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Sam und Declan haben genug vom Leben als Außen-Agenten. Ihre letzte Mission in Wien endete erfolgreich und mit einem kleinen Bonus – einem Speicherstick, der kompromittierendes Material über Sir James Aiken enthält. Der Plan war nun, diesen zu benutzen, um ihrer beider Ausstieg aus A.L.L. zu verhandeln, aber das Schicksal hat anderes mit ihnen vor. Bei ihrer Rückkehr ins Londoner Hauptquartier finden sie ein wahres Massaker vor, und James ist verschwunden. Keiner der beiden Männer wird A.L.L. also verlassen. Nicht, bevor James gefunden ist, tot oder lebendig. Sie machen sich an die Arbeit und graben in James’ Vergangenheit. Was ist der Alphabet-Club, und wer sind seine Mitglieder? Wo in aller Welt wird James gefangen gehalten? Können sie ihn retten… und wollen sie das überhaupt wirklich?
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Inhaltsverzeichnis
Der Rebellen-Kandidat
DER
REBELLEN-KANDIDAT
SHATTERPROOF BOND #6
Isobel Starling
Aus dem Englischen übertragen
von
Betti Gefecht
www.decentfellowspress.com
Copyright © 2024 Isobel Starling
Aus dem Englischen von Betti Gefecht
Korrektorin: Veronika Kothmayer
ISBN: 9783759249043
Deutsche Erstausgabe
Alle Reche vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Autorin nachgedruckt oder anderweitig verwertet werden. Davon ausgenommen sind Rezensionen: Kurze Passagen können in einer Rezension zitiert werden und als Teil davon auch in Zeitungen oder Zeitschriften abgedruckt werden.
Die Figuren und Ereignisse, die in diesem Buch beschrieben werden, sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2023
by Isobel Starling
Alle Rechte vorbehalten.
Cover Art Design by Isobel Starling
von
Isobel Starling
Inigo Montoya: „Kannst du erraten, was ich tue?“
Graf Rugen: „Mir das Herz herausschneiden?“
Inigo Montoya: „Du hast mir meins genommen, als ich zehn war; jetzt will ich deins. Wir lieben beide die Gerechtigkeit, du und ich – und was könnte gerechter sein?“
„Die Braut des Prinzen“ von William Goldman
Agent Sam Aiken und sein Ehemann Declan Ramsay hielten es beide für reinen Wahnsinn, einen Attentäter in einer Zelle im Kellergeschoss des Londoner A.L.L.-Hauptquartiers gefangen zu halten, ganz gleich, wie streng die Sicherheitsmaßnahmen auch waren.
Sie standen draußen auf den Stufen des kompromittierten Hauptquartiers und sahen einander in die Augen. Es lag etwas Instinktives in dem Wissen, das die Männer teilten – dem wortlosen Verständnis – sie wussten, dass ihre Befürchtung eingetroffen war. James’ Feinde, wer immer sie waren, hatten ihren Schritt getan. Sie wussten, wie der Gefangene im Keller operierte, und keiner von ihnen würde das Haus am Holland Park unbewaffnet betreten.
Sam fühlte sich seltsam entfremdet, als er nun auf die surrealen Ereignisse zurückblickte, die im Zuhause seines Vaters stattgefunden hatten. Am meisten verblüffte ihn, wie viel Blut in einem menschlichem Körper steckte. Und, die hellroten Flüsse auf den einst makellosen Marmorböden in der Halle seines Vaters zu sehen, war absurd, befremdlich und entsetzlich. Er konnte sich nicht gestatten, allzu tief über Mr Steele nachzudenken, den toten Mann, den sie nach dem Öffnen der Vordertür entdeckt hatten.
Mit kugelsicheren Westen und geladenen Waffen hatten Sam und Declan die Halle betreten und untersucht, was auf so tragische Weise in Sir James Aikens Londoner Anwesen schiefgegangen war.
Sie hatten Sams Schwester Annabelle in einem Badezimmer im Erdgeschoss entdeckt, wo sie kurz davor stand, ihr erstes Kind zu gebären. Zwischen schmerzhaften Wehen hatte sie ihnen von einem verabredeten Mittagessen mit James erzählt. Sie hatte vor dem Haus geparkt und vor der Tür eine Frau vorgefunden – eine Frau in schwarzem Leder und mit seidig langem, schwarzem Haar. Und als der Butler Mr Steele die Tür geöffnet hatte, hatte die Frau ihn in den Kopf geschossen. Nach Annabelles Zeugenaussage wussten sie, dass Erik Madsson Hilfe erhalten hatte, um aus seiner Zelle auszubrechen, und waren mit besonderer Vorsicht vorgegangen.
Declan alarmierte die Einheit in der Nähe von Heathrow darüber, dass das HQ überfallen worden war und sie einen Rettungswagen brauchten. Erst dann hatten die beiden Männer Annabelle zögernd zurückgelassen und waren weiter hinunter in Sir James’ Kellergeschoss gestiegen.
Sie waren den blutigen Schleifspuren zum Büro ihres Chefs und der Leiche von Agent Ranier Strauss gefolgt. Aber die Blutspuren endeten nicht mit ihrem gefallenen Kollegen. Sie setzten sich bis in die Tiefgarage und quer über den graugefleckten Beton dort unten fort, vorbei an den Luxuswagen, SUVs und Motorrädern, die von den hier arbeitenden Agenten benutzt wurden. Die Spuren führten zu der harmlosen, mohnblumenrot lackierten Metalltür auf der anderen Seite der Garage.
Das Haus lag neben dem Holland Park. Es hatte einst einem Mitglied der britischen Regierung gehört. Wie die verlorenen Flüsse unter den Londoner Straßen, so rumpelten die Tunnel tief im Untergrund und verwoben sich mit der Geschichte der Metropole. Die U-Bahn war berühmt dafür, dreiundsechzig Millionen Londoner während des zweiten Weltkriegs vor Bombenangriffen geschützt zu haben. Der erste Tunnel vom Holland Park Haus war im September 1939 bei Ausbruch des Krieges gebaut worden. Eine Tür an der Rückseite des damaligen Weinkellers führte zu einem Tunnel und zu der roten Metalltür, die ausschließlich dem Personal als Eingang zum dem Bombenkeller des Regierungsmitglieds vorbehalten war. Beim Kauf des Hauses baute Sir James Aiken diese Idee weiter aus und gestaltete über viele Jahre hinweg sein riesiges Super-Kellergeschoss unter dem Haus und Holland Park selbst. Wozu genau es diente, wusste nicht einmal Sam. Und auch nicht seine wahre Größe.
Eine vorbeifahrende U-Bahn riss Sam aus seinen Gedanken. Der Zug klang lauter als sonst. Das lag daran, dass, wer immer Madsson bei der Flucht geholfen hatte, gewaltsam die rote Tür geöffnet und mit einem Verletzten oder gar Toten in die Tunnel entkommen war.
Sam und Declan blieben abrupt stehen und starrten in die dunkle Tiefe hinter der roten Tür.
„Du weißt, dass es 250 Meilen U-Bahn unter der Stadt gibt, ja?“, sagte Declan düster.
Schlagartig wurde Sam bewusst, dass nicht nur sein Vater verschwunden war, sondern zugleich auch seine und Declans Träume von Freiheit in Trümmern lagen. Sie konnten A.L.L. nicht mehr verlassen – nicht, solange Erik Madsson in Freiheit war und James vermisst wurde. Sam starrte in die dunkle Höhle des Londoner Untergrunds und sagte mit entfremdeter Stimme:
„Mein Gott, sie könnten überall sein!“ Er atmete faulige Luft ein. Seine Feuerwaffe war noch immer auf die Dunkelheit gerichtet, für den Fall, dass dort etwas Bösartiges lauern sollte.
„Dreht euch ganz langsam um. Und senkt eure Waffen … , Desert Fox, Lucky Boy.“
Sam war überrascht, nicht gehört zu haben, dass sich jemand von hinten genähert hatte. Er bewunderte insgeheim den leichten Schritt der Frau. Die Stimme war amerikanisch, stählern und entschlossen. Die Art von Stimme, die für gewöhnlich von einer geladenen Waffe begleitet wurde.
„Identifizieren Sie sich“, sagte Declan kühl, die Waffe immer noch erhoben, als er sich umdrehte und sie auf die Frau richtete, während Sam weiterhin auf die offene Tür zielte, sodass sie Rücken an Rücken standen.
„Codename Luna Willow“, antwortete sie.
Verglichen mit Sam war Declan noch nicht lang bei der Agentur und kannte noch nicht jeden Agenten, den James beschäftigte. Er drehte den Kopf leicht und fragte: „Sicher?“
„Ja, sie gehört zu uns“, antwortete Sam, dann sprach er die Agentin lauter an: „Bist du allein, Lopez?“
„Ich habe sieben Agenten bei mir, und die Kavallerie ist unterwegs.“
Sam wandte sich von der offenen Tür ab, um die A.L.L.-Agentin anzusehen. Sowohl er als auch Declan ließen ihre Waffen sinken, aber die andere Agentin war nicht so vertrauensselig. Sie hielt ihre Waffe weiterhin auf sie gerichtet. Agentin Lopez war eine Latina. Ihr schwarzes Haar trug sie in einem kurzen Männerhaarschnitt und ölig eng am Kopf. Dazu trug sie den üblichen schwarzen Anzug mit weißem Oberhemd und kugelsicherer Weste.
James hatte die Anweisung erteilt, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass das HQ je überfallen wird, nicht die Polizei alarmiert werden durfte. Er hielt die eigenen Leute für hinreichend befähigt, zu ermitteln. Das Protokoll sah vor, dass ein stummer Alarm ausgelöst wurde. Der Gebäudekomplex würde dann blau erleuchtet werden. Alle Angestellten hatten in ihren Räumen zu verbleiben, bis Verstärkung eintraf und das Untergeschoss Raum für Raum geräumt wurde. Das von Agentin Lopez geleitete Team war offenbar kurz nach Sam und Declan eingetroffen. Aber nach ihrem entschiedenen Gesichtsausdruck zu urteilen, war das erste Team nicht vollständig unterrichtet.
„Auf eure Knie“, sagte Lopez mit einem gefährlichen Unterton. Glaubte die Agentin etwa, Sam und Declan hätten dieses Gemetzel angerichtet?
Declan warf ihr einen finsteren Blick zu. „Soll das ein Scheißwitz sein? Ich war derjenige, der den Alarm gegeben hat. Madsson ist geflohen. Er ist hier Amok gelaufen. Und er ist nicht allein. Sie haben Viper entführt, und sie sind durch die Tür hinter uns in das U-Bahn-System entkommen!“
Sam war wie im Nebel. Als er das frustrierte Gebrüll seines Ehemannes durch die Tiefgarage hallen hörte, kam er wieder zu sich. Agentin Angelina Lopez stand aufrecht vor ihm und warf ihm einen schwer zu deutenden Blick zu. Sam kannte dieses Gesicht. Er hatte nie mit ihr gearbeitet, aber er erinnerte sich, dass James Lopez für diverse US-Missionen ausgewählt hatte, darunter die, den Laptop von Dr. Tobias Hunter zu klonen. Die Agentin ließ ihre Waffe sinken, drehte den Kopf und sprach in ein Kommunikationsgerät.
„Luna Willow an Kontrolle, over.“
„Was ist Ihr 20?“
„Viper Code Red, wiederhole, Viper Code Red, over.“ Und an Sam und Declan gerichtet, sagte sie: „Sorry, Jungs, das Intranet wurde angegriffen und hat sich automatisch abgeschaltet. Wir kamen blind rein.“
Vier bewaffnete Agenten drangen ins Parkhaus ein und fingen an, unter den Autos nachzusehen, um das Areal zu sichern.
„Bericht!“, bellte Lopez die drei Männer und eine Frau an.
„Zwei Tote im ersten Stock, beides männliche Mitarbeiter. Wir haben Vipers Tochter in den Wehen in einem Badezimmer gefunden. Der Rest des Personals hatte sich in der Vorratskammer eingeschlossen“, meldete die weibliche Agentin. Sam atmete erleichtert auf, als er hörte, dass das restliche Personal unversehrt war.
„Wir müssen das Gebäude Zimmer für Zimmer räumen, aber erst alles sichern. Versperrt sämtliche Ein- und Ausgänge“, befahl Lopez.
Einer der Agenten schloss die rote Tür. Sam konnte seine Erleichterung darüber nicht leugnen. Er ging zu Agentin Lopez hinüber.
„Wo ist Mrs K? Wer hat die Kontrolle?“
„Agent Nighthawk leitet heute die Kontrollstelle. Wir können Agent 47 nicht lokalisieren.“
Das war … ungewöhnlich. Wo zur Hölle war Akiko Kimura? Sam fühlte eine Veränderung in seinem Gehirn, als würde sich eine Maschine anschalten. Und einen Adrenalinstoß. Er wusste, was er zu tun hatte. Wenn Mrs K nicht da war, um sich um die Situation zu kümmern, dann musste er einspringen und die Kontrolle ergreifen.
„Sag ihnen, dass sie Vipers Tracker aktivieren und das Tracking-Signal an mein Handy schicken sollen. Declan und ich gehen in die Tunnel.“
„Sollten wir nicht auf Agent 47 warten?“, fragte Lopez misstrauisch. Streng genommen war Mrs K James’ Stellvertreterin und sollte jetzt die Befehlsgewalt innehaben.
„Er ist mein Vater“, fauchte Sam mit der Sorte giftigem Tonfall, den er schon oft von James gehört hatte. Und bereute es sofort. In deutlich milderem Ton fügte er hinzu:
„Kontrolle soll weiterhin versuchen, Agent 47 zu lokalisieren, aber wartet nicht auf sie. Dafür haben wir keine Zeit. Sie haben vielleicht zehn Minuten Vorsprung. Bitte … gib die Info weiter.“ Lopez nickte.
Declan konnte seine Besorgnis nicht verbergen. Er nahm Sam beiseite, während andere Agenten weiterhin das Parkhaus absuchten, um sicherzugehen, dass keine weiteren unliebsamen Überraschungen auf sie warteten. Seit Declan Sam vor einem dunklen und einsamen Tod in einer Höhle in den schottischen Highlands gerettet hatte, waren Sams körperliche Wunden wieder verheilt, aber die psychologischen Narben lauerten dicht unter der Haut. Einst hatte Sam es genossen, sich in ihrem Liebesspiel körperlich zu unterwerfen, jetzt jedoch gefielen ihm Fesselspiele nicht länger. Seile und Handschellen waren nur noch Trigger, genau wie Dunkelheit. Der Gedanke, dass Sam in die Tunnel hinabstieg und dort eine Panikattacke erlitt, war nicht auszuschließen.
„Bist du sicher, dass du das hinkriegst? Es ist okay, wenn du das lieber aussitzen willst und die anderen Agenten die Tunnel absuchen lässt. Deswegen wird niemand gering von dir denken.“ Declan legte Sam tröstend eine Hand auf die Schulter und drückte. Sams Miene wirkte gequält, als er gegen die Furcht ankämpfte, die ihn zu überwältigen drohte.
„Er ist mein Vater“, sagte Sam leise. „Dafür hat er mich ausgebildet … Ich bin ein Werkzeug … und sein einziger Sohn. Ich kann nicht kneifen. Ich muss in die Tunnel gehen“, sagte er schicksalsergeben.
„Na gut. Ich widerspreche dir nicht. Ich werde an deiner Seite sein. Was kann ich tun?“
„Wir brauchen zwei bewaffnete Agenten zur Unterstützung. Organisiere Funkgeräte und Taschenlampen für uns.“ Declan drückte nochmals Sams Schulter, dann nickte er und ging zu den neu eingetroffenen A.L.L.-Agenten, die das technische Equipment brachten.
Sam wandte sich erneut an Lopez, die nach wie vor Informationen an die Kontrollstelle weitergab. Als sie damit fertig war, sagte er: „Da 47 nicht hier ist, betraue ich dich mit der Leitung und der Aktivierung des Notfallprotokolls.“ Lopez nickte und bellte diverse Befehle an die anderen Agenten.
Declan kehrte mit zwei Funkgeräten und zwei Lampen zurück. Als Agentin Lopez mit ihrem Team fertig war, ging Declan zu ihr und sagte leise: „Können Sie herausfinden, was aus Annabelle geworden ist? Der Rettungswagen wird sie ins Portland Hospital bringen , oder?“
„Es geht ihr gut. Ein Sanitäter kümmert sich um sie, während wir auf den Krankenwagen warten.“
Sam stieß zu ihnen und fügte hinzu: „Bitte sorge dafür, dass Mr Steeles Leiche aus der Halle entfernt und das Blut weggewischt wird. Die Leute aus dem Krankenwagen dürfen nichts von dem erfahren, was hier passiert ist, abgesehen davon, dass eine Frau Wehen hat.“
„Schon dabei!“, sagte Lopez. Dann drehte sie sich um und erteilte einem Agenten den Auftrag, sich um Mr Steeles Körper zu kümmern.
Sam wurde abgelenkt, als sein Telefon in seiner Tasche klingelte. Als er es herausholte, fand er den Link zu der Tracking-App und loggte sich mit seinem Daumenabdruck ein. Die App zeigte ihre Location auf einem Gitter an.
Kurze Zeit später bekam Declan Gesellschaft von zwei bulligen Agenten, die Bodycams an ihre Westen geklippt hatten. Beide waren bewaffnet. Sam setzte seinen Ohrhörer ein, und Declan befestigte das Mikrofon an Sams Weste. Er fing Sams Blick auf und hielt sein stählernes, grünes Starren. Er kannte diesen Blick; Sam hatte Angst, um sich selbst, um seinen Vater, um seine Schwester.
„Kann’s losgehn?“, fragte Declan. Seine Sorge war ihm anzuhören. Sam zog eine Grimasse und nickte. Declan zog seinen Mann in die Arme, ungeachtet dessen, dass sie von Agenten umringt waren, die in der Tiefgarage Station bezogen.
„Ich bin die ganze Zeit bei dir, Liebster. Wir werden tun, was getan werden muss.“
Sam ließ sich an den kräftigen Körper seines Mannes sinken. Obwohl er dort bleiben und den Rest der Welt zum Teufel wünschen wollte, seufzte er und löste sich mit einem zaghaften Lächeln von ihm. Er wandte sich den beiden zusätzlichen Agenten zu, die sich mit Codenamen vorstellten: Phönix und Lightning. Phönix war gebaut wie ein Rugbyspieler; sein Akzent war Nordenglisch. Lightning war ein großer drahtiger Deutscher. Beide waren in voller taktischer Ausrüstung und schienen eifrig zu sein, loszulegen.
Sam warf Declan einen Blick zu, der eine Mischung aus Verzweiflung und Entschlossenheit zu sein schien. Die Entschlossenheit war notwendig, wenn sie mit ihrem Leben weitermachen wollten. Sie mussten James finden und ein für alle mal diesen großen Plan durchkreuzen.
„Phönix, Lightning, ihr geht voran, Lucky Boy, dich brauche ich als Schlusslicht mit dem Auge auf dem Tracker“, ordnete Sam an und reichte sein Telefon an Declan weiter, während der ihm seine Taschenlampe gab.
„Desert Fox an Kontrolle“, sprach Sam in das Mikro an seiner Weste.
„10-4, Desert Fox.“
„Wir sind so weit.“
„Alles klar. Over, und out.“
Die Agenten Phönix und Lightning schalteten ihre Bodycams an, dann ihre Stirnlampen und ganz zum Schluss die Taschenlampen an ihren Schusswaffen. Sam und Declan machten sich an der linken Seite der nun geschlossenen roten Tür bereit.
„Okay, alle zusammen, Ruhe jetzt“, rief Lopez den anderen Agenten und Technikern zu, die sich in der Tiefgarage einrichteten. Sam sah zu Lopez hinüber. Die nickte.
„Los!“, befahl Sam. Phönix riss die rote Tür auf, sodass sein Partner mit seiner halbautomatischen Waffe als erster hindurch und sich bereit machen konnte. Ein Schwall warmer Luft drang heraus – eine abstoßende Mischung aus Feuchtigkeit, Abgasen und Fäulnis.
„Klar“, rief Phönix von der Tür her und betrat den metallenen Treppenabsatz mit dem dumpfen Klang seiner Stiefelsohlen. Lightning folgte ihm, dann Sam und schließlich Declan. Die Strahlen ihrer Taschenlampen durchschnitten die Dunkelheit. Mit erhobenen Waffen wandten Phönix und Lightning sich nach links und nahmen die Stufen hinab in das weitläufige Maul des ersten Tunnels.
Sam bewegte seine Lampe in weitem Bogen und beleuchtete das viktorianische Mauerwerk, um sich ein wenig mehr in der Realität zu verankern. Das hier ist keine Höhle, und es gibt keinen Abgrund!
„Blut!“ Phönix’ tiefe, nordische Stimme riss Sam aus seinen Gedanken.
„Wo?“
„Überall auf den Stufen … eine Spur von Tropfen, die vor uns in den Tunnel führt.“
Sam senkte den Blick, und ja, auf den Stufen glitzerten Punkte einer roten Flüssigkeit. Sam fragte sich, welche Art von Wunde James zugefügt worden sein mochte, um so zu bluten. Eine gebrochene Nase? Oder Schlimmeres? Kopfwunden bluteten immer heftig. Seines Vaters Blut hatte sie in Kreisen von seinem Büro hergeführt wie Hänsel und Gretels Brotkrumen. Hier jedoch war das Blut in Tropfen rechts und links auf die Treppenstufen gefallen. Sam erkannte, dass es von einem getragenen, schwankenden Körper stammte. Am Kopf der Treppe hatte Madsson aufgehört, James zu schleifen und sein Opfer stattdessen hochgehoben. Schlagartig wurde Sam von Übelkeit ergriffen. Er stolperte über seine eigenen Füße, packte das Geländer und hielt sich daran fest. Er erinnerte sich daran, wie es gewesen war, als Madsson ihn während seiner eigenen Entführung in den Highlands unter Drogen gesetzt und über seine Schulter geworfen hatte. Die Erinnerung an die Körperkraft des Mannes, den Geruch seines Schweißes und seiner langen Schritte traf ihn wie ein Schlag. Declan streckte die Hand aus und ergriff Sams Schulter.
„Alles gut?“, fragte er hinter Sams Rücken.
„Ja, ja. Es geht mir gut, sorry.“ Sam holte tief Luft durch die Nase, um sich zu beruhigen, was er jedoch auf der Stelle bereute, als er den Gestank aus den Eingeweiden Londons roch. „Es geht mir gleich wieder gut“, versicherte er Declan. Er klang in seinen eigenen Ohren zu laut. Declan ließ seine Schulter los, und Sam ging weiter.
„Madsson war nicht so schwach und verletzt, wie James glaubte“, stellte Sam fest. „Von hier an hat er Vater hochgehoben und getragen“, sagte Sam grimmig, als sie am Fuß der Treppe anlangten. Das Licht einer Taschenlampe durchschnitt die Tintenschwärze vor ihnen und zeigte die gewölbte Öffnung eines gemauerten Tunnels mit abfallendem Betonboden, der sie noch weiter in die Tiefe führen würde. Sam wappnete sich dafür und folgte Phönix und Lightning hinab in den Alptraum.
****
Das Telefon in Declans Hand gab einen scharfen Piepton von sich. Die Agenten an der Spitze blieben stehen.
„Der Tracker hat gerade upgedatet“, sagte Declan. „Ich habe jetzt eine Karte der Tunnel.“
„Dieser Tunnel mündet etwa fünf Meter weiter vorn zu einer anderen Treppe, und an deren Fuß beginnt ein Servicetunnel für die Holland Park Station.“
„Für den Moment folgen wir dem Blut“, ordnete Sam an.
„Verstanden“, antwortete Phönix, als er und sein Kollege weitergingen und mit ihren taktischen Lampen leuchteten. Die vier Männer drangen bis zum Ende des Tunnels vor und folgten der Blutspur, die in starkem Kontrast auf der metallgrauen Oberfläche der Betonstufen auftauchte. Ganz unten befand sich ein weiterer, kurzer Tunnel aus viktorianischen, roten Mauersteinen, ausgeleuchtet vom Schein der ersten Stirnlampe.
„Hast du schon ein Signal von Vipers Tracker erhalten?“, fragte Sam zaghaft.
„Nö, keinen Piep“, antwortete Declan resigniert.
Phönix und Lightning traten vorsichtig vor. Unter ihren Füßen knirschte zerbrochenes Glas. Einer der Agenten richtete den Strahl seiner Lampe an die Decke. Sam sah, dass sämtliche Neonröhren in diesem Servicetunnel zerschlagen waren.
„Wir befinden uns jetzt auf dem Level der Bahnstation. Kannst du das fühlen?“, fragte Declan. Der Boden unter ihren Füßen rumpelte heftig. Die Luft veränderte sich rasch, als ein Schwall faulig riechender Wärme über sie hinwegwehte und eine U-Bahn durch einen der Paralleltunnel raste. Die führenden Agenten gingen weiter, und ihre Stiefel zerbrachen mit jedem Schritt mehr Glas. Ein paar Meter weiter vorn hallte Phönix’ tiefer, nordischer Akzent: „Hier gehen die Bluttropfen rechts weiter.“ Er drehte sich in einen abbiegenden Tunnel.
„Ich habe ein Signal von Viper“, verkündete Declan, sobald er in den gekachelten Tunnel abbog.
„Wie weit entfernt?“, fragte Sam.
„Sie sind in Bewegung–“ Declan vergrößerte das Display der Karte. „In den Tunnel zur Sloane Square Station.“
Sam sprach in sein Mikro. „Desert Fox an Kontrolle. Over.“
„Kommen, Desert Fox. Over.“
„Das Ziel ist in Bewegung. Schafft die schnelle Einsatztruppe zum Sloane Square, das ist der nächste Ausgang auf Straßenniveau. Over.“
„Sind unterwegs. Over.“
Dann fragte Sam: „Habt ihr Agentin 47 lokalisiert? Over.“
Die Antwort kam sofort. „Agent 47 hat vor drei Stunden den Privatjet genommen. Ist soeben in Kopenhagen gelandet. Ich sage Bescheid, sobald sie eingecheckt hat. Over und out.“
Sam drehte sich um und wechselte einen gereizten Blick mit Declan. Der hatte dieselben Infos auf seinem Sprechfunk empfangen und seine stahlgrauen Augen verengt. Offenbar dachte er dasselbe wie Sam. Wie verdächtig war es, dass Akiko ausgerechnet während eines tödlichen Angriffs auf das HQ abwesend war? Hatte Mrs K gewusst, dass der Angriff bevorstand, oder hatte irgendwer dafür Sorge getragen, dass James’ loyalste und meistgefürchtetste Agentin außer Landes sein würde?
Sam folgte mit wirbelnden Gedanken einem weiteren Tunnel hinunter. Wenige Minuten später wurden seine Überlegungen von einer Stimme in seinem Ohr unterbrochen.
„Kontrolle an Desert Fox, over.“
„Ich höre, Kontrolle. Over.“
„Ich habe euren Standort auf dem Schirm. Ihr bewegt euch auf der Route des Westbourne Flusses“, informierte die Stimme alle zuhörenden Agenten. „Der Westbourne ist einer der drei verlorenen Flüsse. Er wurde unterirdisch in Kanäle aufgeteilt, um den Wiederaufbau von Kensington und Chelsea zu unterstützen. Heutzutage verläuft der Fluss durch von Menschenhand erbaute Tunnel und wird dazu benutzt, Abfluss- und Flutwasser in die Themse zu leiten. Eine Kombination aus Gulliüberläufen und Unwetterwasser fließt heute durch einen Kanal über der U-Bahn-Station Sloane Square. Over.“
„Wahrscheinlich suchen sie nach dem unterirdischen Fluss, um einen Ausgang zu finden“, sagte Declan aufgeregt. Sam konnte Declans Begeisterung darüber nicht teilen. Er hasste es, unter der Erde zu sein, und bemühte sich sehr, nicht über den Zustand nachzudenken, in dem sie James vorfinden mochten – falls sie ihn überhaupt fanden.
„Ausgang auf drei Uhr“, rief Lightning aus. Sam lenkte seinen Lichtstrahl nach rechts. Weiter unten an der Wand im Tunnel hing eine rostige Metalltür offen. Der faulige Geruch von Schmutz und Urin stieg Sam in die Nase. Der Strahl seiner Taschenlampe entlang des Gangs zeigte, dass die Blutspur an der rostigen Tür endete.
„Wo sind wir?“
„Straßenniveau ist Sloane Terrace. Der unterirdische Fluss kommt am Sloane Square an die Oberfläche, bevor er wieder unter der Erde verschwindet“, erklärte Declan Sam und zeigte ihren Standort auf der Karte, die auf dem Telefondisplay mit James’ Trackingsignal unterlegt war.
„Alles klar“, sagte Sam entschieden. „Phönix, Lightning, macht die Tür frei.“ Die beiden Agenten pressten ihre Rücken an die feuchte Tunnelwand. Phönix öffnete die Tür weiter, und Lightning schob seine Waffe in den Türrahmen und bewegte den Lauf, um zu beleuchten, was immer dahinter auf sie wartete.
„Klar. Wir haben eine Leiter, die in den Wasserlauf hinabführt“, sagte Phönix, dann stiegen die beiden Agenten unverzüglich in den Flusstunnel. Sam hörte das gespenstische Echo von Stiefeln auf Metallboden und das Plätschern von Wasser.
„Rattenpisse und Scheiße, verflucht!“, rief Declan aus. „Mist! Dafür hab’ ich nich das Richtige an!“, beklagte er sich. Die anderen Agenten trugen komplett wasserfeste Kampfanzüge und waren bereits im Tunnel verschwunden.
Sam drehte sich um und bot seinem Ehemann ein schwaches Lächeln an. „Das glamouröse Leben eines Spions, aye!“
Declan steckte das Telefon in die Seitentasche seiner kugelsicheren Weste und nahm Sams Taschenlampe, sodass sein Mann beide Hände frei hatte, um die rutschige Leiter hinunterzuklettern. Bei seinem Sprung in das knöcheltiefe Wasser sagte Sam fröhlich: „Ist gar nicht so schlimm, relativ flach. Wenn es in dieser Woche geregnet hätte, sähe es allerdings anders aus!“
Declan starrte hinunter in das trübe Wasser des Westbourne und verzog das Gesicht. „Ich werde mir die Schuhe ruinieren, stimmt’s?“
„Nicht nur die Schuhe. Wahrscheinlich werden wir alles ausziehen und verbrennen müssen, wenn wir hier raus sind.“
Declan gab ihm die Taschenlampe zurück. und Sam beleuchtete für Declan die Leiter. Der kletterte nach unten und fluchte, als seine Füße bis zu den Knöcheln in den glitschigen Schlamm sanken. Das Wasser war nicht so das Problem, sondern der Schlamm. Declan hob einen Fuß und kämpfte mit der Saugkraft, um den Schuh nicht zu verlieren. Er wackelte damit, zog ihn heraus und bewegte ihn in der Mitte des Wasserstroms durch den Tunnel. „Oh, Gott, wer hätte je gedacht, dass ich mal für James durch Scheiße waten würde?“, grummelte er.
Aber nun war es so weit, dabei hatte Sam noch nicht einmal angefangen zu begreifen, was sich heute im Hauptquartier ereignet hatte, und warum. Er wusste, dass Declan ein ganzes Regal voll mit teuren Schuhen daheim in seinem begehbaren Kleiderschrank hatte. Die Schuhe, die er jetzt trug, waren vielmehr die billigen Lederschuhe von seiner Verkleidung als Tobias Hunter. Declan jammerte über seine Schuhe und benahm sich wie ein Brummbär, um ihn abzulenken, und Sam war dankbar dafür.
Die Agenten an der Spitze beleuchteten den Tunnel, den die Viktorianer gemauert hatten, um den Fluss unterirdisch umzuleiten, sodass sie darauf bauen konnten. Dort, wo sich Licht und Dunkelheit trafen, gab es nicht viel zu sehen. Rote Mauersteine, erbsengrüne Algen, die die Wände bedeckten, und klebriger Schlamm. Der Geruch war abstoßend, und man konnte der modrigen Luft nicht entgehen. Alte Wasserspuren auf halber Höhe der Tunnelwände zeigten, wie hoch das Wasser gestanden hatte, wenn das Wasser der Themse den Tunnel füllte oder die Gullis während eines Gewitters überliefen. Sam erinnerte sich daran, festgesessen zu haben, wenn mehrere U-Bahn-Stationen während eines Unwetters in der Londoner Innenstadt geflutet waren, weil das alte viktorianische Leitungssystem mit den Anforderungen einer modernen Stadt nicht fertig wurde. Obwohl ihre jetzige Situation unangenehm war, bei starkem Regen dem Westbourne Fluss folgen zu wollen, wäre ein Albtraum.
Das Telefon in Declans Weste gab einen Ton von sich. Er nahm es heraus und checkte die Karte. „Ich sehe Vipers Signal. Sie befinden sich jetzt am Durchlasskanal vom Sloane Square und sind immer noch in Bewegung. Wir sind jetzt etwa einen Kilometer von der Themse entfernt.“
Sam hatte das Gefühl, schon ewig unter der Erde zu sein, obwohl er in Wirklichkeit noch keine Stunde hier unten war. Das Team hatte gerade erst angefangen, ernsthaft entlang des Flusses zu waten, begleitet vom unablässigen Tropf-Tropf-Tropf des Wassers und dem gespenstischen Platschen von Stiefeln in den unterirdischen Räumen. Die Materialien, die in den einzelnen Bereichen verbaut worden waren, veränderten sich, je weiter sie vordrangen – von Mauersteinen zu Beton und schließlich zu Stahl, als der Flusstunnel verstärkt wurde.
Schon wenige Minuten später verwandelte sich der glitschige Steinboden unter ihren Füßen in eine schleimige, metallische Oberfläche, die sich bei jedem Stiefelschritt anhörte wie Kuhglocken. Das Licht der Taschenlampen wurde von den Stahlwänden reflektiert und die Decken zeigten gleichmäßige Linien aus schmiedeeisernen Nieten.
„Wir sind jetzt genau im Flusstunnel über den Schienen an der Sloane Square Station“, sagte Declan den anderen, während er zu Sam hinterherschaute. Declan hatte den Durchlass schon oft vom Bahnsteig aus gesehen, aber nie geahnt, dass ein Fluss hindurchlief. Sein Durchmesser umfing sechs Meter. Declan erinnerte sich vom Bahnsteig her, dass er lediglich aussah wie ein harmloser Bahntunnel, der glänzend grün angestrichen war.
„Scheiße! Vipers Signal ist immer noch in Bewegung. Das Ziel hat den Ausgang gar nicht genommen. Sie sind wieder unter die Erde gegangen.“
„Verdammt!“, rief Sam aus. „Desert Fox an Kontrolle, over“, sagte er in seinen Sprechfunk.
„Ich höre, Desert Fox. Was ist Ihr 20, over?“
„Wir sind im Westbourne Auslass über dem Sloane Square. Das Ziel hat den Ausgang nicht genommen. Er bewegt sich immer noch unterirdisch. Mobilisiert das Team. Sie sollen sich bereit halten. Over.“
„Verstanden. Over und out.“
Sobald sie den weiten Kanaltunnel passiert hatten, kamen die Agenten an Schleusentore, die zu beiden Seiten von Metallstufen gesäumt waren. Wasser tröpfelte weiterhin durch schmale Schlitze in den geschlossenen Toren und rann entlang einer stählernen Rampe zurück in einen gemauerten und gewölbten viktorianischen Tunnel. Ein kurzer Blick hinein mithilfe einer Taschenlampe enthüllte neue Bluttropfen auf dem grauen Untergrund der Metalltreppe links von den Toren.
„Seht, hier und hier. Wir haben immer noch die Blutspur, aber die Tropfen … sind hier spärlicher“, stellte Phönix fest. Sam eilte zu dem Agenten, um sich das selbst anzusehen. Er hatte recht. Hatte sich hier die Wunde geschlossen, oder hatte Madsson James nur anders getragen?
Als die Agenten in in das Flussbett am Fuß der Treppe sprangen, stellen sie fest, dass das Wasser und der Schlamm hier bis über ihre Knie reichten.
„Leute, bleibt mal einen Moment stehen und lauscht“, rief Declan. Sie hielten alle inne.
„Von hier aus verläuft der Tunnel ungefähr einen Kilometer in gerader Linie weiter“, erklärte Declan. Die vier Männer standen da, warteten und lauschten. Einen Moment lang war nichts zu hören außer dem beständigen Tröpfeln des Wassers, bis ein entferntes Plätschergeräusch den Tunnel entlangrauschte. Es wiederholte sich.
„Habt ihr das gehört? Da läuft jemand durch das Flussbett. Gar nicht weit entfernt!“ Sam drückte auf den Knopf seines Mikrofons.
„Kontrolle, wir hören ihn von hier aus. Wir befinden uns in dem geraden Tunnelstück, das hinter dem Sloane Square zum Flussufer verläuft. Mobilisiert das Team und schickt sie zur Böschung. Over.“
„Verstanden. Over und out.“
Zu den Agenten Phönix und Lightning sagte Sam: „Joggt voraus und versucht, zu ihm aufzuholen.“ Die Männer nickten und liefen los. Weder Declan noch Sam trugen das richtige Schuhwerk zum Rennen in einem schrägen Tunnel, also wateten sie in entschlossenem Schweigen weiter. Minuten später roch die Luft anders. Die anderen Agenten waren inzwischen außer Sicht. Ihre Lampen waren ebenfalls nicht mehr zu sehen.
„Wir müssen jetzt schon nah an der Themse sein“. vermutete Sam. Er sah voraus eine Kurve, und direkt nach der Biegung fand er Phönix und Lightning.
„Mist, Leute. Das Signal hat aufgehört sich zu bewegen.“ Das Team umringte Declan, um die Karte auf dem Telefon zu sehen.
„Wo?“
Declan zeigte auf die Stelle. „Ich schätze, sie sind etwa sechshundert Meter vor uns.“
„Kontrolle. Wir sind unter den Ranelagh Gärten, nah bei der Chelsea Bridge. Over“, gab Sam durch.
„Verstanden. Das Team ist unterwegs! Over.“
James konnte in modrigem Schlamm liegen, tot oder sterbend. Es kam jetzt auf jede Minute an.
Phönix und Lightning rannten mit sicheren Schritten voraus. Sam und Declan blieben ihnen dicht auf den Fersen. Am Ende des Tunnels, wo der Westbourne und die Themse sich begegneten, holten sie zu den beiden anderen Agenten auf. Sam sah, dass ein großes Stahlgitter den Tunnelausgang bedeckte und für Menschen unpassierbar machte. Nur zwanzig Meter dahinter war noch Tageslicht zu sehen. Der Wasserstand am Ufer der Themse war niedrig.
„Wo ist das Trackersignal?“, fragte Sam drängend.
„Genau hier!“, antwortete Declan und starrte auf die Karte.
„Das kann nicht sein“, fauchte Sam. „Wo zum Henker sind sie?“
„Ich sage dir nur, was die App zeigt!“, fauchte Declan zurück.
„Boss. Jemand war schon vor dem Angriff auf das HQ hier und hat die Fluchtroute vorbereitet. Die Gitterstäbe wurden durchgesägt. Hier und hier. Das geht nur mit einer Flex. Das Loch ist groß genug für einen Menschen“, erklärte Phönix trocken.
„Aber das Trackersignal kommt immer noch von hier! Ich verstehe das nicht!“, hallte Declans frustrierte Stimme durch den Tunnel.
Auch Sam verstand es nicht. Der Tracker zeigte, dass James bei ihnen im Tunnel war. Was ging hier vor sich?
„Desert Fox, komm und sieh dir das hier an“, sagte Lightning und richtete seine Taschenlampe auf einen Bereich an der gegenüberliegenden Seite des Tunnels. Sam, Declan und der andere Agent stießen zu ihm. Sie sahen, dass da im Schlamm ganz frische Schuhspuren und ein größerer Abdruck waren. Letzterer sah aus wie der Abdruck eines Hinterns, und daneben befanden sich ein kleines, knopfartiges Gerät sowie eine Pfütze dunklerer Flüssigkeit im Schlick. Blut. Declan ging neben dem Blut in die Hocke und hielt das Telefon über die Pfütze. Es gab ein Signal von sich. Declan steckte seine Finger in den Schlamm und fischte darin herum. Inmitten der roten Flüssigkeit fand er den winzigen, weißen Sender in der Größe eines Reiskorns, der ursprünglich unter der Haut von Sir James’ linkem Arm gesteckt hatte.
„Madsson hat den Tracker herausgeschnitten!“, sagte Declan.
Phönix hob das kleine Gerät auf. „So etwas habe ich schonmal gesehen. Hat Viper noch anderswo solche Tracker … die man nicht so leicht herausnehmen kann?“
„Er hat noch einen zweiten in seiner Kniescheibe.“
„Jetzt nicht mehr. Dieses Ding hier sendet ein hochfrequentes Signal, das jeden eingepflanzten Tracker ausbrennt.“
„Scheeiße!“, fluchte Sam. Madsson spielte mit ihm. Sie waren für nichts und wieder nichts durch diese Hölle gewatet. Genau das hatte Madsson beabsichtigt. Frustriert und verzweifelt kehrte Sam um und ging durch das Loch in dem Gitter. Er musste dringend hier raus. Sam sank im Schlamm auf seine Knie und glitt durch die Lücke.
Declan fluchte unverständlich vor sich hin, steckte Sams Telefon zurück in seine Weste und folgte seinem Mann mit knirschenden Zähnen.
Sam war von Kopf bis Fuß mit Schlamm beschmiert. Er folgte zwei Paar Stiefelabdrücken über die Uferbank zum Wasser der Themse. Zwei Paar. Keine Sekunde lang glaubte er, dass James freiwillig zu einem wartenden Boot gelaufen war. Wer immer Madsson geholfen hatte, aus seiner Zelle zu entkommen, war die ganze Zeit bei ihm gewesen und hatte diese Route von Anfang an vorbereitet. Sam drehte sich nach links, betrachtete die beeindruckende steinerne und stählerne Silhouette der Chelsea Bridge, die nur zwanzig Meter entfernt stand, und suchte den Horizont darunter ab. Ein weißes Speedboot war kaum sichtbar und dann in einem einzigen Augenblick verschwunden.
Als Declan seinen Partner erreichte, sprach Sam bereits in sein Mikrofon.
„Kontrolle. Wir haben sie knapp verpasst. Sie sind in einem Speedboot Richtung Osten entkommen. Over und out.“
Sam verspürte eine verwirrende Mischung von Gefühlen – Wut, Frust, Schuld. War dies nicht genau das, wofür er von Kindesbeinen an ausgebildet worden war? Die beste, effizienteste Waffe im Arsenal seines Vaters zu sein? Er hatte versagt. Taubheit überkam ihn. Sam sah an seinem Körper herab und bemerkte zum ersten Mal, dass er mit modrigem, dreckigem Schlamm beschmiert war.
„Scheiße! Wir müssen zum Wagen der schnellen Eingreiftruppe, die Klamotten ausziehen und alles eintüten“, sagte er abwesend.
„Aye. Vielleicht sollten wir das Zeug direkt verbrennen und danach in Bleiche baden!“, antwortete der genauso schlammige Declan trübsinnig.
****
ENTRÄTSELN
Es hatte etwas Surreales an sich, nach Monaten der Abwesenheit wieder in der Wohnung in Mayfair anzukommen. Während Sam und Declan ihre Mission in Wien ausgeführt hatten – die Zerschlagung einer Organisation von Ökoterroristen – hatte ihr Zuhause stillgelegen, als hätte ein allmächtiges Wesen in ihrem wirklichen Leben den Pausenknopf gedrückt, während sie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen waren. Und jetzt wurde es schnell vorgespult.
Sam ging ins Wohnzimmer und sah sich um. Auf dem Couchtisch entdeckte er den Fantasy-Roman, den er vor Monaten gelesen hatte. Die Eheringe des Paares hingen noch über den Schwertern der Figuren des schrecklichen Piraten Roberts und Inigo Montoyas auf dem Kaminsims. Declans Steinesammlung im Bücherregal war mit einer feinen Staubschicht bedeckt. Die Reinemachefrau hatte sie ausgelassen, als sie die Wohnung geputzt hatte. Alles sah noch aus wie zuvor, völlig alltäglich, normal. Alles war dasselbe, abgesehen von Sam Aiken-Ramsay.
Sam stand stocksteif da in einem Papieroverall und mit blauen Überziehern aus Plastik an den Füßen. Er sog den Geruch von Zuhause in sich auf – einst so vertraut, und jetzt irgendwie abgestanden und fehl am Platz. Vielleicht war es aber auch Sam, der nicht mehr hierher passte? Sam hatte schon öfter so empfunden nach einer lebensbedrohlichen Situation. Dieses überwältigende Gefühl war nur gewachsen, seit sie das Haus am Holland Park betreten und Tod und Zerstörung gefunden hatten, wohin sie auch schauten. Sam erkannte die emotionale Dissonanz – die Überzeugung, dass er etwas Bestimmtes fühlen sollte, vielleicht Trauer oder Sorge um seinen Vater. Aber jetzt war Sam zuhause. Ja, ich bin zuhause. Er konzentrierte sich auf die pure Erleichterung, wieder zurück zu sein, an diesem sicheren Ort und endlich wieder allein mit Declan.
„Westley, du gehst als Erster unter die Dusche“, befahl Declan, als er die Wohnung betrat und ihre beiden Rollkoffer in Richtung des Schlafzimmers zog. Sekunden des Schweigens vergingen, während Sam ins Unendliche starrte.
„Hey, Schatz, hast du mich gehört?“, fragte er, als er auf dem Weg zur Küche am Wohnzimmer vorbeikam. Der raue schottische Akzent seines Ehemannes riss Sam in die Gegenwart, als er ihn das zweite Mal hörte. Er bewegte sich wie ein Roboter und ging zum Fenster. Dort zog er mit zwei Fingern die Vorhänge zur Seite und starrte hinaus auf die Fassade des Connaught Hotels. Die Umrisse der Gäste und des Personals in den Zimmern gegenüber wirkten vollkommen normal. Leute gingen ihren täglichen Beschäftigungen nach; es gab keine unmittelbare Bedrohung. Dann sah Sam sich an der linken Seite der Mount Street um. Es waren viele Shopper unterwegs, Geschäftsleute und Touristen. Wiederum ein ganz gewöhnlicher Tag ohne Bedrohung. Immer auf der Hut zu sein, war unheimlich anstrengend. Sam wünschte, er könnte sich entspannen, einfach abschalten und alles vergessen, aber die krasse Realität war, dass seine Familie sich in großer Gefahr befand. Sams Vater wurde vermisst, und Belle mit ihrer neugeborenen Tochter belastete Sam noch zusätzlich. Da James verschwunden war, und Mrs K offenbar ebenfalls, lag nun alle Verantwortung auf Sams Schultern.
Aus der Küche kam das vertraute Geräusch einer Schublade, die geöffnet und dann wieder geschlossen wurde. Sam hörte schwere Schritte, als Declan erneut durch den Flur ging.
„Weißte“, murmelt Declan im Plauderton, „es macht mich stinksauer, dass wir so kurz davor waren auszusteigen, so verflucht kurz davor, und jetzt sind wir wieder ganz am Anfang!“ Er blieb in der Wohnzimmertür stehen. Sam wandte sich vom Fenster ab und begegnete Declans liebenswertem, silbergrauen Blick.
„Na komm, Schatz“, sagte Declan mit sanfterer Stimme, „ich hab’ die Dusche auf Heizen gestellt. Je eher wir wieder sauber sind, umso besser.“
Sam ließ die Schultern ein wenig hängen, was seinen verkrampften Muskeln ein bisschen erlaubte, zu entspannen. Er seufzte und folgte seinem Ehemann ins Schlafzimmer.
Declan hatte einen schwarzen Müllsack aus der Küche geholt und rasch den Papieranzug und die Schuhhüllen ausgezogen, die man ihm gegeben hatte, damit er nicht den Moder aus den Kanälen in den A.L.L.-Van der Eingreiftruppe trug. Und nun stand er nackt vor Sam und stellte seinen zerschlagenen und mit Blutergüssen übersäten Körper zur Schau. Vor weniger als einem Tag noch war Declan verkleidet als Batman und gefesselt an ein St. Andreas-Kreuz in einem BDSM-Club gewesen, während seine Geiselnehmer, eine Gruppe von Ökoterroristen, die Prostitution, Drogen und Erpressung zur Finanzierung ihrer Aktivitäten nutzte, damit gedroht hatte, ihn zum Spaß aufzuschlitzen. Sam musterte den Körper seines Mannes. Einen Moment lang hatte er vergessen, dass Declan während ihres Kampfes gegen Mads Hendrik verletzt worden war. Sam streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen liebevoll über einen der vielfarbigen Blutergüsse auf Declans behaarter Brust. Dann folgte er den verschorften Kratzern, die das BDSM Wartenberg-Rad, mit dem Hendrik Declan gefoltert hatte, hinterlassen hatte.
„Armer Schatz“, seufzte Sam.
„Och, ich bin ein großer Junge. Ich komme schon klar. Nur ein paar winzige Kratzer. Na komm, zieh das aus!“, forderte Declan Sam auf und nickte zu dem weißen Papieranzug, den Sam noch trug. Er schüttelte ungeduldig die Mülltüte.
Sam schlüpfte aus den Schuhhüllen, dann zog er den Reißverschluss herunter und stieg aus dem Overall. Der Adrenalinrausch, der ihn während der Jagd durch die Tunnel aufrecht gehalten hatte, ließ nun nach. Und jetzt, als er so nackt in seinem Schlafzimmer stand, fühlte er sich plötzlich sehr verwundbar. Er sah hinab auf seine Hände und bemerkte, wie sehr seine Finger zitterten. Und seine Brust wurde ihm eng. Sam stand am Bug eines Schiffs, mitten im Sturm, und er bekam keine Luft.
„Hey, hey, ganz ruhig“, tröstete ihn Declan. Seine Stimme war wie ein Anker. „Es war ein echt beschissener Tag!“
Sam lächelte schief über diese Untertreibung, als Declan auf ihn zutrat, um ihn in die Arme zu nehmen. Sam hielt abwehrend die Hände hoch und trat einen Schritt zurück. „Schon gut. Ich brauche nur eine Minute“, versicherte er.
„Na gut. Ich werde das Zeug hier los.“ Declan hob den Papieranzug und die Schuhhüllen vom Boden auf und steckte sie in den Müllsack. Er warf Sam einen besorgten Blick zu, als er den Sack verknotete. Offensichtlich war er nicht überzeugt, dass es Sam gut ging. Dann verließ er das Schlafzimmer, um die Tüte an der Eingangstür abzustellen.
Sam stolperte ins warme, mit Wasserdampf gefüllte Badezimmer und atmete die vertrauten, tröstlichen Gerüche von seines Mannes teurem Aftershave und ihrer vermischten, persönlichen Düfte ein. Die Dusche war bereit, und das heiße Wasser beschlug die Spiegel. Sam stellte sich unter den Strahl. Seine Haut war genauso taub wie sein Inneres.
Eine Sekunde später lugte Declans besorgtes Gesicht in die geöffnete Dusche. „Großer Gott, Sam!“, rief er aus. „Das Wasser kocht ja geradezu! Versuchst du, dich zu kochen?“ Er streckte die Hand in die Duschkabine und stellte eine etwas gemäßigtere Temperatur ein.
„Brauchste irgendwas?“, fragte er beunruhigt von Sams abwesendem Verhalten.
Sam, der keine Ahnung hatte, was er in diesem Moment brauchte, antwortete sehr britisch: „Nein, nein, alles bestens.“ Also machte sich Declan an seine persönliche Körperpflege. Sam trat aus dem Wasserstrahl und wischte die Kondensation von den verspiegelten Kacheln. Er spülte sich das Gesicht ab und rieb sich die brennenden Augen. Er hielt Tränen zurück. Das Spiegelbild in den Kacheln zeigte ihm, dass Declan nun am Waschbecken stand und Rasierschaum in seinem Gesicht verteilte, um die kratzigen Stoppel wegzurasieren, die schnell nachgewachsen waren, seit er nicht länger seinen falschen Schnauz- und Ziegenbart als Tobias Hunter tragen musste.
Sam streckte den Kopf aus der Duschkabine. „Nicht!“, sagte er flehend. Declan drehte sich um und schaute ihn fragend an.
„Nicht was?“
„Rasier dich nicht. Bitte.“
Declan nickte, grinste schief und drehte den Wasserhahn auf, um sich den Schaum aus dem Gesicht zu waschen. Sam trat zurück unter den Wasserstrahl und griff blindlings nach dem Duschgel. Er drückte etwas davon in seine Handfläche und rubbelte es über seine glänzende Brust. Plötzlich konnte er es nicht mehr erwarten, wieder sauber zu sein und Schmutz und Gestank der Tunnel loszuwerden. Erst in diesem Moment fiel ihm auf, dass er versehentlich Declans Duschgel anstelle seines eigenen genommen hatte. Der holzige Duft hüllte ihn ein wie eine Umarmung und erinnerte Sam daran, dass, ja, er war zuhause. Und genau wie der Duft von Declans Aftershave, war es ein Trost für ihn. Und dann war es genau diese vertraute Duftmischung, die für Sam zu viel wurde. Das hier war sein sicherer Ort. Hier konnte er endlich, endlich loslassen. Mit einem dumpfen, nassen Geräusch sackte er auf dem Boden der Duschkabine zusammen.
„Sam–?“
Eine Minute lang, nachdem sie in Heathrow gelandet waren, hatte Sam sich gefreut, zurück in London zu sein und zu wissen, dass er seinen Vater besiegt hatte. Er war darauf vorbereitet gewesen, wieder die Kontrolle über sein und Declans Leben zu haben. Sam hatte sich danach gesehnt, in die Wohnung zurückzukehren, die Verkleidungen abzustreifen und wieder er selbst zu werden. Dies war nicht die Art von Heimkehr, die er sich vorgestellt hatte. Er konnte die Gesichter der Toten nicht vergessen. Er war überwältigt von Schuldgefühlen, weil es ihm nicht gelungen war, Erik Madsson in den Tunneln zu fangen, und weil er nun gesund, sicher und geliebt war, während Mitglieder von James’ Haushalt getötet worden waren, einfach nur, weil sie für die Aiken-Familie gearbeitet hatten. Sams Vater war verschwunden, und doch, wenn er an James dachte, empfand er nicht die „richtigen“ Emotionen, die ein liebender Sohn fühlen sollte. Stattdessen waren da Abscheu und Hass für alles, was James getan hatte und was zu den Ereignissen dort im Untergeschoss geführt hatte. Ein Teil seines Gehirns war sogar erleichtert über James’ Verschwinden. Es war eine selbstsüchtige Erleichterung, eine Last weniger, mit der er sich befassen musste, eine Bürde, die von ihm genommen war. Aber dann wanderten Sams Gedanken zu seiner Schwester Annabelle, und die Erleichterung verwandelte sich in eine Welle von Traurigkeit, die sich in einem Tränenmeer Ausdruck verschaffte und seinen ganzen Körper schüttelte. Inzwischen war James bereits Großvater. Sam fragte sich, ob er es überhaupt je erfahren würde.
„Hey … hey?“ Declans Wärme umgab Sam, als er sich zu ihm auf den Boden setzte und seinen nassen Ehemann in die Arme nahm.
„Oh Gott, bitte nicht.“ Sam versuchte erfolglos, Declan wegzuschieben. „Ich … bin ein … einziges Chaos“, sagte er zwischen Schluchzern.
„Verdammt! Du bist kein Roboter, Sam, du darfst Gefühle haben! Komm her.“ Declan zog Sam in seinen Schoß und wiegte Sams Kopf an seiner Schulter. Sam gab nach und ließ sich an Declans kräftigen Körper sinken. Die Dusche regnete auf sie beide hinab, während Sam weinte.
„Sie hatten das nicht verdient – Strauss … Mr Steele, Piotr der Gärtner …“ Angewidert hielt Sam für einen hicksenden Atemzug inne. „Großer Gott, ich weiß nicht einmal den vollen Namen des Mannes.“
Declan rieb Sam den Rücken, küsste sein für die Wiener Mission gebleichtes Haar und hörte ihm zu, während Sam seinen Gram aufarbeitete.
„Wir hatten es ihm gesagt!“, rief Sam aus. „Wir hatten Vater gesagt, wie gefährlich Madsson ist. Wir wussten, dass er einen Plan hatte und dass er handeln würde, aber neeeein, James wusste es natürlich wie immer besser, und jetzt – wie viele, wie viele hat Madsson getötet, um an ihn heranzukommen?“ Sam war von Zorn überwältigt.
„Ja, Liebster, du hattest von Anfang an recht. Und es tut mir unheimlich leid.“
„Es ist mir egal, ob sie ihn finden.“ Sam lachte halb hysterisch. „Ist das nicht furchtbar? Ich bin sein Sohn, aber es bedeutet mir nicht besonders viel, den Schweinehund zu finden. Weißt du, für den Bruchteil einer Sekunde in seinem Büro, als ich sah, dass er verschwunden war, da war ich … erleichtert, dass er nicht da war. Ich dachte …Gott sei Dank, er ist weg“, gab Sam zu.
„Aye, ich weiß, was du meinst. Dein Vater is ’n … komplizierter Mensch, und so etwas war schon lange fällig. Aber, Liebster, er ist immer noch dein Vater … und wer immer ihn jetzt entführt hat, hat dabei unschuldige Leute umgebracht, um an ihn heranzukommen. Das können wir nicht so stehen lassen. Die Leute verdienen Gerechtigkeit. Du weißt so gut wie ich, die werden sie nicht auf normalem Wege bekommen. Ihre Tode werden unter den Teppich gekehrt werden!“
Sam blickte auf und sah Declans besorgten Blick. Er fuhr mit den Fingern durch Declans gefärbtes Salz- und Pfeffer-Haar, schob ihm die nassen Strähnen aus der Stirn und stieß ein tiefes Seufzen aus.
„Ja, ich weiß … ich weiß“, sagte er leise. „Sie sind der Grund, warum wir es bis zum Ende durchziehen müssen.“
Declan hielt sich an einer Stange fest, zog sich und Sam zugleich vom Boden hoch.
„Ich weiß, es ist immer noch Nachmittag, aber lass uns zu Ende duschen und dann zu Bett gehen“, schlug er vor, dann küsste er Sam und griff nach dem Duschgel. „Wir sind beide ziemlich erledigt.“
Der vertraute Funke, der zwischen ihnen entflammte. war tröstlich, wie ein Abend vor dem offenen Kamin im Winter. Zu sehen, wie sein Geliebter einen großzügigen Klecks in seine Handfläche gab und dann anfing, seine haarige Brust einzuseifen, seine liebestrunkenen Augen fest auf Sam gerichtet, während Sam den Blick erwiderte und der trägen Bahn der Finger folgte, die Declans geprellte Rippen hinabglitten, über seine Bauchmuskeln und dann weiter hinab zu seinem hart werdenden Schaft und noch tiefer, um seine Hoden zu waschen. Nach einigen Minuten, in denen Sam wie hypnotisiert von Declans Händen den Ebenen und Umrissen seiner harten Muskeln gefolgt war, flüsterte Sam:
„Lass mich das tun.“
Er trat einen Schritt vor und nahm das Duschgel vom Bord. „Dreh dich um.“ Sam gab etwas von der seidigen Substanz über Declans Rücken und sah zu, wie sie daran herab und bis über die Rundungen seiner festen, muskulösen Backen lief. Dann stellte Sam das Gel zurück aufs Bord, schnappte sich ein Paar Massagehandschuhe und benutzte die raue Seite, um Declans Haut zu kneten und zu liebkosen. Declan gab wohliges Stöhnen von sich. Sam bückte sich und streichelte Declans Waden und Schenkel, wohl wissend, dass Declan dabei sein gebücktes Spiegelbild in den Spiegelkacheln betrachtete, die eine der Duschwände bedeckten.
Erneut drehte Declan sich auf Sams Kommando um und zog Sams nasse Gestalt eng an sich. Sam ergriff Declans Hüften, rieb die rauen Handschuhe über Declans Hinterteil und entlockte ihm ein Knurren.
„Gott, wie hab’ ich diese kleinen Freuden vermisst“, keuchte Declan erregt. Er küsste Sams Hals und fuhr mit den Fingern durch Sams nasses Haar. Sams linke Hand wanderte nach vorn, und das raue Gewebe des Massagehandschuhs an Declans Ständer ließ ihn zucken und fluchen.
„Verdammt! Zu viel!“ Declan packte Sams Handgelenke. „Ich platze gleich, wenn du so weitermachst!“, protestierte er.
„Schön“, schmollte Sam ein wenig enttäuscht. Declan trat wieder unter den Wasserstrahl und spülte sich den Seifenschaum von der Haut. Dann drehte er das Wasser ab. Er verließ die Dusche, griff nach ein paar Handtüchern und warf eines davon zu Sam, der es aus der Luft schnappte. Sie trockneten sich gegenseitig ab. Dann rubbelte Declan Sams Haar trocken und grinste ihn liebevoll an, als er das Handtuch wegzog und Sams rosige Wangen und das Funkeln seiner waldgrünen Augen sah. Sam sah Declan fest an und beugte sich vor.
„Danke … dass du für mich da bist. Ich liebe dich.“
Declan zog Sam fest in seine Arme. „Danke dir … dass du für mich da bist!“
„Ich … ich brauche dich“, hauchte Sam in einem verletzlichen Flüstern auf die Lippen seines Geliebten. Declan nickte. Er wusste genau, was Sam meinte.
„Lass uns zu Bett gehen, aye?“ Declan drehte sich um, rubbelte sein Haar trocken und warf das Handtuch auf dem Weg ins Schlafzimmer in den Wäschekorb.
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Die Laken waren kühl, als Sam ins Bett schlüpfte. Dann lag er dort mit den Armen über dem Kopf und starrte im gedämpften Licht an die Zimmerdecke. Sein Haar war noch ein wenig feucht, aber das machte ihm nichts aus. Er hatte genau, was er brauchte – Vertrautheit, Routine und das Gefühl von Zuhause. Declan bewegte sich durchs Schlafzimmer und packte einen der Koffer aus.
„Was zum Henker treibst du da? Komm her und wärm das Bett auf. Es ist arschkalt!“ Declan schlenderte zu Sams Nachttisch und legte sein Telefon darauf ab. Sam wünschte, er hätte das nicht getan. Dann gesellte sich zu dem Telefon noch eine Flasche mit Gleitmittel. Sam war froh, dass er daran gedacht hatte!
Declan schlüpfte unter die Bettdecke und gab einen erschrockenen Laut von sich. „Gott, es ist ja wie in der Scheiß-Arktis. Dagegen müssen wir unbedingt etwas unternehmen!“ Er rutschte hinüber zu Sams Seite, warf einen Arm über dessen Brust, den anderen unter seinen Rücken und ein Bein über Sams Schenkel – eine Ganzkörper-Umarmung, eng aneinander geschmiegt.
„Ahh, so ist es besser“, seufzte Sam wohlig. Mehrere Minuten lang lagen sie so eng zusammen und waren zufrieden.
Flüsternd brach Sam schließlich das Schweigen und gab zu: „Ich habe nicht die Worte, um auszudrücken, wie sehr du mir gefehlt hast, Buttercup.“
„Ich habe dich auch vermisst. Ich bin froh, dass es vorbei ist. Das machen wir nicht noch einmal! Einverstanden?“ Declan drückte Sam an sich und küsste ihn auf den Mund.
„Einverstanden.“
„Vom ersten Moment an, als wir uns begegnet sind, war es, als würden uns unablässig Hindernisse in den Weg gelegt, um zu verhindern, dass wir zusammen sind.“
„Aber wir haben alles überstanden, und jetzt sind wir hier“, sagte Sam weise.
„Aye, das stimmt. Aber du weißt, dass wir das nun hinter uns lassen, richtig? Ganz egal, was passiert, wenn wir Jamesy finden, machen wir mit unseren eigenen Plänen weiter. Jetzt ist unsere Zeit gekommen.“
Sam schwieg eine Sekunde lang, bevor er zugab: „Ich habe ein paar Anrufe getätigt und die Dinge ein wenig beschleunigt, bevor wir Wien verlassen haben. Natürlich konnte ich nicht wissen, welche Situation wir hier vorfinden würden … aber wir können umgehend von der Bildfläche verschwinden, sobald mein Vater lebend lokalisiert wurde“, versicherte er.
„Gut – und an Geld wird es uns auch nicht mangeln. Dafür haben wir im letzten Jahr gesorgt. Es ist beruhigend zu wissen, dass wir in praktisch jeder europäischen Stadt, die wir besucht haben, sowohl Bargeld als auch Pässe gebunkert haben.“
„Stimmt. In unserem Geschäft kann man nie wissen, ob man nicht ganz plötzlich verreisen muss. Wir werden jedenfalls nicht verhungern.“
„Ich werde morgen früh Campbell anrufen, um zu sehen, wie die Dinge mit dem Bau vorangehen. Ich will wissen, ob sie wenigstens das neue Fundament geschafft haben. Seit sie vor drei Wochen den ersten Spatenstich getan haben, war das Wetter durchgängig schlecht.“
„Unter den gegebenen Umständen sag ihm, er soll meine Container schonmal aus der Lagerung zum Haus holen. Es ist nur vernünftig, eine zweite Unterkunft bereit zu haben, damit wir schnell untertauchen können, falls nötig.“
„Aye, gute Idee.“ Declan küsste Sam auf die Stirn und legte seine Hand direkt über seinem Herzen auf seine Brust. „Weißt du, ich kann nicht erwarten, an kalten Wintermorgen aufzuwachen, und es gibt nur uns beide, aneinander gekuschelt und mit dieser wundervollen Aussicht dort.“
„Ich weiß, das klingt idyllisch, wie ein Traum.“
Declan nagte an seiner Unterlippe und musterte Sam mit funkelnden, taubengrauen Augen, während er mit der Hand Sams Brust und Rippen und Hüften erforschte. Kräftige Finger liebkosten die Hügel und Täler von Sams definiertem Torso, dann weiter hinauf und über einen Nippel, sodass Sam erschauerte und keuchte.
Sam war völlig verzaubert, denn Declan konnte seine Haut lesen, als wäre sie sein Lieblingsroman und seine Fingerspitzen würden jede einzelne Zeile nachfahren. Declan beugte sich nach vorn und fuhr mit der Nasenspitze zärtlich-sinnlich über die pfirsichweichen Bartstoppeln an Sams Kinn. Sam stöhnte leise und schmiegte sich an Declans muskulösen Körper. Die intensiven Emotionen in Sams Brust raubten ihm die Worte. Declan war für ihn alles, sein Geliebter, sein bester Freund und der tapferste Mann, den er kannte. Er hatte Sam zweimal geholfen, den Tod zu besiegen, und er hatte nie gewankt und nicht ein einziges Mal erwogen, Sam im Stich zu lassen, obwohl sein Vater ein eiskalter Tyrann und eine unfassbare Nervensäge war. Declan war jetzt Sams Familie. Die er selbst auserwählt hatte. Sams funkelnd grüne Augen hingen an Declans Lippen, und seine Zunge schlüpfte heraus und leckte in kleinen Kreisen über seine plumpe Unterlippe. Declan beobachtete die Bewegung wie hypnotisiert mit einem liebevollem Grinsen. Umrahmt von Barthaaren, hatte Declans Mund eine beinahe berauschende Wirkung auf Sam, so wie vom ersten Tag an, als Sam Declan gegen die Wand im Schlafzimmer seiner Lordschaft auf Schloss Dunloch gedrückt hatte.
Übermannt von einer Welle tiefer Zuneigung musste Sam erneut weinen. Declan küsste Sam noch einmal und noch einmal, ihre Zungen in einem leidenschaftlichen Tanz vereint. Sam stöhnte und wand sich unter dem Kratzen von Declans Bart auf seiner Haut. Ihre Küsse wurden leidenschaftlicher, und als würde er auf einen stummen Befehl reagieren, drehte Declan sich wortlos auf den Rücken und Sam setzte sich rittlings auf Declans Hüften. Sie kannten diesen Tanz nur allzu gut. Noch mehr Küsse machten die verlorene Zeit wett, und als sie innehielten, um Luft zu holen, griff Sam nach dem Gleitmittel und begann sich vorzubereiten. Ihre Schwänze waren erigiert zwischen ihren Bäuchen, als Declans Hände an Sams Rücken abwärtsglitten und seine Hinterbacken packten. Declan massierte die blassen Rundungen und rieb Sam an seinem Ständer. „Was für ein wundervoller Arsch“, lobte er. Declans Finger schlüpfte in die Ritze, glitt darin auf und ab und rund um Sams schlüpfrige, vorbereitete Rosette, bevor der Finger schließlich sanft eindrang.
Sam atmete schwer und stöhnte, während er sich rückwärts auf Declans kräftigen Finger schob.
„Jaa, jaaa, tu es“, flüsterte er scharf, und Declans Finger glitt tiefer.
Sam schob seinen Hintern weiter zurück auf den Eindringling.
„So ist es richtig. Nimm dir, was du brauchst, Liebster!“, stöhnte Declan und fügte einen zweiten Finger hinzu. Sam war ein wunderbarer Bettpartner, lüstern, verlangend und drängend. Declan liebte es zuzusehen, wenn sein Mann sich beim Sex gehenließ.
„Fick mich, Buttercup, ich brauche das. Ich will vergessen, wer ich bin.“ Sam wimmerte und schauderte. Declan hörte mit dem Dehnen und Bohren auf. Seine freie Hand umschloss Sams Nacken, zog ihn herunter und dirigierte seinen Blick.
„Nein, nein, so läuft das nicht“, sagte Declan leise.
„Warum sollte ich dich vergessen machen, wer du bist, Westley? Ich liebe, wer du bist. Du bist alles. Alles.“ Declans Mund bedeckte Sams und dämpfte Sams gebrochenen Schluchzer, der in den Kuss schmolz. Als sie zum Luftholen Pause machten, bestand Sam darauf: „Ich bin so weit. Gott, bitte, steck ihn einfach rein.“
Sam hob die Hüften, und Declan positionierte seinen nackten Ständer an Sams Eingang. Sam sank wieder hinab, wobei das schlüpfrige Gel den Weg erleichterte. Er platzierte seine Hände auf Declans Brust, dann begann er eine Auf- und Abbewegung, die Declan bei jeder Abwärtsbewegung tiefer und tiefer eindringen ließ, bis sein Geliebter vollkommen in ihm war, und das Klatsch-Klatsch ihrer Schenkel und der aufeinander treffenden Hoden im Raum widerhallte. Sam schrie seine Lust ohne Scham hinaus und wand sich und pumpte in Declans Schoß auf und ab. Es war ein schneller und schmutziger Fick und genau das, was beide Männer brauchten. Sam fand den perfekten Winkel, der Declans Eichel über seine Prostata gleiten ließ. Er schrie bei dem leichten Schock und der Lust, dann lachten sie beide. Sie hatten sich schon lange Zeit nicht mehr so gehen lassen können. Sams Beine verwandelten sich in Wackelpudding, und er ließ sich nach vorn fallen, um sein Gesicht in Declans Nacken zu vergraben und ihn dort zu küssen und hinter dem Ohr und an seinen Schultern zu beknabbern.
Als seine Beine sich erholten, begann Sam, Declan fest zu reiten, bis sein ganzer Körper zum Leben erwachte und er die Empfindungen nicht länger aushielt. Er stieß wortlose Schreie aus, als er seinen Höhepunkt erreichte. Weiße Streifen von Sperma zeichneten Declans behaarte Brust. Sams krampfender Körper spannte sich um Declans Ständer an, drückte zu und brachte auch seinen Ehemann zum Orgasmus. Die Lust dieses Nachmittags zementierte ihre Bindung in einer Weise, die sich immer perfekt anfühlte.
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Sams Telefon erwachte auf dem Nachttisch zum Leben. Der übermäßig heitere Klingelton ließ Declan erschauern.
„Hmmm…geh du ran, Babe“, murmelte Sam schläfrig. „Ich habe gerade einen schönen Traum.“
„Babe?“ Declan lachte in sich hinein. Das Kosewort war neu! Er streckte blindlings die Hand aus, bis er das vibrierende Handy fühlte. Er zog es heran, dann öffnete er die müden Augen und starrte aufs Display im Versuch, scharf zu sehen. Er entzifferte den Namen Ginger Tosser. In diesem Moment wurde Declan klar, dass Sam Oliver nie wirklich verziehen hatte, wie Oliver reagiert hatte, als sie ihre Beziehung erstmals enthüllt hatten. Declan stellte auf Lautsprecher.
„Sam–“ Oliver weinte.
„Gott, Oli, was ist los?“
„Verdammt, Dec! Warum ist dein Telefon ausgeschaltet?“, schniefte Oliver. Erst jetzt fiel Declan ein, dass er es ausgeschaltet hatte, nachdem er das HQ informiert hatte, dass sie einen Rettungswagen für Annabelle brauchten, und dann vergessen hatte, es wieder einzuschalten.
„Meine kleine Rosa ist auf die Welt gekommen. Ich bin ein Papa!“, verkündete Oliver überglücklich.
„Ach, Mann! Glückwunsch.Wir freuen uns für euch beide.“
„Wie geht es Annabelle?“, unterbrach Sam, der nun hellwach war und aufrecht im Bett saß.
„Sie ist erschöpft, aber es geht ihr gut.“
„Brauchst du uns? Sollen wir irgendwas tun?“, fragte Declan.
„Ich habe Mama, Papa und Freya angerufen. Aber ich würde gern auch James erreichen. Könntet ihr ihn wissen lassen, dass er Großvater geworden ist?“
Sam und Declan wechselten einen Blick. Oliver hatte keine Ahnung, was geschehen war, Wie sollte er auch? Die A.L.L.-Regeln sorgten dafür, dass keine Informationen das Haus verließen, und weder Annabelle noch Oliver kannten die wahre Natur von James’ Business.
„Können wir euch besuchen?“, fragte Sam hastig.
„Lasst mich mit der Schwester reden, wie das hier läuft, und dann schicke ich euch eine Nachricht.“
„Okay. wir sprechen uns bald wieder, Bruderherz. Richte den Mädels unsere liebsten Grüße aus.
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Wo zur Hölle war Mrs K?
Sam grübelte über dieses Mysterium, während er und Declan sich anzogen. Als James’ Stellvertreterin war es Akiko Kimuras Aufgabe, in James’ Abwesenheit das Ruder zu übernehmen. Aber nicht dieses Mal. Mrs K war exakt in dem Moment verschwunden, als das HQ überfallen worden war.
Sex, ein wenig Trost und eine durchgeschlafene Nacht im eigenen Bett hatten dafür gesorgt, das Sam nicht weiter den Überblick verlor. Es war ein neuer Tag, und Sam war sicher, dass das Schicksal noch mehr für sie plante.
Das kriminaltechnische Labor benachrichtigte ihn, dass sie bereits während der Nacht begonnen hatten, den Tatort im Haus zu untersuchen. Und so erwachte Sam mit neuen, ungewollten Verantwortlichkeiten.
Niemals hätte er erwartet, vorübergehend der Kopf von A.L.L. zu sein, und es gefiel ihm überhaupt nicht. Sam schlüpfte in eine verwaschene, schwarze Jeans und ein langärmeliges, marineblaues T-Shirt. Das strohblonde Haar von seinem letzten Job ließ ihn jünger aussehen als seine fünfundzwanzig Jahre. Er wollte es so schnell wie möglich wieder loswerden. Sam suchte für Declan ein passendes Outfit heraus, bestehend aus ebenfalls einer schwarzen Jeans, einem lavendelfarbenem Hemd und einer marineblauen Sportjacke.