine aus seiner Lederbrieftasche und reichte sie dem Fahrer. Ein Hotelportier erschien und lud Declans zwei Koffer auf einen Gepäcktrolly. Auch wenn Declans falscher Pass Hunters Namen trug, war es angenehm gewesen, Dr. Tobias Hunter für eine Weile los zu sein und einfach nur anonym zu reisen. Nun aber musste Declan wieder in seine Rolle schlüpfen.

Als er sein Spiegelbild im polierten Glas der Drehtür sah, die in die Lobby führte, wurde Declan abrupt daran erinnert, wer er sein sollte. Eine Sekunde lang erkannte er den bebrillten Mann nicht, dessen Spiegelbild seinen Blick erwiderte. Die Veränderungen an seiner äußeren Erscheinung ließen ihn älter aussehen als seine fünfunddreißig Jahre. Sein eigentlich naturschwarzes Haar war nun grau-meliert, und er trug einen Pony. Ein bisschen sah die Frisur aus wie auf einem Friseurplakat aus den Achtzigern, nur ohne das breite Grinsen. Declans faszinierende, silbergraue Augen waren hinter einer Brille mit Metallfassung verborgen. Seinen auffälligen, dunklen Vollbart hatte er abrasiert, und stattdessen trug er einen falschen, grau-melierten Ziegenbart im Van Dyke-Stil. Er trug verwaschene Blue Jeans, ein hellblaues Hemd und ein knitteriges, beigefarbenes Jackett. Und um den ungepflegten Eindruck zu vervollständigen, hatte er abgelatschte, braune Lederschuhe an den Füßen.

Als er die Lobby betrat, fiel ihm als Erstes der riesige Christbaum in der Mitte unter der atemberaubend schönen Glaskuppel auf. Das war nicht einfach nur luxuriös. Dieses Hotel war wie ein Palast.

Zu Declans Linken befanden sich zwei lange Mahagoni-Tresen, einer für den Concierge, der andere für den Empfang. Vasen mit langen, weißen Lilien schmückten die Tresen, und auf beiden standen übergroße Teller mit mundgerechten Stücken von traditionellem, glasierten Lebkuchen in Herzform zum Knabbern für die Gäste. Es herrschte geschäftiges Treiben in der Lobby, und die Gäste schienen sich gern hier aufzuhalten, um einen Tee zu trinken, die Zeitung zu lesen oder einfach nur Leute zu beobachten.

Eine Werbetafel neben einer der tragenden Marmorsäulen verkündete, dass die zweitägige Global Ecology Conference im Theater Komödie im Bayerischen Hof im Erdgeschoss stattfinden würde. Der Portier schob das Gepäck zum Empfangstresen, und Declan folgte ihm.

****

Declans Zimmer hatte die Nummer 261. Er war ziemlich beeindruckt, als er die Suite betrat. Links ging es in einen begehbaren Kleiderschrank und dann weiter in ein großes, exzellent ausgestattetes Marmorbadezimmer mit Whirlpool. Gegenüber vom Bett führte eine Doppeltür in einen geräumigen, hellen Sitzbereich, dessen Einrichtung mit Akzenten in Creme und Apricot einen sehr freundlichen und eleganten Eindruck vermittelte.

„Heilige Scheiße, es gibt sogar ’n Kristallkronleuchter!“, rief Declan aus. Es wunderte ihn, dass Dr. Hunters Status derartigen Luxus erlaubte – alles bezahlt von der Universität.

Ein Weidenkorb mit frischem Obst und eine Flasche Prosecco in einem Weinkühler mit zwei Gläsern standen auf dem Esstisch. Declan pflückte zwei der saftigen, roten Trauben ab und warf sie sich in den Mund. Ja, hier ließ es sich sehr angenehm verweilen. Nervös wegen der bevorstehenden Mission hatte Declan an diesem Tag nicht viel gegessen, aber nach den beiden Weintrauben erwachte sein Magen und knurrte hungrig.

Seit dem Anschlag auf Drilsink war Sam von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. Das war jetzt eine Woche her. Also hatte Declan nun diese opulente Suite ganz für sich und niemanden, mit dem er sie teilen konnte. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Und ganz gewiss gefiel ihm nicht, dass Sam dieser Tage immer wieder von der Bildfläche verschwand. Es machte ihn unsicher und nervös.

Declan ging zurück ins Schlafzimmer und schloss die Doppeltür zum Wohnbereich hinter sich. Er ermahnte sich, dass er zum Arbeiten hier war und keine Zeit zum Entspannen hatte. Declan beschloss, den Tag zu nutzen. Erst einmal Essen bestellen, dann auspacken und duschen. Und danach würde er sich auf den ersten Tag der Konferenz vorbereiten.

Zwanzig Minuten später ertönte ein lautes Klopfen, und eine Stimme rief: „Zimmerservice!“ und riss Declan aus seinen organisierten Gedanken. Sein militärisch gepackter Koffer lag auf dem Bett, die Kleidung und Accessoires ordentlich aufgereiht und bereit, in dem großen, begehbaren Schrank verstaut zu werden.

Declan ging zur Tür und schaute durch den Spion. Ein Kellner in der schwarzen Uniform des Bayerischen Hofs mit blütenweißem Hemd und bestickter Krawatte stand neben einem Servierwagen vor der Tür. Der Mann hatte den Blick gesenkt; das Warten schien ihn zu langweilen. Er griff nach einer der silbernen Hauben, die das Essen bedeckten und warf einen Blick auf den Teller darunter. Als Declan die Tür öffnete, ließ der Mann erschrocken los, und die Haube klapperte zurück auf den Teller.

„Hallo, kommen Sie rein“, sagte Hunter auf Deutsch, drehte sich um und kehrte zum Bett zurück, ohne den Kellner weiter zu beachten. Unter dem Klimpern und Klappern von Glas und Porzellan rollte der Servierwagen ins Zimmer. Die Tür wurde zugezogen und schloss sich mit einem Klicken. Declan, der ganz in seinem zwanghaften Bedürfnis nach Ordnung versunken war, fuhr damit fort, seine Kleidung zu organisieren. Er nahm ein Hemd und fädelte es auf einen Kleiderbügel.

„Wo möchten Sie essen, der Herr? Ich kann in der Lounge decken oder hier am Tisch.“

„Ich werde hier essen. Danke.“

Unangenehmes Schweigen senkte sich, während der Kellner zwei Gedecke auf dem Tisch arrangierte und die Speisen zum Tisch trug. Dann stellte er sich neben den Servierwagen, ein weißes Tuch über den Arm drapiert.

„Äh-hemm“, räusperte er sich auffällig.

Declan drehte sich um. Einen Moment lang hatte er ganz vergessen, dass er nicht allein im Zimmer war. Er musterte den Kellner. Schwarzes, pomadiges Haar mit Seitenscheitel und ein dunkler, gestutzter Bart umrahmten ein jung aussehendes Gesicht.

„Ach, Entschuldigung. Ja, ich muss unterschreiben. Und dann gebe ich Ihnen etwas für Ihre Mühe, natürlich …“, sagte Declan zerstreut.

„Ich will doch sehr hoffen, dass du’s mir gibst“, schnurrte der Kellner.

Declan schaute ihn verblüfft genauer an, dann brach er in lautes Lachen aus.

„Jesus, Sam! Stalkst du mich jetzt auch noch?“, rief er aus. Ein Schaudern purer Freude durchfuhr seinen Körper, als er Sam in die Arme nahm. Sam ergab sich der Umarmung und den Küssen, und er konnte gar nicht wieder aufhören zu lachen.

„Du wirst mich nicht los. Ich wollte mit dir zu Abend essen, und das war die einzige Möglichkeit für mich, das hinzukriegen.“

Declan küsste Sam begierig, und es war Sam, der sich widerwillig aus den Armen seines Ehemannes löste.

„So gern ich das Thema auch vertiefen würde – wir haben Arbeit zu erledigen.“

„Oh.“ Enttäuscht ließ Declan ihn los.

„Ich habe unsere Zielperson im Auge behalten. Georgios Xenelis“, sagte Sam.

„Hast du das? Ich freue mich schon auf den Hauptvortrag – Global Affairs: The Future of Oil Production”, schwärmte Declan.

Sam schürzte die Lippen und warf Declan einen genervten Blick zu.

„Was?“, schnaufte Declan leicht entrüstet darüber, dass Sam seine Begeisterung über einen zweistündigen Vortrag zum Thema Schwarzes Gold so gar nicht teilen konnte.

„Du präsentierst Hunters Bericht am Dienstag nach Xenelis, richtig?“

„Aye, Gott steh mir bei.“

„Wir müssen an diese Kopie kommen, bevor Xenelis seine Rede hält. Er wird um drei Uhr die Bühne betreten. Daher bleiben uns nur vierundzwanzig Stunden, um an eine Kopie zu kommen.“

„Hat er schon eingecheckt?“

„Ja, er ist in Suite Nummer 263, zwei Türen weiter.“

„Und wer is’ in dem Zimmer dazwischen? Seine Bodyguards?“

„Nein, die sind weiter den Korridor hinunter. Im Zimmer nebenan wohne ich, um genau zu sein.“

„Wie haste das denn geschafft?“

Sam tippte sich an die Nase und zwinkerte.

„Die Kellnerverkleidung war nur ein kleines Geschenk für dich, Buttercup. Ansonsten aber …“, sagte Sam, dann fuhr er mit dem schwärmerischen, deutschen Akzent seiner Rolle fort: „… bin ich dein Praktikant hier bei der Konferenz. Oskar Müller, Student der Geowissenschaften an der Universität Frankfurt.“

„Ist das so?“ Tobias Hunters Gesicht leuchtete auf.

„Ja, Sir. Zu Ihren Diensten, was immer Sie wünschen. Ich bin sehr beflissen, Ihnen zu gefallen und von Ihnen zu lernen“, sagte Oskar Müller.

„Was immer ich wünsche?“, wiederholte Hunter anzüglich.

„Oh ja, Sir. Ich kann es gar nicht erwarten, von einem so erfahrenen Geologen wie Ihnen etwas zu lernen. Ich kann Ihre Tasche tragen, Notizen machen, Fotokopien anfertigen, Kaffee holen. Ich kann Ihnen sogar die Schultern massieren, wenn Sie gestresst sind. Sie wissen schon, die üblichen Pflichten eines Praktikanten.“

„Also is’ das Einzige, was massiert wird, meine Schultern?“ Declan lachte, dann beugte er sich vor und küsste Sam erneut. Es war ein seltsames Gefühl, ihn zu küssen, während sie beide falsche Bärte trugen. Sams Versuche, sich einen natürlichen Bart wachsen zu lassen, waren für gewöhnlich im besten Falle lachhaft, und Declan fand es irgendwie angenehm und ungewöhnlich, das Kitzeln eines Bartes an seinen Lippen zu spüren.

„Wir essen vielleicht lieber erst einmal, bevor alles kalt wird“, erinnerte ihn Sam und deutete auf das wunderbare Mahl aus Jägerschnitzel, Pommes Frites und Salat. Dazu gab es frisch gebackenes Brot und zum Nachtisch Schwarzwälder Kirschtorte.

Declans Magen knurrte zustimmend.

****

KAPITEL 2

Die Konferenz

Dr. Tobias Hunter betrachtete die Menschenmenge, die sich im Foyer vor der Komödie im Bayerischen Hof drängte. Er bahnte sich einen Weg nach vorn, um sich in die Anmelde-Schlange einzureihen, wo er seinen Teilnehmer-Ausweis erhalten würde.

Während er wartete, beobachtete er die anderen in der Schlange. Nach dem, was er sah, war die Geowissenschaft ganz offenbar kein Berufsfeld für schöne Menschen. Sicher, es gab ein oder zwei Ausnahmen, aber die Abgesandten waren überwiegend schrullige Wissenschaftler, fade Paukertypen oder seelenlose Repräsentanten der Öl- und Gasindustrie in scharf geschnittenen Anzügen. Declan war sich nur allzu bewusst, dass seine eigene Tarnidentität als Dr. Tobias Hunter ein bisschen zu dicht an dem kratzte, was aus ihm geworden wäre, wenn er eine akademische Laufbahn eingeschlagen oder bei einem der großen Konzerne angefangen hätte. Aber genau das konnte er jetzt zu seinem Vorteil nutzen und umso leichter in seine Rolle schlüpfen.

Declan verschmolz mit den übrigen Konferenzteilnehmern, indem er sich Hunters übliche Unbeholfenheit zunutze machte: er fummelte mit seinem Telefon herum, um Augenkontakt zu vermeiden, während er gleichzeitig mit der Minikamera, die in den linken Bügel seiner Brille eingebaut war, heimlich die Leute um sich beobachtete. Die Bilder wurden direkt an sein Backup-Team, bestehend aus den Agenten Finlay und Strauss gesendet, die in einem Lieferwagen saßen, der zwei Häuserblocks entfernt in einer Seitenstraße parkte. Finlay würde mittels Gesichtserkennungs-Software die Teilnehmer identifizieren, und was noch wichtiger war: Personen, die nichts auf der Konferenz zu suchen hatten.

Die Schlange bewegte sich nur langsam voran, und Hunter gab vor, ganz mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Aber dann wurde er von jemandem angestoßen, der versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen.

„Oh, Entschuldigung“, sagte eine Frauenstimme auf Deutsch.

„Nein, mein Fehler. Ich habe nicht aufgepasst“, antwortete Hunter ebenfalls auf Deutsch, bevor er unwillkürlich ins Englische zurückfiel, als er hinzufügte: „Ich stand im Weg.“

„Oh, Sie sprechen englisch!“ Die Frau hatte einen leichten, spanischen Akzent. „Gott sei Dank, mein Deutsch ist furchtbar.“

Sie stellte sich hinter Hunter in die Schlange, sehr zum Missfallen des schüchtern wirkenden Mannes, vor den sie sich geschoben hatte.

„Dr. Tobias Hunter, Imperial College London“, stellte Hunter sich vor und bot ihr seine Hand an. Die Frau ergriff sie.

„Professor Valeria Ortega Velazquez. Aber alle nennen mich Val. Ich bin von der New Mexico Tech. Was ist Ihr Fachgebiet?“, sagte sie, während sie Hunters Hand schüttelte – ein bisschen fester, als ihm lieb war.

„Hydraulische Förderung. Ich war zwanzig Jahre lang im Marcellus Schieferbett tätig.“ Dr. Hunters Blick ruhte einen Moment lang nachdenklich auf dem herzförmigen Gesicht der Frau. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als Declan und schien etwa Ende dreißig zu sein. Sie hatte große, dunkle Augen, olivfarbene Haut und lockiges, schwarzes Haar, das sie in einem strengen Knoten trug, der einer Stewardess alle Ehre gemacht hätte. Velazquez wirkte streng, aber dennoch attraktiv, und widersprach damit Declans früherer Beurteilung, dass Wissenschaft und Schönheit nicht zusammengingen.

Velazquez schien Hunter ebenso eindringlich zu mustern.

„Oh, Sie machen in Fracking. Wie kontrovers!“, antwortete sie in einem höflich-spöttischen Tonfall. „Ich befasse mich mit Erdbeben-Seismologie. Wir sind also gewissermaßen Bettgenossen“, scherzte sie anzüglich. Hunter errötete.

„Hören Sie“, fuhr Val fort. „Falls Sie in den nächsten Tagen mal etwas Zeit übrig haben, würde ich gern mit Ihnen einen Kaffee trinken und Ihren Verstand anzapfen.“

Declan konnte nicht fassen, dass er gerade angebaggert wurde. Hunter mit seinem ungepflegten, zerzausten Äußeren sollte für niemanden anziehend wirken. Er beschloss, besser einen Gang zurückzuschalten und das Geplauder im Keim zu ersticken. Aber bevor Hunter die Einladung ablehnen konnte, passierten zwei Dinge. Als Erstes hörte er die Worte „Der Nächste, bitte“ und trat an den Tisch, wo er mit den Augen die aufgereihten Teilnehmerausweise nach seinem eigenen Foto absuchte. Und gleichzeitig hörte er ein lautes, selbstherrliches Lachen, das bei ihm sofort dieses Fingernägel-auf-Schiefertafel-Schaudern erzeugte.

Und tatsächlich, ein kurzer Seitenblick bestätigte seinen persönlichen Supergau: Darius Clarke, umringt von einer Handvoll von Teilnehmern, die von seiner funkelnden Schlagfertigkeit nur allzu angetan zu sein schienen.

„Ihr Name, mein Herr?“, fragte die Rezeptionistin.

„Oh ja, Verzeihung. Dr. Tobias Hunter, Imperial College London.“ Die Rezeptionistin überflog ihre Liste, und Declan entdeckte sein Gesicht auf einem der Global Ecology Conference-Ausweise.

Er nahm ihn und trat vom Tisch weg, um seine Aufmerksamkeit und die Kamera in seiner Brille anderen Dingen zuzuwenden. Die Einladung von Professor Velazquez hatte er schon wieder vergessen.

Vor erst einer Woche hatte Darius Clarke einen Bohrturm in Sussex in die Luft gesprengt und dabei das Leben von Hunderten seiner Fans in Gefahr gebracht. Und dann hatte er sich davongemacht wie eine Ratte. Seine Ministrantin und möglicherweise auch Geliebte – Becky Saunders, die die Sprengsätze gebaut hatte – war verschwunden. Die übrigen Attentäter, soweit identifiziert, waren von A.L.L. aus dem Verkehr gezogen worden. Clarke schien es nicht groß zu kümmern, dass seine Mit-Terroristen wie vom Erdboden verschluckt waren. Vielleicht gehörte es bei ihnen zum Spiel, nach einem Anschlag unterzutauchen, und ihm war gar nicht klar, dass sie von einem Geheimdienst geschnappt worden waren.

Und jetzt war er hier und schwelgte in der Bewunderung von Wissenschaftskollegen, als hätte der Anschlag nie stattgefunden. Der Mann hatte vielleicht Nerven! Declan konnte es nicht fassen. Aber er wusste, dass er Clarke früher oder später gegenübertreten musste, also war es wohl am besten, es einfach hinter sich zu bringen. Er biss die Zähne zusammen, wappnete sich innerlich und marschierte auf die Gruppe der Teilnehmer zu.

„Sie müssen einfach überall mitmischen, oder?“, sagte Dr. Hunter verächtlich, als er sich durch die Menge gedrängt hatte und Clarke erreichte.

„Ah, Dr. Hunter.“ Darius Clarkes schwarze Mähne schwang dramatisch herum, als er sich umdrehte und seinen Erzfeind anfunkelte. „Ich dachte mir, dass ich Sie hier treffe“, schnurrte er. Er klang ziemlich selbstzufrieden. „Ich würde Ihre Rede um nichts in der Welt verpassen wollen.“ Sein Ton war mindestens genauso frostig wie Hunters. Declan glaubte nicht eine Sekunde lang, dass der Mann gekommen war, um etwas über Hunters Fracking-Forschung zu hören.

„Also was machen Sie hier? Ich habe Sie nicht auf der Liste der Teilnehmer gesehen.“

„Oh, Interviews für CNN, Sky, Bloomberg und die AP“, prahlte Clarke nonchalant.

„Muss schön sein, so einen Job zu haben.“

„In der Tat.“ Clarke musterte Hunter nachdenklich für einen langen Augenblick, dann sagte er: „Ehrlich gesagt bin ich froh, dass wir uns hier treffen, Tobias. Ich hatte mich gefragt, da Sie ja nun nicht mehr für GazCo arbeiten, ob Sie mir ein Interview geben würden?“

Zorn wallte in Declan auf, als der Kerl ihn einfach mit Vornamen ansprach. Declan wusste nun, dass Clarke und Hunter eine Vorgeschichte hatten – auch wenn sie einander nie persönlich begegnet waren, bevor Declan ihm am Imperial College als Hunter vorgestellt worden war. Clarke war scharf auf ein Interview mit Hunter gewesen, hatte jedoch nie die Chance dazu bekommen. Declan war misstrauisch.

„Ich hätte auch ein paar Fragen an Sie. Ich würde gern hören, wie Sie über den schrecklichen Terroranschlag unten in Sussex denken. Wie ich hörte, wollten Sie ursprünglich auch an der Protestaktion teilnehmen“, bohrte Declan.

Clarkes Maske der Freundlichkeit verschwand und machte einem eisigen Starren Platz. Aber bevor Clarke antworten konnte, fragte eine männliche, deutsche Stimme aufgeregt:

„Dr. Hunter?“

Tobias Hunter drehte sich um und stand einem jungen Mann mit schwarzem Haar und dunklem, ordentlich gestutzten Bart gegenüber. Er trug ein blaues Hemd mit einer eng sitzenden karierten Wollweste und eine schwarze Stoffhose. Seine Augen waren hellblau und jungenhaft unschuldig. Er streckte unbeholfen seine Hand aus und sprach mit der aufgeregten Hastigkeit eines Hundewelpen.

„Hallo, Dr. Hunter, ich habe Sie schon überall gesucht. Ich bin Oskar … Oskar Müller, Ihr Praktikant von der Frankfurter Universität. Ich freue mich unheimlich darauf, mit Ihnen zu arbeiten. Wenn ich irgendwas für Sie tun kann? Ich helfe Ihnen nur zu gern.“

Declan gefiel sehr, wie die Weste mit dem Tartan der Ramsays sich an den Oberkörper seines Ehemanns schmiegte. Auf der Stelle nahm er sich vor, das passende Gegenstück für sich selbst zu kaufen.

„Ah, Müller, ja. Schön, dass Sie da sind.“ Hunter nahm die Hand des jungen Mannes in beide Hände und schüttelte sie herzlich, dann schaute er auf seine Armbanduhr.

„Wir haben zwanzig Minuten. Warum holen Sie uns nicht zwei Espressi, und dann setzten wir uns und plaudern noch ein wenig vor der Eröffnungsrede, ja?“

„Natürlich. Kein Problem,“ Oskar drängelte sich durch die Gruppen diskutierender Konferenzteilnehmer. Hunter drehte sich um, um zu sehen, wie Clarke auf seinen Praktikanten reagierte. Der Mann trug eine düstere, beinahe katzenartige Miene zur Schau, und Hunter fragte sich, was in Clarkes Kopf wirklich vorgehen mochte. Auf keinen Fall hatte ihn Dr. Hunters Rede nach München geführt, oder auch nur die Aussicht auf zusätzliche Kamerazeit.

„Sieht aus, als hätten sie einen Guten erwischt“, bemerkte ein älterer amerikanischer Teilnehmer neben Clarke. „Ich mag Praktikanten, die den richtigen Eifer zeigen.“

Aye, ich auch, ich auch …, dachte Declan und biss sich auf die Lippe, um nicht laut loszulachen.

****

„Die Teilnehmer werden gebeten, jetzt ihre Plätze im Auditorium einzunehmen. Die Konferenz beginnt in fünfzehn Minuten.“

Bei der Ankündigung lief eine gewisse elektrische Spannung durch die Menge. Declan drehte sich um und sah sofort, was der Aufruhr zu bedeuten hatte.

Georgios Xenelis, der Vorsitzende der internationalen Umweltkommission, war eingetroffen, umgeben von einer Entourage aus vier Männern in Anzügen und zwei Frauen. Xenelis war in den späten Sechzigern, und anstelle eines natürlichen, ockerfarbenen Teints hatte seine Haut den grell orangefarbenen Ton eines Mannes, der viel zu viel Zeit im Sonnenstudio zubrachte. Sein silbergraues, pomadiges Haar trug er zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden, und sein Kiefer war von einem silberfarbenen Dreitagebart bedeckt. Sein forscher Gang strahlte eine so dominante Aura aus, dass jeder in seinem Weg zur Seite sprang, um nicht niedergetrampelt zu werden. Er machte den Eindruck eines Mannes, mit dem man sich besser nicht anlegte. Als Declan sich wieder der kleinen Gruppe von Teilnehmern zuwandte, stellte er fest, dass Darius Clarke verschwunden war.

„Hier, bitte sehr, Dr. Hunter.“ Die muntere Stimme von Oskar Müller erregte Hunters Aufmerksamkeit. Er wandte sich seinem Praktikanten zu und nahm die kleine Espressotasse von ihm entgegen.

Sam und Declan wechselten einen wissenden Blick. Ihre Zielperson war eingetroffen. Das Spiel hatte begonnen!

****

Kurz vor Beginn der Konferenz, als alle Teilnehmer ihre Plätze eingenommen hatten, beugte Sam sich zu Declan hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich werde mich ein bisschen umsehen.“

Declan nickte. Zum Glück hatte Sam einen Sitz direkt am Gang. Als im Saal die Lichter ausgingen, um einen kurzen Einführungsfilm zu präsentieren, stand Sam auf und huschte so unauffällig wie möglich zu einem der Ausgänge.

Er zog die Tür genau in dem Moment auf, als ein Nachzügler sie von außen aufdrückte. Der eintretende Mann fiel nach vorn und stolperte. Als er wieder Tritt fasste und sich aufrichtete, bedachte er Sam mit einem bösen Blick. Sam bemerkte den schockierten Ausdruck im Gesicht des Fremden, als sie Augenkontakt herstellten. Er war etwa eins achtundsiebzig und schien Mitte bis Ende dreißig zu sein. Sein Gesicht war rund, kinnlos und unauffällig, abgesehen von den Narben einer Pubertätsakne auf seinen Wangen, die er mit einem Abdeckstift versucht hatte zu kaschieren. Sein glattes Haar war schulterlang, aber in dem abgedunkelten Theatersaal konnte Sam die Farbe nicht ausmachen. Seine Kleidung schien gedankenlos zusammengewürfelt zu sein – ein Look, den so viele Wissenschafts-Geeks bevorzugten, die Sam kennengelernt hatte. Der Anzug, den er trug, saß miserabel an seiner mageren Gestalt. Der finstere Blick des Mannes beunruhigte Sam, auch wenn er nicht genau sagen konnte, warum. Er ging dem Mann aus dem Weg, flüsterte „Verzeihung“, und ließ ihn eintreten. Dann ging er hinaus in das grelle, blendende Licht des Foyers.

Das unruhige Gefühl hielt an, als Sam mit dem Aufzug in den zweiten Stock des Hotels fuhr. Als die Türen aufglitten, sah er, dass das Housekeeping-Personal offenbar gerade in den Zimmern arbeitete, Betten abzog, staubsaugte und die Räume mit all den gewissen Extras wieder herrichtete, die den Aufenthalt in diesem Hotel so luxuriös machten. Zum Summen eines Staubsaugers, dem Geräusch fließenden Wassers und dem Geplapper eines Fernsehers, das aus einem der Zimmer schallte, ging Sam den langen Korridor entlang. Auf dem Gang warteten Frühstückstabletts darauf, abgeholt zu werden. Berge weißer Laken waren für die Wäscherei aufgetürmt. Vor vier der Zimmer waren Rollwagen geparkt, beladen mit allem, was die Zimmermädchen für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten. Allerdings war nirgends auch nur ein einziges Zimmermädchen zu sehen.

Während Sam durch den Flur lief, ging ihm immer noch die Identität des ungehaltenen Nachzüglers durch den Kopf. Vielleicht ist es nichts. Vielleicht war er wirklich nur einer der Wissenschaftler und hatte sich verspätet, entschied Sam schließlich.

„Entschuldigen Sie. Mein Herr? Sie habe die fallen gelassen!“ Sam sah auf. Eine asiatische Frau in der Uniform eines Zimmermädchens war gerade aus seinem Zimmer gekommen, kam nun auf ihn zu und schob dabei ihren Rollwagen vor sich her. Als sie an Sam vorbeikam, gab sie ihm eine Schlüsselkarte.

„Danke“, sagte er.

„Sie besser vorsichtiger sein, Sir. Es sind gefährliche Zeiten. Man weiß nie, wer in Zimmer schnüffelt“, tadelte die Frau in gebrochenem Englisch. Dann schob sie ihren Wagen weiter zu dem Aufzug an anderen Ende des Korridors.

„Ich werde dran denken!“, antwortete Sam. Er hatte Mrs. Ks Rolle der ältlichen Reinigungskraft schon immer gemocht, und die Tricks, die sie draufhatte, verblüfften ihn immer wieder. Er steckte den Generalschlüssel, den sie irgendwie einem anderen Zimmermädchen entwendet hatte, in seine Hosentasche und verkniff sich ein Lachen. Diese Karte würde ihm Zugang zu jedem Zimmer auf diesem Hotelflur verschaffen.

Zurück in seiner Suite stellte Sam allerdings fest, dass Mrs. K sein Zimmer nicht gereinigt hatte. Er war ein bisschen sauer darüber, keine frische Bettwäsche und Handtücher zu haben. Außerdem war die Mini-Bar nicht aufgestockt worden. Dennoch hatte Mrs. K ihm etwas hinterlassen. Eine schwarze Aktentasche lag am Fußende des Betts, und als Sam sie öffnete, fand er darin einen Laptop, genauer gesagt: ein wetterfestes Toughbook. Er nahm den Laptop heraus und stellte ihn auf den Schreibtisch. Sobald das Gerät hochgefahren war, presste er seinen Daumen auf den Bildschirm, um sich in die A.L.L.-Cloud einzuloggen. Ein Fenster mit einer Nachricht von Mrs. K öffnete sich auf dem Monitor.

Desert Fox-

Kameras in Suite von Zielperson installiert. Bei Durchsuchung keinen Laptop gefunden. Du und Lucky Boy sollt Zielperson überwachen. Findet Laptop und installiert Micro-USB für Remote Access.

Sam klickte ein Logo auf dem Bildschirm an und tippte rasch sein Passwort ein. Sofort verwandelten sich alle Zahlen und Buchstaben in einen Code, dann verschwanden sie. Nun hatte er Zugang zum Dashboard der Kameras, die Mrs. K installiert hatte.

Der Bewohner besagter Suite war Georgios Xenelis. Sam und Declan würden in abwechselnden Schichten den Livestream aus Zimmer 263 beobachten und hoffen, dass Xenelis seinen Laptop benutzte. Dann mussten sie nur noch den richtigen Moment abpassen, ein Ablenkungsmanöver durchführen und den Micro-USB-Speicher in den Laptop stecken, damit die Agenten Finlay und Strauss per Fernzugriff den kostbaren Bericht herunterladen konnten. Es war eine einfache, alltägliche Mission, wie Sam sie schon unzählige Male ausgeführt hatte, allerdings noch nie mit seinem Partner.

Als sie die Kameras installiert hatte, hatte Mrs. K Xenelis’ Suite den vollen Zimmermädchenservice angedeihen lassen. Sam klickte jede einzelne Kamera an, um ihre Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die erste steckte im Türspion der Eingangstür. Genialerweise handelte es sich um eine Minikamera mit Weitwinkelfunktion, sodass sie wahlweise zeigte, was sich im Korridor vor der Tür abspielte, oder im Schlafzimmer der Suite. Die zweite Kamera war im Rahmen des Spiegels im begehbaren Kleiderschrank versteckt und zeigte das Bett von der Seite. Und die dritte und letzte war am Fernseher befestigt und lieferte eine breite Ansicht des Zimmers und des Betts.

Alle Zimmer verfügten über einen Gästesafe, der jeweils unter dem Schreibtisch angebracht war, sodass die Gäste ihre Wertsachen sicher einschließen konnten. Dort befand sich höchstwahrscheinlich der Laptop. Und falls nicht, so schloss Sam, dann musste er in Xenelis’ Aktentasche sein, die von seiner rechten Hand Sandro Petraeus getragen wurde, der genau wie sein Boss, von Security umgeben war, wo er ging und stand. In diesem Fall würde sich der Zugriff auf den Laptop als weit größere Herausforderung erweisen.

****

KAPITEL 3

Ganz schön viel Aufhebens

Sam lag in Declans Suite bäuchlings auf dem Bett und las in einem Taschenbuch.

„Na, wie war’s?“, fragte er lässig, als Declan das Zimmer betrat.

„War ’n interessanter erster Tag“, antwortete Declan, während er aus seinem steifen Jackett schlüpfte und es über eine Stuhllehne warf.

„Hast du neue Freunde gefunden?“, spottete Sam. Er hatte immer noch die Nase im Buch, achtete aber nicht mehr auf den Inhalt.

„Ha-ha.“ Declan zog sich die Krawatte vom Hals, während er auf das Bett zuging. Er gab Sam einen Kuss auf die Wange. Danach nahm er seine falsche Brille ab und legte sie auf den Beistelltisch, trat aus seinen Schuhen, öffnete die oberen drei Hemdenknöpfe und ließ sich mit einem Stöhnen auf die Matratze sinken. Dann rollte er sich auf die Seite, so dass er dicht an Sam geschmiegt dalag, und legte Sam einen Arm um die Taille.

„Ich hatte einige sehr erhellende Unterhaltungen“, informierte Declan seinen Ehemann, während er sein Gesicht an Sams Hals vergrub. Er atmete Sams Duft und den Hauch eines Eau de Toilettes ein, das nicht Sams übliche Marke war. Es roch wie ein billiges Duftwässerchen aus dem Supermarkt – die Sorte, die Studenten mit geringem Einkommen kaufen würden. Es amüsierte Declan, dass Sam seine Rollen so bis ins letzte Detail durchdachte. Er erinnerte sich an den falschen Bauch von Björn Östbring. Oder wie Sam in der Rolle von Kitty mühevoll sein Gemächt weggesteckt hatte. Und nun das schwarze Haar und die falschen Bartstoppeln für Oskar. Declan kuschelte sich an Sam und gönnte sich eine Minute, um einfach nur die Wärme und die Stille mit seinem Ehemann zu genießen. Dann kam ihm ein teuflischer Gedanke.

„Vielleicht interessiert’s dich zu wissen“, unterbrach Declan den wohligen Moment, „dass Hunter ’ne Verehrerin hat.“

„Du wurdest angebaggert?“ Sam konnte seine Entrüstung nicht verbergen. Er warf das Buch zur Seite und drehte sich auf den Rücken, sodass er Declan ins Gesicht sehen konnte. „Erzähl mir alles!“

Mit einem verschlagenen Funkeln in den Augen studierte Declan Sams Reaktion. Er konnte nichts dagegen tun, bei Sams ungezügeltem Schmollen einen freudigen Schauer zu verspüren. Sam war eifersüchtig! Und Declan wusste schließlich nur zu gut, wie sich das anfühlte. Er erinnerte sich daran, wie er sich gefühlt hatte, als er letzten Monat mitangesehen hatte, wie Darius Clarke vor der Bibliothek Kitty befummelt und angeschmachtet hatte.

Declan beschloss, Sam eine Kostprobe seiner eigenen Medizin zu geben.

„Sie is’ hispanisch, Seismologin an der New Mexico Tech, Professor Valeria Ortega Velazquez. Attraktiv, intelligent und sehr temperamentvoll“, schmückte er seine Beschreibung aus. „Val brennt leidenschaftlich für ihre Wissenschaft.“

Declan entging nicht das Zucken von Sams Auge, als er die Frau bei ihrem vertraulichen, kürzeren Namen nannte. Er ließ sich zurück aufs Kissen sinken, legte die Hände hinter den Kopf und trug ein selbstgefälliges Grinsen zur Schau.

„Wir haben ’n bisschen geschäkert. Sie hat ’ne ziemlich klare Meinung zum Fracking. Und natürlich konnte sie Hunters Geek-Charme nich’ widerstehen“, brüstete sich Declan. Schweigen senkte sich zwischen ihm und Sam. Sam sagte kein Wort. Ein kurzer Seitenblick verriet Declan, dass Sam darauf wartete, mehr zu hören.

„Sie is’ allerdings ’n kleines bisschen aufdringlich – lief mir den ganzen verdammten Tag hinterher wie ’n liebeskrankes Hundebaby“, fügte Declan nüchtern hinzu. „Kein Wunder. Auch mit dem hässlichen Anzug und dem Ziegenbart bin ich immer noch sehr attraktiv.“ Es fiel Declan nicht leicht, sein Pokerface zu wahren.

„Ach ja?“ Sam klang skeptisch.

Declan drehte sich zu Sam um, und die Männer starrten einander an. Plötzlich stürzte sich Sam auf Declan und fing an, ihn zu kitzeln. Die beiden wälzten und wanden sich wild auf dem Bett umher und lachten ausgelassen, während jeder von ihnen versuchte, die Oberhand zu gewinnen. Schließlich drückte Declan Sam aufs Bett, hielt ihn fest und verteilte atemlose Küsse über Sams Hals.

Zwischen den Küssen fügte er hinzu: „Wir haben zusammen Kaffee getrunken, aber ihre Einladung zu einem späten Abendessen zu zweit hab’ ich abgelehnt – offensichtlich.“

„Hast du?“

„Aye. Hatte schon was vor“, flüsterte Declan, während er zärtliche Küsse entlang Sams Schlüsselbein verteilte. Dann arbeitete er sich abwärts, wobei er nach und nach Sams Hemd aufknöpfte. Er ließ seine Zunge an Sams erigiertem Nippel schnalzen, und Sam zuckte.

„Wieso sollte ich woanders suchen, wenn ich schon eine ganze Schachtel voller Süßigkeiten habe, an denen ich mich laben kann?“

„Ich BIN eine Schachtel voller Süßigkeiten“, stimmte Sam zu. Dann wand er sich lachend unter Declan hervor, drehte ihn herum und setzte sich auf ihn.

Declan machte kurzen Prozess mit Sams restlichen Hemdenknöpfen, dann ließ er seine großen Hände über Sams blasse, definierte Brust gleiten.

Sie küssten sich und rieben sich mehrere Minuten lang rhythmisch aneinander. Schließlich löste Declan sich bedauernd von den weichen, warmen Lippen seines Ehemanns und atmete tief durch.

Sam nahm Declans Gesicht in beide Hände. Ein seltsames, überwältigendes Gefühl ergriff ihn.

---ENDE DER LESEPROBE---