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Auf einen Neuanfang: Der romantische Wohlfühlroman »Frischer Wind in Cheltenham« von Zoë Barnes als eBook bei dotbooks. Cally steht vor einem Scherbenhaufen: Aus dem Job entlassen, vom Mann betrogen und vor die Tür gesetzt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als zurück zu ihrer Mutter ins beschauliche, aber todlangweilige Cheltenham zu ziehen. Noch dazu ist der einzige Job, den die überzeugte Großstadtpflanze auf die Schnelle finden kann, ausgerechnet im örtlichen Zoo! Dort treiben Cally nicht nur ungezogene Esel und übelriechende Stinktiere in den Wahnsinn, sondern auch der unverschämte Tierpfleger Will. Leider sieht dieser aber auch verboten gut aus und so entwickelt sich für Cally bald ein aufregender Tornado der Gefühle… Oder stellt sich dieser als der dringend nötige frische Wind für einen Neuanfang heraus? »Zoë Barnes kann das richtig gut: Während eigentlich alles den Bach runtergeht, zeigt sie uns die komischen Seiten des Lebens!« Bookshelf Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Frischer Wind in Cheltenham« von Zoë Barnes ist der dritte Band ihrer Cheltenham-Reihe, deren Einzelbände unabhängig voneinander gelesen werden können. LeserInnen von Manuela Inusa und Anne Barns werden begeistert sein. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 444
Über dieses Buch:
Cally steht vor einem Scherbenhaufen: Aus dem Job entlassen, vom Mann betrogen und vor die Tür gesetzt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als zurück zu ihrer Mutter ins beschauliche, aber todlangweilige Cheltenham zu ziehen. Noch dazu ist der einzige Job, den die überzeugte Großstadtpflanze auf die Schnelle finden kann, ausgerechnet im örtlichen Zoo! Dort treiben Cally nicht nur ungezogene Esel und übelriechende Stinktiere in den Wahnsinn, sondern auch der unverschämte Tierpfleger Will. Leider sieht dieser aber auch verboten gut aus und so entwickelt sich für Cally bald ein aufregender Tornado der Gefühle… Oder stellt sich dieser als der dringend nötige frische Wind für einen Neuanfang heraus?
»Zoë Barnes kann das richtig gut: Während eigentlich alles den Bach runtergeht, zeigt sie uns die komischen Seiten des Lebens!« Bookshelf
Über die Autorin:
Zoë Barnes ist ein Pseudonym der britischen Bestsellerautorin Susan Morgan (1957–2009). Sie wuchs in der Nähe von Liverpool auf und lebte danach lange in der Grafschaft Gloucestershire – genauer gesagt im beschaulichen Cheltenham, wo auch viele ihrer romantischen Komödien spielen. Lange vor Helen Fielding und deren »Bridget Jones« war Susan Morgan eine Wegbereiterin der herrlich britischen, humorvollen Unterhaltungsromane. Sie war außerdem als Übersetzerin erfolgreich und stand in ihrer Freizeit als Mezzosopranistin auf der Bühne.
Bei dotbooks veröffentlichte Zoë Barnes: »Hochzeit in Cheltenham«, »Ein Cottage in Cheltenham«, »Frischer Wind in Cheltenham«, »Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich«, »Alte Liebe rostet nicht, aber neue Liebe glänzt«, »Die Braut, die sich was traut«, »Die Insel des geheimen Glücks« und »Auf der Spur der Träume«.
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Aktualsierte eBook-Neuausgabe März 2023, Juli 2024
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2000 unter dem Originaltitel »Bouncing Back« bei Piatkus Publishers Ltd., London.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2002 unter dem Titel »Oops! Wie konnte mir das nur passieren?« im DTV, München.
Bei dotbooks erschien diese eBook-Neusausgabe erstmals 2023 unter dem Titel »Das Glück spielt die erste Geige, aber ich bin die Dirigentin«.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2000 by Zoë Barnes
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2002 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München; Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2023, 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: A&K Buchcover, Duisburg, unter Verwendung mehrer Bildmotive von depositphotos/kefirm, Markit, avpk, allaordatiy, arissubowo.gmail.com, iriana88w, itsmejust
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts/lj)
ISBN 978-3-98952-160-5
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Zoë Barnes
Frischer Wind in Cheltenham
Roman
Aus dem Englischen von Ulrike Ostrop und Joachim Peters
dotbooks.
Für Jupiter, der das Manuskript perfekt zurechtgekaut hat
Gerade, als alles so gut lief …
Eine dicke schwarze Wolke schlich sich über den Hügel an, machte es sich über einem Bürogebäude in Northampton bequem und entleerte zwanglos ihre Blase auf das Dach. Es war einer jener trüben, monotonen Märztage, an denen selbst die Tauben einen depressiven Eindruck machen.
Währenddessen verlor Cally Storm in einem öden Büro im dritten Stock jenes Gebäudes allmählich die Geduld. »Nein«, sagte sie und versuchte, sich ihre Gereiztheit nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. »Ich habe kein Wort verstanden. Hören Sie, es tut mir leid, aber Sie drücken sich nicht gerade besonders klar aus.«
Auf der anderen Seite des Schreibtischs blinzelte sie der kleine Italiener mit dem modischen Anzug und den sanften braunen Augen frustriert an. Er sah ungefähr aus wie vierzehn, hatte spindeldürre Knöchel und hätte eigentlich, wäre alles mit rechten Dingen zugegangen, verstohlen hinter dem Fahrradschuppen eine Zigarette rauchen müssen, statt die Personalabteilung des britischen Ablegers der Banco Torino zu leiten. Außerdem war er nicht annähernd alt genug, um Callys neuer Chef zu sein, und wenn es so etwas wie Gerechtigkeit gäbe, dann säße jetzt sowieso sie in diesem Stuhl und nicht er.
»Sie immer nock nix verstehn?«, wiederholte er. Die Frage kam Cally reichlich überflüssig vor, da die einzigen englischen Worte, die die neue italienische Führungsmannschaft zu beherrschen schien, »Hello« und »Manchester United« lauteten.
»Wenn Sie vielleicht etwas langsamer sprechen würden«, schlug sie vor, während ihr Bemühen, sich zusammenzureißen und ihm nicht gleich eine zu scheuern, fast zu einem Krampf ihrer Kiefermuskulatur führte. »Laaang-sam, Sie verstehn?«
Mit Gesten versuchte sie, ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Italienischkenntnisse wären jetzt hilfreich gewesen, aber dann hätte sie in der Schule weniger Zeit für Basketball gehabt, und schließlich musste man Prioritäten setzen. Cally jedenfalls war überzeugt, dass sie die ihren längst verinnerlicht hatte. Erstens: Schau nur nach oben und gib keine Ruhe, bis du selber dort angekommen bist. Zweitens: Gib dich nie damit zufrieden, die Nummer zwei zu sein.
»Liegen an meine Akzente, ja?«
»Äh … na ja …«
Eine höfliche Antwort hierauf gab es nicht; dieser Mann vergewaltigte die englische Sprache eher, als dass er sie beherrschte. Cally fummelte unruhig am Griff ihrer neuen ledernen Aktenmappe herum, ein Auge auf die Uhr gerichtet. Komm endlich zur Sache, dachte sie, innerlich brodelnd. Für ihn war das alles natürlich ganz nett; er war von Mailand auf eine flotte zweiwöchige Vergnügungstour mit Spesen und allem Drumherum geschickt worden und hatte nichts Besseres zu tun, als den Leuten auf die Füße zu treten und ihnen zu erklären, dass sie zu viel Geld für Büroklammern ausgaben.
Seit der Übernahme war alles nur noch schlimmer geworden, und eine Sitzung jagte die andere. Entscheidungen, so schien es, wurden gar nicht mehr getroffen, die Kantine roch permanent nach Pesto, und sie selbst war schon eine halbe Stunde zu spät dran für eine Konferenz mit der Lower Slaughter Fatstock Cooperative. Waren sich denn diese Südländer überhaupt nicht darüber im Klaren, wie viele andere Gesellschaften nur darauf warteten, die Heidschnucken des Bauern Giles gegen Fußfäule zu versichern?
Trotz aller Probleme ging sie noch immer davon aus, dass sich früher oder später alles einspielen würde. Die LBS Agri-Finance war schließlich nicht zum ersten Mal übernommen worden, und wahrscheinlich würde es auch nicht das letzte Mal sein.
Signor Toscelli kaute an der Unterlippe. »Ah. Momento.«
Aus den Tiefen einer Armani-Hosentasche holte er eine eselsohrige Sammlung von Redewendungen hervor und blätterte das Büchlein hektisch durch, bis er endlich gefunden hatte, was er suchte. »Si, si, hier ist, was isch sage will.« Sein Zeigefinger stieß auf die Seite herab. »Sie … sinde …« Seine Lippen kämpften mit der Bildung des ungewohnten Diphthongs. »Ge-foie-ret.«
Cally runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
»Ge-foie-ret.« Wütend drehte er das Buch um, hielt es Cally unter die Nase und zeigte triumphierend mit dem Finger auf die entsprechende Stelle. »Ge-foie-ret. Das sein richtig, nein? Sie sind …?«
Gefeuert?
Irgendwo in Callys Magengrube stürzte ein Fahrstuhl ungefähr fünfzehn Stockwerke tief ab.
»Gefeuert!«, kreischte sie, als ihr die schreckliche Wahrheit klar wurde und die schöne neue Manager-Aktenmappe vom Schoß rutschte. »Das ist ja wohl ein schlechter Scherz, oder?«
Unglücklicherweise aber lachte Signor Toscelli gar nicht.
***
Na schön, dachte Cally und starrte verbittert aus den verdreckten Busfenstern. Hierhin fährt also die Linie zweiundvierzig. Wenn mich die Banco Torino nicht entlassen hätte, wäre ich wohl nie auf diese faszinierende Entdeckungsreise gegangen.
Sie rieb sich einen Fleck auf der Fensterscheibe frei und linste hindurch. Schnee. Scheißschnee, überall. Das setzte dem Ganzen die Krone auf: gerade eben noch ein harmloses bisschen Regen, und jetzt ein regelrechter Schneesturm und null Chance, ein Taxi zu kriegen. Gerade eben noch ein Job mit blendenden Aufstiegschancen, und jetzt stehst du buchstäblich auf der Straße, weil so ein blöder Italiener dir die Schlüssel von deinem Dienstwagen abgenommen hat.
Wie zuvorkommend, dass sie ihr für ihre Sachen wenigstens noch eine Plastiktragetasche der Banco Torino überlassen hatten. Hoffnungslos überfüllt, hüpfte die Tasche auf ihrem Schoß auf und ab und drohte ihren Inhalt in zehn verschiedene Richtungen zu verstreuen, als der Bus mit fünfzig Sachen über eine Temposchwelle raste, einen Schlenker um das größte Schlagloch machte, auf dem Schneematsch ins Rutschen kam und fröhlich über die Bordsteinkante hüpfte – und das alles, ohne auch nur einmal den Gang zu wechseln.
Cally fing gerade noch eine Sparbüchse in Schafsform auf, als die Tüte zur Seite kippte, und stopfte sie wieder hinein. Ein Plastikschaf, zwei Behälter für Schreibtischutensilien, zwölf Nummern von Farmer’s Weekly und eine rote Socke, bei der sie nicht einmal sicher war, ob sie ihr gehörte – war dieser Schrott alles, was sie vorweisen konnte, nachdem sie in zehn Jahren mehr Versicherungen für Schafe verkauft hatte als irgendjemand sonst in der Geschichte der LBS? Und dann war sie, dieses kleine Wunderkind, mit einem Mal arbeitslos und hatte es noch nicht einmal kommen sehen. Tolle Leistung, Cally Storm, sagte sie sich. Jetzt bist du wohl auf die Schnauze gefallen.
Wenn sie die Sache rational betrachtete, war ihr natürlich klar, dass es keinen Grund gab, sie nicht zu entlassen. Schließlich passierte das ständig allen möglichen Leuten und war in keiner Weise persönlich gemeint. Und ein großer multinationaler Konzern wie die Banco Torino wusste eben nicht, was er mit einer anfangen sollte, die einmal eine Angoraziege gegen Haarausfall versichert hatte.
Und trotzdem empfand sie ihre Kündigung als persönlichen Affront. Zehn Jahre hatte sie durchgehalten, zehn lange Jahre drohende Zusammenschlüsse und Übernahmen und Rationalisierungen überstanden. Na schön, sie hatte befürchtet, dass die LBS sie wie ein Päckchen, das keiner haben wollte, im ganzen Land herumschicken würde, aber dass man eines Tages ganz auf sie verzichten könnte, war nicht einmal andeutungsweise im Gespräch gewesen. Im Gegenteil – es hatte sogar Gerüchte gegeben, dass sie irgendeinen tollen Posten im Getreidesilo-Bereich bekommen sollte.
Das änderte aber weder etwas an der Tatsache, dass sie offenbar entbehrlich war, noch daran, dass sie sich nicht an diesen Gedanken gewöhnen konnte. Und dann hatte sie auch noch nach dem Weg zur Bushaltestelle fragen müssen. Typisch: Da wartest du jahrelang, bis du endlich deinen eigenen nummerierten Parkplatz bekommst, und kaum hast du ihn, befördern sie dich mit einem Tritt in den Hintern auf die Straße.
»Schau mal, Mama!«, zwitscherte ein Kind auf der anderen Seite des Gangs. »Es schneit schon wieder! Genau wie in dem Video über die Eskimos.«
Cally schaute aus dem Fenster. Es schneite nicht einfach nur; es kam so dick, dass man kaum mehr durchsehen konnte, so, als ob der liebe Gott gerade seine Daunendecke zerrissen und genau über Northampton ausgeschüttelt hätte. Sie ließ den Kopf auf die Lehne des Vordersitzes sinken. Super, dachte sie. Jetzt fehlen diesem Kaff nur noch giftige Kröten, die vom Himmel regnen, und ein oder zwei fleischfressende Zombies, dann ist der Tag perfekt.
Immerhin blieb ihr ein Trost: Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.
Oder vielleicht doch?
Jetzt sieh doch mal das Positive, befahl sich Cally, als sie klatschnass den Laburnum Walk hinauf zu dem Haus stapfte, das sie nie hatte ausstehen können und das in einem Stadtteil stand, den sie hasste. Wenigstens hast du eine warme, trockene Wohnung, im Kühlschrank befindet sich jede Menge Käsekuchen, und die Nachbarn stopfen ihre Vorgärten nicht mit ausgebrannten Ford Capris voll.
Richtig, gab sie zähneknirschend zu. Aber warm und trocken wird es nicht mehr lange bleiben, wenn nicht sehr bald das Dach repariert wird. Außerdem weißt du ganz genau, dass du von Käsekuchen Pickel kriegst. Und wer soll für die neuen Velux-Fenster blechen, jetzt, wo du bald vor dem Arbeitsamt Schlange stehst? Und vergiss nicht das baufällige Gartenhaus, die Feuchtigkeit im Wintergarten und den Holzwurm in der Fensterbank …
Jetzt reiß dich aber mal zusammen, ermahnte sie sich streng. Lass endlich das blöde Selbstmitleid. So schlimm ist es auch wieder nicht; wenigstens hast du noch Rob. Ja, zischte der Dämon auf ihrer Schulter – und Rob hat ja immer noch seinen schönen, glänzenden Firmen-BMW.
Sie stand vor der Tür der Nummer einunddreißig, während ihr der schmelzende Schnee den Nacken hinunterlief und sie sich so kalt und durchnässt fühlte, dass ihr schon alles egal war. Durch die Schneeflocken blickte sie zur einfallslosen Rauputz-Fassade hoch. Na gut, es gab schönere Häuser, aber schlimmere auch, und schließlich hatte nicht jeder das Glück, eine Fünfzimmerwohnung in einem beliebten Wohngebiet von Northampton zu besitzen. Und außerdem handelte es sich, wie Rob nicht müde wurde, sie zu erinnern, nicht einfach nur um ein Haus, sondern um eine Investition. Auch wenn sie manchmal das Gefühl beschlich, dass das allerdings schon alles war.
Sie stieß das Tor auf, stapfte in ihren ruinierten dünnen Schuhen erschöpft zur Haustür und schob den Schlüssel ins Schloss. Rob würde sie aufmuntern, hatte sie beschlossen. Er würde sie abtrocknen wie einen nassen Schäferhund, sie in eine Daunendecke wickeln und ihr einen seiner Spezial-Kakaos machen. Wahrscheinlich würde er ihr auch ein Paar neue Schuhe kaufen. Dafür waren Ehemänner schließlich da.
Als sie im Flur stand und den Schnee auf dem brandneuen Naturholzboden abschüttelte, hörte Cally Robs Stimme aus dem vorderen Zimmer. Er telefonierte wohl gerade und verkaufte soeben eine weitere Lieferung fünf Meter hoher Palmen an irgendein Einkaufszentrum. Sie kickte ihre nassen Schuhe weg und watschelte auf tauben Füßen Richtung Küche, um ihn nicht zu stören. Komisch, dachte sie noch, als sie an der halb offenen Tür vorbeiging. Das klang gar nicht wie ein geschäftliches Telefonat. Sie hätte sogar schwören können, gerade das Wort »Höschen« gehört zu haben.
Höschen? Geräuschlos stieß sie die Tür auf – aber selbst wenn sie in Begleitung von Trommeln und Dudelsäcken einmarschiert wäre, hätte Rob davon wohl kaum etwas gemerkt. Er lehnte lässig am Kamin, die Telefonschnur lasziv um einen Zeigefinger gewickelt und den Hörer bequem unters Kinn geklemmt.
»… schon wieder schwarze? Warum trägst du denn nicht die hübschen kleinen roten, die ich dir gekauft habe? Wie war das? Du …« Er lachte dreckig. »Komm her und sag das noch mal, du ungezogenes Mädchen, damit ich dir ordentlich den Hintern …«
Rob drehte sich um und erstarrte zur Salzsäule, als er Cally da stehen sah, das Kostüm an ihrem durchnässten, zitternden Körper klebend, das Haar schwach dampfend wie die Wolle auf einem Schafsrücken. Er schluckte, rang sich ein schwaches Lächeln ab und knallte den Hörer auf die Gabel.
»Cally, Liebling, du kommst aber …«
»Früh nach Hause? Ja, nicht wahr?«
Rob kicherte nervös, und sein Gesicht nahm ein gutes Dutzend unterschiedlicher Ausdrücke an, während er innerlich alle potenziellen Ausreden durchblätterte. »Ich war nur … äh …«
»Überrascht? Kann ich mir vorstellen.«
Er ging mit ausgestreckten Armen einen Schritt auf sie zu. »Cally, Liebling, ich meine, das ist nicht …«
Es war wirklich seltsam. Cally fühlte sich kein bisschen verletzt oder verwirrt oder betrogen. Ganz plötzlich und für sie selbst unerklärlich fühlte sie sich auf einmal nur noch unendlich gelangweilt. Gelangweilt von diesem Leben, diesem Haus und am allermeisten von diesem stinklangweiligen Mann, den sie blöderweise geheiratet hatte.
Er wollte einen Arm um ihre Schulter legen, aber sie duckte sich weg. »Spar dir die Mühe, Rob. Deine billigen Ausreden interessieren mich nicht.«
»Das sind keine …«
»Hat sie große Titten? Größere als ich?« Sie reckte ihm ihre 75-C-Körbchen vor die Nase. »Mein Gott, was bist du bloß für ein armseliges Würstchen.«
In Robs Augen stand jetzt Panik. »Nein, nein, du hast das völlig falsch verstanden, ich habe doch nur …«
»Erspar mir die ekelhaften Einzelheiten, Rob, das ist doch die älteste Geschichte der Welt. Geh mir einfach nur aus den Augen.«
»Cally, benimm dich doch bitte nicht wie ein Idiot.«
»Ich sehe hier nur einen Idioten, und der bin nicht ich. Verpiss dich aus diesem Haus, und zwar sofort.«
»Aber du kannst mich doch nicht einfach aus meinem eigenen Haus werfen!«
»So, meinst du?«
Dann packte sie ihn mit einer für sie beide überraschenden Kraft an den Schultern und schob ihn energisch in Richtung Haustür. Auf halbem Weg durch den Flur drehte er sich um und wehrte sie mit erhobenen Händen ab.
»Hör mal, Cally, Liebling, ich geb ja zu, dass ich blöd war, aber das war doch nur ein harmloser kleiner Scherz, okay?«
»Irrtum. Nichts ist okay.« Sie riss die Haustür auf und deutete hinaus in das arktische Chaos Northamptons. »Raus.«
»Aber ich …«
Sie versetzte ihm einen Stoß in die Magengrube, und er stolperte über den Abstreifer und landete auf der Stufe vor der Tür, zwischen den leeren Milchflaschen und dem Fußabstreifer in Form eines Stachelschweins.
»Aua!«
Sie knallte die Tür hinter ihm zu und wandte sich ab. Keine zwei Sekunden später wimmerte er durch den Briefschlitz. »Cally, das kannst du doch nicht machen! Um Himmels willen, es schneit!«
»Tatsächlich?« Sie öffnete die Tür noch einmal und warf ihm einen Regenschirm an den Kopf. »Dann brauchst du wahrscheinlich das hier. Und jetzt verpiss dich aus meinem Leben und lass dich nie wieder blicken.«
Ihr Herz hämmerte, und in ihrem Kopf pochte es. Zurück im Wohnzimmer, hyperventilierte sie so heftig, dass ihr ganz schwindlig wurde. Was nun? Sollte sie jetzt in eine braune Papiertüte atmen und warten, bis ihr der Himmel auf den Kopf fiel? Kein Job, kein Mann – was würde wohl als Nächstes kommen?
Ganz unten im Küchenschrank lag noch eine Flasche Champagner. Sie zog sie heraus und knallte sie auf den Tisch. Rob und sie hatten die Flasche zwar für eine besondere Gelegenheit aufgehoben, aber um eine solche handelte es sich ja wohl. Schließlich brach nicht jeden Tag alles über einem zusammen.
Es kam ihr vor, als hätte es Jahre geregnet, als es endlich aufhörte.
Cally linste in ein Kunststofffass. »Dad«, rief sie über die Schulter, »sind das Pastinakwurzeln oder Linsen?«
Ein großer schlanker Mann trat aus dem Wigwam ans Licht und schob seine Nickelbrille die knochige Nase hoch. Marc Storm sah aus wie ein Schuldirektor auf einer Siebzigerjahre-Party. »Weder noch, das ist angelsächsisches Honigbier – ein Freund hat mir das Rezept besorgt.«
Er fuhr ihr liebevoll durchs Haar, und sie kam sich dabei wieder vor wie als Sechsjährige.
»Dad!« Sie duckte sich weg. »Werd endlich erwachsen.«
»Schrecklicher Gedanke.« Marc senkte die Stimme. »Also – was meint die Expertin?«
Cally verzog das Gesicht. »Um keinen Preis werde ich noch mehr von diesem selbst gebrauten Zeugs probieren. Du weißt doch, wie es der Katze von Mrs Davis ergangen ist.«
Ihr Vater tat ihre Bedenken mit einer Handbewegung ab. »Aber das hier ist wirklich guter Stoff.«
»Wenn’s beschissen schmeckt, sag ich es auch.«
»Abgemacht. Aber das wirst du nicht.«
Er füllte einen alten Zinnkrug und reichte ihn ihr. »Und?«
»Gar nicht so übel, wie es aussieht«, räumte sie ein, ohne selber recht zu wissen, ob sie nun enttäuscht oder erleichtert sein sollte. »Aber wahrscheinlich stellt sich das Zeug als tödlich giftig heraus.«
»Cally?«
Sie schaute abrupt zu ihm auf; den Ton kannte sie doch. »Was du auch fragen willst – die Antwort lautet nein.«
»Ich möchte doch nur, dass du mir erzählst, was los ist.«
Etwas zu rasch antwortete sie: »Gar nichts ist los.«
Marc seufzte. »Und wie geht’s Rob?«
»Keine Ahnung.« Sie kickte eine faulige Mohrrübe weg. »Und offen gesagt, ist mir das auch scheißegal.«
»Du hast ihn also nicht wieder getroffen?«
»Nein, warum sollte ich auch?«
Marc bohrte die Schuhspitze in die aufgeweichte Erde. »Aber Cally, er ist doch immerhin dein Ehemann.«
»Und?«
»Und Ehemann und Ehefrau leben im Allgemeinen im selben Haus.«
»Du und Mum aber nicht«, schoss Cally zurück, auf kindliche Weise froh darüber, einen Treffer gelandet zu haben.
Marc seufzte. »Schau mal. Es ist ja nicht so, dass wir dich nicht gerne bei uns hätten; schließlich hat deine Mutter nicht oft Besuch. Aber normalerweise bleibst du doch nie länger als einen oder zwei Tage.«
Cally wich dem Blick ihres Vaters aus. »Und warum sollte ich nicht ein bisschen länger bleiben, wenn ich das will?«
»Natürlich kannst du das, keine Frage. Aber jetzt sind es schon zwei Wochen, Cally. So lange bist du nicht mehr zu Hause gewesen, seit deine Mum dir mal mit sechzehn Stubenarrest verpasst hat.«
Sie zog es vor, die Erkundigungen ihres Vaters einfach zu ignorieren, denn sie hasste die Art und Weise, wie er immer genau die Stellen traf, die am meisten wehtaten. »Soll ich jetzt um diese blauen Dinger da rumhacken oder sie lieber ausbuddeln?«
»Kümmer dich nicht um die blauen Dinger.« Marcs Stimme nahm einen ungewohnt entschlossenen Tonfall an. »Erzähl mir einfach, was mit dir und Rob los ist. Habt ihr euch gestritten?«
In einer dunklen Kammer von Callys verwundetem Herzen heulte etwas los. »Ich will einfach nicht darüber reden. Klar?«
***
»Diese fünfzehn Meter große Glasfiber-Frau im Leopardenfell-Bikini mit diesem Schlitten, der ihren ganzen Oberschenkel runterrast – das nenne ich Unterhaltung.« Der etwas kurz geratene Mann mit dem goldenen Ohrring fuhr herum und wartete auf Robs Reaktion. »Stimmt’s oder hab ich recht?«
Rob tat sein Möglichstes, um Begeisterung für den neuen Freizeitpark seines Kunden zu zeigen, den dieser »B-Movie-Heaven« nannte; schließlich sollte ihm der Vertrag im Lauf der nächsten Jahre ein paar Tausender an Kommission einbringen. In Wahrheit aber dachte Rob die ganze Zeit nur an sein letztes Telefongespräch mit Cally. Ihr Beitrag hatte aus genau zwei Worten bestanden, und eines davon lautete »mich« – kein besonders vielversprechender Anfang seiner Kampagne, sie zurückzugewinnen.
»O Gott«, stöhnte er, »was soll ich bloß tun?«
Greg Prince blieb neben der Killertomaten-Achterbahn stehen. »Was du tun sollst? Ganz einfach: Du sollst mir zweihundert echte tropische Schlingpflanzen für Tarzans Dschungeldom beschaffen.«
»Ich habe nicht die Pflanzen gemeint, sondern Cally. Was soll ich denn jetzt machen? Sie hat mich und den Hamster einfach sitzen lassen, und jetzt will sie nicht einmal mehr mit mir reden.«
Greg hatte allmählich genug von Robs einseitiger Konversation. »Mein Gott, jetzt mach aber mal ’nen Punkt. Willst du nun den Vertrag oder nicht?«
»Aber natürlich.« Rob versuchte, sich den Geldfluss auf sein Konto bildhaft vorzustellen, sah aber stattdessen nur Callys Gesicht vor sich, wie sie ihm erst alle möglichen Obszönitäten und schließlich den Minidisk-Player an den Kopf warf. »Ich bin momentan einfach nur … ein bisschen abgelenkt, das ist alles.«
»Ist doch klar, Junge.« Greg gab ihm einen kumpelhaften Klaps auf die Schulter. »Weiber – wer braucht die eigentlich?«
Ich, stöhnte Rob innerlich. Und genau deswegen sitze ich jetzt in der Klemme. Er räusperte sich. »Schlingpflanzen. Natürlich.«
»Aber bitte richtig große, nicht solche mickrigen Dinger, klar? Ich kann nicht warten, bis sie gewachsen sind. Wir wollen im August Eröffnung feiern. Pompös und beeindruckend, das wollen die Kleinen.« Er stieß sein Handy in Robs Notizbuch. »Stimmt’s oder hab ich recht?«
Rob lächelte müde. »Klar doch.«
»Ach ja, und vergiss nicht die Dattelpalmen. Aber keine unter drei Metern, und auf den Bananenpflanzen will ich echte Bananen haben.«
Rob folgte Greg durch den im Entstehen begriffenen Freizeitpark und stolperte dabei über Marsmännchen ohne Kopf, eine Riesenameise und einen der Köpfe des Zerberus aus der Hades-Monsterbahn. »Das Problem ist nur«, keuchte er, während er verzweifelt versuchte, das Ameisenbein von seiner Hose abzuschütteln, »dass sie mir nicht abnehmen wird, dass ich mich geändert habe.«
Greg stöhnte. »Geht’s jetzt schon wieder um deine Ex-Frau?«
»Frau«, berichtigte ihn Rob. »Und das wird sie auch bleiben, wenn es nach mir geht. Ich weiß nur nicht, wie …«
Von Robs Unnachgiebigkeit endgültig besiegt, setzte sich Greg auf ein Marsmännchen. »Warum erzählst du mir das alles eigentlich, Kumpel?«
Rob machte ein reichlich dummes Gesicht. »Wahrscheinlich, weil ich sonst niemanden habe, dem ich es erzählen könnte.«
»Du bist ja anscheinend wirklich schlimm dran«, meinte Greg nicht ohne Mitgefühl. »Und was ist mit deinem Seitensprung? Hat sie dich auch sitzen lassen?«
»Leanne?« Rob ließ die Schultern hängen. »Die hat jetzt so einen muskelbepackten Affen aus dem Fitnessklub. Hat sich beschwert, ich würde immer nur über Cally reden.«
»Kann ich ihr nicht verübeln«, merkte Greg an. »Du willst also deine Frau wiederhaben. Stimmt’s oder hab ich recht?«
»Du hast recht.«
»Dann tu endlich was dafür. Hast du schon versucht, unter vier Augen mit ihr zu reden?«
»Sie hat mir die Tür ins Gesicht geknallt.« Rob deutete auf seine geschwollene Nasenspitze. »Ich hab ihr zwar gesagt, dass das mit Leanne vorbei ist und alles nur ein blöder Fehler war, aber sie hört ja nicht mal zu. Ich hab sie sogar schon auf Knien angefleht zurückzukommen, aber sie meint nur, sie wüsste nicht, warum sie das sollte.«
»Hmm.« Greg rieb sich die dunklen Stoppeln auf seinem Kinn. »Kann man ihr nicht verübeln.«
Rob wirkte erst ein wenig verärgert, musste dann aber Greg recht geben. »Aber was soll ich denn machen?«
Greg zuckte mit den Achseln. »Da fragst du den Falschen, Junge. Ich war dreimal verheiratet, aber verstanden hat mich keine. Hör mal, wenn sie keinen Grund sieht zurückzukommen, warum lieferst du ihr dann nicht einen?«
Rob zog die Nase kraus und starrte in eine Ecke des Parks, wo Stück für Stück ein Wald aus Miniatur-Wolkenkratzern errichtet wurde. Dann schnippte er mit den Fingern. »Ein Grund! Natürlich, warum hab ich nicht gleich daran gedacht? Das Haus!«
»Was ist denn damit?«
»Ich sag ihr einfach, wenn sie nicht zurückkommt, verkaufe ich es. Du weißt ja, wie die Frauen sind, die brauchen alle ihr Nest. Sie bleibt doch nur weg, um mich ein bisschen schmoren zu lassen. Wenn sie erst glaubt, dass ich ihr das Nest unter dem Hintern weg verkaufe, kommt sie ganz schnell zurück.«
»Moment mal«, mahnte Greg zur Vorsicht. »Es geht mich ja nichts an, aber meinst du nicht, dass das ein bisschen zu weit geht?«
»Nein, nein, du verstehst mich nicht – ich will es doch nicht wirklich verkaufen, sondern nur so tun, als ob.« Sein Gesicht leuchtete vor Begeisterung auf. »Tolle Idee, was? Dann kapiert sie endlich, was sie da aufgeben will.«
»Ja, wunderbare Idee«, antwortete Greg lahm. »Aber jetzt zu diesen Schlingpflanzen aus dem Urwald.«
***
Ein paar Abende später klingelte in Evie Storms Flur das Telefon. Kurz darauf schaute ein Kopf voll glänzend brauner Locken zur Wohnzimmertür herein.
»Für dich, Liebes.« Evie zwinkerte Cally ermutigend zu und formte mit dem Mund den Namen »Rob«.
Cally zuckte zurück ins Sofa, plötzlich versteinert und wütend und erfreut zugleich. »Sag ihm, ich bin nicht da.«
Evie lächelte ins Telefon. »Sie kommt gleich, Rob, Moment noch. – Da bist du ja, Liebes.«
Das schnurlose Telefon landete in Callys Hand, und Evie hüpfte vergnügt zur Küche zurück und schloss die Tür hinter sich. Cally war versucht, das Telefon ins Aquarium zu werfen, kam aber zu dem Schluss, dass sie Robs Stimme den Neonfischen ihres Vaters unmöglich zumuten konnte.
»Was willst du?«, fragte sie. Sie hatte geglaubt, sie sei vorbereitet, aber als Robs Stimme von Northampton durch die Leitung knisterte, drehte sich ihr der Magen um.
»Einfach nur reden.«
Langes betretenes Schweigen.
»Und worüber?«
»Ach, du weißt schon.«
»Nicht, solange du es mir nicht verrätst«, schnauzte sie zurück. Weiter so, zischte der Dämon auf ihrer Schulter. Lass ihn leiden. Er hat es schließlich verdient. »Komm zur Sache, Rob, ich hab nicht den ganzen Abend Zeit.«
»Geht’s dir gut?«
Sie kochte vor Wut. »Hast du nur angerufen, um mich das zu fragen? Ja, mir geht’s gut, Rob. Gut.« Ihre Stimme wurde um einige Dezibel lauter. »Ich bin arbeitslos, mein Mann fickt irgendeine Nutte – warum sollte es mir nicht gut gehen?«
Sie hörte Rob am anderen Ende der Leitung verlegen husten. »Das ist alles nur meine Schuld, nicht wahr?«
»Der Kandidat hat hundert Punkte.«
»Dann willst du also noch nicht nach Hause kommen?«
Callys Hand umklammerte den Hörer. »Noch nicht? Was meinst du mit noch nicht? Ich komme nie mehr nach Hause, Rob, und damit basta. Wann kriegst du das endlich in deinen Dickschädel?«
»Aber …«
Sie ließ ihm keine Chance. »Außerdem ist das kein Zuhause mehr für mich, seit du … seit du … es mit dieser Schlampe beschmutzt hast.«
»Verstehe.« Rob machte eine Kunstpause. »Wenn das so ist, ruf ich besser gleich die Makler an.«
Cally stockte der Atem. »Welche Makler?«
»Wir müssen doch erst mal den Wert des Hauses schätzen lassen, bevor wir es inserieren.«
»Was!« In Callys Kopf drehte sich alles. »Das Haus verkaufen? Rob, wovon redest du überhaupt?«
»Hör mal, Cal«, sagte Rob, und seine Stimme klang jetzt schon bedeutend ruhiger. »Ich weiß ja, was dir – uns beiden – das Haus bedeutet, denn schließlich war es ja immer unser Haus, unser Zuhause. Aber ohne dich hat es für mich keinen Wert mehr, außerdem ist es für einen Einzelnen viel zu groß. Und …«
Cally stand mehrere Sekunden mit offenem Mund da, bevor sie losbrüllte. »Rob, du verdammter Schweinehund! Kaum bin ich fünf Minuten weg, willst du auch schon mein Haus verkaufen!«
»Dein Haus?«
»Ja, Rob, mein Haus! Schließlich haben wir es hauptsächlich mit meinem günstigen Kredit bezahlt! Da kannst du doch jetzt nicht einfach hergehen und es ohne meine Erlaubnis verkaufen! Ich nehme mir einen Anwalt, um das zu verhindern!«
»Um Himmels willen, Cally«, entgegnete Rob, »sei doch vernünftig! Was soll ich denn mit einem Haus mit fünf Zimmern! Und wozu willst du weiter den Kredit abstottern, wenn du sowieso nicht vorhast zurückzukommen?«
Nicht zurückkommen. Dieser verdammte herzlose Dreckskerl hatte es geschafft, dass es so richtig endgültig klang. Und vielleicht war es das ja auch. Cally wusste nicht, ob sie heulen, schreien oder die Royal Air Force bitten sollte, eine Bombe auf das Haus zu werfen.
»Jetzt hab ich’s kapiert. Du willst gar nicht, dass ich zurückkomme. Du und Leanne, ihr habt beschlossen, das Haus zu verkaufen und das Geld in ein nettes kleines Liebesnest zu investieren. Herzlichen Dank, Rob; wirklich nett von dir, mich darüber zu informieren.«
»Aber nein, das ist doch Quatsch! Natürlich will ich, dass du zurückkommst. Ich dachte nur … weil das Haus doch so groß ist …«
»Nur über meine Leiche, hast du mich verstanden?«, brüllte sie ins Telefon und schnitt seine Beteuerungen einfach ab, indem sie auflegte. Was auch immer er noch zu sagen hatte, sie wollte nichts davon hören. Verdammtes Haus. Verdammter Rob. Verdammte Liebe. Nichts von alldem war den Schmerz und die Streitereien wert.
»Hab ich da Geschrei gehört, Liebes?«, fragte Evie, die just in diesem Augenblick mit einem Tablett und koffeinfreiem Kaffee ins Wohnzimmer kam.
Cally schniefte und ließ sich in den alten, unförmigen Sessel zurückfallen, der noch immer nach ihrem ersten Hund roch. Sie kam sich auf einmal sehr, sehr klein vor.
»Mami«, sagte sie mit der Stimme einer Fünfjährigen, »Rob liebt mich nicht mehr.«
»Cally, jetzt hör mir mal zu, du weißt doch so gut wie ich, dass es nicht geht, wenn du nicht still liegst.« Marc Storms Schwester, jünger und weitaus wohlhabender als er, betrachtete ihre auf dem Bettsofa ausgestreckte Nichte mit einer Mischung aus Verärgerung und Besorgnis. »Kannst du dich nicht wenigstens ein bisschen zusammennehmen?«
»Nicht, dass ich deine Bemühungen nicht zu schätzen wüsste«, Cally zuckte zusammen, als eine weitere Akupunkturnadel auf ihre Kniescheibe niederging, »aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass das helfen soll.«
»Was ist denn das für eine Einstellung«, tadelte ihre Mutter. »Du weißt doch ganz genau, dass deine Tante Samantha ihr Möglichstes tut, um dir aus deiner Depression zu helfen.«
Eher schon, um mich zu lähmen, dachte Cally und versuchte, nicht ständig an die Fernsehsendung zu denken, in der von einem hochstaplerischen Maurer im weißen Kittel berichtet worden war, der mithilfe von Drahtstiften eines seiner Opfer vom Hals abwärts vollständig gelähmt hatte.
»Mum, ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht depressiv bin«, erklärte sie zum x-ten Mal.
»Und warum lackierst du dir dann deine Zehennägel nicht mehr?«
»Weil … weil ich dazu einfach keine Lust mehr habe. Zufrieden?« Cally hatte die Nase voll. Bevor ihre Mutter sichs versah, war sie auch schon aufgesprungen und auf dem Weg zur Tür. Mit all den Nadeln in ihrer Haut sah sie aus wie ein Stachelschwein.
»Cally!«, protestierte Evie, aber ihre Tochter verschwand bereits auf der Treppe. »Du kannst doch nicht einfach so …«
Eine Tür knallte ins Schloss.
»Evie, Liebste«, vertraute Samantha ihr an, »ich glaube, dass sie wirklich ganz schrecklich deprimiert ist.«
»Das sehe ich selber, vielen Dank!«, fauchte Evie ungewöhnlich erregt. »Warum, glaubst du eigentlich, habe ich dich gebeten zu kommen?«
»Ich bin Krankenschwester, keine ausgebildete Akupunkteurin. Wenn du meine ehrliche Meinung hören willst: Ich glaube, sie sollte einen richtigen Arzt aufsuchen.«
Evie wirkte nicht sehr überzeugt.
»Die Antidepressiva der neuen Generation sollen ganz wunderbar sein. Die haben so gut wie keine Nebenwirkungen. Zum Beispiel meine Freundin Ja…«
»Soll ich meine Tochter mit Chemikalien vollstopfen und zu einem Zombie machen? Samantha, wie kannst du nur so etwas vorschlagen!«
»War ja nur so eine Idee, meine Liebe.« Samantha tauschte besorgte Blicke mit ihrem Bruder, der gerade mit einer Kiste Hühnermist aus seinem Schrebergarten gekommen war. »Marc, ich wollte Evie gerade erklären, dass Cally vielleicht ein winzig kleines bisschen Hilfe vonseiten der Schulmedizin ganz guttun könnte.«
»Klingt ganz vernünftig«, stimmte Marc zu. »Sie scheint ziemlich am Boden.«
»Wie kannst du nur!« Evie schaute ihn an, als hätte er soeben gestanden, ein Verhältnis mit einer von den »Jungen Konservativen« zu haben. »Ausgerechnet du! Na schön, du hast also nichts dagegen einzuwenden, das arme Kind in eine Chemiefabrik zu verwandeln. Aber ich bin schließlich ihre Mutter, und ich werde das verhindern!«
***
»Cally.« Evie wagte einen Schritt ins Zimmer.
Von irgendwo unter der Bettdecke antwortete eine unterirdisch klingende Stimme: »Geh weg.«
Evie schloss die Tür und setzte sich auf das Fußende des Betts. Draußen schien die Sonne, aber die geblümten Vorhänge waren zugezogen, sodass in Callys Zimmer ein dunkelgrünes Zwielicht herrschte.
»Du kannst doch nicht ewig hier drinbleiben«, erklärte sie durchaus vernünftig.
»Und warum nicht?«
»Weil …« Evie suchte verzweifelt nach einer befriedigenden Antwort. »Jetzt komm schon, Liebes«, flehte sie und rutschte ein bisschen näher zu Cally, »es tut mir wirklich weh, dich so zu sehen.«
»Ich hab dir doch gesagt, mit mir ist alles in Ordnung. Ich brauche einfach nur ein bisschen Abstand.« Eine Hand tauchte auf und wehrte Evies Versuch ab, sie zu trösten.
»Cally …«
»Lass mich in Ruhe.«
Evie saß auf der Bettkante und suchte das ganze Zimmer verzweifelt nach einer Inspiration ab. Hier musste es doch irgendwo etwas geben, was ihr das Stichwort lieferte, irgendetwas aus Callys Vergangenheit – vielleicht eine nostalgische Erinnerung an glücklichere Zeiten? Oder vielleicht besser doch nicht.
Evie runzelte die Stirn, während ihre Augen die Überbleibsel von Callys Teenagerjahren überflogen. Stapel um Stapel von Büchern mit allen möglichen Erzählungen – sie hatte sich in ihrer Jugend mit größter Begeisterung in fantastische Geschichten gestürzt, die gar nicht wundersam genug sein konnten. Sherlock Holmes, Krieg der Sterne, Narnia. Ihre Blicke wanderten über die mit Jugendträumen vollgestopften Regale hoch zur Pinnwand, wo an einer Reißzwecke ein Vertrauensschüler-Abzeichen baumelte und Luke Skywalkers Kopf verdeckte.
Wann war das alles anders geworden? Irgendwann in Callys frühen Teenagerjahren musste das gewesen sein, aber wann genau und warum, war schwer zu sagen. Keine Bücher mit fantastischen Geschichten mehr. Stattdessen reihenweise glitzernde Sportpokale, Urkunden und hervorragende Schulzeugnisse. Über Nacht war Cally von einem verträumten Kind zu einer besessenen Streberin geworden. Verdammte Thatcher, dachte Evie, das ist alles nur deine Schuld.
»Hör mal«, sagte sie, diesmal bestimmter als zuvor. »Ich gehe später auf einen meiner Farmbesuche.«
Schweigen.
»Willst du nicht mitkommen?«
Keine Antwort.
»Ein bisschen frische Luft würde dir sicher guttun.« Sie wartete auf eine Antwort, aber als sie ausblieb, wechselte sie die Taktik. »Ich weiß ja, dass er mit dieser anderen geschlafen hat, meine Liebe, aber davon geht doch die Welt nicht unter. Du könntest einfach vergeben und vergessen. In Wirklichkeit liebt Rob dich, da bin ich mir ganz sicher.«
Die Gestalt im Bett rutschte noch ein wenig tiefer unter die Decke, bis von ihr nur noch eine Strähne mittelbraunen Haares zu sehen war.
»Na schön, wenn du es so haben willst«, seufzte Evie und gab den Kampf auf. Sie bückte sich, hob die Ecke der Bettdecke hoch, küsste ihre Tochter auf den Kopf, schlich sich auf Zehenspitzen davon und machte die Tür hinter sich zu.
***
»Es ist hoffnungslos«, lamentierte Marc, während er die Treppe von Callys Zimmer herunterkam. »Ich bin mir sicher, dass es ihr guttun würde, aber sie rührt keinen Tropfen davon an.«
»Dann trinke ich es eben«, sagte Callys älterer Bruder Apollo und nahm Marc den Krug aus der Hand. »Ich bin ganz ausgetrocknet; ihr solltet mal versuchen, mit einem Fernseher auf dem Gepäckträger die ganze Strecke von Bristol mit dem Rad zu fahren.« Er hob den Krug an den Mund, hielt inne, schnupperte und zog ein Gesicht, das ihn eher wie vierzehn als wie vierunddreißig aussehen ließ. »Was zum Teufel ist das denn?«
»Johanniskraut, bisschen Salbei, ein paar gekochte Brennnesseln …«
»Keine Linsen?«
»Für wen hältst du mich eigentlich?«, fragte Marc gekränkt. »Natürlich keine Linsen, aber dafür ein Stück Faulbaumrinde zur Blutreinigung.«
»Ich dachte, wir wollten die Ärmste aufmuntern und nicht vergiften«, merkte Samantha an.
Nun war Marc wirklich beleidigt. »Zumindest piesacke ich sie nicht mit Nadeln.«
»Das würde ich auch nicht«, rief Samantha, »wenn du auf mich hören und sie zu einem richtigen Arzt schicken würdest.«
»Ich lasse doch nicht zu, dass meine Tochter bis oben hin mit irgendwelchen Mitteln vollgestopft wird, die ihre Psyche verändern!«, wehrte Evie ab.
Marc konnte sich den Ansatz eines Lächelns nicht verkneifen. »Tatsächlich? Wenn ich mich recht erinnere, warst du in deiner Studentenzeit von solchem Zeug ganz angetan.«
»Ach, halt den Mund«, schnauzte seine Frau ihn an.
Samantha stand ihrem Bruder bei. »Zumindest versucht er, ihr zu helfen, und das ist schon mehr, als andere von sich behaupten können.«
»Ich hab ihr immerhin meinen tragbaren Zweitfernseher gebracht«, protestierte Apollo. »Und ich musste das verfluchte Ding die ganze Strecke von Bristol mit dem Rad herschaffen, vergiss das bitte nicht.«
Marc rümpfte die Nase. »Zweitfernseher! Kannst du mir vielleicht erklären, wozu ein Mensch auf der Welt einen Zweitfernseher braucht?«
»Um ihn seiner depressiven Schwester zur Aufmunterung auszuleihen.«
»Die Idee war ja nicht schlecht«, meinte Evie, »aber mit dem Ding kann man nur ein einziges Programm empfangen, und abgesehen davon ist Fernsehen sowieso nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung.«
»Na ja, aber was zählt, ist schließlich der gute Wille. Ansonsten weiß ich selber nicht, wozu ich mir eigentlich die Mühe gemacht habe; sie hat bloß unverständlich vor sich hin gemurmelt.«
Evie seufzte. »Dann hast du immerhin mehr aus ihr rausgekriegt als ich.«
In ratlosem Schweigen vereint standen sie unten an der Treppe, und aller Blicke richteten sich auf Callys Tür, aus der das durchdringende Geheul von Radiohead drang.
»O mein Gott«, stöhnte Apollo, »hoffentlich ist wenigstens mit dem Krach bald Schluss, sonst werde ich auch noch depressiv. Warum schnappt sie sich nicht einfach einen Mann?«
»Sie hat schon einen«, erinnerte ihn Marc. »So was nennt man Ehemann, schon mal davon gehört?«
»Aber den hat sie verlassen«, stellte Samantha klar. »Was mich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht wundert.«
»Das nicht«, gab Marc zu, »aber am Ende geht sie doch wieder zu ihm zurück, ihr werdet schon sehen. Sie mag den Jungen nämlich wirklich.«
»Nur, dass er kein Junge mehr ist. Er ist ein erwachsener Mann und sollte eigentlich wissen, was er tut. Das gilt übrigens auch für dich«, fügte Samantha hinzu, »mit deinen Linsen und deiner Faulbaumrinde. Ich werde nie kapieren, warum du nicht diesen netten Job in Porton Down angenommen hast.«
Evie ging dazwischen. »Ob Cally zu Rob zurückgeht oder nicht, ist erst mal zweitrangig; auf jeden Fall muss sie sich zusammennehmen und wieder ins Leben zurückkehren. Sie kann sich doch nicht wochenlang in ihrem Zimmer verkriechen!«
»Und wie sollen wir sie da rauskriegen?«, fragte Apollo, der seinen Eltern ihre unkonventionelle Namenswahl nie ganz verziehen und sich seinen Kollegen bei PureFood, einem Hersteller von Vollwertkost, als Kevin vorgestellt hatte. »Etwa mit der Brechstange?«
Evie fuhr sich ungeduldig durch ihr kurzes, gepflegtes Haar, das zwischen dem glänzenden Braun nur ganz wenige graue Härchen aufwies. »Wir könnten vielleicht eine kleine Party veranstalten«, meinte sie. »Wir laden ein oder zwei neue Leute ein, die sie kennenlernen kann. Wie hieß noch mal der Junge, den sie so gemocht hat – der künftige Rechtsanwalt?«
»Ah, jetzt verstehe ich«, sagte Apollo. »Du möchtest sie verkuppeln und damit gleichzeitig die Scheidung ein bisschen beschleunigen. Findest du das nicht ein klein wenig übertrieben?«
»Ich will sie gar nicht verkuppeln!«, widersprach Evie, ohne dass es sehr überzeugend geklungen hätte. »Abgesehen davon«, fügte sie noch hinzu, als sie wieder die Treppe hochstapfte, »muss ja wenigstens eine hier was unternehmen.«
***
Cally lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett und zupfte pinkfarbene Flusen aus der Tagesdecke. »Er liebt mich, er liebt mich nicht. Er liebt mich immer noch nicht. Er hasst mich sogar. Er bumst sie, und ihre Titten sind vierzehnmal so groß wie meine. Das Luder.«
Eine einzelne Träne rann ihr langsam die Nase hinab und tropfte schließlich auf ihren zerdrückten alten Kuschelelefanten, der so alt war wie sie und in seinen dreißig Lebensjahren so oft gewaschen worden war, dass seine gesamte Füllung sich jetzt in den Beinen befand. Sie konnte gut nachvollziehen, wie er sich fühlen musste. Dreißig zu sein war das Hinterletzte, und sie hegte den Verdacht, dass es mit einunddreißig noch schlimmer werden würde.
In der Zimmerecke plapperte ein winziger tragbarer Fernseher monoton und geradezu unerträglich fröhlich vor sich hin. Kanal sechs bombardierte seine Zuschauer ununterbrochen mit Gartensendungen, Wiederholungen von Spielshows und Werbung für Grabsteine aus Marmor. Cally wäre am liebsten aufgestanden und hätte das verdammte Ding abgestellt, wenn sie nicht befürchtet hätte, dass die Stille alles nur noch schlimmer machen würde.
Auf dem Bildschirm zeigte eine Frau ihr strahlendes Gebiss. »Bisher habe ich immer Angst davor gehabt, unter die Leute zu gehen, aber jetzt, mit meiner neuen StayFresh-Gummihose …«
Jemand klopfte an die Tür.
»Lasst mich in Ruhe.«
Ein Kopf erschien – oval mit einer großen Nase und einer Unmenge glattem braunem Haar, außer oben, wo es allmählich dünner wurde. »Hallo Schwesterchen, kann ich reinkommen?«
Er wartete nicht erst, bis sie den Elefanten nach ihm warf, sondern nahm ganz einfach ihren starren Blick als Einladung und ließ sich auf den Stuhl neben ihrem Bett sinken.
»Schau doch mal, Post für dich.« Er schwenkte eine Handvoll Umschläge.
»Na wunderbar.« Wiederholt wischte sich Cally ihre nassen Augen am Körper des Elefanten ab. Auch wenn sie innerlich in Stücke brach, wollte sie doch um jeden Preis vermeiden, dass ihr großer Bruder etwas davon mitbekam.
»Wollen wir doch mal sehen.« Er sortierte die Umschläge. »Oh, schau mal, jemand will dir eine Platin-Kreditkarte geben.«
»Ha, ha.«
»Und da ist ein neuer Katalog von deinem Buchklub. Und was ist das hier wohl?«
Er wedelte damit vor Callys Gesicht herum, aber sie schob seine Hand weg. »Das wirst du mir vermutlich gleich sagen.«
Apollo deutete auf das Logo. »Schau mal, der ist von der Banco Torino. Das muss endlich deine fette Abfindung sein.«
»Ist das nicht suuuper. Entschuldige bitte, wenn ich nicht gleich zur Feier der Tages die Flagge hisse.«
Er neckte sie weiter mit dem Umschlag. »Na los, mach schon auf – ich weiß doch, dass du das willst.«
Cally wirbelte so plötzlich herum, dass er vor Überraschung fast umgekippt wäre. »So, will ich das? Warum machst du ihn denn nicht selber auf, wenn du so scharf drauf bist? Mein Gott, du bist so verdammt selbstgefällig, dass ich dich manchmal regelrecht hasse, weißt du das eigentlich?«
Apollos Lächeln wurde nur minimal schwächer. »Komm schon, Schwesterherz, mach ihn auf; wollen wir doch mal sehen, wie reich du bist.«
In Cally brannte eine Sicherung durch. »Wie oft soll ich es dir eigentlich noch sagen?«, brüllte sie ihm ins Gesicht. »Das interessiert mich nicht!«
Dann warf sie den ungeöffneten Brief in Richtung Papierkorb und traf daneben.
***
»Hmm«, grübelte der Mann im taubenblauen Anzug. »Ein wirklich hübscher neo-georgianischer Portikus.«
»Tatsächlich?« Rob betrachtete die Vorderseite seines Hauses plötzlich mit ganz anderen Augen. »Und ich dachte immer, das wäre eine Haustür.«
»Ist es auch, aber bei den Haustüren gibt es solche und solche, Rob. Und eine außergewöhnliche Haustür könnte den Kaufpreis gleich um ein paar Hunderter anheben.« Er kritzelte noch ein paar Notizen auf seinen Block und blätterte um. »Könnte ich vielleicht noch einen Blick auf die Spülvorrichtung im Untergeschoss mit angeschlossener Sanitäreinheit und beheiztem Handtuchhalter in Luxusausführung werfen?«
»Wie bitte?«
»Wenn Sie mir einfach nur den Weg zum unteren Klo zeigen würden, Rob. Ich muss dringend pinkeln.«
Die letzten Tage gehörten zu den schlimmsten in Robs ganzem Leben. Als ob es nicht schon schrecklich genug gewesen wäre, dass er den Karren mit Cally noch tiefer in den Dreck gefahren hatte; musste Leanne sich da auch noch weigern, ihren Fitnesstrainer sausen zu lassen und seine einsamen Nächte mit ihrem wahrhaft gewaltigen Vorbau zu versüßen? Und jetzt war er zu diesem Spielchen gezwungen, um Cally zurückzulocken, und musste das Haus zum Verkauf anbieten.
Dabei wollte er das verdammte Haus gar nicht verkaufen, ganz im Gegenteil – aber nachdem er es Cally gegenüber erwähnt hatte, fühlte er sich jetzt irgendwie verpflichtet, die Sache auch durchzuziehen. Also ließ er das Haus von jedem Immobilienmakler schätzen, den er kannte, und zu seinem eigenen Erstaunen musste er feststellen, dass das ziemlich viele waren.
Das war vielleicht eine der Schattenseiten seines Berufs als Verkäufer. Nicht, dass es ihm etwas ausmachte, Verkäufer zu sein; er genoss es sogar. Keiner verkaufte überdimensionierte Zimmerpflanzen so gut wie Rob Monk und schaffte es dabei auch noch, das Ganze wie Kunst aussehen zu lassen. Er war überzeugt, einfach alles verkaufen zu können, wenn er das wollte. Als er Cally kennengelernt und beschlossen hatte, sie dazu zu bringen, sich in ihn zu verlieben, hatte er sich um sie bemüht, als wäre sie die Königinmutter, der er einen nicht mehr ganz neuen Volvo andrehen wollte.
Und es hatte funktioniert. Aber jetzt hatte er die Sache in den Sand gesetzt, und nichts funktionierte mehr. Er hatte sämtliche Tricks durchprobiert, die er kannte, aber Cally wollte einfach nicht mehr anbeißen. Und jetzt war er das erste Mal in seinem Leben dabei, eine Ware an den Mann zu bringen, die er im Grunde gar nicht verkaufen wollte.
So bekam er es bald mit einer ganzen Prozession von Maklern zu tun. Die Erste war Wanda, eine braun gebrannte Vierzigjährige, mit der er ein kurzes Techtelmechtel gehabt hatte, als er in Bracknell einen Deal über siebenundvierzig Zimmerpalmen abschloss. Ansonsten gab es in Bracknell nicht viel zu tun. Er hatte schon fast gehofft, dass sie ihn beim Anblick des nur halb ausgebauten Dachbodens und des ausgefransten Lochs in der Esszimmerwand, aus dem immer noch kein dekorativer Rundbogen geworden war, ins Gesicht lachen und erklären würde, das Haus sei keinen Schuss Pulver wert. Doch zu seiner Bestürzung hatte sie ihm geraten, vierzig Riesen draufzuschlagen und dann noch einmal zehn, »um den Eindruck zu erwecken, dass du mit dir handeln lässt«.
Und das war erst der Anfang. Zack (»der Markt boomt, Kumpel«), Becky (»was für ein hüüübscher Erker, Süßer«), Phil (»du sitzt auf einer wahren Goldgrube«) und Terry (»wenn das nicht innerhalb einer Woche verkauft ist, halbiere ich meine Courtage«) ließen Robs Stimmung ins Bodenlose sinken. Selbst der arrogante Sack aus dem exklusiven Büro in der Stadt meinte, er sei sich trotz der Tatsache, dass es sich um die hässlichste Doppelhaushälfte handelte, die er je gesehen hatte, ziemlich sicher, dass er sie für fünfzig Prozent mehr verkaufen könne, als Rob und Cally dafür bezahlt hatten. Allmählich packte Rob die Panik, und seine Fantasie schlug die wildesten Kapriolen. Ob es vielleicht möglich war, eine Absenkung des Bodens unter dem Haus vorzutäuschen? Oder massiven Holzbock-Befall?
Er hätte nie gedacht, dass die Aussicht auf viel Geld ihn so deprimieren könnte.
Es war nicht leicht zu organisieren gewesen, aber Rob hatte es dennoch geschafft, all die Immobilienmakler ins Haus und wieder hinauszubugsieren, ohne dass einer von ihnen seine wertvollen Pflanzen umgeworfen hätte oder sie sich dabei über den Weg gelaufen wären. Letzteres war besonders wichtig, da er mit zwei der Maklerinnen geschlafen hatte (oder waren es drei gewesen?), sich einem anderen unter falschem Namen vorgestellt hatte und die übrigen drei einander nicht ausstehen konnten. Rob fragte sich schon, wie er hatte zulassen können, dass sein Leben so kompliziert geworden war.
Aber es kam noch dicker.
Es war alles seine eigene Schuld. Er hatte sich verkalkuliert. Aber wie hätte er wissen sollen, dass Damian nach zu vielen Bierchen in der Mittagspause zwei Stunden zu spät aufkreuzen oder dass Ewan sein Handy ausschalten würde, sodass Rob ihm nicht sagen konnte, er sei leider verhindert?
Sie kreuzten die Klingen im Wintergarten über Callys geliebter Keramik-Mickymaus, die danach mehrere Risse aufwies. Abgesehen von Pflanzen, war Rob nie besonders gut darin gewesen, Sachen in Schuss zu halten. Cally zufolge war er auch in nichts anderem besonders gut gewesen.
»Ausgerechnet du«, zischte Ewan, und seine sommersprossigen keltischen Fingerknöchel krallten sich kreidebleich um sein Clipboard.
»Was zum Teufel hat der hier zu suchen?«, fragte Damian, bewegte sich angriffslustig hin und her und kippte seine noch halb volle Tasse Kaffee in die Blaue Malve. Scheiße, dachte Rob und schob den Topf aus der Gefahrenzone. Meine schöne Pflanze. Weiß der Himmel, was dieser Idiot dem Wurzelsystem angetan hat.
»Ich mache meine Arbeit«, entgegnete Ewan mit der Förmlichkeit des Hochländers. »Wozu du in deinem Zustand leider nicht mehr in der Lage bist.«
Damians Neandertaler-Augenbrauen rutschten noch ein Stückchen tiefer, bis sie seine kleinen Knopfäuglein überschatteten. »Wassollndasheißn?«, fragte er mit einem stark alkoholhaltigen Atemausstoß.
Ewans Gesicht verzog sich zu einem spöttischen, angewiderten Lächeln. »Dass du wieder mal besoffen bist.«
»Bin ich gar nicht. Nur weil ich ab und zu ein Bierchen …«
»Ab und zu!«
»Ich will euch ja nicht unterbrechen«, sagte Rob und bugsierte Damian von dem empfindlichen Bonsai-Ahorn weg, den er selber aus einem Samen gezogen hatte. »Aber eigentlich wolltet ihr doch mein Haus schätzen.«
Die Augen noch immer missbilligend auf Damian gerichtet, holte Ewan einen schlanken goldenen Kugelschreiber aus der oberen Tasche seines Jacketts. »Wintergarten«, murmelte er und machte sich Notizen. »Etwa fünf Meter mal drei fünfundsechzig.«
»Willst du nicht nachmessen?«
Ewan lächelte herablassend und klopfte Rob auf die Schulter. »Ich bin Profi, Rob. Überlass das ruhig mir.«
»Eingebildetes Arschloch«, murmelte Damian gut hörbar.
Ewan wirbelte herum. »Was hast du da gesagt?«
»Du hast es doch gehört.«
Rob bugsierte ihn in den Flur hinaus. »Danke fürs Kommen, Damian, aber vielleicht gehst du jetzt besser nach Hause und gönnst dir ein kleines Schläfchen, was meinst du?«
Aber Damian hörte gar nicht zu. Er verfolgte jede von Ewans Bewegungen.
»Gut, dass du mich hast kommen lassen, Rob«, sagte Ewan, während er den Schrank unter der Treppe inspizierte. »Keine Angst, Hart & Macgregor sorgen schon dafür, dass du für dieses kleine Juwel einen Spitzenpreis bekommst.«
»Hör nicht auf den, der ist doch ein verdammter Lügner. Er hat gesagt, sie wären nur gute Freunde, und dabei hat er sie die ganze Zeit über gefi…«
»Mein Gott, Damian«, sagte Ewan und schob sich an ihm vorbei. »Kein Wunder, dass Mandy dich verlassen hat.«
Die Knopfaugen funkelten. »Von wegen verlassen! Du hast sie mir weggenommen!«
»Weggenommen? Vergiss es«, entgegnete Ewan angewidert. »Sie hat einfach nur vernünftig gehandelt.«
»Du verfluchter Schweinehund!« Damian stürzte sich mit gesenktem Kopf auf Ewan, doch dieser trat einen Schritt zur Seite, und so rannte Damian voll in den Hutständer, den Cally in einem Trödelladen gefunden hatte. Er schwankte, schwebte für den Bruchteil einer Sekunde in der Luft und fiel dann – gerade, als Rob ihn festhalten wollte – seitlich um und krachte durchs Flurfenster.
»Scheiße«, sagte Damian und rieb sich den Kopf.
»Idiot«, zischte Ewan verächtlich. »Soll ich ihn für dich rauswerfen, Rob, oder möchtest du ihn lieber wegen Sachbeschädigung verklagen?«
Mein Gott, dachte Rob und ließ den Blick über die Szene schweifen. Sehr behutsam hob er eine rote Glasscherbe vom Flurteppich auf. Er hatte diesen Buntglas-Kitsch aus den Dreißigern nie leiden können, aber auf einmal kam er ihm vor wie der allerliebste Gegenstand, den er auf der ganzen weiten Welt je besessen hatte.
»Also gut«, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch und deutete mit einem zitternden Finger zur Haustür. »Das genügt. Raus.«
Ewan grinste in Richtung von Damian und sah dabei noch mehr wie ein sommersprossiges Wiesel aus. »Tja, Damian …«
»Ich meine euch beide. Raus, und zwar sofort.«
»A-Aber … was ist mit der Schätzung?«
»Die kannst du vergessen.« Er riss die Tür auf und schob erst Ewan und dann Damian über die Schwelle.
Ewan wirbelte herum. »Und wie wär’s mit einem Exklusivvertrag mit unserer Agentur ohne Maklergebühr? Du möchtest doch so schnell wie möglich verkaufen, oder?«
»Nein, verdammt noch mal!« Eine Art Höhlenmenschen-Instinkt hatte von Rob Besitz ergriffen, und mit einem Mal hatte er gute Lust, einen drei Meter hohen Zaun um sein Haus zu errichten. »Das ist mein Haus, und das kriegt keiner, kapiert?«
Er knallte die Tür mit einem äußerst befriedigenden Krachen ins Schloss. Zwei Sekunden später ging der Briefschlitz auf, und ein einzelnes Auge linste hoffnungsfroh hindurch.
»Wir könnten das Schild schon heute Nachmittag aufstellen, wenn du …«
»Verpiss dich!«
Rob saß am unteren Ende der Treppe in der feuchten Brise, die durch das kaputte Fenster hereinkam, lauschte den fernen Klängen eines Faustkampfs zwischen zwei Immobilienmaklern auf seiner Einfahrt und fühlte sich dabei seltsam erleichtert.
Zumindest hatten sie ihn zu einer Entscheidung gezwungen, die er schon die ganze Zeit hatte treffen wollen. Das Haus zu verkaufen löste seine Probleme mit Sicherheit nicht.
***