Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich - Zoë Barnes - E-Book
SONDERANGEBOT

Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich E-Book

Zoë Barnes

0,0
4,99 €
2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Schwiegermütter und andere Probleme: Die rasante Ehe-Komödie »Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich« von Zoë Barnes als eBook bei dotbooks. Es ist doch sicher kein Zufall, dass »Kuss« und »K.O.« mit demselben Buchstaben anfangen …. Eigentlich war Emma sicher, das große Los gezogen zu haben – schließlich hat sie soeben ihre Jugendliebe Joe geheiratet und die hektische Großstadt London hinter sich gelassen, um im idyllischen Cheltenham ihr Glück zu suchen. Dummerweise versteckt sich eben dieses aber sehr geschickt vor ihr: Statt auf Wolke 7 zu tanzen, findet sich Emma in einem Höllenjob wieder! Und während Joe unterwegs ist, um Karriere zu machen, stürzt sich seine Mutter mit dem Charme einer Furie auf ihre Schwiegertochter, die nichts so macht, wie es sich gehört. Plötzlich fragt sich Emma, ob ihre Ehe den Alltagstest überleben wird … oder zeigt sich vielleicht doch schon ein unerwarteter Silberstreif am Horizont? »Zoë Barnes schreibt wundervolle Unterhaltung für Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen!« Express Jetzt als eBook kaufen und genießen: der humorvolle Liebesroman »Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich« von Zoë Barnes. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 619

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Es ist doch sicher kein Zufall, dass »Kuss« und »K.O.« mit demselben Buchstaben anfangen …. Eigentlich war Emma sicher, das große Los gezogen zu haben – schließlich hat sie soeben ihre Jugendliebe Joe geheiratet und die hektische Großstadt London hinter sich gelassen, um im idyllischen Cheltenham ihr Glück zu suchen. Dummerweise versteckt sich eben dieses aber sehr geschickt vor ihr: Statt auf Wolke 7 zu tanzen, findet sich Emma in einem Höllenjob wieder! Und während Joe unterwegs ist, um Karriere zu machen, stürzt sich seine Mutter mit dem Charme einer Furie auf ihre Schwiegertochter, die nichts so macht, wie es sich gehört. Plötzlich fragt sich Emma, ob ihre Ehe den Alltagstest überleben wird … oder zeigt sich vielleicht doch schon ein unerwarteter Silberstreif am Horizont?

»Zoë Barnes schreibt wundervolle Unterhaltung für Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen!« Express

Über die Autorin:

Zoë Barnes ist ein Pseudonym der britischen Bestsellerautorin Susan Morgan (1957–2009). Sie wuchs in der Nähe von Liverpool auf und lebte danach lange in der Grafschaft Gloucestershire – genauer gesagt im beschaulichen Cheltenham, wo auch viele ihrer romantischen Komödien spielen. Lange vor Helen Fielding und deren »Bridget Jones« war Susan Morgan eine Wegbereiterin der herrlich britischen, humorvollen Unterhaltungsromane. Sie war außerdem als Übersetzerin erfolgreich und stand in ihrer Freizeit als Mezzosopranistin auf der Bühne.

Bei dotbooks erschienen die folgenden Romane von Zoë Barnes: »Auf der Spur der Liebe«, »Du sagst Chaos, ich hör‘ Hochzeit«, »Wer in den Seilen hängt, kann endlich richtig schaukeln«, »Das Glück spielt die erste Geige, aber ich bin die Dirigentin«, »Alte Liebe rostet nicht, aber neue Liebe glänzt«, »Die Braut, die sich was traut« und »Die Insel des geheimen Glücks«.

***

eBook-Neuausgabe April 2021

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2003 unter dem Originaltitel »Just married« bei Piatkus, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2005 unter dem Titel »Ehe für Anfänger« bei Marion von Schröder.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2003 by Zoë Barnes

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2005 Ullstein Buchverlage GmbH/Marion von Schröder

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Alexandra Dohse, www.grafikkiosk.de, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von Shutterstock/Margarita Manish

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-437-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Versand zweimal im Monat – unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Zoë Barnes

Lieber voll verliebt als wunschlos glücklich

Roman

Aus dem Englischen von Joachim Peters

dotbooks.

Prolog

Brockbourne Hall, die Hochzeitssuite am Heiligabend

Es geschah in der Nacht vor Weihnachten ...

Aber es war keine gewöhnliche Nacht. Meine Hochzeitsnacht, dachte Mrs Emma Sheridan, die noch ein paar Stunden zuvor schlicht Miss Emma Cox geheißen hatte. Und jetzt lag sie in einem Himmelbett in einem superschicken Hotel, während ihr frisch Angetrauter friedlich neben ihr schlief, noch immer reizend rosig und runzlig, nachdem er im Whirlpool sanft entschlummert war.

Kein Wunder, dass er erschöpft war, schließlich lag ein schrecklich langer Tag hinter ihnen. Nachdem sie sieben Jahre lang zusammen gewesen waren, hatten Emma und Joe an seinem Geburtstag endlich den Bund der Ehe geschlossen. Verglichen mit den ganzen Vorbereitungen war das große Ereignis selbst wie ein Blitz an ihnen vorbeigezogen. Fast wäre sie geneigt gewesen zu glauben, dass das alles gar nicht wirklich geschehen war, doch die Beweise waren unübersehbar. Ein elfenbeinfarbener Korb lag noch immer da, wo er hingeschleudert worden war, ihr Kleid aus Rohseide türmte sich als faltiges Gebilde auf dem Sessel, und ein spitzenbesetzter Strumpf schlängelte sich quer über den Teppich wie ein fliehender Python.

Sie befühlte den schlichten goldenen Ring an ihrem Finger. Es war also tatsächlich wahr! Sie war endlich verheiratet, und das auch noch mit dem Prachtkerl, den sie schon angehimmelt hatte, als er der Adonis der Schule gewesen war und sie eine neue Schülerin mit schorfigen Knien, die sich nichts inniger wünschte, als von ihm bemerkt zu werden. Im Mondlicht, das durch die Brokatvorhänge ins Zimmer fiel, blickte ihr aus dem Spiegel ein einfarbiger Schatten entgegen. Sehe ich jetzt, wo ich Joes Frau bin, eigentlich anders aus?, fragte sie sich. Übermäßig anders fühle ich mich jedenfalls nicht.

»Joe«, flüsterte sie, »bist du wach?«

Er murmelte schlaftrunken, als sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte, machte ansonsten aber keinen Mucks – und sie brachte es nicht übers Herz, ihn zu wecken, nur um ihm zu erklären, dass sie nicht schlafen könne. Also stand sie auf, zog ihr neues Seidenkleid über und glitt in ihre Slipper. Mit einem Blick über die Schulter und einem Lächeln trat sie auf den Korridor und ließ die Tür leise hinter sich ins Schloss fallen.

Ausgerechnet zu Weihnachten für zwei volle Tage einen ganzen Seitenflügel von Brockbourne Hall zu mieten war zwar eine geradezu lächerliche Verschwendung, aber Joe hatte gemeint, dass sie es sich bei seiner finanziellen Situation leisten könnten und außerdem zu keiner Zeit des Jahres die Chancen besser stünden, die ganze Verwandtschaft unter einen Hut zu bringen. Zudem war es ihnen nach einer so langen Wartezeit unangemessen erschienen, die ganze Angelegenheit mit einer zehnminütigen Zeremonie auf dem Standesamt abzuhaken. Es musste schon etwas Besonderes sein – mehr als besonders. Und doch ...

Sie stieß die Tür zur Hatherley Suite auf. Nur wenige Stunden zuvor war sie voller Verwandter und Freunde gewesen, die getanzt und sich auf gesittete Weise betrunken hatten. Jetzt fühlte sie sich wie auf einem Geisterschiff inmitten all der stehen gelassenen Schalen mit Knabbergebäck, der halb leeren Weingläser und der zusammengeknüllten Servietten.

Und da drüben war die Stelle, an der sie und Joe sich unter anzüglichen Rufen der Ermutigung vor ihrem ersten Tanz geküsst hatten. Schon seltsam – obwohl es ein wunderschöner Tag gewesen war, kam es ihr so vor, als wäre das alles jemand anderem widerfahren.

Noch immer schwebten pink- und silberfarbene Ballons über den Resten der Hochzeitstorte neben dem Platzkärtchen mit der Aufschrift »Mr und Mrs Joe Sheridan«. Was für ein Schwachsinn, dieses »Mrs Joe« – das klang ja, als ob ein Mann noch immer seine Frau besitzen würde, wie das früher mal der Fall gewesen war. Warum, fragte sie sich, war Joe eigentlich nicht zu Mr Emma Cox mutiert?

In einem Kühler mit Eis stand eine offene Flasche Champagner. Sie nahm sie heraus; halb voll. »Trinken wir also auf uns«, sagte Emma. »Endlich bin ich das, was ich schon immer sein wollte. Warum bloß kommt es mir so vor, als hätte ich mich kein bisschen verändert?«

Sie lachte und nahm einen Schluck von dem bereits reichlich schal gewordenen Champagner. Wie jede Frau in ihrer Situation hatte sie viel zu hohe Erwartungen gehabt. Das Leben würde mehr oder weniger so weitergehen wie bisher. Schließlich hatten sie und Joe nichts anderes getan als ein paar Worte ausgesprochen und ihre Unterschrift unter einen Fetzen Papier gesetzt.

Eine solche Kleinigkeit konnte ja wohl nicht das ganze Leben verändern. Oder?

Kapitel 1

Es war ein nasskalter Abend gegen Ende Februar. Emma Sheridan verzog konzentriert das Gesicht und zwang eine letzte widerspenstige Haarsträhne in den großen Butterfly-Clip. Sie hatte reichlich Haar zu zähmen, das dick und honigblond ihr herzförmiges Gesicht umrahmte und ihr in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Irgendwann in den nächsten Tagen brauchte sie unbedingt einen neuen Schnitt; in ihrem Beruf als Krankenschwester war das ein Gebot der Vernunft. Sie wusste schon lange nicht mehr, wie viele Male ihr Haar aus seiner Gefangenschaft entwischt und mit Erbrochenem, Blut oder Schlimmerem besudelt worden war – ganz zu schweigen von dem Schrecken, als sie es noch länger getragen und ein Betrunkener versucht hatte, sie damit zu erwürgen. Manchmal ging es ganz schön hoch her bei ihr in der Notaufnahme; es war fast wie in einer Fernsehserie, wenn auch um einiges geruchsintensiver.

Als sie gerade den letzten Knopf ihres Schwesternkittels zuknöpfte, hörte sie Joes Schlüssel in der Haustür. Beschwingt hüpfte sie ihm aus dem Bad entgegen. Vielleicht würde sie ja in zwanzig Jahren etwas weniger erfreut reagieren, wenn er so spät am Abend nach Hause kam, aber im Augenblick genoss sie es einfach, sich als Mrs Emma Sheridan geliebt zu fühlen und nicht mehr die langweilige unverheiratete Miss Cox zu sein.

Im Rückblick fand sie es lustig, dass sie sich das Eheleben im Prinzip genauso vorgestellt hatte wie das Singledasein, abgesehen von den höheren Ausgaben für Lebensmittel; nun aber, ganze zwei Monate nach ihrer Hochzeit, schien sich alles verändert zu haben.

»Joe!«, rief sie und warf sich ihm in die Arme, und lachend drehte er sich mit ihr im Kreis, sodass ihre Beine durch die Luft wirbelten wie die Bänder an einem Maibaum. Obwohl sie mit einem Meter achtundsechzig durchschnittlich groß war, ihre Rundungen an den richtigen Stellen hatte und schon aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit alles andere als schwach war, kam sie sich in den Armen ihres Mannes so zart und federleicht vor wie der Samen einer Pusteblume im Wind. Mit seinem Gardemaß von einsdreiundneunzig und Schultern, an denen man einen Elefanten hätte aufhängen können, verbrachte Joe den größten Teil seines Lebens damit, auf ihren Kopf herabzuschauen; sie dagegen musste aufpassen, dass sie keinen Krampf im Nacken bekam, wenn sie in grenzenloser Bewunderung zu ihm aufblickte.

Es gab aber auch jede Menge zu bewundern in diesem Gesicht: die gefühlvollen goldbraunen Augen; das Kinn mit seinem Grübchen; das kurz geschnittene hellbraune Haar; die typische Nase der Familie Sheridan, die, seit er mit vierzehn vom Rad gefallen war, kaum merklich nach links tendierte – ein Gesicht, das ausgesprochen attraktiv war, aber nicht so, dass man es vor lauter Ehrfurcht kaum zu berühren wagte. Sie liebte dieses Gesicht.

»Hallo, mein Quietschentchen.« Sein Kosename für sie war ihr allenfalls noch ein ganz klein wenig peinlich, und so errötete sie eher aus Freude als aus Verlegenheit. Sie hatte auch versucht, sich für ihn einen passenden Namen auszudenken, aber ohne Erfolg; Joe dagegen hatte spontan einen Volltreffer gelandet, kaum dass er zum ersten Mal ihr atemloses, hohes quietschendes Lachen gehört hatte. Anfangs hatte sie diesen Namen gehasst, aber nun empfand sie ihn wie eine Liebkosung – wie etwas ganz Besonderes, das nur Joe ihr geben konnte. Sanft fuhr er ihr mit der Zunge über die Nasenspitze, bevor er sie auf dem Boden absetzte. »Und wie geht’s meinem Liebling und Prachtstück von Eheweib?«

»Schon viel besser – jetzt, wo ihr Liebling und Prachtkerl von Ehemann wieder da ist.« Ihr fiel auf, wie müde er aussah. »War wohl ein harter Tag heute?«

»Der pure Wahnsinn. Tim hat im automatischen Bestellsystem herumgepfuscht, und am Ende hatten wir zwischen hier und Wolverhampton gerade noch drei Kohlköpfe anzubieten.«

Zärtlich strich sie ihm über die Wange, die sich nach einem langen Arbeitstag in der Verkaufsleitung von Unico, Großbritanniens viertgrößter Supermarktkette, schon ein wenig stoppelig anfühlte. »Aber du hast es wieder in Ordnung gebracht?«

Joe machte auf bescheiden, auch wenn ihm ein gewisser Stolz anzusehen war. »Ist ja schließlich mein Job.«

»Ich wette, du hast es besser hingekriegt, als jeder andere es geschafft hätte.«

»Das würdest du auch sagen, wenn es gar nicht stimmte.«

»Natürlich, du bist schließlich mein Superman.« Sie schlängelte sich um ihn wie ein aufgeregter Aal. »Mein allerliebster wunderbarer unwiderstehlicher sexy Superman.«

»Heißt das etwa, ich kann mich auf einen Abend zügelloser Lust mit meinem mich anbetenden Eheweib freuen?«, fragte er hoffnungsfroh.

Emma lächelte. »Schön wär’s.« Dann löste sie sich von ihm und griff nach ihrem Mantel. »Du weißt doch, ich habe heute Dienst.«

»Ach nein.« Joe ließ eine Hand unter ihren Kittel gleiten und zwickte sie in den Hintern. »Du könntest dich ja krank melden.«

Sie kicherte. Die Versuchung war groß. Sie hatte ihre gegenwärtige Stelle zwar erst kurz vor ihrer Hochzeit angetreten und in dieser Zeit schon zwei Wochen Urlaub für die Flitterwochen genommen, aber kam es auf eine Nacht mehr oder weniger an? Andererseits wusste sie genau, was passieren würde, wenn sie einmal damit anfing. Aus einer Nacht würden bald drei, und bevor sie sichs versah, galt sie als unzuverlässig und konnte ihren Job als Krankenschwester vergessen. Und nur, weil sie eine gute Stelle in einem Londoner Lehrkrankenhaus aufgegeben hatte, um nach Cheltenham zurückzukehren und Joe zu heiraten, hieß das noch lange nicht, dass sie jeden Gedanken an eine eigene Karriere aufgegeben hatte – auch wenn sie sich gelegentlich zwingen musste, sich daran zu erinnern.

»Du weißt doch, dass das nicht geht.«

»Warum denn nicht? Alle andern tun’s doch auch.« Er meinte es ernst. »Außerdem ist es ja nicht so, dass wir auf das Geld angewiesen wären.«

Dagegen war nichts einzuwenden, dachte Emma. Und selbst, wenn es anders gewesen wäre, hätte sie mit ihrem lächerlichen Gehalt kaum für Joes Pizzakonsum aufkommen können, von der Hypothek für ihre schicke Wohnung ganz zu schweigen.

»Wir sehen uns morgen früh«, versprach sie und drückte ihm einen Gutenachtkuss auf das Kinn.

An Joes Antwort erkannte sie, dass er schmollte, wenn auch nur ein ganz klein wenig. »Dann bin ich womöglich schon auf dem Weg zur Arbeit.«

»In diesem Fall sehen wir uns morgen Abend.«

»Ja, für zehn Minuten, wenn’s gut läuft.«

Sie seufzte. »Du machst es mir nicht gerade leichter. Denk doch einfach daran, dass es nur noch drei Nächte sind, dann habe ich wieder fünf Nächte frei.« Sie ging durch den Flur auf die Haustür zu, vorbei an einer Reihe von Chagall-Drucken und einer lebensgroßen Spiderman-Pappfigur. Joe folgte ihr, nahm seine Krawatte ab und warf sie Spiderman über die Schulter.

»Bild dir bloß nicht ein, dass du dann zum Schlafen kommst.«

»Alles leere Versprechungen.« Sie drehte sich noch einmal um und warf ihm einen Kuss zu. »Im Kühlschrank steht noch eine Lasagne von heute Mittag und ein Beutel Fertigsalat. Und noch was: Warum stellst du deinen Pappkameraden nicht ins Gästezimmer zu deinen Baywatch-Postern? Da würde er sich bestimmt viel wohler fühlen.«

»Ich habe Spidey aber lieber hier.« Joe zog am Ende seiner Krawatte. »Und nützlich machen kann er sich auch, wie du siehst.«

»Willst du einen Hutständer für den Flur? Dann sollten wir demnächst mal einen kaufen. Und zwar einen, der uns beiden gefällt.«

»Aber ich ...«

Drohend hielt sie ihm den erhobenen Zeigefinger unter die Nase. »Falls Sie es noch nicht gemerkt haben sollten, Mr Sheridan: Inzwischen lebe auch ich hier, und es ist schon hart genug, das Bad mit Raumschiff Enterprise teilen zu müssen. Also, was meinst du?«, fügte sie hinzu und klimperte bezaubernd mit den Wimpern.

»Na ja ... vielleicht. Mal sehen.«

»Klar machen wir das. Also, ich muss jetzt los, bis morgen früh dann.«

Joe war die Enttäuschung anzusehen. »Na gut, tschüs. Und bleib schön brav.«

Aber da war sie schon weg, und Joe sah aus, als wären ihm gerade die Räder von seinem Skateboard abgefallen.

Die Nacht verlief ruhig in der Notaufnahme der Cotswold-Klinik. So ruhig, dass die Frau an der Rezeption sogar die elektronische Anzeigetafel ausgeschaltet hatte, auf der normalerweise zu lesen war: »Voraussichtliche Wartezeit vier Stunden«.

Emmas Mund öffnete sich zu einem gewaltigen Gähnen, und jemand schob ihr ein Quality Street hinein.

»Wozu soll das gut sein?«, murmelte sie mit dem Schokoladen-Toffee im Mund.

»Um dich wach zu halten.« Die Schwesternhelferin Eileen, die schon in der Cotswold-Klinik arbeitete, seit König Artus dort die Mandeln entfernt worden waren, deutete mit einer Kopfbewegung auf die große Blechdose an der Rezeption. »Spende eines zufriedenen Patienten, vermute ich mal.«

»Wusste gar nicht, dass wir welche haben. Nur tote und solche, die ständig an allem herummeckern.«

Eileen lachte. »Da hat wohl jemand in den letzten Nächten zu wenig Schlaf bekommen?«, lästerte sie mit einem viel sagenden Stoß in Emmas Rippen. »Na los, Kleine, erzähl schon. Ich kann’s kaum erwarten.«

»Hä?«

»Na, das Eheleben! Du weißt schon, im Bett. Muss ja echt gut sein, wenn du nicht mehr zum Schlafen kommst.«

Vergeblich versuchte Emma, das Erröten zu unterdrücken, das sich von ihrem Dekolleté rasch bis zu den Ohrläppchen ausbreitete. »Eileen!«

»Ich weiß schon, ich sollte mich wohl besser um meinen eigenen Kram kümmern.« Ein Seufzer grauhaariger Nostalgie entfuhr ihr. »Aber das erinnert mich an meine eigenen ...«

»Deine eigenen was?«, fragte der Stationspfleger Lawrence im Vorübergehen, als er das EKG-Gerät wieder an seinen Platz brachte. »Zähne? Muss ein gutes Weilchen her sein.«

Eileen versetzte ihm einen Klaps mit einem Wegwerfhandschuh. »Ich sprach gerade über meine erste Ehe! Und Emma wollte mir soeben sämtliche deftigen Einzelheiten ihres Liebeslebens erzählen, nicht wahr, Em?«

»Vergiss es«, beschied Emma ihr lachend. Sie hegte den leisen Verdacht, dass entweder Eileen oder Ray, der Nachtportier, ihr den aufblasbaren Storch und die Babyschühchen an ihren Haken im Umkleideraum gehängt hatten. Sie war sich allerdings darüber im Klaren, dass sie sich mit solchen Neckereien zumindest so lange abfinden musste, bis die Sache nicht mehr aktuell war und jemand anders heiratete. Wer tagtäglich mit Blut, Gedärm und tragischen Schicksalen konfrontiert war, musste schließlich auch mal was zum Lachen haben.

Als sie zum neunten Mal die fahrbare Wiederbelebungseinheit durchcheckte, um wenigstens irgendetwas zu tun, sehnte Emma sich unwillkürlich in ihre gemütliche Wohnung zurück, in der Joe jetzt vermutlich traurig seine Lasagne aß und dabei Wiederholungen von Deep Space Nine schaute, bevor er in ihr riesiges Bett stieg. Und das ganz allein. Er hat ja Recht, dachte sie. Ich hätte mich heute krank melden können, und sie hätten mich nicht einmal vermisst. Selbst unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen London und Cheltenham und der Tatsache, dass es ein trüber, feuchter Mittwoch im Februar war, war dies eine ruhige Nacht. Normalerweise musste jeder, der nicht gerade in Lebensgefahr schwebte, sich auf eine längere Wartezeit in einem wackeligen Plastikstuhl einstellen, mit nichts als Anti-Drogen-Postern vor der Nase. Als in dieser Nacht aber ein Taxifahrer mit einem Schnitt im Finger angekommen war, hatten sich gleich drei Schwestern und ein Arzt im Praktikum auf ihn gestürzt. Während sie gerade mit dem Gedanken spielte, einen Migräneanfall vorzutäuschen, damit man sie nach Hause schickte, klingelte das Telefon. Und plötzlich war die Hölle los.

Der Stationspfleger knallte den Hörer auf die Gabel, und aus seinem Gesicht war jede Fröhlichkeit gewichen. »Schwerer Unfall auf der Autobahn«, rief er, und alle erstarrten.

»Wie viele Verletzte?«, fragte einer der Assistenzärzte.

»Sechzehn, davon vier Schwerverletzte, dürften in etwa ...«, Lawrence warf einen Blick auf die Uhr, »... fünf Minuten eintreffen. Also: Wer vorher noch pinkeln muss, geht besser gleich. Scheint ’ne lange Nacht zu werden.«

***

»Emma?«, rief eine Stimme durch die offene Tür und den Korridor. »Emma, meine Liebe, der Türklopfer da könnte auch mal ein bisschen Messingputzmittel vertragen. Emma, bist du da?« Die Stimme wartete vergebens auf eine Antwort. »Joe?«

Joe hatte soeben Emmas sehr gelungene selbst gemachte Lasagne in die Mikrowelle geschoben (im Backofen hätte es ihm viel zu lange gedauert) und sang eine Melodie im Radio mit, als seine Mutter den Kopf durch die Küchentür steckte.

»Joe, mein Lieber, ich bin mit dem Reserveschlüssel hereingekommen, den du mir gegeben hast, das ist doch in Ordnung, oder?«

Joe wollte Minette schon daran erinnern, dass sie eigentlich den Schlüssel nach ihren Flitterwochen hätte zurückgeben sollen, dachte dann aber, was soll’s. Schließlich war sie seine Mutter und kein Einbrecher. »Hallo, Mum.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Wie geht’s Dad?«

»Gut, seit er die neuen Tabletten nimmt, und glaub ihm kein Wort, falls er dir etwas anderes weismachen will.« Minette Sheridan sah sich um, als hielte sich jemand in einem der Küchenschränke verborgen. »Wo ist Emma?«

»Die hat wieder mal Nachtdienst. Hat sie dir das nicht erzählt?«

Minettes winziger Körper versteifte sich, passend zur gnadenlosen Symmetrie ihres kinnlangen aschblonden Bobs. »Nachtdienst? Schon wieder?« Das »Ping« der Mikrowelle untermalte ihr kurzes, entsetztes Schweigen. »Und dich lässt sie mit irgend so einem schrecklichen Fertiggericht allein? Das finde ich aber gar nicht gut, Joe.«

Joe protestierte, wenn auch nicht sonderlich entschieden. »Das ist Lasagne, Mum, Emma hat sie sel...«

Aber es hatte keinen Sinn, denn Minette hatte ihr Urteil schon gefällt. Sie riss Joe den Teller aus der Hand und kippte den Inhalt in den Küchenabfalleimer. »Na schön! Dann kommst du eben zu mir nach Hause, damit du wenigstens etwas Anständiges zu essen kriegst.«

»Aber Mum ...«

»Ich habe einen Steak-und-Nieren-Pie gemacht. Und hinterher gibt’s Apfelkuchen.« Damit war die Sache aus Joes Sicht entschieden. Trotz Emmas durchaus beachtlicher Kochkunst hing er noch immer an der gutbürgerlichen Küche seiner Mutter. Und außerdem lag sein Abendessen jetzt ohnehin im Mülleimer, und irgendetwas musste er ja schließlich zwischen die Zähne bekommen.

»Ich hol nur schnell meinen Mantel«, sagte er, und das Wasser lief ihm schon im Mund zusammen.

***

Emma zog ihre sterilen Einmalhandschuhe aus und warf sie erschöpft in den Müll.

»Geht’s dir gut?«, fragte Lawrence und legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter.

Sie nickte. »Geht schon. Bin nur ein bisschen geschafft.« Aber es war schlimmer, dachte sie für sich – eine Mischung aus totaler körperlicher Erschöpfung und einem so stark erhöhten Adrenalinspiegel, dass sie Stunden brauchen würde, um wieder halbwegs normal zu werden. Sie war froh, dass sie mit Lawrence darüber reden konnte; er war die Art von Mann, der man blind vertrauen konnte. Obwohl er Emmas Vorgesetzter war, hatte er sich in den paar Wochen seit ihrer Einstellung zu einem richtig guten Kumpel entwickelt. Und Kumpel waren reichlich dünn gesät, seit sie ihre Freunde in London hatte zurücklassen müssen.

Er lehnte sich an den Türrahmen. »Mann, war das eine Nacht«, stöhnte er.

»Glaubst du, der Junge kommt durch?«, fragte sie, in Gedanken noch immer bei dem Vierzehnjährigen mit dem leichenblassen Gesicht und den verdrehten Beinen, der gemeint hatte, er müsste unbedingt den Wagen seines Bruders für eine kleine Spritztour ausleihen.

Lawrence zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Aber wir haben unser Möglichstes getan, wie immer. Und wenn du nicht so schnell reagiert hättest, dann wäre die alte Frau mit dem Aneurysma jetzt höchstwahrscheinlich über den Jordan.«

Sie schaute auf. »Glaubst du wirklich?«

»Ich weiß es. Du macht deine Arbeit gut, Emma.« Er senkte die Stimme. »Um ehrlich zu sein – wir können froh sein, dich zu haben, aber das habe ich nie gesagt, kapiert?«

Sie lächelte. »Was hast du nie gesagt?«

»Und jetzt geh dich endlich waschen und umziehen. Nach allem, was ich gehört habe, wartet bei dir zu Hause ein attraktiver junger Mann auf dich, und der ist bestimmt nicht begeistert, wenn du heimkommst und nach Kotze stinkst.«

Kapitel 2

»Bist du’s, Rozzer? Warte mal.« Joe hielt sein Handy ans Ohr, während er sich seinen Weg durch das Warenlager von Unico bahnte und darauf achtete, keinen Ketchup oder Ähnliches auf seinen neuen Armani-Anzug zu bekommen. Wie sein Vater – ein ehemaliger Berufssoldat, der seine Jeans noch immer mit Bügelfalten verschönerte – hinterließ auch Joe gern einen guten Eindruck. Abgesehen davon gehörte das natürlich zu seinem Job – zumal dann, wenn einer wie er im Management auf der Überholspur unterwegs war und nicht die geringste Absicht hatte, vor dem ganz großen Erfolg abzubremsen.

Mit dem Telefon in der Hand gab er dem Lageristen im braunen Arbeitsanzug ein Zeichen. »Wenn die fünfzehn Paletten da nicht bis vier in Abingdon sind, gibt’s Ärger.« Seine Stimme nahm wieder ihre normale Lautstärke an. »Bist du noch dran?«

Rozzer Wilkinson – von seinen UFO-gläubigen Eltern auf den Namen Roswell getauft – antwortete so, als hätte er den Mund voller Chips. »Klar. Bin gerade im Two Foxes einen trinken, bevor der nachmittägliche Ansturm losgeht. Was gibt’s denn?«

»Hast du vielleicht Lust, mit Toby am Freitagabend vorbeizukommen? Das Spiel ansehen? Gary kommt auch«, fügte er als zusätzlichen Anreiz hinzu.

»Bist du ganz sicher, dass das geht?«, fragte Rozzer unschlüssig.

Joe kratzte sich an der Nase. »Was meinst du damit?«

»Wegen Emma. Du weißt schon, die neue Dame des Hauses, erinnerst du dich nicht? Mann, ihr seid gerade mal aus den Flitterwochen zurück, da habt ihr doch bestimmt was Besseres vor.«

Joe lachte stillvergnügt in sich hinein. »Klar geht das mit Em in Ordnung, die hat nichts dagegen. Und außerdem treiben wir’s nicht den ganzen Tag lang wie die Karnickel.«

»Selber schuld«, witzelte Rozzer.

»Du kommst also?«

»Na schön. Um halb acht, passt das? Ich muss nur den Laden abschließen und dann noch zum Fußballtraining.«

»Gern. Bis dann also. Ach ja, und vergiss das Bier nicht!«

Joe beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder ein. Mit einem wohligen Gefühl unterdrückter Erregung dachte er an Emma, seine entzückende Frau. An Emma und das schöne warme Bett, das sie wieder miteinander teilen würden, wenn ihre Nachtschichten für diesmal vorüber waren. Hmm. Joe lächelte in sich hinein. Emma, das weiche Bett, eine Flasche Champagner ... So ganz Unrecht hatte Rozzer wahrlich nicht.

***

Emma machte den letzten Stich an der Naht, die die fünf Zentimeter lange Platzwunde an der Stirn des kleinen Mädchens verschloss, und lehnte sich zurück, um ihr Werk zu begutachten.

»Na also«, sagte sie lächelnd. »Hat doch gar nicht wehgetan, oder?«

Mit bebenden Mundwinkeln schüttelte die Kleine den Kopf.

»Du warst aber auch wirklich tapfer!« Emma wandte sich der aufgeregten Mutter zu, die noch immer ihren Schlafanzug und ihren blutbespritzten Morgenmantel trug. »War Sara-Jane nicht ein tapferes Mädchen?«

Die Mutter rang sich ein gequältes Lächeln ab. Offenbar hatte sie noch immer nicht verdaut, dass mitten in der Nacht ein Wackerstein durch ihr Schlafzimmerfenster geflogen war.

»Ich finde, damit hat sie sich eine Ehrenurkunde verdient.«

Sie holte ein Exemplar aus der Schublade und trug mit rotem Filzstift den Namen des Mädchens ein. Der Text lautete: »Diese Urkunde wird Sara-Jane für besondere Tapferkeit im Krankenhaus überreicht.«

»So, das hätten wir.« Sie gab dem Kind das Papier. »Gut gemacht.«

»Bedank dich bei der netten jungen Dame, Sara-Jane.«

»Fanke.«

»Gern geschehen. Und jetzt hole ich noch schnell ein Informationsblatt für deine Mami, damit sie weiß, was zu tun ist, falls es dir später ein bisschen schlechter gehen sollte.« Emma betrachtete die Mutter von Kopf bis Fuß. Sie brachte kaum ein Wort heraus und war noch immer leichenblass. »Geht es Ihnen gut? Vielleicht sollte noch kurz ein Arzt einen Blick auf Sie werfen?«

»Nein, es geht schon. Das ist nur der Schock.« Sie schluckte. »Ich habe nachgedacht. Ob ich vielleicht zur Polizei gehen sollte ...«

»Auf jeden Fall. Ich kann für Sie anrufen, wenn Sie das möchten.«

Die Frau legte ihre Hand schützend auf die Schulter ihrer Tochter. »Nein, ich sollte das doch besser lassen. Ich meine, na ja, ich will keinen Aufstand veranstalten. Aber trotzdem danke für das Angebot.«

Emma wusste nicht, was sie davon halten sollte. »Aber da hat jemand versucht, Ihnen und Ihrem kleinen Mädchen wehzutun. Was wäre, wenn ...«

»Das lassen Sie bitte meine Sorge sein.« Die Frau schaute Emma aus dunklen Augen an, und ihr Blick war mit einem Mal wie versteinert. »Hören Sie, ich wohne in Meadows Estate«, erklärte sie, »und da gibt es gewisse Dinge, die man besser bleiben lässt. Außerdem ist das Ganze nur passiert, weil ich mich zuvor an die Polizei gewandt hatte. Wenn Sie mit Sara-Jane fertig sind, gehen wir nach Hause.«

***

»Nun komm schon.« Joe füllte Emmas Weinglas und stellte es auf den Rand der Badewanne, in der ein luxuriöses Schaumbad duftete. »Du müsstest eigentlich von unstillbarer sinnlicher Begierde ergriffen sein. Oder mache ich etwas falsch?«

»Was? Oh, tut mir Leid, Liebling.« Sie setzte sich in der Wanne auf und gab ihm einen schaumigen Kuss. »Du machst gar nichts falsch, ich habe nur gerade nachgedacht.«

»Tu das bitte nicht!« Joe zog seine Socken aus und ließ sich auf dem Rand der Wanne nieder. Überall flackerten Kerzen, die romantische Schatten warfen. Es war Emmas erste dienstfreie Nacht, und Joe war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie diese nicht so schnell vergessen würde. »Hör endlich auf, dir einzubilden, du könntest stellvertretend die Probleme aller Leute lösen.«

»Das bilde ich mir gar nicht ein, aber ich ...«

»Doch, das tust du! Du hast ein Herz so groß wie der Ozean, und das nutzen die Leute gnadenlos aus.« Er strich ihr das honigblonde Haar aus dem Gesicht. »Hör mal, Liebling, du hast doch mit dem Stationspfleger über Sara-Jane und ihre Mutter gesprochen, also überlass die Sache ihm. Wenn er meint, er müsste deswegen Kontakt zum Sozialamt aufnehmen oder zu wem auch immer, dann tut er das auch. Dafür bist du doch nicht verantwortlich!«

»Ich ...«

Er warf ihr einen warnenden Blick zu.

»Also gut, vergessen wir’s.« Emma ließ sich in den Schaum zurücksinken, und er begann, an ihren Zehen zu knabbern, was sie zum Kichern brachte. Joe hatte Recht, und das wusste sie. Wenn sie als Krankenschwester eines gelernt hatte, dann war es die Tatsache, dass es keinen Sinn hatte, sich allzu sehr in die persönlichen Schicksale ihrer Patienten hineinzusteigern. Wenn man zu viel über die Menschen nachdachte, die hinter jeder Schürfwunde oder jedem ausgerenkten Zeh steckten, drehte man unweigerlich irgendwann durch. Stattdessen galt es, eine angemessene Distanz anzustreben; das wusste jede Schwesternschülerin schon im ersten Ausbildungsjahr.

Eigentlich hatte sie geglaubt, das alles ganz gut hinzubekommen, doch das war vor ihrem Umzug nach Cheltenham gewesen. Jetzt aber war ihr Leben irgendwie durcheinander geraten, und sie fühlte sich merkwürdig verwundbar und desorientiert. Sie war ja so froh, dass sie Joe hatte; er war ihre paradiesische Insel in einem Meer der Unsicherheit, auch wenn er im Grunde ihre Probleme erst verursacht hatte – wenngleich auf die schönste Art, die sie sich denken konnte.

»Das ist alles so merkwürdig«, hörte sie sich murmeln.

Niedergeschlagen blickte Joe von ihren Zehen, die er gerade verwöhnte, zu ihr auf. »Und ich dachte, du magst das.«

»Tu ich auch!«, erwiderte sie, und sein enttäuschtes Gesicht brachte sie zum Lächeln. »Ich meinte doch nicht das, was du da gerade machst, sondern das Leben an sich.«

»Oh Gott«, stöhnte Joe theatralisch, »jetzt fängt sie auch noch an zu philosophieren.«

Sie spritzte ihn spielerisch nass. »Ich meine es ernst! Das ist doch eine seltsame Phase in unserem Leben, findest du nicht auch? Alles ist so anders, so neu.«

»Ja, das ist es.« Er fuhr mit einem Finger sanft über ihr Bein nach oben und streichelte sie. »Aber es ist wunderbar – und nicht seltsam.«

»Es ist beides.« Sie löste sich von ihm, setzte sich auf und bedeckte Joes nackten Schenkel mit Küssen. Er ist wirklich schön, dachte sie, als sie den leichten Salzgeschmack auf seiner glatten, gebräunten Haut registrierte. Er könnte jede Frau bekommen. Was habe ich nur für ein Glück! »Überleg doch mal, wie viele Jahre wir schon zusammen waren, und erst jetzt lernen wir uns wirklich kennen. Ich wusste ja nicht mal, dass du allergisch gegen Sellerie bist!«

»Na und? Das gegenseitige Kennenlernen ist doch auch ein Teil vom Vergnügen. Quietschentchen, mein Liebes, sag schon – was bringt dich nur auf solche Gedanken?«

»Ach, nichts. Mach dir nichts draus.«

»Du bist doch glücklich, oder?«

»Ja!«

Sie schaute ihm tief in die Augen und genoss die Erkenntnis, dass er ihr gehörte, endlich ihr gehörte, und sie ihm. Alles andere – das Neue, Fremde, nicht ganz Zusammenpassende – würde sich irgendwann von selbst erledigen, denn das Einzige, was zählte, war schließlich, dass sie zusammen waren.

»Mein Liebling«, flüsterte sie und zog sein Gesicht zu sich herab.

»Hmm?«

»Erinnerst du dich noch an die große im Boden eingelassene Badewanne, die wir damals in Tunesien hatten? Die mit Platz für zwei?«

Joes Lächeln wurde breiter. »Als ob ich die je vergessen könnte.«

»Und weißt du auch noch, was wir in ihr gemacht haben?«

»Klar weiß ich das noch. Wieso fragst du?«

Sie küsste ihn. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich noch an alle Einzelheiten erinnere. Komm doch mal rein und hilf meinem Gedächtnis auf die Sprünge.«

***

Emma trocknete sich gerade ab, als das Telefon klingelte.

»Ich nehme schon ab«, sagte Joe und warf sein noch immer feuchtes Haar zurück. Einen Augenblick später stand er wieder in der Badezimmertür, das schnurlose Telefon in der Hand. »Für dich. Das Krankenhaus, glaube ich.« Mit den Lippen bildete er die Worte: »Sag ihnen, sie sollen sich verpissen«, aber Emma streckte ihm nur die Zunge heraus.

»Hallo? Emma Co...« – sie konnte sich gerade noch berichtigen – »Sheridan.«

»Hallo, hier ist Jennie von der Pflegedienstleitung. Ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, wo Sie nächste Woche zum Dienst eingeteilt sind.«

»Oh«, sagte Emma ein wenig enttäuscht. »Ich hatte gehofft, in der Notaufnahme bleiben zu können.«

»Na ja, Schwester Murphy ist nicht mehr krankgeschrieben, und damit sind wir in der Nachtschicht wieder vollzählig. Wir versetzen Sie in die Tagschicht ...«

Emmas Miene hellte sich sichtlich auf. Tagdienst in der Notaufnahme, das war sogar noch besser.

»... in die Milbrook-Station.«

Es dauerte einen Augenblick, bis Emma verstand und in ihrem Kopf die Alarmglocken schrillten. »Milbrook? Ist das nicht die geriatrische Abteilung?«

»Genau genommen die medizinische Frauenabteilung, auch wenn ein Großteil der Frauen Langzeitpatientinnen und viele auch nicht mehr die Jüngsten sind. Ein paar von ihnen sind auch psychisch ziemlich angeschlagen.«

»Oh.«

»Ist das ein Problem für Sie?«

»Äh ... nein«, log Emma. Nicht dass sie etwas gegen ältere Patienten gehabt hätte, aber sie hatte sich schon früh auf Notfallmedizin und Intensivpflege spezialisiert. Das war die Arbeit, die sie immer hatte machen wollen und bei der sie richtig gut war. Und die, die sie in London aufgegeben hatte.

»Was ist denn los?«, fragte Joe.

»Könnten Sie einen Augenblick dran bleiben?« Sie hielt den Hörer zu. »Ab nächste Woche arbeite ich nur in der Tagschicht. «

»Ist doch super!«

»In der Geriatrie.«

Joe zuckte mit den Achseln. Er verstand kein Wort. »Und, was macht das schon? Dann haben wir endlich mehr Zeit füreinander!«

Emma wandte sich wieder dem Telefon zu und atmete einmal tief durch. »Kein Problem, Jennie. Wann soll’s denn losgehen?«

***

Am nächsten Tag verabschiedete sich das letzte bisschen Adrenalin aus Emmas Körper, und die in acht aufeinander folgenden Nächten angesammelte Müdigkeit stürzte auf sie ein wie eine Steinmauer. Sie hing den ganzen Tag nur im Schlafanzug in der Wohnung herum, während Joe nach Evesham raste, um herauszufinden, warum der Käseumsatz um zwölf Prozent eingebrochen war. Trotz ihrer Unzufriedenheit musste sie sich eingestehen, dass Joe nicht ganz Unrecht hatte. Die Milbrook-Station war aus ihrer Sicht zwar nicht gerade erste Wahl, aber andererseits war Tagschicht gar nicht so übel. Sie würde wieder im selben Bett wie Joe schlafen, und das auch noch zur selben Zeit. Während sie auf dem riesigen weißen Ledersofa Salami futterte, die sie irgendwo hinten im Kühlschrank gefunden hatte, läutete das Telefon.

»Ja bitte?«

»Hallo, meine Liebe, hier ist Mum. Wie geht es meiner Tochter Nummer eins? Genießt sie das Eheleben?«

Emma musste lachen. Ihre Mutter nannte sie immer so, obwohl sie ein Einzelkind war. Der frühe Tod von Mr Cox hatte alle Pläne in Bezug auf Brüder und Schwestern durchkreuzt, und Karen Cox hatte nie wieder geheiratet. Sie behauptete immer, mit ihrer Situation ganz zufrieden zu sein; abgesehen davon lasse ihr die Arbeit in ihrer Pension ohnehin keine Zeit, auch nur einen Gedanken an Männer zu verschwenden.

»Alles bestens, Mum, aber was die Unterhosen angeht, hättest du mich ruhig vorwarnen können!«

»Die was?«

»Erst werben sie um dich in ihren engen Calvin Kleins, und kaum haben sie den Ring am Finger, holen sie wieder ihre ollen Boxershorts aus dem Schrank! Was an sich nicht so schlimm wäre, wenn er nicht auch noch in ihnen schlafen würde!«

»Mach dir nichts draus, mein Schatz«, lachte Karen. »Reiß einfach beim nächsten Waschgang ein paar Löcher rein und schieb die Schuld auf die Maschine. Das habe ich mit den langen Unterhosen deines Vaters auch immer getan. Wie geht es Joe denn so?«

»Zu viel Arbeit, wie immer. Ich habe gerade ein paar freie Tage und will nachher einen netten Liebesfilm auf DVD besorgen und ein paar Pizzas backen, damit wir uns einen gemütlichen Freitagabend auf dem Sofa machen können.«

»Klingt gut.«

»Und was ist mit dir, Mum?«, fragte Emma. »Ich hoffe, du gönnst dir wenigstens zwischendurch mal eine Pause.«

Ihre Mutter lachte. »Eine Pause! Und was soll aus meinen Gästen werden?«

»Gäste – im Januar?«

»Du würdest dich wundern, in Blackpool ist mittlerweile ganzjährig etwas los, seit es das neue Spielcasino gibt und den Boom bei den Schwulenbars. Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass man mich letztes Wochenende in eine Transvestitenshow geschleppt hat?«

»Mum!«

»Das war echt faszinierend. Einer von denen hat mir einen genialen Tipp gegegen, wie man Nagellack aufträgt, ohne ihn zu verschmieren.«

»Mum«, mahnte Emma streng, »du musst wirklich mal ausspannen. Gönn dir doch wenigstens einen Kurzurlaub in der Wintersonne oder so. Bei meiner Hochzeit hast du ziemlich müde ausgesehen.«

»Also hör mal, ich hatte kurz davor einen Empfang für immerhin zweihundertfünfzig Leute organisiert. Dass ich da nicht frisch war wie der junge Morgen, versteht sich ja wohl von selbst. Aber jetzt geht es mir wieder bestens.« Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Aber genug von mir – wie läuft’s bei dir denn so?«

Damit hatte sie Emmas wunden Punkt getroffen. »Bei mir? Gut.«

Karen musste etwas in der Stimme ihrer Tochter gehört haben, denn sie hakte nach: »So richtig gut?«

»Ja, so richtig gut«, beteuerte Emma. »Na schön, alles ist immer noch ein bisschen anders. Und manchmal fühle ich mich auch ein wenig einsam, aber das ist ja kein Wunder. Schließlich habe ich acht Jahre nicht mehr in Cheltenham gewohnt, und da konnte ich wohl kaum erwarten, dass alle meine alten Schulfreunde gleich auf der Matte stehen, weil sie nur auf mich gewartet haben. Erinnerst du dich noch an Jessica?«

»Die mit dem lockigen Haar und dem Pony? Die wollte doch zur Polizei, oder?«

»Ich bin im Supermarkt über sie gestolpert. Drei Kinder von zwei verschiedenen Vätern, aus dem College geflogen, und jetzt habe ich auch noch flüstern hören, dass man sie wegen ungedeckter Schecks drangekriegt hat.«

»Ach du meine Güte.«

»Und kennst du Christine Freeman? Die, die in allen Prüfungen durchgerasselt ist und Model werden wollte? Jetzt rate mal, was aus der geworden ist. Als ich das letzte Mal von ihr gehört habe, war sie gerade dabei, ihren Abschluss in Betriebswirtschaft zu machen! Nichts bleibt, wie es war, stimmt’s, Mum?«

»Ja, aber Veränderungen machen das Leben erst interessant.« Karen hielt inne. »Manchmal allerdings verändern sich die Dinge ein bisschen schnell oder gar auf einen Schlag, und dann ist es nicht immer einfach, Schritt zu halten.«

»Das, was du mir bei der Hochzeit gesagt hast, war schon richtig. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.«

»Selbst an richtig schöne Dinge muss man sich manchmal erst gewöhnen, meine Liebe. Und ganz bestimmt vermisst du Mickey. Hast du seit der Hochzeit eigentlich von ihr gehört?«

Wie immer kam ihre Mutter gleich zur Sache. Michaela war Emmas beste Freundin, seit sie beide als Schwesternschülerinnen ihre Kittel übergestreift hatten. In den letzten sechs Jahren hatten sie sich zusammen mit zwei Kolleginnen, Ellie und Sam, ein ziemlich heruntergekommenes Haus in Hackney geteilt, und später dann mit Phoebe, einer Stewardess; die ganze Zeit über war ihnen bewusst gewesen, dass diese Phase in ihrem Leben irgendwann einmal zu Ende gehen würde, und die ganze Zeit über hatten sie sich vor diesem Augenblick gefürchtet. Mickey zurücklassen zu müssen war für Emma schwerer gewesen als alle anderen Veränderungen zusammen. Es war wie die Amputation eines kleinen, aber kostbaren Teils ihres selbstbestimmten Lebens.

»Ja, sie hat mich ein paar Mal angerufen. Aber sie ist ziemlich mit ihrem neuen Lover beschäftigt.«

»Rod?«

»Um Himmels willen, nein, Rod war vor einer Ewigkeit. Ich weiß gar nicht, wie der jetzige heißt, ich hab völlig den Überblick verloren.«

»Aber ansonsten ist alles in Ordnung bei den Mädels?«

»Scheint so. Sie haben eine neue Mieterin für mein Zimmer, weiß nicht mehr, wie sie heißt, Lisa-Anne oder Lisette oder so. Und Sam spielt mit dem Gedanken auszuziehen. Jedenfalls werde ich mit Joe demnächst für ein paar Tage hinfahren, und dann kriegen wir sicher den neuesten Klatsch mit.«

Ihr war gar nicht aufgefallen, wie verdrießlich sie klang, bis ihre Mutter sagte: »Kopf hoch, du und Mickey, ihr werdet immer Freundinnen bleiben, das weiß jeder. Freu dich doch über all die neuen Bekanntschaften, die du zusammen mit Joe machen wirst.«

»Ja«, erwiderte Emma, »all die Handelsvertreter und Rugbyspieler, die ich immer schon mal kennen lernen wollte. Oh nein, jetzt bin ich wehleidig wie I-Ah aus Pu der Bär.«

»Aber nein.« Emma hörte förmlich das Lächeln in der Stimme ihrer Mutter. »Du bist genau wie ich – drei Wochen nachdem ich deinen Vater geheiratet hatte.«

»Ehrlich?«

»Ehrlich. Auch wenn ich damals nur die Wursttheke im Coop aufgegeben habe, war mir doch, als wäre das Ende der Welt über mich hereingebrochen.«

»Ich bin glücklich, Mum«, sagte Emma ruhig. »Wirklich glücklich. Ich liebe Joe so sehr, nur manchmal ...«

»Schon gut, du brauchst nichts zu erklären. Wenn ihr einander so sehr liebt, wie ich weiß, dass ihr euch liebt, wird ganz bestimmt alles gut.«

***

Als Joe am Abend kurz vor sieben nach Hause kam, erfüllte der Duft selbst gebackener Pizza die Wohnung, und auf dem Couchtisch aus Chrom und Glas stand eine Flasche guten trockenen Weißweins in einem Eimer voll Eis. Er schaute sie an. »Em?« Dann ging er ein paar Schritte Richtung Küche, bis er mit einer spärlich bekleideten Gestalt zusammenstieß, die gerade aus dem Bad kam.

»Willkommen zu Hause, Liebling.« Emma drückte sich verführerisch gegen seinen teuren Anzug und ihre Lippen auf die seinen. Sie hatte das den ganzen Nachmittag lang geübt, und obwohl sie ziemlich geschafft war, sollte die Vorstellung verdammt gut werden.

»Hey, wow!« Er schnappte nach Luft und hatte plötzlich ein schwarzes Negligé aus Satin in den Händen. »Du siehst phantastisch aus.«

»Ich weiß«, antwortete sie bescheiden. »Ich dachte nur, weil du ein so guter Junge bist, hast du dir ein Geschenk verdient.«

Er setzte sein breitestes Grinsen auf. »Soll ich es auspacken?«

»Vielleicht ... später.« Verführerisch fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. »Wir haben doch keine Eile, oder? Uns bleibt ja noch der ganze Abend. Ich dachte, wir fangen erst mal an mit – was ist denn los?«

Joes Grinsen war wie eingefroren. »Ah«, sagte er.

»›Ah‹? Was meinst du mit ›ah‹?«

»Ah, ich fürchte, ich habe vielleicht vergessen, dir etwas zu sagen.«

Emmas Augen verengten sich. »Zum Beispiel?«

»Zum Beispiel, dass die Jungs heute Abend vorbeikommen.«

»Was! Und wann?«

»Ungefähr halb acht. Auf Sky Channel kommt doch dieses große American-Football-Spiel. Das macht dir doch nichts aus, oder?« Dank Emmas Miene konnte er die Antwort recht gut erraten. »Die Jungs kommen doch immer freitagabends vorbei.«

»Joe!«

»Oder zumindest, äh, war das bisher immer so.« Er setzte ein ziemlich dämliches Lächeln auf. »Ich hätte dich wohl erst fragen sollen, was?«

Mit finsterem Blick nahm Emma die Schüssel mit der noch reichlich flüssigen Schokoladenmousse in beide Hände und kippte sie ihm über den Kopf.

»Wenn ich sie anrufe und sage, dass es doch nicht geht, verzeihst du mir dann?«

Er sollte nie herausbekommen, ob sie das getan hätte, denn in diesem Augenblick klingelte es an der Tür.

Kapitel 3

Der Cursor raste über den Computermonitor und spuckte die nächste Botschaft von Mickey aus. »Und was hast du dann getan?«

»Geschmollt«, tippte Emma ein und musste unwillkürlich grinsen, als sie an die kleine Szene am Freitagabend dachte. Rozzer hatte bestimmt schon befürchtet, sie würde ihn mit dem Pizzaschneider vierteilen, mit Parmesan bestreuen und zum Abendessen verspeisen. Als ihre Finger über die Tastatur ratterten, fragte sie sich, wie Mickey und sie nur so lange ohne das Internet ausgekommen waren. Besonders in Nächten wie dieser, wenn Emmas innere Uhr noch immer auf Mittag stand, während Joe wie ein schnarchender Oktopus quer über das Bett ausgebreitet lag. Mickey ging zum Glück nie vor zwei ins Bett. Ja, ihre nächtlichen E-Mail-Plaudereien waren fast so schön wie ihre Gespräche im vorderen Zimmer, wo sie gerne zusammen eine Flasche Bailey’s geschlürft hatten.

»Ins Schlafzimmer gestampft und zu schlafen versucht«, fuhr sie fort, »aber die Jungs haben sich so verzweifelt bemüht, nur ja keinen Krach zu machen, dass ich wieder aufgestanden bin und mich dazugesetzt habe. Am Schluss war’s noch ganz lustig.«

»Dich dazugesetzt – bei was?«, fragte Mickey.

»American Football gucken, was dachtest du denn!«

»Joe ist wohl auch auf diesem Gebiet ein großer Fachmann, was?«

»Was willst du damit sagen?«

»Dein Joe ist doch in allen Dingen ein Fachmann. Er ist sogar ein noch schlimmerer Angeber als Sam. Pass bloß auf, dass er sich nicht noch mit der Krankenpflege befasst.«

Schon der bloße Gedanke daran entlockte Emma ein lautes Lachen, und sie musste sich den Ärmel ihres Morgenmantels in den Mund stopfen. »Das kann nicht dein Ernst sein! Erinnerst du dich noch an damals in Southend? Als diese Wespe irgendwie in seine Unterhose geriet und ihn in den Hintern gestochen hat?«

»Oh ja, er ist glatt umgekippt. So ein Schwächling.«

»Pass bloß auf, du beleidigst meinen Göttergatten!« Der Cursor blieb einen Augenblick lang blinkend auf der Stelle stehen, bevor sie hinzufügte: »Und was ist mit DEINEM letzten Typ? Ist es die wahre Liebe?«

»Wohl kaum. Geistiger Tiefflieger. Schicke ihn wahrscheinlich bald in die Wüste.«

»Hebst du dich etwa noch für Jude Law auf?«, spöttelte Emma.

»Nö, für jeden mit ausgeprägten Wangenknochen und genug Hirn. Wann kommt ihr uns besuchen?«

»Bald.«

»Das hoffe ich doch. Ich geh jetzt ins Bett, grüß Joe von mir.«

»Mach ich.«

»Und sag ihm, ich backe ihm wieder einen Schoko-Käsekuchen, wenn er die Gangschaltung an meinem Fahrrad repariert. Nacht, mach’s gut.«

»Werd’s versuchen. Nacht.« Emma gähnte, streckte sich, schaltete den Computer aus und rollte Joe sanft von ihrer Seite des Betts weg.

***

Zu ihrer Erleichterung stellte sich die Arbeit in der medizinischen Frauenabteilung als weit besser heraus, als Emma erwartet hatte. Die Station war zwar nicht gerade auf dem neuesten Stand der Technik, und die meisten Patienten waren alte Leute, aber ein paar echte Originale waren schon dabei. Etwa Kitty, die fünfundachtzigjährige Prostituierte, die man nicht näher als fünf Meter an einen gut aussehenden Arzt heranlassen durfte. Oder Miss Crawford, die kurz nach dem Krieg an einer reinen Mädchenschule unterrichtet hatte und die Krankenschwestern wie ungezogene Viertklässlerinnen behandelte. Alles in allem konnte Emma sich gut vorstellen, ein oder zwei Wochen in dieser Abteilung zu arbeiten – wenn sie dann wieder in die Notaufnahme durfte. Aber es war zur Abwechslung mal ganz schön, Patienten zu haben, denen es immerhin so gut ging, dass man sich mit ihnen unterhalten konnte.

Es war ein Winternachmittag kurz vor Einbruch der Dunkelheit, und Schneeflocken peitschten gegen die Fensterscheiben. Drinnen ging alles seinen gewohnten Gang. Besucher unterhielten sich mit Patienten, und gelegentliches lautes Auflachen brach abrupt ab, wenn der betreffenden Person plötzlich klar wurde, an welchem Ort sie sich befand. Ein Kleinkind saß am unteren Ende des Betts seiner Großmutter und bekleckerte die Bettdecke mit zerkauten Keksen. Und Miss Crawford erklärte dem jungen Mädchen im Nachbarbett, inwieweit die Tatsache, dass das Leibchen aus der Mode gekommen war, zur Zunahme der Lasterhaftigkeit in der Gesellschaft beigetragen habe.

Emma hatte gerade eine ernsthaft erkrankte Patientin in einem Seitenzimmer betreut und war auf dem Weg zurück ins Stationszimmer, als laute Stimmen sie innehalten ließen. Alle hatten aufgehört, sich zu unterhalten oder Weintrauben zu naschen und starrten gebannt auf die zugezogenen Vorhänge um ein Bett in der mittleren Kabine.

»Mrs Daley«, mahnte eine gereizte Stimme hinter den Vorhängen.

»Nein, nein, ich will nicht, dass Sie ...«

»Um Himmels willen, Sie alte ... Das ist doch nur zu Ihrem Besten!«

»Nein, tun Sie mir nicht weh, nein! Schwester! Schwester!«

Emma lächelte den Besuchern kurz zu, und mit zwei Riesenschritten war sie bei den Vorhängen. »Entschuldigung ...« Sie schob das Tuch ein wenig zur Seite und steckte den Kopf durch. Eine junge Ärztin beugte sich über die Patientin im Bett – eine winzige, abgemagerte Gestalt, der das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. »Stimmt etwas nicht? Ich habe nur gerade gehört ...«

Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als die Ärztin ihren dunklen Pferdeschwanz herumwirbelte, aufstand und ihr ins Gesicht blickte. Nein! Nein, das konnte nicht wahr sein, nicht ZARA! Nicht hyperventilieren, du Dummchen, schalt Emma sich selbst. Das konnte gar nicht Zara sein, doch nicht hier; es musste irgendeine andere Frau sein, die Zara einfach unglaublich ähnlich sah. Sie hätte es fast selbst geglaubt, wäre da nicht Zaras Gesichtsausdruck gewesen. Ein Ausdruck der Verblüffung und des nicht gerade erfreuten Wiedererkennens.

»Sie will mir wehtun, Schwester.« Mrs Daley entwand ihren Arm dem Zugriff der Ärztin, und Emma sah erschrocken, wie tief sich deren Finger ins Fleisch der alten Frau gebohrt und rote Druckstellen hinterlassen hatten.

»Machen Sie sich doch nicht lächerlich«, seufzte Zara. Emma sah das Namensschild auf ihrem weißen Mantel: Dr. Zara Jeffries, Assistenzärztin. »Ich hab’s Ihnen doch lang und breit erklärt, Mrs Daley. Sie sind stark dehydriert. Ich habe lediglich versucht, einen Tropf anzuschließen, um Himmels willen!«

Emma trat ein und zog den Vorhang hinter sich zu. »Alles in Ordnung, Mrs Daley, keiner will Ihnen wehtun.« Sie nahm die Hand der alten Frau und drückte sie, um sie zu beruhigen. Die Hand war kalt und zittrig. »Die Frau Doktor will Ihnen doch nur helfen.« Sie warf einen Blick auf Zara, die reichlich verärgert wirkte. »Könnten wir uns kurz unter vier Augen unterhalten, Doktor?« Als Zara sich nicht von der Stelle rührte, fügte sie hinzu: »Jetzt gleich?«

»Wenn Sie Mrs Daleys Krankenakte gelesen hätten«, erklärte Emma nachdrücklich, »dann hätten Sie ...«

»Wenn ich Mrs Daleys Krankenakte gehabt hätte, dann hätte ich sie vielleicht lesen können!«

Sie diskutierten neben dem Schreibtisch im Stationszimmer, auf dem ein halber Donut lag und eine Tasse mit kaltem Kaffee stand, und keine von beiden ließ sich anmerken, dass sie die andere wieder erkannt hatte; keine wollte die dünne Maske berufsmäßiger Höflichkeit zerstören.

»Wir sind heute Nachmittag nur zu dritt auf der Station«, fuhr Emma fort, »und meine beiden Schwesternhelferinnen sind gerade in der Pause. Im Übrigen befindet sich Mrs Daleys Krankenakte hier auf dem Schreibtisch.« Sie zeigte auf die Papiere, die unübersehbar neben dem Telefon lagen.

»Eben! Sie sind hier – und nicht am Krankenbett, wo sie hingehören.«

»Mit Verlaub, Frau Doktor, aber Sie hätten sie gar nicht übersehen können, wenn Sie zuerst hier hereingekommen wären, statt gleich mit Ihrer Nadel über die Patientin herzufallen.« Auf einem weißen Zettel, der auf dem braungelben Karton der Aktenmappe klebte, stand: »Phobie: Nadeln«.

Dr. Zaras äußerst attraktiver Mund straffte sich. Die Botschaft war eindeutig: Ich lasse mir von niemandem sagen, was ich zu tun habe, und schon gar nicht von einer besserwisserischen Krankenschwester, mit deren Mann ich mal liiert war.

»Muss ja großartig sein, alles besser zu wissen«, kommentierte sie bissig.

»Kann ich nicht beurteilen«, konterte Emma. »Aber wenn ich etwas nicht weiß, dann frage ich Leute, die es besser wissen. So – möchten Sie, dass ich dabei bleibe, während Sie Mrs Daley die Infusion legen?«

»Besten Dank, aber ich glaube, das schaffe ich auch alleine.« Zara schnappte Emma die Krankenakte aus der Hand. »Haben Sie keine Bettschüsseln zu putzen oder Ähnliches?«

***

»Na, hattest du einen schönen Tag?«, fragte Joe, der mit umgebundener Schürze aus der Küche kam. Durch die Wohnung zogen sich die tröstlichen Düfte von frischem Kaffee und etwas Leckerem im Backofen. Emma kickte ihre Schuhe von sich, legte ihren durchnässten Mantel ab und schüttelte sich wie ein nasser Terrier, während sie durchs Zimmer stampfte.

»Seh ich so aus?«

»Mach dir nichts draus. Komm her und lass dich drücken, dann wird es gleich besser.«

Dankbar warf sie sich ihm entgegen und genoss eine Umarmung, die sich anfühlte, als würde ein riesiger Braunbär sie an sich ziehen. »Das ist das Schönste vom ganzen Tag«, seufzte sie.

Joe strich ihr übers Haar. »War jemand böse zu dir? Dann verpasse ich ihm eine Tracht Prügel.«

»Das würde ich lieber lassen. Außerdem ist es eine Sie. Blöde Kuh; erst knallen einer Patientin ihretwegen die Sicherungen durch, und dann versucht sie auch noch, mir dafür die Schuld zu geben.« Sie warf den Kopf zurück und blickte die knapp fünfundzwanzig Zentimeter hoch, die sie von Joes Scheitel trennten. »Du kommst nie drauf, wer es war.«

»Eine deiner Kolleginnen?«

»Daneben.«

»Diese Stationsschwester, die mal Gefängniswärterin war? Die mit den riesigen Händen und den Haaren am Kinn?«

»Wieder falsch. Ärztin. Potentielle Miss World. Jemand, den du mal sehr, sehr gut kanntest.«

Sie hätte nie gedacht, dass er es erraten würde, und so kippte sie fast um, als er erwiderte: »Was – du meinst doch wohl nicht Zara Jeffries?«

»Du hast es also gewusst!«, rief sie. »Du hast die ganze Zeit über gewusst, dass sie dort arbeitet, und mir kein Sterbenswörtchen davon gesagt!«

Joe wirkte ratlos. »Hätte ich das tun sollen?«

Emma fragte sich, ob der Mann, den sie geheiratet hatte, tatsächlich emotional so verblödet sein konnte. »Joe, wir sprechen hier über Zara! Das Mädchen, mit dem du fünf Jahre lang praktisch an der Hüfte verwachsen warst!«

»Viereinhalb«, verbesserte er sie.

»Viereinhalb, fünf, was macht das schon für einen Unterschied? Ihr wart an unserer Schule wie Posh and Beckham: Jeder Junge wollte so sein wie du, jedes Mädchen so wie sie.«

Joe lächelte. »Außer dir.«

»Ja, außer mir«, bestätigte Emma, die in die Küche ging und den Topfdeckel anhob. »Ich wollte sie schlicht und einfach nur umbringen. Was ist denn das hier?«

»Geschmortes Lamm mit Aprikosen. Ich bin heute früher fertig geworden, und so dachte ich, ich koche meiner lieben frisch gebackenen Ehefrau mal ein schönes Abendessen.« Er legte ihr den Arm um die Hüfte und knabberte an ihrem Nacken. »Wie du siehst, kann ich manchmal auch ganz brauchbar sein.«

»Also schön«, gab Emma nach, »ich verzeih dir noch mal. Aber vorwarnen hättest du mich schon können. Ich habe die Frau schließlich seit Jahren nicht mehr gesehen; ich dachte, die wäre immer noch irgendwo im Norden.«

»War sie auch«, sagte Joe, rührte das Essen um und legte den Löffel beiseite. »Dann wurde diese Stelle im Krankenhaus frei, und sie beschloss zurückzukommen.«

Emma runzelte die Stirn. »Und wie kommt es, dass du darüber so genau Bescheid weißt?«

Joe blickte auf. »Hmm? Ach so, wir haben ab und zu noch Kontakt. Tauschen hin und wieder mal eine E-Mail aus und so.«

»Das höre ich heute zum ersten Mal! Bist du sicher, dass E-Mails das Einzige sind, was ihr austauscht?«, fügte sie nur halb im Scherz hinzu.

Er schaute sie an, und seine braunen Augen blitzten. »Du bist doch wohl nicht immer noch eifersüchtig auf Zara? Aber ja, du bist eifersüchtig!«

»Bin ich nicht!«, kreischte sie, während er sie kitzelte, bis sie sich atemlos in ihr Schicksal ergab. Doch als sie sich küssten, bis das Schmorgericht anbrannte, fragte sich ein kleiner Teil von Emmas Gehirn, was er sonst noch alles nicht für nötig gehalten hatte ihr zu erzählen.

Kapitel 4

Joe pfiff leise vor sich hin, als er durch den heftigen Regen zur Filiale in Newent fuhr und sich nach einer Zentralheizung, einem Becher mit heißer Schokolade und seiner schönen warmen Frau sehnte. Himmlisch, dieses Eheleben. Was gab es Schöneres? Erfolg im Beruf war natürlich wichtig, aber es machte zehnmal mehr Spaß, wenn man seine Erfolgserlebnisse mit jemandem teilen konnte. Und er teilte sie gern mit Emma, kümmerte sich gern um sie und genoss es, sie vor allen Widrigkeiten dieser großen, bösen Welt zu beschützen. Seine Mutter hatte schon Recht: Nichts mochte ein Mädchen lieber, als wenn man ihr ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelte. Heute Abend, überlegte er, würde er sich hoffentlich vorzeitig von dieser langweiligen Konferenz in Gloucester absetzen können und Emma im Krankenhaus abholen. Vielleicht konnten sie ja ins Kino gehen und auf dem Heimweg im französischen Bistro einen Happen essen. Es war so schön, sie immer um sich zu haben und das Privatleben nicht auf die Wochenenden oder den Urlaub oder den einen oder anderen freien Tag beschränken zu müssen. Als er in die Einfahrt bog, die zur Rückseite der Filiale führte, klingelte sein Handy. Er hielt sofort an und meldete sich.

»Joe Sheridan.«

Er erkannte die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht. »Damian Lee hier, der Assistent von Fiona Tiverton.«

Die Personalchefin? Er konnte an den Fingern einer Hand, genauer gesagt an einem Finger abzählen, wie oft er mit ihr zu tun gehabt hatte – und das war nicht besonders erfreulich gewesen. Er fragte sich schon, was er jetzt wieder falsch gemacht hatte. »Äh, hallo.«

»Miss Tiverton würde Sie gern heute um sechzehn Uhr dreißig in ihrem Büro sprechen.«

»Heute? Aber ich habe eine Konfe ...«

»Heute, Mr Sheridan.«

Joe war kein übermäßig ängstlicher Typ, aber das gab ihm doch sehr zu denken. »Darf ich fragen, worum es geht?«

»Sechzehn Uhr dreißig«, wiederholte die Stimme. »Und seien Sie pünktlich, Miss Tiverton hat wenig Zeit.«

***

Trotz des Gescheppers gewaltiger Pfannen und des allgegenwärtigen Gestanks von Frittierfett war die Personalkantine der Cotswold-Klinik eine Oase der Ruhe für jeden, der die Nase voll davon hatte, zu den Patienten und ihren Besuchern immer nett und freundlich sein zu müssen. Oder zu den Kollegen, sinnierte Emma, dankbar dafür, dass sie sich wenigstens abends eine Pause gönnen konnte, nachdem sie schon das Mittagessen verpasst hatte. Es war kurz nach sieben, alle Patienten hatten ihr Abendessen und ihre Medikamente bekommen, und niemand schien in Gefahr, das Zeitliche zu segnen, bevor ihre Schicht um halb neun zu Ende ging. Eigentlich hätte sie sich mit ihrer Tasse Tee, der viel zu lange gezogen hatte, nun entspannen und sich auf zu Hause freuen können, aber sie verspürte den drängenden Impuls, aufs Dach klettern zu müssen und gewaltig zu schreien.

Zum einen war da Joes Mutter. Emma war zwar bereit zuzugeben, dass Minette nicht unbedingt die schlimmste Schwiegermutter der Welt war, und hin und wieder hatten sie sich sogar zehn Minuten lang ganz gut verstanden. Aber versprochen oder nicht – Emma war einfach nicht in der richtigen Stimmung, auf dem Heimweg schnell mal im Hause Sheridan »vorbeizuschauen«, um eine Kopie ihres Hochzeitsvideos abzuliefern und sich eine halbe Stunde lang erklären zu lassen, warum sie den Blumenkohl für Joe immer klein schneiden müsse.

Aber das war alles nichts gegen Zara.

»Sie hat es auf mich abgesehen«, klagte Emma.

Lawrence, der immer, wenn er Nachtdienst hatte, in der Kantine aß, gab durch einen Mund voll Spaghetti Carbonara unverständliche Geräusche von sich.

»Doch, ehrlich!«, versicherte sie ihm. »Wenn du ihren Gesichtsausdruck gesehen hättest ... Ich sag dir, wohin ich auch gehe, sie ist schon da. Das würde mir ja nichts ausmachen, aber sie gehört eigentlich in die Chirurgie und sollte gar nicht in der Medizinischen arbeiten!«

»Vielleicht liegt genau da das Problem«, meinte Lawrence. »Vielleicht stinkt es ihr, dass sie Dr. Guptas Job machen muss, während der sich in Amerika amüsiert.«

»Aber warum muss sie ihren Frust ausgerechnet an mir auslassen? Nur, weil er einen Platz in irgend so einem Austauschprogramm ergattert hat und sie nicht?«

»Ihr Benehmen ist wahrscheinlich gar nicht gegen dich gerichtet. Nach allem, was ich gehört habe, ist sie zu allen so.« Er beugte sich zu ihr vor und fügte vertraulich hinzu: »Die Sanitäter in der Notaufnahme nennen sie Miss PMS.« Er nahm einen Schluck Pepsi und unterdrückte einen Rülpser. »Kopf hoch, Emma, ich bin ganz sicher, dass das nichts Persönliches ist.«

»Warum steht sie dann nach jedem Fehler, den ich mache, mit einem bösartigen Grinsen hinter mir? Während sie natürlich nie was falsch macht.«

Lawrence seufzte. »Hör mal, Kleine, ich weiß es ja auch nicht, aber könnte es nicht sein, dass du ein bisschen überreagierst wegen der alten Geschichte? Du hast gesagt, dass sie lange mit Joe zusammen war, und keiner könnte es dir verdenken, wenn du, na ja, eifersüchtig wärst.«