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Von der Kunst, ein Kind beim Karrieremachen zu schaukeln: Die romantische Komödie »Auf der Spur der Träume« von Zoë Barnes als eBook bei dotbooks. Du kannst tun, was andere von dir erwarten – oder du kannst mutig deinen eigenen Weg gehen … Ein Kind? Klar, irgendwann auf jeden Fall! Aber jetzt will sich Taz erst einmal komplett auf ihren Job konzentrieren, und da sie gerade ihren untreuen Freund vor die Tür gesetzt hat, kann nichts und niemand sie noch aufhalten. Denkt Taz zumindest … bis ein Schwangerschaftstest sie eines Besseren zu belehren scheint. Doch warum sollte sich eine Single-Frau entscheiden müssen zwischen Kind und Karriere? Das ist schließlich nur eine Frage der Organisation! Also stürzt sich Taz kopfüber in das große Abenteuer, das man Leben nennt. Zwischen Schwangerschaftsgymnastik und intriganten Kolleginnen kann sie nun wirklich keine Ablenkung mehr gebrauchen – aber das scheint den überaus attraktiven Anwalt Adam nicht zu interessieren … »Ein witziger Roman über eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und auch in Krisen viel Humor beweist.« Maxi Jetzt als eBook kaufen und genießen: der gefühlvolle Liebesroman »Auf der Spur der Träume« von Zoë Barnes. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 705
Über dieses Buch:
Du kannst tun, was andere von dir erwarten – oder du kannst mutig deinen eigenen Weg gehen … Ein Kind? Klar, irgendwann auf jeden Fall! Aber jetzt will sich Taz erst einmal komplett auf ihren Job konzentrieren, und da sie gerade ihren untreuen Freund vor die Tür gesetzt hat, kann nichts und niemand sie noch aufhalten. Denkt Taz zumindest … bis ein Schwangerschaftstest sie eines Besseren zu belehren scheint. Doch warum sollte sich eine Single-Frau entscheiden müssen zwischen Kind und Karriere? Das ist schließlich nur eine Frage der Organisation! Also stürzt sich Taz kopfüber in das große Abenteuer, das man Leben nennt. Zwischen Schwangerschaftsgymnastik und intriganten Kolleginnen kann sie nun wirklich keine Ablenkung mehr gebrauchen – aber das scheint den überaus attraktiven Anwalt Adam nicht zu interessieren …
»Ein witziger Roman über eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und auch in Krisen viel Humor beweist.« Maxi
Über die Autorin:
Zoë Barnes ist ein Pseudonym der britischen Bestsellerautorin Susan Morgan (1957–2009). Sie wuchs in der Nähe von Liverpool auf und lebte danach lange in der Grafschaft Gloucestershire – genauer gesagt im beschaulichen Cheltenham, wo auch viele ihrer romantischen Komödien spielen. Lange vor Helen Fielding und deren »Bridget Jones« war Susan Morgan eine Wegbereiterin der herrlich britischen, humorvollen Unterhaltungsromane. Sie war außerdem als Übersetzerin erfolgreich und stand in ihrer Freizeit als Mezzosopranistin auf der Bühne.
Bei dotbooks erschienen die folgenden Romane von Zoë Barnes: »Du sagst Chaos, ich hör‘ Hochzeitsglocken«, »Wer in den Seilen hängt, kann endlich richtig schaukeln«, »Das Glück spielt die erste Geige, aber ich bin die Dirigentin«, »Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich«, »Alte Liebe rostet nicht, aber neue Liebe glänzt«, »Die Braut, die sich was traut« und »Die Insel des geheimen Glücks«.
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eBook-Neuausgabe Januar 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1997 unter dem Titel »Bumps« bei Judy Piatkus Publishers Ltd., London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1999 im dtv unter dem Titel »Bumps – Single, sexy, erfolgreich … und schwanger«.
Copyright © der Originalausgabe 1997 Zoë Barnes
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Alexandra Dohse, www.grafikkiosk.de, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von Adobe Stock/Afanasia.
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-96655-431-2
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Zoë Barnes
Auf der Spur der Träume
Roman
Aus dem Englischen von Ulrike Ostrop und Joachim Peters
dotbooks.
Wie alles begann …
»Ich hab’ schon befürchtet, daß du überreagierst«, bemerkte Gareth Scott säuerlich.
Taz starrte ihn mit offenem Mund an. Hinter ihr flatterten die Wohnzimmervorhänge in der warmen Junibrise, die ihre Wohnung mit dem Duft der Blumenbeete unter dem offenen Fenster erfüllte. Bienen summten, das monotone Dröhnen von Rasenmähern drang aus den Nachbargärten herüber, Katzen dösten in der Sonne. Aber von all dem merkte sie nichts. Dieser Tag war soeben zum schlimmsten in Taz Nortons bisherigem Leben geworden.
Sie mußte erst mal Luft holen. »Moment, Gareth. Laß mich kurz rekapitulieren. Heute ist mein Geburtstag, und du erzählst mir, daß du mich mit meiner Mitbewohnerin betrügst – wie sollte ich denn deiner Ansicht nach reagieren?«
Die Luft schien vor Spannung zu knistern. Melanie, die sich hinter Gareth ganz klein gemacht hatte, versuchte, Taz am Arm zu fassen. Taz schüttelte ihre Hand mit einem Blick ab, der Melanie zurückzucken ließ. »Bitte, Taz … ich möchte nicht, daß unsere Freundschaft deswegen zerbricht.«
Das war nun wirklich zuviel. Taz brach in wildes Gelächter aus. »Freundschaft nennst du das? Behandelst du so deine Freunde? Kein Wunder, daß du keine hast!«
»O Taz, bitte, Taz, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut… wir wollten doch nicht…« beteuerte Melanie verschreckt.
Klischees, wie sie im Buche stehen, dachte Taz verbittert. Nichts als verdammte Klischees. Wie konnte ich nur so blind sein? »Oh, natürlich. Es ist einfach passiert, nicht wahr? Ihr seid miteinander ins Bett gefallen und konntet gar nichts dagegen tun, war’s nicht so?«
»Nicht ganz, aber…« Melanie schaute hilfesuchend zu Gareth hinüber, doch Taz gab ihm keine Chance.
»Kein aber.« Taz atmete tief ein, hielt die Luft an und atmete langsam wieder aus. »Sag mir nur, wie lange das schon so geht.«
»Seit…« Melanie starrte auf ihre Füße. »Seit dieser Party in Chippenham.«
Der Stachel des Betrugs schob sich noch ein Stückchen tiefer in Taz’ Seele. »Der Wohltätigkeitsball? Der, für den ich dir meine Eintrittskarte gegeben habe, weil ich länger arbeiten mußte?«
Melanie nickte stumm. »Tut mir leid«, flüsterte sie mit gesenktem Kopf. »Ehrlich.«
»Wir sind seit ungefähr drei Monaten zusammen«, half Gareth nach.
»Vielleicht bin ich ja blind, aber rechnen kann ich immer noch«, fauchte Taz ihn an.
Ein paar Sekunden lang standen sie sich Auge in Auge gegenüber. Dann wandte Gareth sein trügerisch attraktives Gesicht ab. »Wir sollten jetzt wirklich besser gehen«, sagte er, »sonst kommen wir noch mitten in die Hauptverkehrszeit.«
»Du Schwein!« zischte Taz, der so hundeelend war, daß sie sich von Gareth und Melanie abwenden mußte. Ihre Augen schweiften durch die Erdgeschoßwohnung, die sie seit mehr als zwei Jahren mit Melanie teilte, seitdem sie beide nach Cheltenham gekommen waren, um die Welt zu erobern. Alles war optimal für sie gelaufen: Mel hatte den Job in einer Werbefirma bekommen, von dem sie immer schon geträumt hatte, und Taz war bei Seuss & Goldman, dem größten Kaufhaus von Cheltenham, Schritt für Schritt die Karriereleiter emporgeklettert.
Und dann kam Gareth Scott: zwanzig Jahre älter als Taz, attraktiv, voll Energie, sexy. Wo sie auch hinsah, erinnerte alles mögliche sie an eine neunmonatige Beziehung, zu der es besser nie gekommen wäre. Die teuren Tapeten, die Gareth ausgesucht hatte. Die Bettcouch mit ihren rotweinfleckigen Kissen, auf der Taz und Gareth so viele hemmungslose Sonntagnachmittage verbracht hatten.
»Um Gottes willen, Taz, sei doch nicht so kindisch!« fauchte Gareth. »Was da zwischen uns gelaufen ist – also gut, es hat Spaß gemacht, aber das war doch nur rein körperlich; war doch von Anfang an klar, daß das nicht für alle Ewigkeit ist. Außerdem hatten wir sowieso nie vereinbart, treu zu sein …«
»Du meinst, du hattest nie vor, treu zu sein«, entgegnete Taz sarkastisch. »Du hast praktischerweise nur vergessen, mich darüber zu informieren.« Sie warf einen schnellen Blick auf Melanie. »Fragt sich bloß, wer die nächste auf deiner Liste sein wird.«
Gareth schnaubte wütend und strich sich mit einer fahrigen Bewegung sein schon leicht ergrautes Haar aus der Stirn. »Warum willst du’s nicht begreifen, Taz? Das mit Melanie ist was ganz anderes.«
»Wir lieben uns, Taz«, versicherte Melanie. »Gareth hat eine neue Stelle, und wir wollen zusammen dort hinziehen.« Melanie klammerte sich an Gareth’ Arm, und ihre sanften grauen Augen baten um Vergebung. Du hinterhältiges Luder, dachte Taz.
»Dann ist es wohl höchste Zeit, daß ihr verschwindet«, antwortete Taz, äußerlich ganz gefaßt.
»Aber ich muß doch noch meine restlichen Sachen holen«, protestierte Melanie.
»Raus!« sagte Taz. »Sofort. Bevor ich vergesse, was für ein netter und vernünftiger Mensch ich bin.«
Gareth nahm Melanies Reisetasche vom Sofa. »Komm schon, Mel, Liebling, du brauchst doch gar nichts von hier«, sagte er und küßte Melanies Wange so demonstrativ zärtlich, daß Taz dies nur als letzte, gezielte Ohrfeige interpretieren konnte. »Von jetzt ab sorge ich für dich.«
Die Wohnungstür schloß sich mit einem sanften Klick. Schritte verhallten, ein Motor wurde angelassen – und Taz war allein. Lange stand sie nur da und starrte auf die Wohnzimmerwand; dann nahm sie die Überreste ihrer Geburtstagstorte und schleuderte sie mit voller Wucht gegen die Tapete. Gareth’ Tapete. Die Torte rutschte langsam herunter und hinterließ fettige Streifen von geschmolzener Buttercreme. »Verpiß dich doch, Gareth. Und bild dir bloß nicht ein, daß mir das was ausmacht.«
Ihre Augen waren trocken, als sie auf den Teppich sank und ein Kissen umklammerte. Minky, ihre Katze, strich ihr um die Beine; sie maunzte und schnurrte, wollte zu fressen, aber Taz bemerkte sie nicht einmal.
Erst nach einer guten halben Stunde stand sie wieder auf und ging in die Küche, wo sie eine ganze Familienpackung Tortilla-Chips hinunterschlang. Es dauerte weitere zehn Minuten, bis ihr Blick an Gareth’ leerer Kaffeetasse haften blieb, die noch immer ungespült herumstand. Wenige Sekunden später schluchzte sie hemmungslos in die leere Chipstüte.
»Das macht dick«, kommentierte Taz und zwinkerte dabei ihrer Freundin über das im Freien aufgebaute kalte Buffet hinweg schelmisch zu.
Binnie Lethbridge – in nicht allzu ferner Zukunft Ex-Abteilungsleiterin von Seuss & Goldman – blickte schuldbewußt auf die siebte Mini-Quiche dieses Nachmittags.
Sie und Taz sahen erst einander an und dann auf Binnies riesigen ballonförmigen Bauch unter dem geblümten Umstandskleid. Dann prusteten sie beide los.
»Ich glaub’, ich muß noch mal aufs Klo.«
»Schon wieder!«
»Wart nur, bis du selber schwanger bist, dann verstehst du das. Kannst du mal kurz auf meinen Teller aufpassen? Und futter mir nicht die ganzen Crostini weg. Bin gleich wieder da.«
Hinter Taz erzitterte der kurzgeschorene Rasen des Cheltenhamer Krocket-Klubs unter höflichem Applaus, als eine weitere Holzkugel durch ein farbiges Tor geschlagen wurde. Alles war sehr englisch – die entrindeten Gurkensandwiches, die weißen kurzen Drillichhosen und die Baisertörtchen, aber zu Taz wollte es nicht so recht passen. Taz Norton fühlte sich viel wohler, wenn sie in harten Geschäftsverhandlungen beweisen konnte, daß sie nicht umsonst Seuss & Goldmans jüngste Abteilungsleiterin war.
Sie versuchte, sich für das Spiel zu interessieren. Schließlich hatte man sie als Repräsentantin ihrer Firma hierhergeschickt, und da mußte sie doch wenigstens so tun, als genieße sie die Sache.
»Sie wissen bestimmt ein gutes Spiel zu schätzen, meine Liebe?«
Eine Hand, die verstohlen ihren Hintern tätschelte, ließ Taz Norton fast aus der Haut fahren, so daß die Hälfte von Binnies Crostini durch die Luft segelten. Sie drehte sich blitzartig um und sah sich einem Don Juan mittleren Alters in einem beigefarbenen Leinenanzug gegenüber. »Wie bitte?«
»Krocket.« Das Lächeln unter dem penibel gestutzten Schnurrbart grenzte hart an ein lüsternes Grinsen. »Spielen Sie auch? Sie sehen recht… sportlich aus.«
Taz wünschte plötzlich, ihr eleganter grüner Rock wäre ein paar Zentimeter länger. Sie bedachte den Schnurrbart mit genau dem höflich-eisigen Lächeln, das sie sonst für schwierige Kunden im Geschäft reservierte. »Nein, tut mir leid. Mir fehlt wohl die Begabung.« Wenn doch bloß Binnie so schnell wie möglich zurückkäme. Wie oft konnte eine Schwangere eigentlich an einem Nachmittag auf die Toilette gehen?
»Oh. Heutzutage spielen so wenige Damen. Aber sicherlich schätzen Sie dieses Spiel?«
»Krocket? Aber natürlich.« Taz wünschte, er spräche wirklich nur über das von Seuss & Goldman gesponserte Krocket-Turnier. Sollte sich schämen, der geile Bock.
»Wunderschöner Tag für euch Damen, nicht wahr? Tolle Gelegenheit, die neue Sommergarderobe auszuführen.«
»Ja, wirklich wunderschön.« Ihr Lächeln war so eingefroren, daß es allmählich schmerzte. Taz blickte verzweifelt über ihre linke Schulter. Rette mich, Binnie, flehte sie lautlos. Doch noch immer fehlte von ihr jede Spur. »Eigentlich ist das für mich kein Ausflug, sondern Arbeit«, gestand sie.
»Tatsächlich?« In einiger Entfernung erhoben sich »Bravo!«-Rufe über gesittetem Applaus. »Ja, ich vertrete hier Seuss & Goldman.«
»S&G? Aha!« Die Erwähnung von Cheltenhams angesehenstem Kaufhaus entlockte dem Schnurrbart ein interessiertes Zucken. Dann ein Fingerschnalzen. »Jetzt hab’ ich’s – Sie sind die Tochter des Vorstandssprechers, stimmt’s? Wußte doch, daß ich Sie schon mal irgendwo gesehen habe …«
Taz zog ihr As aus dem Ärmel. »Ich bin Abteilungsleiterin.« Sie genoß den erstaunten Gesichtsausdruck ihres Gegenübers in vollen Zügen. »Herrenbekleidung. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden…« Zu ihrer Erleichterung hatte sie gerade Binnie erspäht. »Ich glaube, meine Kollegin ruft nach mir.«
Binnie füllte erneut ihren Teller, biß in eine Blätterteigpastete und nickte in Richtung des sich langsam entfernenden Mannes im Leinenanzug. »Also wirklich, Taz, kaum läßt man dich mal fünf Minuten allein, schon quatschst du ’nen Kerl an. Aber Geschmack hast du, muß man dir lassen.«
»Spar dir die Witze. Wer ist der Typ eigentlich?«
»Weißt du das wirklich nicht? Das ist Angus Cornforth, der Anwalt der Goldmans.«
»Ach du meine Güte.« Taz starrte ihm nach. Er unterhielt sich nun mit zwei Mädchen vom Ladies’ College, den Arm um die eine gelegt, die freie Hand auf direktem Weg zum Hinterteil der anderen. »Der hat mich an den Hintern gegrapscht!«
»Dann bist du wohl sein Typ«, grinste Binnie. »Der mag dich.«
»Du meinst wohl, er mag alles, was ’nen hautengen Rock anhat.«
Auf Binnies Kleid fielen ein paar weitere Krümel der Pastete, aber sie machte sich nicht einmal die Mühe, sie wegzuwischen. Taz fragte sich, ob eine Schwangerschaft wohl denjenigen Teil des Gehirns schrumpfen ließ, der sich mit dem Erscheinungsbild beschäftigte, denn in letzter Zeit sah Binnie Lethbridge aus, als habe sie eine Bettcouch von Laura Ashley verschluckt. Es hatte richtig weh getan, ihre drastische Veränderung mitansehen zu müssen – vom Vamp zur Vogelscheuche in weniger als sieben Monaten.
»Cornforth ist übrigens gar keine schlechte Wahl«, fuhr Binnie fort. »Er ist stinkreich.«
»Und wenn er der Sultan von Brunei wäre. Von älteren Männern hab’ ich für den Rest meines Lebens genug, vielen Dank.«
»Ich dachte, du wärst inzwischen drüber weg.«
»Was meinst du damit?«
»Naja, schließlich läßt nicht jeder Topmanager dein Wohnzimmer neu tapezieren, um dann mit deiner Mitbewohnerin abzuhauen.«
Betretenes Schweigen. »Hast du … noch mal was von Gareth gehört, seit er dich verlassen hat?«
»Nein. Aber Melanie hat letzte Woche angerufen.«
»Nein! Die hat vielleicht Nerven.«
»Sie wollte ihre Stereoanlage wiederhaben.«
»Ich hoffe, du hast ihr gesagt, wo sie sich das Ding hinstecken kann.«
»Ich hab’ ihr gesagt, ich hätte sie verkauft.«
»Und – hast du?«
»Natürlich nicht.« Taz kicherte. »Aber ich dachte mir, es wäre allerhöchste Zeit für eine neue Anlage.«
»Gut gemacht«, lobte Binnie.
Taz starrte auf den Platz hinaus, aber sie sah nur Gareth und Melanie vor sich – an dem Tag, als sie ihr eröffnet hatten, sie wollten von Cheltenham wegziehen. Gemeinsam. Daß sie auch nicht den geringsten Verdacht gehabt hatte, machte sie am meisten fertig – die Tatsache, daß er… nein, daß überhaupt irgendjemand sie so reingelegt hatte.
»Also ist sie immer noch mit Gareth zusammen?«
»Soweit ich weiß, ja. Sie hat nicht gesagt, wo sie sind, und ich hab’ nicht gefragt. Bin froh, daß er weg ist.« Taz schloß die Augen und lehnte den Kopf zurück, bis die Sonne voll in ihr müdes Gesicht schien. Nach der Sache mit Gareth fühlte sie sich jetzt, wo der Sommerschlußverkauf gerade in die heiße Phase ging, ziemlich ausgepumpt.
»Wenigstens ist er nie bei dir eingezogen«, versuchte Binnie sie zu trösten. »Es hätte auch alles noch schlimmer kommen können.«
Taz nahm ein Glas frischer Limonade vom Buffet und rollte das kühle Glas über ihre brennende Haut. »Ach ja? Wie denn?«
»Stell dir vor, du hättest den Drecksack geheiratet«, grinste Binnie.
»Red keinen Blödsinn«, lachte Taz. »Ich bin gerade mal fünfundzwanzig. Mich bringt kein Typ dazu, im trauten Heim zu sitzen und seine Socken zu waschen, während er Karriere macht und Vizepräsident von Lonrho wird.« Erst jetzt wurde ihr klar, was sie soeben gesagt hatte, und sie wandte sich schnell wieder Binnie zu. »Ich hab’ nicht dich und Jim gemeint…«
»Geht schon in Ordnung; ich weiß, wie du’s gemeint hast. Mir macht es nichts aus, meinen Job aufzugeben. Ich konnte mir das auch nie vors teilen, aber jetzt muß ich an das Baby denken, und für ein Kind gibt’s wohl kaum was Besseres, als in Schottland aufzuwachsen.«
»Meinst du nicht, es wird dir bald langweilig, immer nur zu Hause rumzuhocken? Vielleicht findest du dort ja einen Job. Ich meine, wenn das Baby mal älter ist.«
»Schon möglich. Aber bei Jims Gehalt brauchen wir das Geld nicht, und Jims Mutter ist total gegen Babysitter. Ehrlich gesagt – es ist schon witzig, aber seit ich schwanger bin, bedeutet mir die Arbeit… einfach nicht mehr so viel wie vorher.« Binnie kicherte stillvergnügt vor sich hin.
Taz blinzelte in die Sonne. Mit ihren siebenunddreißig Jahren wirkte Binnie fett, aufgedunsen, schwerfällig … und auf merkwürdige Weise glücklich. Die Ärmste litt unter Hämorrhoiden, Krampfadern, Bluthochdruck und ständigen Rückenschmerzen, sah aber trotz allem so zufrieden aus wie eine trächtige, preisgekrönte Jersey-Kuh. So wollte Taz nie werden. Niemals. Nicht in einer Million Jahren.
Taz setzte Binnie zu Hause ab und fuhr zu Seuss & Goldman zurück. Auf dem Personalparkplatz warf sie ihren Hut auf den Rücksitz und öffnete den Knopf ihres Rocks. Gott sei Dank! Endlich konnte sie wieder frei atmen.
Die viktorianische Fassade von Seuss & Goldman türmte sich wie ein gutmütiger Geier über der weiten, mit einzelnen Bäumen bestandenen Fläche der Imperial Gardens und der Promenade auf. Im Verlauf seiner hundertzwanzig Jahre war der Gebäudekomplex mehrmals in manchmal unerwarteter, aber immer ansprechender Weise erweitert worden. Doch in all den Jahren hatte sich S&G in seinem Wesen nie verändert. Das Haus war zu einem Synonym für Qualität geworden, und das weit über Cheltenham hinaus. In den vergangenen dreißig Jahren hatte Seuss & Goldman in ganz Großbritannien und auf dem Kontinent Filialen eröffnet, und nun schielte man in der Chefetage bereits auf die andere Seite des Atlantiks. Letzteres galt auch für Taz.
Ohne Zweifel hatte Taz gut daran getan, damals als Trainee bei S&rG einzusteigen. Das war vor vier Jahren gewesen, als sie frisch von der Uni kam – mit einer Zwei in Französisch, einer Eins in Betriebswirtschaft und einem Kopf voller Träume. In dieser kurzen Zeit war sie vom Mädchen für alles zur Leiterin der Abteilung für Herrenbekleidung aufgestiegen – gar nicht so schlecht für jemanden, der in der Schule mal wegen Mathe durchgefallen war. Sie hatte viel gelernt in diesen vier Jahren. Ihre hochfliegenden Träume waren immer noch die gleichen, aber nun kamen sie ihr schon ein gutes Stück realistischer vor.
Ein Blick in den Innenspiegel bestätigte ihr, daß ihr kurzgeschnittenes braunes Haar einen gepflegten Eindruck machte. Rasch zog sie ihre Lippen nach. Auf in den Kampf.
Taz stieß die Tür zur Pförtnerloge auf. »Tag, Joe.« Sie nickte dem grauhaarigen Pförtner zu, als sie die Unterschrift für ihr Namensschild leistete. »Was macht das Bein Ihrer Frau?«
»Bestens, Miss. Hat die Venen toll hingekriegt, der Chirurg.«
Taz heftete sich ihr Namensschild an und betrat das Treppenhaus fürs Personal, wobei sie fast mit Ted Williams zusammenstieß – dem schleimigen stellvertretenden Leiter der Lebensmittelabteilung, der gerade mit einem Berg Chipstüten, deren Haltbarkeitsdatum überschritten war, zur Verbrennungsanlage hastete.
»Schule geschwänzt, hab’ ich recht?«
Taz beschränkte sich auf ein kurzes Lächeln und ein Nicken; Ted hatte etwas an sich, was sie erschaudern ließ.
Über die Hintertreppe gelangte sie rasch in den ersten Stock und in die Art-deco-Pracht der Herrenabteilung. Ihrer Abteilung – ein Gedanke, der sie jedesmal, wenn sie die Verkaufsräume betrat, mit einem beinahe kindlichen Stolz erfüllte.
Sie hielt einen Augenblick inne, um einen Blick über ihr Reich zu werfen. Links war die eher förmliche Kleidung untergebracht, wegen des Platzmangels und der zahlreichen kunstvoll verzierten Säulen leider ein wenig zu dicht gedrängt. Daran mußte sie unbedingt etwas ändern. Dahinter kam man zur Landhausmode und zu Cara Mondinis Sport- und Freizeitabteilung. Rechts von Taz befanden sich die salopperen Sachen; hier war alles deutlich heller und weniger überfüllt, mit mehr Platz und modern dekoriert.
Sie hatte keine Zeit, herumzustehen und zu grübeln. Jede Menge Arbeit wartete auf sie. Als sie auf die Landhausmode zusteuerte, merkte sie, daß etwas nicht stimmte. Zum einen war Marion Grey, die Chefverkäuferin, nirgendwo zu sehen. Und von einer der Kassen drangen erregte Stimmen herüber… Schon von weitem erspähte Taz Kate Avery, die ihre Abteilung als Trainee durchlief. Die Achtzehnjährige hatte sich hinter der Kasse verbarrikadiert, während ihr eine elegant gekleidete Frau mit einer Kreditkarte vor dem Gesicht herumwedelte.
Taz war mehr als nur leicht verärgert. Wo zum Teufel steckte Marion? Auch von Leroy McIntosh war nichts zu sehen. Kaum war man mal fünf Minuten nicht da, brach schon das Chaos aus. Taz atmete tief durch und setzte ihr professionelles Lächeln auf. »Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Kate wandte sich mit knallrotem Kopf Taz zu. Ihr Gesicht schien sie anzuflehen: ›Retten Sie mich!‹ »Oh, Ms. Norton. Die Dame hier…«
»Ich möchte mit dem Abteilungsleiter sprechen. Und zwar sofort!« verlangte die Kundin und warf Taz einen abschätzigen Blick zu.
»Ich bin die Abteilungsleiterin.«
»Oh.« Die polternde Stimme wurde um einige Dezibel leiser.
»Was kann ich für Sie tun, Mrs…?«
»Seward. Verity Seward. Ich möchte meinem Mann einen Kaschmirpullover kaufen, aber dieses dumme Huhn hier behauptet, mit meiner Kreditkarte wär’ was nicht in Ordnung.«
»Aha. Das werden wir sicher bald geklärt haben.«
Taz warf einen Seitenblick auf Kate. Die Arme sah aus, als wollte sie im Erdboden versinken. Aber eine der ersten Lektionen, die ein Trainee im Management lernen mußte, war eben, daß man sich auch von einer herrischen Kundin mit Golf-Klub-Akzent nicht einschüchtern lassen durfte. Sie nahm die goldene Amex-Card und wählte durch. Es war genau so, wie sie vermutet hatte. Die Sewards hatten ihr Limit auf der Karte weit überzogen und waren mit ihren monatlichen Zahlungen im Rückstand. Soviel zum Kostüm von Jaeger und der Gucci-Handtasche.
»Offensichtlich verlangt das Kreditinstitut eine Proforma-Zahlung von zehn Pfund, bevor Ihr Einkauf autorisiert wird.«
»Das ist doch lächerlich …«
»So etwas kann schon mal passieren.«
»Mir ist das jedenfalls noch nie passiert.«
»Ich bin sicher, es ist nichts Ernstes«, redete Taz beruhigend auf sie ein. »Ansonsten würde das Institut die Abwicklung überhaupt nicht genehmigen. Wenn Sie also einfach diese kleine Zahlung leisten könnten …«
Als alles überstanden war, nahm Taz Kate zur Seite und fragte: »Alles wieder okay?«
»Tut mir leid. Aber sie war so gemein! Ich habe einfach … Panik bekommen!«
»Solche Kunden werden Ihnen noch öfter über den Weg laufen, fürchte ich. Sie drehen durch, weil ihnen die Sache peinlich ist. Das Wichtigste ist, sich nicht von ihnen einschüchtern zu lassen. Aber immer schön höflich bleiben. Die sollen ruhig glauben, sie hätten die Sache im Griff.«
»Das ist alles so schwierig.«
»Mit ein bißchen Übung wird’s leichter, glauben Sie mir.« Taz dachte an ihren ersten Tag als Trainee. Sie sollte den Modeschmuck reinigen, hatte als erstes alle Preisschilder abgenommen und konnte sich dann natürlich nicht mehr erinnern, welches wohin gehörte. »Keine Angst. Jeder macht mal Fehler.«
»Sie auch?« fragte Kate und blickte sie zweifelnd an.
»Ich ganz besonders. Aber sagen Sie’s nicht weiter!« Vor allem nicht Marion Grey, dachte Taz, als sie die Chefverkäuferin mit einem Arm voller Hosen von den Umkleidekabinen kommen sah. Marion war 53, seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr bei Seuss & Goldman, und sie spielte sich auf, als ob der Laden ihr persönlich gehörte.
»Kate, stehen Sie nicht so rum, tun Sie wenigstens so, als hätten Sie was zu tun. Zu meiner Zeit… Oh. Miss Norton.« Marions Gesichtsausdruck wirkte weniger entschuldigend als geringschätzig. »Sie sind schon wieder zurück.«
»Ich bin früher gegangen. Mrs. Lethbridge machte das Wetter zu schaffen, also habe ich sie heimgefahren.«
»Die Arme, das tut mir aber wirklich leid.« Taz wußte, daß Binnie bei Marion einen Stein im Brett hatte. Binnie tat schließlich genau das, was man von einer Frau erwartete: Sie gab ihren anspruchsvollen Beruf auf, um Kinder in die Welt zu setzen und ihren Mann mit hausgemachten Eintöpfen zu mästen. Genau das also, was Marion selbst getan hätte – hätte sie je einen Mann mit dem Mut gefunden, sie zu heiraten. »In ihrem Zustand sollte sie zu Hause bleiben und die Beine hochlegen. Frauen bis kurz vor der Entbindung arbeiten zu lassen, finde ich einfach unverantwortlich.«
»Nach einer kleinen Ruhepause fühlt sie sich bestimmt bald wieder besser. Und nächste Woche geht sie sowieso in Mutterschaftsurlaub.« Taz musterte Marion mit strengem Blick. »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Leroy gebeten, die Umkleidekabinen zu betreuen, während Sie den Verkaufsraum im Auge behalten sollten.«
»Stimmt schon, das haben Sie gesagt, aber ich dachte, es wäre besser, wenn Leroy das Lager saubermacht, und dann kam dieser nette Herr aus Bishop’s Cleeve herein und fragte nach Konfektionsanzügen …«
»Marion!« zischte Taz. »Ihr Job ist hier im Verkaufsraum, und wenn ich Sie um etwas bitte, dann erwarte ich, daß Sie genau das tun und nichts anderes. Ist das klar?«
»Ich habe doch nur versucht, Eigeninitiative zu ergreifen«, schniefte sie.
»Das weiß ich durchaus zu schätzen. Aber Sie sehen hoffentlich auch ein, wie wichtig es für uns ist, daß wir als Team alle an einem Strang ziehen.«
Selbst Marion fiel darauf keine Antwort ein.
Sobald sie abkömmlich war, ging Taz in das Büro ihrer Abteilung, um Schreibarbeiten zu erledigen. Der Raum stellte einen krassen Gegensatz zu den vergleichsweise luxuriösen Verkaufsflächen dar. Ein kleines, wackeliges Tischchen diente als Schreibtisch; brüchiges Linoleum bedeckte die Bodendielen nur zum Teil, und ein Kalender hing verloren an einer Wand, die seit 1976 nicht mehr tapeziert worden war. Taz mußte innerlich lachen, als sie sich setzte. Die Kunden würden Augen machen, wenn sie das sehen könnten.
Das Telefon klingelte. Taz nahm den Hörer ab. »Herrenbekleidung, Tasmin Norton. Ach, Sie sind’s, Nikki.« Mit Nikki Fraser, der persönlichen Assistentin der Geschäftsführerin, kam Taz gut aus. »Es geht hoffentlich nicht um den Quartalsumsatz? Ich bin noch am Abgleichen.«
»Nein, das ist es nicht. Ms. Latchford möchte Sie sehen, heute um halb sechs in ihrem Büro.«
Taz hatte urplötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Eine Vorladung von ganz oben, ins Büro der Chefin? Das konnte nur eines bedeuten: Ärger.
Vier Köpfe fuhren herum, als Taz an Diana Latchfords Tür klopfte und den Kopf hereinsteckte. »Sie wollten mich sprechen? Oh.« Taz zögerte, als sie drei weitere Abteilungsleiter erblickte, die bereits um den ovalen Tisch am anderen Ende von Dianas Büro saßen. »Entschuldigung, ich dachte …«
Diana Latchford stand am Fenster. Sie war eine coole Endvierzigerin, in ein mauvefarbenes Kostüm von Escada gekleidet, die Haare anmutig ergraut. Sie blickte kurz auf, als die Tür geöffnet wurde, unterbrach dabei ihren Redefluß aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, »… eine sorgfältig ausgewogene Mischung neuer und eingeführter Produkte. Und genau deswegen – kommen Sie rein und nehmen Sie sich einen Kaffee, Taz – und genau deswegen sind die Werbekampagnen des ganzen nächsten Jahres so wichtig.«
Taz goß sich schwarzen Kaffee aus der Maschine ein. Hmm.
Blue-Mountain-Kaffee; muß wirklich um was Wichtiges gehen. Sie parkte ihren Hintern zwischen Ken und Cara Mondini. Brendan Ryan aus der Damenbekleidung bedachte sie mit einem kurzen Grunzen, hing aber zu sehr an Dianas Lippen, als daß er sie wirklich bemerkt hätte.
»Jetzt, wo wir vollständig sind, können wir ja anfangen. Ich muß um halb acht zu einer Konferenz.« Diana nahm am Tisch Platz. Auch sie goß sich Kaffee ein, aber in ihre eigene Tasse aus weißem Bone-China-Porzellan mit Goldrand, die keinerlei Lippenstiftflecken aufwies. Im gesamten Einzelhandel kam nichts und niemand der Unbefleckten Empfängnis so nahe wie Diana Latchford. »Sie haben natürlich alle das Memo über den neuen Laden in Los Angeles gelesen.«
»Bleibt es bei der geplanten Eröffnung im März?« wagte sich Taz vor.
»Falls die Arbeiten fristgerecht abgeschlossen werden.« Diana spitzte den Mund. »Und das werden sie, wenn dem Bauleiter vor Ort sein Leben lieb ist.«
»Wann genau soll eröffnet werden?« Ken fummelte geistesabwesend an seinem Kugelschreiber herum. Er sah haargenau nach dem aus, was er war: ein ehemaliger Schweineschlachter aus Tewkesbury, der mit seiner neuen Aufgabe hoffnungslos überfordert war.
»Vorläufig peilen wir den fünften März an«, warf Brendan ein, während er auf die Tasten seines elektronischen Organizers einhackte. »Muß noch in diesem Monat vom Vorstand bestätigt werden – stimmt doch, oder?«
Diana musterte Brendan wie eine Lehrerin einen neunmalklugen Schüler. Brendan sah wirklich aus wie ein Schuljunge, mit den schlappen Ponyfransen und seiner rosigen Gesichtsfarbe.
»Genau. Nun, wie Sie wissen, hat Seuss & Goldman kräftig in diese vielversprechende Unternehmung investiert, und deshalb ist es ungeheuer wichtig, daß unsere Werbekampagnen auf beiden Seiten des Atlantiks möglichst gut einschlagen, zumal wir innerhalb von maximal achtzehn Monaten eine weitere Filiale in New York eröffnen wollen.«
»Ich dachte, in Chicago«, wunderte sich Cara, eine ehemalige Tennisspielerin der Spitzenklasse, die auch mit dreiundvierzig noch immer bewundernswert schlank war.
»Dann sollten Sie vielleicht das letzte Informationsblatt der Geschäftsführung noch mal durchlesen.« Diana räusperte sich ungeduldig. »Also. Wir haben beschlossen, daß die Werbekampagne des nächsten Frühjahrs eine amerikanische Thematik haben soll. Sie sind die Abteilungsleiter – lassen Sie sich etwas einfallen.«
»Wir?« fragte Ken schreckensbleich.
»Im nächsten Frühjahr kommt im Rahmen unserer Städtepartnerschaft ein amerikanisches Amateur-Basketballteam«, bemerkte Cara und blätterte in ihrem Terminkalender. »Sie absolvieren ein paar Freundschaftsspiele in Cheltenham. Ich denke, da könnten wir uns irgendwie dranhängen …«
Brendan runzelte die Stirn. »Basketball? Um Himmels willen. Die Kunden von S&G wollen Kultur und Stil. Die Förderung des Theaters, ein qualitativ hochstehendes Einkaufserlebnis …«
»Kultur und Stil? Meinen Sie etwa wie Wally der Wombat?« lachte Ken.
Mit hochrotem Gesicht fiel Brendan über Ken her. »Sie wissen genauso gut wie ich, daß Wally der Wombat eine produktorientierte Werbekampagne für eine sehr gewinnträchtige australische Palette von …«
»Brendan, machen Sie sich doch nichts vor; Wally der Wombat war ein Gnom im Kunstpelz, der kostenlose Gesichtscremeproben verteilt hat.«
Cara schloß sich dem an; sie genoß sichtlich die seltene Gelegenheit, Brendan eins auszuwischen. »Ganz genau. Und wie war das noch mit dem ach so süßen Shetland-Pony, das auf die Weihnachtskrippe gepinkelt hat? Als qualitativ hochstehendes Einkaufserlebnis würde ich das nicht unbedingt bezeichnen.«
»Wir könnten doch sicher eine ganze Reihe von Kundeninteressen ansprechen«, warf Taz ein, »ohne uns dabei allzuweit von den traditionellen Werten von S&G zu entfernen?«
»Klingt wunderbar – in der Theorie«, rümpfte Brendan die Nase. »Aber setzen Sie das mal in die Praxis um.«
»Das ist doch eine großartige Gelegenheit«, insistierte Taz. »Da kann man eine ganze Reihe von Events auf die Beine stellen. Hier wird schließlich nicht irgendeine Filiale eröffnet, und wir müssen dafür sorgen, daß das Interesse der Kunden und der Medien mehr als nur einen oder zwei Tage anhält. Hier und in den USA.«
»Genau.« Diana kritzelte ein paar Notizen in ihren Terminkalender. »Tatsache ist doch, daß in Cheltenham das Mutterhaus und zugleich das Flaggschiff von S&G steht. Natürlich werden alle unsere Läden eine Amerikanische Woche‹ veranstalten, aber von uns erwartet das Hauptbüro etwas Besonderes. Was mir vorschwebt, wäre mindestens eine Woche voller Events und Promotion-Veranstaltungen, mit einer transatlantischen Modenschau als Höhepunkt, die das Beste zeigt, was britische und amerikanische Modeschöpfer derzeit zu bieten haben.«
Taz warf einen Seitenblick auf Brendan. Die Aussicht, einen weiteren kleinen Schritt zum Gipfelpunkt seiner Karriere tun zu können, schien ihn plötzlich viel fröhlicher zu machen. Wie er die anderen allzu gern spüren ließ, hatte Brendan Ryan von Mode mehr Ahnung als jeder andere bei Seuss & Goldman. Er war bereits Chefeinkäufer im Hauptbüro gewesen, bevor man ihm die Aufgabe übertragen hatte, die Abteilung für Damenbekleidung von ihrem tantigen Mief zu befreien und sie so richtig hip zu machen. Er hatte wirklich gute Arbeit geleistet und tat nun sein Bestes, damit dies auch niemand vergaß.
»Top-Mode aus den USA. Klar, da wäre natürlich Ralph Lauren.« Er machte wie wild Notizen. »Donna Karan – und Klein, Tommy Hilfiger sowieso, und mit meinen Verbindungen in der Branche könnte ich vielleicht ein oder zwei Topmodels überreden …«
»Gut, wunderbar«, unterbrach Diana. »Ich bin sicher, Sie werden alle tolle Ideen beisteuern. Jetzt muß ich aber gehen, sonst verpasse ich noch meine Konferenz. In ein paar Tagen setzen wir uns wieder zusammen. Nikki wird Ihnen noch den genauen Termin mitteilen.«
Brendan, der nicht allzu erfreut schien, mitten in seinem Redefluß unterbrochen zu werden, schob seinen Organizer in die Jackentasche. Taz packte ihre Sachen zusammen und folgte Cara und Ken zur Tür. Im Geiste war sie schon zu Hause, nahm ein dekadent heißes Bad und las dabei einen richtig schönen Schundroman.
»Einen Augenblick noch, Taz. Ich würde gern noch kurz mit Ihnen reden.«
Taz’ Hand fiel vom Türgriff herunter. Ihr Herz ließ einen Schlag aus, bevor es mit drei rasch aufeinanderfolgenden Schlägen das Versäumte nachholte. O Gott. Sie hatte also doch richtig getippt, als sie vermutete, daß es Ärger geben würde. »Ja. Sicher. Klar.« Sie hörte Schritte und höflichen Small talk, die sich immer weiter in Richtung Aufzug entfernten, bis sie sich verflüchtigten wie ihr Heftchen-Roman und ihr Jasminbadeöl. »Weswegen wollten Sie mich sprechen?«
Diana packte ihre Aktenmappe fertig und legte sie schwungvoll auf den Tisch. Ihr Gesichtsausdruck ließ keinerlei Schlüsse zu. »Ich habe Ihre Arbeit in letzter Zeit genau verfolgt«, sagte sie schließlich. »Und was ich da gesehen habe, hat mir gut gefallen.«
Taz konnte sich ein kaum hörbares, erleichtertes Ausatmen nicht verkneifen. »Danke.«
Diana kickte ihre bequemen Arbeitsschuhe weg und quetschte ihre Zehen in elegante schwarze Pumps. »Es gibt nichts, wofür Sie mir danken müßten. Mein Vorgänger hat Sie befördert, und wenn’s nach mir gegangen wäre … Sagen wir mal so, ich gehe mit Mitarbeitern nicht gern ein Risiko ein, und schließlich sind Sie noch sehr jung und relativ unerfahren.«
»Ich kann nichts dafür, daß ich erst fünfundzwanzig bin«, verteidigte sich Taz leicht pikiert. »Wenn Sie wollen, tu ich so, als wäre ich dreißig. Aber entscheidend ist doch wohl, wie ich meinen Job mache.«
Diana lächelte. Taz errötete. »Hab’ ich gerade was Witziges gesagt?«
»Eigentlich nicht. Mir fiel nur eben auf, daß Sie genauso klingen wie ich, als ich in Ihrem Alter war – überzeugt, daß jeder mir ein Messer in den Rücken stoßen wollte, und fest entschlossen, selber als erste zuzustechen. Wohlgemerkt, ich hatte recht, sie hatten es wirklich auf mich abgesehen.« Als sie Taz’ Gesichtsausdruck bemerkte, mußte sie lachen. »Jetzt entspannen Sie sich doch mal. Sie haben mich längst überzeugt. Ich habe mir die Quartalsumsätze Ihrer Abteilung angesehen und bin ehrlich beeindruckt. Das ist auch der Grund, warum ich mich entschlossen habe, ausnahmsweise mal wieder ein Risiko einzugehen.«
»Risiko?«
»Mit Ihnen. Ich trage mich mit dem Gedanken, Ihnen die Leitung der Amerika-Werbekampagne zu übertragen. Mit allem Drum und Dran. Das trauen Sie sich doch bestimmt zu?«
Taz war so perplex, daß ihre rasch wechselnde Mimik einem Jim Carrey Ehre gemacht hätte.
»Also, was ist?«
»Ja. Ja, natürlich trau’ ich mir das zu. Aber was ist mit Brendan? Ich dachte …«
Brendan würde das ganz und gar nicht schmecken. Er war fünf Jahre älter als Taz und leitete die Damenbekleidung wie den paramilitärischen Flügel von Christian Dior. Brendan hatte jede einzelne der letzten drei Promotionaktionen innerhalb ihres Hauses organisiert. Und er war der letzte, der so ohne weiteres Anweisungen von Taz entgegennehmen würde.
»Machen Sie sich um den guten Mr. Ryan keine Gedanken, Taz, überlassen Sie das ruhig mir. Meine Frage an Sie lautet: Sind Sie dazu bereit? Können Sie das übernehmen und erfolgreich durchziehen? Denn wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, auf der Stelle ja zu sagen, muß ich jemand anderen damit betrauen.«
»Ja«, sagte Taz und nahm sich zusammen. »Ja, ich würde das sehr gern machen. Danke.«
»Sparen Sie sich Ihren Dank.« Diana nahm ein winziges Schlückchen von ihrem sehr schwarzen Kaffee. »Sehen Sie ganz einfach zu, daß Sie die Sache gut über die Bühne bringen. Und beweisen Sie mir, daß Sie Ihre nächste Beförderung verdient haben.«
»Miaaaaau.«
Taz gähnte und drehte sich im Bett herum. Die Uhr auf dem Nachttisch stand auf halb acht, aber es war Samstag: der einzige freie Samstag, den sie im letzten halben Jahr hatte herausholen können. Sie würde für niemanden aufstehen, Katzen inklusive. »O nein, Minky! Es ist noch viel zu früh …«
Ein blaugrauer Kopf tauchte über dem Rand der Steppdecke auf. »Prrrrr.«
Als eine kalte Nase sie beharrlich anstupste, gab Taz sich geschlagen. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett. Oh, verdammt… Das Zimmer begann zu schwanken, und sie verspürte eine leichte Übelkeit; überhaupt war sie schon seit ein paar Tagen nicht hundertprozentig auf dem Damm.
»Ist ja schon gut!« Sie schob die Arme in den Morgenmantel. »Minky, du bist wirklich ein Gierschlund.« Sie schleppte sich in die Küche, dicht gefolgt von Minky, die um ihre Beine strich. Taz streckte sich, um die letzte Dose Katzenfutter vom obersten Brett des Vorratsschranks zu holen. Sie würgte, als sie Makrele in Aspik auf Minkys Teller löffelte. »O Gott, sie haben die Augen dringelassen.« Sie balancierte den Teller genau über Minkys Kopf, hielt die Luft an und versuchte, nicht hinzuschauen. »Sieh dir das an. Bist du auch sicher, daß du das möchtest?«
Brr-Brr.
Hah?
Brr-Brr, brr-brr. Verdammt – das war nicht Minky, das war das Telefon. Taz stöhnte. Jetzt konnte sie garantiert nicht mehr einschlafen. Wo hatte sie es nur hingelegt? Irgendwo im Schlafzimmer … Schließlich fand sie das schnurlose Telefon unter einem Haufen Klamotten vom Vorabend. Gähn. »Ja bitte?«
Ein weicher nordirischer Akzent begrüßte sie vom anderen Ende der Leitung. »Tasmin, meine Liebe, bist du das? Hier ist Mummy.«
»Mummy?« Taz unterdrückte ein Stöhnen.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Tasmin? Du klingst irgendwie merkwürdig.«
»Mir geht’s bestens, Mummy. Ich komm’ nur direkt aus dem Bett.«
»Du bist doch nicht etwa krank?«
Taz rieb sich den Bauch. Er beruhigte sich allmählich; nach einer Tasse Kaffee würde alles wieder in Ordnung sein. »Nein, natürlich nicht.«
»Du bekommst bestimmt noch Kopfschmerzen, wenn du den ganzen Tag im Bett liegst.«
»Ich hab’ dir doch gesagt, mir geht es gut.« Mummy und Dad waren zwar seit einem Jahr in Frührente, aber noch immer begann für sie der Tag um halb sieben, und schon ein Viertelstündchen mehr war für sie Langschläferei.
»Übrigens, dein Vater mußte in die Klinik wegen seines Knies.«
»Der arme Dad! Ist es wieder der Knorpel?«
»Es ist irgendwas und gar nichts, ihm gefällt es einfach nur, wenn sich diese junge Physiotherapeutin mit ihm abgibt.« Isobel Norton senkte ihre Stimme zu einem konspirativen Flüstern. »Hast du sie für mich besorgt?«
»Was denn?«
»Die Jacke! Für die Gartenparty bei den Bennetts. Die ist doch nächste Woche, und du hast gesagt, du würdest versuchen …«
Taz dachte schuldbewußt an die reichverzierte Abendjacke, die sie beim Sommer-Designer-Event bei Seuss & Goldman für ihre Mutter erstanden hatte. Das war schon vor zwei Wochen gewesen, aber sie hatte den Besuch bei ihren Eltern aufgeschoben, weil sie nicht wollte, daß sie die Sache mit Gareth aus ihr herausquetschten.
In den neun Monaten, die sie mit Gareth zusammengewesen war, hatte sie es geschafft, ihn konsequent von ihren Eltern fernzuhalten. Nicht, daß sie etwas gegen ihn gehabt hätten. Im Gegenteil – Mummy hätte ihn wegen seines »reifen« Aussehens und seiner dominierenden Persönlichkeit sicherlich geradezu angebetet, und er war genau die Art von Alpha-Wolf, den ihr Vater als Beschützer seines kleinen Mädchens so schrecklich gern gesehen hätte. Was lediglich bewies, wie schief Eltern mit ihrer Einschätzung liegen konnten.
»Ach so, ja. Ich hab’ sie tatsächlich bekommen.«
»Oh, Tasmin, du bist ein Schatz. Und mit deinem Personalrabatt ist sie wirklich ihr Geld wert. Vergiß nie, Qualität ist immer ihr Geld wert; nur schade, daß dein Vater das nicht begreift.«
»Was hält er denn davon, daß du dreihundert Pfund für eine Jacke ausgibst?«
Isobel stieß ein kurzes, nervöses Lachen aus. »Du glaubst doch wohl nicht, daß ich ihm das erzähle? Ich hab’ ihm gesagt, ich kauf’ mir eine von Marks & Spencer. Du kennst ihn ja, der merkt den Unterschied sowieso nicht.«
Taz lachte in sich hinein. Nach über dreißig Ehejahren benahmen sich ihre Eltern noch immer wie kleine Kinder. »Ich sorg’ dafür, daß du sie rechtzeitig vor der Party bekommst«, versprach sie und sehnte sich nach ihrem Bett. Ihr Bauch gab seltsam gurgelnde Geräusche von sich. Das konnte nur eine Magenverstimmung sein. Oder sie hatte irgendwas Falsches gegessen. Faule Samstage bedeuteten für sie normalerweise pain au chocolat und einen Cappuccino nach dem anderen, aber heute hatte sie bestenfalls Appetit auf trockenen Zwieback.
»Weißt du«, fuhr Isobel fort, »ich hab’ mir nur überlegt, ob du sie heute morgen schnell vorbeibringen könntest, solange dein Vater gerade nicht zu Hause ist?«
»Mummy…«
»Das wäre wirklich wahnsinnig lieb von dir, es macht dir hoffentlich nichts aus? Du hast doch heute sowieso nichts anderes vor…«
»Also, eigentlich …«
»Ich hab’ gewußt, daß es dir nichts ausmacht. Also ungefähr in einer Stunde? Aber komm nicht zu spät, du weißt doch, wie dein Vater ist, nach dem kann man die Uhr stellen.«
Nachdem sie aufgehängt hatte, schlurfte Taz müde ins Badezimmer. Während sie das Wasser einlaufen ließ, fiel ihr Blick auf ihr Bild im Spiegel über dem Waschbecken. Ihr für gewöhnlich glänzendes braunes Haar war matt und zerzaust, ihr ovales Gesicht blaß und um die dunkelbraunen Augen herum ziemlich aufgedunsen.
»Taz Norton«, ermahnte sie sich streng, »du bist jetzt 25 Jahre alt und läßt dich immer noch von deiner Mutter um den Finger wickeln. Wie zum Teufel willst du da jemals Präsidentin von Seuss & Goldman werden?«
So brachte also etwas später Taz ihrer Mutter das Designer-Abendjäckchen. Ob geplant oder nicht, es war jedenfalls ein perfekter Tag für einen Motorradausflug mit ihrer 1956er BSA Gold Star. Durch den Dunst drang die Sonne, warm wie frisch getoastetes Brot, und auf der Landstraße sorgte eine leichte Brise für Abkühlung. Einfach phantastisch. Als sie Cheltenham hinter sich gelassen hatte und in die Landschaft von Gloucestershire hineinbrauste, dankte sie – nicht zum ersten Mal – ihrem Vater innerlich dafür, daß er sich immer einen Sohn gewünscht hatte.
Als er sich mit einer einzigen Tochter hatte abfinden müssen, hatte Bill Norton getan, was jeder praktisch denkende Mann an seiner Stelle getan hätte: Er hatte sie einfach so aufgezogen, als wäre sie ein Sohn. Mit elf Jahren konnte sie bereits einen Vergaser ausbauen, mit dreizehn die Aufhängung einer 250er Honda einstellen, und an ihrem sechzehnten Geburtstag hatte ihr Vater sie auf den Sitz einer BSA Bantam gesetzt, den Motor auf dem höchsten Punkt eines steilen Hügels gestartet und sie aufgefordert, sich gut festzuhalten. Von diesem Augenblick an war Taz in Motorräder vernarrt. Ob groß oder klein, lärmend, stinkend oder ölverschmiert – sie liebte sie alle. Isobel dagegen teilte ihre Begeisterung nicht unbedingt.
Taz nahm die A 46 und fuhr in südwestlicher Richtung. Bill und Isobel Norton hatten sich in die Cotswolds verliebt und sich, nachdem sie in Frührente gegangen waren, in ein kleines Landhaus in Painswick zurückgezogen. Daß Taz im S&G von Cheltenham arbeitete, war reiner Zufall – zumindest behauptete das Isobel.
Ein paar Kilometer vor Painswick merkte Taz, wie der Motor zu stottern begann. Das kam manchmal vor, wenn der Tank weniger als ein Viertel voll war. »Gib jetzt bloß nicht den Geist auf«, flüsterte sie, als sie in eine Tankstelle einbog. Sie stieg ab, nahm den Helm ab und schüttelte ihr Haar aus. Jetzt, wo sie nicht mehr auf dem Motorrad saß und der Geschwindigkeitsrausch verflogen war, fühlte sie sich wieder ein bißchen komisch. Sie atmete tief durch. Vergeht schon wieder. Entschlossen schraubte sie den Tankdeckel ab und begann mit dem Einfüllen.
Aber hallo! Das ließ sie doch glatt ihren Magen vergessen: Der junge Mechaniker, der gerade auf den Hof der Werkstatt hinausschlenderte, war ein Meter neunzig, blond, appetitlich gebräunt unter seinem weißen nabelfreien T-Shirt und hatte einen romantischen Ölfleck auf einer Wange, als Beweis, daß er sich auch mit Motoren auskannte. »Hi.« Sein Lächeln ließ hollywoodverdächtige Zähne über einem attraktiven, kantigen Kinn erstrahlen. »Gehört die Ihnen?« Eine Bärentatze von einer Hand glitt sanft über den Tank der Gold Star und das noch warme Leder des Sitzes.
»Gehörte meinem Vater, bis er sich am Knie verletzt hat. Ich hab’ sie jetzt schon fünf Jahre.«
»Und läuft sie gut?«
»Normalerweise schon. Ist manchmal allerdings ein bißchen launisch.« Sie schob den Einfüllstutzen wieder in die Säule.
»Eine echte Schönheit.« Durchdringend blaue Augen blickten geradewegs in die von Taz. »Wohnen Sie hier in der Gegend?«
»Am anderen Ende von Cheltenham. Charlton Kings.«
»Tatsächlich? Wo genau?«
»In der Cow Lane – gleich neben der Ham Road.« Taz befeuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zungenspitze. Auch ihre Kehle war trocken. Sie tat etwas, das sie seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte, schon seit der Zeit vor Gareth nicht. Sie flirtete!
»Sie sollten mal zur Oldtimer-Motorradrallye in Stroud kommen«, sagte der Mechaniker so beiläufig wie nur möglich.
»Wär’ vielleicht nicht schlecht.« Auch Taz versuchte, möglichst lässig zu klingen. »Und wann ist die?«
»Sonntag in zwei Wochen. Ich bin da; hab’ mich mit einem Vorkriegsmodell mit Beiwagen für den Schönheitswettbewerb eingetragen.«
Leicht benommen erwiderte Taz sein Lächeln. Sie fühlte sich ein wenig wackelig auf den Beinen. So atemberaubend war er nun auch wieder nicht. Sie wollte noch sagen »Ich würde gern kommen«, aber im selben Augenblick passierte das Schlimmste, was sie sich in dieser Situation vorstellen konnte. »Ich… Es tut mir leid, ich glaube, ich muß …« Noch bevor sie sich auch nur umdrehen konnte, überkam sie ein plötzlicher Anfall von Übelkeit. Im nächsten Augenblick erbrach sie sich. Mitten im Hof der Werkstatt. Und voll über die braunen Doc Martens des blonden Mechanikers. »Verdammte Scheiße, was soll denn das!«
Als Taz wieder hochblicken konnte, hatten sich die Augen mit dem Schlafzimmerblick in gehärteten Stahl verwandelt.
»Na gut«, preßte er zwischen den Zähnen hervor. »Ich geh’ und hol’nen Eimer Desinfektionslösung.«
Isobel Norton war beim Anblick der BSA Gold Star nicht übermäßig entzückt.
»Tasmin!« Sie trat auf die Türschwelle, wie immer gekleidet, als sei sie auf dem Weg zur Kirche, und das selbst am Samstagmorgen; ihr etwas dünn gewordenes kastanienbraunes Haar war so fest in Form gesprüht, daß allenfalls ein Wirbelsturm es hätte zerzausen können. »Was ist mit meiner Jacke?«
»Hier, siehst du – hat’s überlebt, Mummy«, sagte Taz und gab ihr das penibel verpackte, sorgfältig ausgepolsterte Paket.
»Na hoffentlich! Am besten gibst du es mir gleich, wir wollen doch nicht, daß noch ein Ölfleck draufkommt, oder?«
Taz sparte sich jeden weiteren Kommentar. Seit Isobel Norton ihre Stelle als Sprechstundenhilfe aufgegeben hatte, fehlte ihr jemand, den sie herumkommandieren konnte. Dad mußte das sieben Tage in der Woche aushalten; alle paar Wochen mal würde sie es ja wohl auch für ein paar Stunden ertragen können.
Ihre Mutter musterte sie kritisch. »Du siehst sehr blaß aus. Du solltest mehr Spinat essen.«
»Mir geht’s gut!« Taz versuchte, nicht an Spinat zu denken.
»Du bist krank, das merk’ ich doch! Hast du etwa wieder diese schrecklichen Menstruationsschmerzen? Du solltest wirklich mal zum Arzt gehen, vielleicht leidest du ja unter Blutarmut…«
Isobels Worte schlugen ein wie der Blitz. Taz’ Herz setzte einmal aus und begann dann wie wild zu rasen. »Nein, nein, Mummy, mit meiner Periode ist alles in Ordnung.« Außer, flüsterte eine leise Stimme in ihrem Kopf, daß sie ausgeblieben war, seit Gareth sie verlassen hatte. Fünf Wochen war das her. Sie versuchte verzweifelt, ihre rege Phantasie im Zaum zu halten. »Stell dir vor, Mummy, Diana Latchford hat mich mit der Organisation der Frühjahrs-Werbekampagne im nächsten Jahr betraut. Die Amerikanische Woche.«
»Das ist schön, meine Liebe«, sagte Isobel ausdruckslos. »Hast du immer noch keinen festen Freund?«
»Nein, Mummy. Hab ich nicht.«
»Du darfst dein Privatleben nicht so vernachlässigen. Arbeit ist nicht alles. Und du möchtest doch schließlich mal eine Familie haben und keine alte Jungfer werden.«
»Nein.« Taz mußte sich sehr zusammennehmen. »Wollen wir nicht mal sehen, wie dir die Jacke überhaupt steht?«
Aus der Hülle genommen, sah sie ausgesprochen prunkvoll aus, aber Isobel Norton hatte auch in ihren mittleren Jahren noch einen gewissen wilden irischen Chic, der selbst paillettenbesetzten smaragdgrünen Samt verkraften konnte. »Wie findest du’s?«
»Sieht phantastisch aus. Sehr… dramatisch.«
»Das sagst du doch nicht nur so? Ich möchte nicht, daß Daddy sich meinetwegen schämen muß, weißt du …«
Lachend versprach Taz ihrer Mutter: »Du wirst der Mittelpunkt des Balls sein.«
Das Quietschen des Tors ließ Isobel auffahren wie eine ertappte Sünderin. Hastig wand sie sich aus der Jacke und griff nach dem ausrangierten Plastikbeutel von Marks & Spencer. »Hier, leg sie da rein, bevor er sie sieht.«
»Mum – das ist dein Geld, das du da ausgibst!«
»Tu mir den Gefallen, Tasmin, bitte.«
Als Bill Norton in seinen Lieblingsgolfhosen leicht hinkend das Wohnzimmer betrat, saß Isobel auf dem Sofa, und Taz füllte in der Küche den Wasserkessel auf. Sie streckte den Kopf aus der Küchentür. »Hallo, Dad.«
»Hallo, Kleines. Die Gold Star hat also ihren Geist noch immer nicht aufgegeben?«
»Keine Angst, Dad, ich halt’ sie schon für dich in Schuß.«
»Du glaubst doch nicht etwa, daß ich sie noch mal fahren kann, mit meinem Knie«, brummte Bill.
»Tasmin hat Neuigkeiten für uns«, mischte sich Isobel ein. »Sie hat eine ganz spezielle Aufgabe in der Firma bekommen, irgendwas mit Frühling.«
»Die Frühjahrs-Werbekampagne, Mummy Man hat mir die Organisation der Amerikanischen Woche übertragen.«
»Gut gemacht«, strahlte Bill Norton. »Wenn du so weitermachst, wirst du Branson bald mit seinen eigenen Waffen schlagen. Ich wünschte, ich hätte deine Möglichkeiten gehabt, als ich in deinem Alter war.«
»Ja. Ich weiß.« Taz verspürte ein inneres Unbehagen. Sie überspielte es, indem sie Teetassen auf ein Tablett stellte. Plötzlich wollte sie nicht mehr, daß ihr Dad so stolz auf sie war und so hohe Erwartungen in sie setzte. Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun, sie könnte ihn enttäuschen.
Isobel glitt vom Sofa und holte die Plastiktüte von Marks & Spencer. Bill warf einen oberflächlichen Blick darauf. »Ist das die Jacke, von der du schon die ganze Zeit redest?«
»Genau. Wie findest du sie?« Sie schlüpfte hinein und präsentierte sich ihrem Mann. »Na?«
Bill Norton lachte in sich hinein. »Wenn das Marks & Spencer ist«, sagte er und blinzelte seiner Tochter zu, »dann bin ich der Scheich von Abu Dhabi.«
Am Sonntag morgen war es warm, aber trübe. Nicht gerade ideales Wetter für das Grillfest zu Binnies und Jims Abschied, aber bis Mittag konnte es ja noch besser werden.
Auch Taz selbst fühlte sich noch immer reichlich trübe. Sie beschloß, ihre Laune durch einen Besuch am Zeitungskiosk aufzupeppen. Sie wollte ein paar richtig schöne Tratsch- und Klatschblätter kaufen – und natürlich auch eine seriöse Zeitung, um wenigstens so tun zu können, als lese sie den Wirtschaftsteil.
Sie verbrachte den Rest des Vormittags auf dem Bett, nippte hin und wieder am Mineralwasser und überflog Berichte über das Sexualleben Prominenter. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, daß es schon fast zwölf war. Höchste Zeit, sich für Binnies Party fertigzumachen.
Taz schlenderte ins Badezimmer, wo Minky auf der Klobrille balancierte, den Kopf tief in die Schüssel gebeugt. »Minky! Das ist ja ekelhaft. Böses Mädchen.« Warum zogen Katzen eigentlich immer dieses eklig riechende Klowasser dem schönen klaren Wasser aus der Leitung vor? Andererseits: Warum fielen nette, sensible Mädchen wie Taz Norton immer auf solche falschen Schweinehunde wie Gareth Scott herein?
Geduscht, enthaart und gepudert fühlte Taz sich stark genug, der Welt entgegenzutreten. Sie holte ihre drei Lieblings-Partykleider aus dem Schrank und wühlte in der Unterwäscheschublade nach ihrem Wonderbra. Das Telefon klingelte.
»Taz? Hallo, hier Binnie. Alles klar für das Gelage?«
»Aber sicher. Ich bring’ eine Flasche Rose mit, was hältst du davon?«
»Meinetwegen, solange du mich damit nicht in Versuchung führst«, lachte Binnie.
»Wie das?«
»Ich bin auf Entzug, Taz. Eine brave werdende Mutter.«
»Ach ja.« Taz zögerte; sie wollte das Thema unbedingt ansprechen, wußte aber nicht, wie sie es anfangen sollte. »Binnie …«
»Was ist?«
»Och, nichts.« Sie verfluchte sich dafür, daß sie zum x-ten Mal zu feige war, darüber zu reden. »Soll ich sonst noch was mitbringen?«
»Nur dich. Was ziehst du an?«
»Weiß ich noch nicht. Das Grüne vielleicht.«
»Wie war’s mit dem raffinierten Apricotfarbenen? In dem siehst du immer toll aus.«
»Nuttig, meinst du wahrscheinlich!«
»Ganz bestimmt nicht! Aber rein zufällig kommen heute auch ein oder zwei ziemlich starke Typen, die noch zu haben sind. So was sollte man sich nicht entgehen lassen …«
»Wann hörst du endlich auf, andere verkuppeln zu wollen!«
»Gönn mir doch den Spaß. Ich bin eine alte, verheiratete Dame mit Krampfadern, und das ist eine der letzten Freuden, die ich im Leben noch habe«, kicherte Binnie. »Abgesehen von wilden Sexorgien, natürlich.«
»Ich bin gegen eins da, okay?«
»Bestens. Und Taz – ich schwör’ dir, das Apricotfarbene steht dir wirklich verdammt gut.«
Taz legte den Hörer auf und musterte die drei Outfits auf dem Bett. Doch das erste Problem war bereits der Wonderbra. Vorsichtig ausgedrückt, hatte sie ihn offensichtlich gar nicht mehr nötig. Erstaunt starrte Taz ihr Spiegelbild an. Wie konnte eine Brust in so kurzer Zeit derartige Wölbungen entwickeln? Der Wonderbra ließ sie so obszön aussehen, daß sie ihn auszog und aufs Bett schleuderte. Mit einer gewissen Vorahnung schlängelte sie sich in das apricotfarbene Kleid. Daß dies ein Mißgriff war, merkte sie in dem Augenblick, als sie versuchte, den Reißverschluß hochzuziehen. Sie schaffte es gerade bis unter die Schulterblätter. Es war unglaublich, als wäre es über Nacht passiert. Mit einem Schlag hatte sie eine Oberweite, für die andere Frauen 3000 Pfund zahlten – und war sich nicht einmal sicher, ob sie das gut finden sollte.
Eine halbe Stunde später verließ Taz ihre Wohnung in dem weißen rückenfreien Minikleid und fühlte sich dabei ziemlich nackt. Es saß ja ganz gut, ließ aber der Phantasie reichlich wenig Spielraum. Und daß ein Passant ihr nachpfiff, als sie ins Taxi stieg, war auch nicht unbedingt hilfreich.
»Taz! Da bist du ja! Gehen wir zu den anderen.« Binnie fegte über den Rasen wie eine Galeone unter vollen Segeln, im Schlepptau mehrere kleine Kinder. In einiger Entfernung machte Seuss & Goldmans Porzellan- und Glasabteilung beim Schlagballspiel trotz aller Anstrengungen von Cara Mondini die Sportabteilung fertig.
»Hallo, Binnie«, grüßte Taz, als sie sich umarmten.
»Das sind Amy und Tom und Emma – und die da gerade in der Nase bohrt, das ist Kezia. Laß das besser, Liebling, das sieht gar nicht schön aus.«
»Wem gehören …?«
»Meiner Schwester Lana, sie ist ausgesprochen gebärfreudig.«
»Nicht zu übersehen. Plant ihr, du und Jim, auch schon eure eigene Fußballmannschaft?«
»Keine Angst. Empfängnisverhütung ist eine wunderbare Erfindung. Geht doch mal zu Onkel David, Kinder, er bereitet gerade ein ganz tolles Kasperletheater vor.« Sie sah zu Taz hoch. »Was ist mit dem hautengen Apricotfarbenen?«
»Paßt mir nicht mehr. Um den Busen.«
»Ehrlich? Also irgendwie ist mir auch schon aufgefallen … Ich meine, du bist ein bißchen …«
»Ja. Ja, ich weiß. Könnten wir vielleicht über was anderes reden?«
Binnie zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.
Jim demonstrierte am Grill mit gestreifter Schürze und riesiger Grillzange vor Freunden und Nachbarn sein Können. Kreischende Kinder rannten herum und krabbelten über die Brötchen für die Burger, aber er strahlte sie nur nachsichtig an. Er grinste, als Taz und Binnie näherkamen, und schob seine Brille die Nase hoch.
»Diese Rasselbande. Sind sie nicht süß?«
»Hallo, Jim.« Taz hielt ihm die Flasche Rose hin. »Ich dachte, das bringt die Party in Schwung.«
»Noch ’ne Flasche Wein, phantastisch! Stell sie zu den übrigen und nimm dir was zu trinken. Die Reh-Burger sind bald fertig.«
»Danke, ich bleibe bei meinem Drink.«
Eine von Binnies Freundinnen kicherte: »Kluge Entscheidung. Beim letzten Grillfest bei Jim waren die Würstchen in der Mitte noch gefroren.«
»Was ist los mit dir, Taz?« zischelte Binnie.
»Ich hab’ einfach noch keinen Hunger.«
»Aber du ißt doch sonst immer wie ein Pferd!«
»Heut’ ess ich eben wie ein Hamster.« Taz nahm sich eine Salzstange, biß das Ende ab und goß sich dann ein Glas frisch gepreßten Orangensaft ein.
»Wir ziehen am Freitag um«, sagte Binnie unvermittelt. Taz sah zu ihr hinüber. Sie wirkte wehmütig, ja sogar traurig. »Mit dem Packen sind wir schon fast fertig. Jim kann es gar nicht erwarten.«
»Du bedauerst es doch wohl nicht, oder?«
Langes Schweigen. »Natürlich nicht.«
»Absolut sicher?«
Binnie tätschelte ihren Bauch. »Wie könnte ich das je bedauern! Aber ich werde dich vermissen.«
»Ich dich auch.«
Plötzlich packte Binnie Taz am Arm, so daß diese fast ihren Drink verschüttete. »Entschuldige, aber guck mal da rüber. Da bei dem Baum. Wie findest du ihn?«
Taz hielt die Hand über die Augen und ließ den Blick über die parkähnliche Weite von Binnies und Jims Rasenfläche schweifen. Unter den Platanen unterhielten sich fünf oder sechs Leute miteinander. »Den in der weißen Hose?«
»Quatsch, den doch nicht – den neben ihm. Dieser Junge, Dunkelhaarige, absolut Unwiderstehliche – erzähl mir bloß nicht, du hättest den noch nicht bemerkt.«
»Gar nicht so schlecht.« Besser als nicht schlecht, dachte Taz. Groß, gebräunt, sportlich gekleidet in dem Hemd mit offenem Kragen und den gut geschnittenen grauen Shorts. Vielleicht ein Squash-Spieler. »Nette Beine.«
»Er heißt Tony Komm schon, ich mach’ euch bekannt.« Protestieren war sinnlos. Binnie hatte Taz fest am Arm gepackt und legte für eine hochschwangere Frau ein erstaunliches Tempo vor.
»Hallo, alle miteinander, das ist Taz. Taz, das ist Avril, Heather, Peter, Mike … und Tony. Tony ist Architekt in Oxford. Auf dem besten Weg zum Stararchitekten.«
In dem Augenblick, als Tony sein aufreizendes Lächeln anknipste, wußte Taz, daß sie ihn haßte. Er war genau wie Gareth, nur jünger. Jede Menge Power, ehrgeizig, nur scharf auf Sex und absolut gleichgültig gegenüber allem, was über seine eigenen momentanen Gelüste hinausging.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, log sie höflich. Tony nahm ihre Hand, hielt sie einen Augenblick fest, und eine schreckliche Sekunde lang dachte Taz schon, er wolle sie tatsächlich küssen.
»Auch ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Es klang sogar ehrlich. Diese Ratte.
»Ist das die Taz, von der du uns erzählt hast?« fragte Heather. Aus dem eifersüchtigen Blick ihrer grauen Augen zu schließen, machte sie bereits Ansprüche auf Tony geltend. »Die, die in einem Laden arbeitet?«
»Taz ist Managerin bei Seuss & Goldman,« betonte Binnie.
»Nur Abteilungsleiterin«, stellte Taz klar.
»Sie ist kürzlich befördert worden. Taz ist voll auf dem Erfolgstrip, stimmt’s, Taz?«
»Kann ich mir gut vorstellen«, schnurrte Tony Er tätschelte Taz’ Hand. Diesmal zog sie sie weg. »Sie sind ganz offensichtlich eine sehr begabte junge Frau, Taz. Sie sollten Ihr Licht nicht so unter den Scheffel stellen.«
Heathers Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Ihr Blick blieb auf Taz’ Busen hängen, der das weiße Nackenträgerkleid, das vor kurzer Zeit noch so sittsam gewirkt hatte, mehr als ausfüllte. Dann schnellten sie zu Tony zurück, der in dieselbe Richtung starrte.
»Hätte gar nicht gedacht, daß sie der Typ ist, der irgendwas verbirgt«, meinte Heather naserümpfend und fügte bedeutungsvoll hinzu: »Sie stellt doch sonst ihre Vorzüge auch reichlich offen zur Schau.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Taz mit hochrotem Kopf.
»Nimm dich zusammen, Heather«, herrschte Tony sie an.
»Warum sollte ich?«
»Weil dein Verhalten peinlich ist – mir und unseren Freunden.«
»Und was ist mit deinem Verhalten? Wenn du schon unbedingt auf jede Nutte mit großen Titten abfahren mußt, solltest du dir nicht auch noch einbilden, daß ich mir das gefallen lasse.«
Taz starrte sie entgeistert an. Normalerweise hätte sie mit einer vernichtenden Bemerkung zurückgeschossen, aber irgendwie hatte Heather mit ihrer Gehässigkeit bei ihr einen wunden Punkt getroffen.
»Soll ich dir noch einen Drink holen, Heather?« schlug Binnie besänftigend vor.
»Entschuldigt mich«, sagte Taz leise, und man sah ihr an, daß sie mit den Tränen kämpfte. »Ich … ich muß mal…« Sie drehte sich mit brennenden Augen um und floh zum Haus, ohne sich weiter um die verblüfften Blicke dieser Mittelschicht-Langweiler mit Ketchup um den Mund zu kümmern.
Es traf sie wie ein Schock. Binnies Haus war leer und hallte. Über die nackten Holzfußböden verstreut lagen Umzugskartons, einige bereits verschlossen und mit einem Aufkleber »Dungarrow, via Inverness« versehen, andere noch offen, zerknülltes Zeitungspapier daneben. An den Wänden lehnten zusammengerollte Teppiche. Taz schloß die Flügeltüren hinter sich und blieb ein paar Augenblicke lang im Wohnzimmer stehen. Sie dachte an das letzte Weihnachtsfest, als Jim, auf dem Deckel des Flügels sitzend, in seinen Weihnachtsmann-Boxershorts »The Good Ship Venus« gesungen hatte. Und Binnie hatte nach einer ganzen Flasche Cherry Brandy erklärt, der Sinn des Lebens liege im Saufen, Bumsen und Geldausgeben. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.