B wie Bier - Tom Robbins - E-Book

B wie Bier E-Book

Tom Robbins

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es war einmal (ungefähr heute) ein Land (wie wär's mit den Vereinigten Staaten von Amerika?), dessen Bewohner jedes Jahr 36 Milliarden Gallonen Bier tranken (das ist eine Tatsache, kann man googeln!). Zu den Betroffenen dieser traurigen Zustände zählte auch ein kleines Mädchen, Gracie, sowie eine unaufmerksame Mutter, ein unsensibler Vater und ein schräger Onkel. Und dann war da noch dieses zauberhafte Wesen aus einer anderen Welt: die Bierfee ... Es war einmal auf einem Kindergeburtstag … Das Ding war kaum größer als eine Geburtstagskerze und hatte durchsichtige Flügel. Mehr fasziniert als beunruhigt fragte Gracie: «Wer um alles in der Welt bist du denn?» Offensichtlich erwartete sie keine Antwort. Stell dir also ihre Überraschung vor, als das Wesen mit winziger, glockenheller Stimme erwiderte: «Was glaubst du wohl, ein Zeuge Jehovas etwa? Oder sehe ich aus wie eine Pfadfinderin, die Kekse verkauft?» Und noch ehe die verwunderte Gracie auch nur den Mund aufmachen konnte, fuhr es fort: «Ich bin die Bierfee, verdammt noch mal!»

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 104

Veröffentlichungsjahr: 2013

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Tom Robbins

B wie Bier

Ein Buch für große Kinder

Aus dem Englischen von Pociao

DAS IST FÜR BLINI.

1

Hast du dich auch schon mal gefragt, warum dein Daddy Bier mag? Hast du abends vor dem Einschlafen darüber nachgedacht, warum er sich manchmal so «komisch» benimmt, wenn er Bier getrunken hat? Vielleicht sogar gerätselt, wo das Bier herkommt, weil du ziemlich sicher bist, dass es nicht von einer Kuh stammt? Tja, genau solche Fragen stellte sich Gracie Perkel auch.

«Mommy», fragte Gracie eines Nachmittags, «was ist das Zeug, das Daddy trinkt?»

«Meinst du Kaffee, Schätzchen?»

«Nicht Kaffee. Igitt! Das andere, das gelb ist und aussieht wie Pipi.»

«Gracie!»

«Du sagst auch Pipi.»

«Ja, wenn ich übers Töpfchen rede, dann vielleicht. Aber nicht, wenn es um etwas geht, was man trinkt.» Gracie kicherte. Ihre Mutter war damit beschäftigt, schmutzige Wäsche in die Waschmaschine zu stopfen, und sagte, ohne aufzusehen: «Ich glaube, du meinst Bier, Kleines.»

«Ja», quietschte Gracie. «Genau. Bier. Das Zeug, das man immer im Fernsehen sieht. ‹Mehr Geschmack.› ‹Weniger Kalorien.› ‹Mehr Geschmack.›

‹Weniger Kalorien›», zitierte sie mit tiefer Stimme und kicherte erneut. «Ist es so was wie Pepsi für komische alte Männer?»

Mrs.Perkel lächelte, aber es war so ein schwaches, jämmerliches Lächeln, dass ein Kätzchen es halbwegs bis nach Milwaukee hätte schießen können. Sie hielt in ihrer Arbeit inne und blickte aus dem Fenster der Waschküche. Die Wolken sahen genauso aus wie ein großer Stapel schmutziger Wäsche. Das war nichts Ungewöhnliches, denn die Perkel-Familie, musst du wissen, wohnte in Seattle.

Hast du schon mal von Nieselregen gehört, diesem feinen, weichen Niederschlag, den man mit einem schlimmen Fall von Hexenmasern verwechseln könnte? Seattle ist das Hauptquartier des Nieselregens auf der ganzen Welt. Im Herbst hinterlässt er überall einen feuchten grauen Ausschlag, als wäre die Stadt ein Baby, das zu lange in feuchten Windeln gelegen hatte und anschließend in Zeitungspapier gewickelt wurde. Wenn dann noch ein schneidender Wind hinzukommt, wie an diesem Tag, haben die Leute in Seattle manchmal das Gefühl, sie wären in einem schäbigen chinesischen Restaurant gelandet, einer zwielichtigen Spelunke, wo die Kellner unfreundlich, die Nudeln matschig und die Tapeten einen Stich zu grün sind. Zwar steckt in jedem Glückskeks eine geheimnisvolle Gedichtzeile, aber garantiert kippt irgendwer seinen Tee über deinen Lieblingspullover. So ungefähr muss Mrs.Perkel es empfunden haben, denn sie seufzte beim Anblick der lappigen, mit Schweinefleisch gefüllten Teigtaschen am Himmel (oder waren es durchgeweichte Pampers?) und sagte zu Gracie: «Wenn du mehr über Bier wissen willst, musst du deinen Vater fragen.»

Trotz der kuschelweichen, flauschig warmen Bunny-Slipper an ihren Füßen schlich sich Gracie auf Zehenspitzen ins Arbeitszimmer. Ihr Daddy guckte Football auf dem neuen Plasma-Bildschirm, und wenn die University of Washington schon wieder verlor, würde er ziemlich miese Laune haben. Auweia. Sie hatte ein böses Wort aufgeschnappt. UW verlor. Als sie aber sah, dass Onkel Moe vorbeigekommen war, um das Spiel mitzugucken und wie üblich ein paar Bierchen zu schnorren, war sie erleichtert.

Onkel Moe nahm Sport nicht besonders ernst. Er behauptete, er sei ein Philosoph, wenn du weißt, was das ist. Er hatte an einem runden Dutzend Unis Examen gemacht, schien nur selten zu arbeiten und war fast überall auf der Welt gewesen, wo man hinkonnte, ohne Kopf und Kragen zu riskieren. Mrs.Perkel nannte ihn einen «Spinner», doch Gracie mochte Onkel Moe. Ihr war es egal, dass sein Gesicht aussah wie die Spüle mit dem Geschirr von gestern Abend oder dass sein Schnurrbart an einen toten Spatz erinnerte.

Zaghaft berührte Gracie Mr.Perkel am Ellbogen. Ihre Stimme klang schüchtern, ja piepsig, als sie fragte: «Darf ich mal von deinem Bier probieren, Daddy?»

«Kommt nicht in Frage», brummte ihr Vater über die Schulter, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen. «Bier ist was für Erwachsene.»

Gracie wandte sich Onkel Moe zu, der grinste und ihr ein Zeichen gab, genau wie sie gehofft hatte. Er streckte ihr seine Bierdose entgegen – und so probierte die kleine Gracie Perkel hinter dem Rücken ihres Vaters ihren ersten Schluck.

«Igitt!» Sie zog eine Grimasse. «Es ist bitter.»

«Damit es den Durst besser löschen kann, Kleines.»

«Wieso ist es denn so bitter, Onkel Moe?»

«Weil es aus Hopfen gemacht wird.»

Gracie zog noch eine Grimasse. «Du meinst diese komischen Dinger, die man in Flaschen steckt…?»

«Nein, Herzchen, ich meine keine Pfropfen. Und auch keine Stopfen. Hopfen ist ein Gemüse, das ein bisschen komisch riecht; nicht mal Veganer würden es anrühren. Die Bauern trocknen die Blüten und nennen sie Hopfen. Ich sollte erwähnen, dass nur die weiblichen Pflanzen zum Biermachen verwendet werden; vielleicht ist das der Grund, warum Männer Bier so lieben. Hat wohl mit dem Paarungstrieb zu tun.»

«Moe!»

Gracies Onkel ignorierte ihren Vater. «Jedenfalls ist es so», fuhr er fort. «Wenn die Bierbrauer Hopfen und Hefe, Gerste und Wasser mischen und das Ganze gären – also verfaulen – lassen, kommt wie durch ein Wunder ein Elixier heraus, das brodelt wie ein ausgelassener Plebs und sich trotzdem in einem majestätisch goldenen Glanz sonnt. Es hat nichts als Unsinn im Sinn und ist so phänomenal inspirierend, dass es die Seele ergreift und in jene ätherische Sphäre erhebt, wo sich, um mit Baudelaire zu sprechen, sämtliche menschlichen Flausen vereinen.»

«Erzähl ihr nicht solchen Schwachsinn. Sie ist erst fünf.»

«Fast sechs», piepste Gracie dazwischen.

«In Italien und Frankreich würde ein Kind in Gracies Alter in ein Lokal gehen, ein Bier bestellen und es serviert bekommen.»

«Yeah, genau, die Leute da haben sie nicht mehr alle.» «Vielleicht – trotzdem gibt es in diesen Ländern erheblich weniger Probleme mit Alkohol als im wohlbehüteten und vernünftigen Amerika.»

Mr.Perkel murmelte etwas Unverständliches in seinen Bart, ehe er sich stirnrunzelnd dem jüngsten Schnitzer der UW widmete. Onkel Moe nahm sich noch ein Bier aus der Kühlbox und hob es in die Luft, damit Gracie es bewundern konnte. «Das Bier haben die alten Ägypter erfunden», sagte er.

«Die mit den Mumien?»

«Genau, aber ich glaube nicht, dass es einen Zusammenhang gibt. Zumindest hoffe ich es. Eigentlich hätten die Ägypter auch Limonade erfinden können – aber sie haben sich für Bier entschieden.»

Während Gracie noch darüber nachdachte, zog Onkel Moe die Metalllasche von seiner Bierdose ab. Man hörte den Knack und dann ein scharfes Zischen. Onkel Moe nahm einen langen Zug, wischte sich den Schaum von seinem traurigen Schnurrbart und sagte: «Apropos Erfindungen, wusstest du, dass Konservendosen schon 1811, Dosenöffner aber erst 1855 erfunden wurden? Echt wahr. In den vierundvierzig Jahren dazwischen mussten hungrige Staatsbürger Hammer und Meißel nehmen, um an ihre Portion Schweinefleisch mit Bohnen zu kommen. Was für ein Glück, dass Bier damals noch nicht in Dosen verkauft wurde, findest du nicht auch?»

In diesem Moment wurde das Quarter abgepfiffen, und Mr.Perkel stand auf, um zur Toilette zu gehen. Ist dir aufgefallen, dass große starke Männer nach dem Genuss von Bier wie junge Hunde pinkeln müssen?

«Hast du schon mal von Julia Child gehört, der berühmten Köchin? Als sie 1948 nach Paris zog, nahm sie einen Kasten amerikanisches Bier mit. Ihr französisches Dienstmädchen hatte noch nie Bier in Dosen gesehen, und als sie leer waren, versuchte es, sie im Klo runterzuspülen. Natürlich war das Klo anschließend völlig verstopft. Der Klempner brauchte fast drei Tage, um die Rohre wieder frei zu kriegen.»

Gracie lachte. Sie warf einen Blick auf die leeren Dosen, die im Wohnzimmer herumlagen, und dachte daran, sie durchs Klo zu spülen. Es wäre ein lustiger Streich, den sie ihrem Daddy spielen könnte. Oder vielleicht doch nicht? Lieber erst nochmal drüber nachdenken.

Erneut reichte Onkel Moe Gracie sein Bier. Sie zögerte, aber sie war ein abenteuerlustiges kleines Mädchen und nahm schließlich noch einen Schluck. Zwar sagte sie diesmal nicht «Igitt!», trotzdem schmeckte es kaum besser als beim ersten Mal.

«Dein Kinderarzt wird dir vermutlich nichts davon erzählen – es sei denn, er wäre Ire, versteht sich–, aber Bier hat einen erstaunlichen Nährwert. Der chinesische Ausdruck für Bier ist ‹flüssiges Brot›.» Onkel Moe unterbrach sich und nahm einen Zug. «Selbst das fürchterlichste Makrogebräu enthält ein Sechserpack an Vitaminen: Thiamin, Riboflavin, Pantothensäure, Pyridoxin, Biotin und… ach ja, Cyanocobalamin. Kannst du Cyanocobalamin sagen?»

«Cyno… Cyho… Cyoballermann… Cy…»

«Okay, das reicht schon. Vermutlich gehören sie alle zur Vitamin-B-Familie, aber wie diese kleinen

Zungenbrecher der Gesundheit genau dienen, weiß ich leider auch nicht.»

Gracie waren die gesundheitlichen Aspekte schnurz. Sie fand Vitamine noch ekliger als Bier.

«Ich sag dir was», meinte Onkel Moe beinahe im Flüsterton. «Am Montag erzählen wir deiner Mutter, dass wir zum Woodland Park gehen. Aber in Wirklichkeit fahren wir mit dem Bus zur Redhook-Brauerei. Da machen wir eine Besichtigung, und du kannst selbst sehen, wie Bier gebraut wird. Sehr lehrreich, Herzchen, wirklich, sehr lehrreich. Anschließend schmuggle ich dich in eine Kneipe, und wir gucken zu, wie der Wirt den Affen zu trinken gibt. Das ist besser als im Zoo.»

Praktisch rülpsend vor Aufregung (oder war es das Bier?), schlich sich Gracie hinaus. Ihr Geburtstag war noch so verdammt weit weg, dass sie Angst hatte, ein Teenager zu sein, bevor sie jemals sechs wurde, aber jetzt hatte sie etwas in allernächster Nähe, worauf sie sich freuen konnte.

2

In der Sonntagsschule am nächsten Morgen setzte sich Gracie ganz nach hinten. Wenn es ging, machte sie das immer so, denn sie hatte eine empfindliche Nase und die Lehrerin einen Mundgeruch, der selbst eine Klapperschlange lahmgelegt hätte. Gracie passte nicht besonders auf, eigentlich döste sie nur vor sich hin und träumte von dem rosa Handy und dem Hündchen, die sie sich zum Geburtstag gewünscht hatte, als sie meinte, die Lehrerin hätte etwas über die alten Ägypter gesagt.

Gracie drückte die Pausentaste ihrer Tagtraummaschine und sah genau in dem Augenblick auf, als die Lehrerin fragte: «Also, Kinder, was glaubt ihr, warum der alte Pharao, König von Ägypten, den Befehl gab, alle neugeborenen israelitischen Jungen im Nil zu ertränken?» Gracie, die mittlerweile hellwach war, glaubte die Antwort zu kennen. Sie hob die Hand. «Damit sie nicht erwachsen wurden und ihm das ägyptische Bier wegtranken», sagte sie fröhlich.

Die Lehrerin streifte sie mit einem sehr langen und sehr seltsamen Blick, ehe sie sich daranmachte, die Frage selbst zu beantworten, und dabei verbreitete sie einen Gestank, mit dem sie das Rote Meer hätte teilen und Moses eine Menge Arbeit ersparen können. Später nahm die Lehrerin Mrs.Perkel auf den Stufen vor der Kirche beiseite und sprach mit leiser Stimme auf sie ein, wobei sie Gracie gelegentlich einen Blick von der Seite zuwarf.

Nach dem sonntäglichen Mittagessen, das Gracie und ihre Mom allein einnahmen, weil Mr.Perkel mit seinen Kumpeln zum Golfspielen gefahren war, wurde sie in ihr Zimmer geschickt. Knastzeit. Es machte ihr nicht viel aus, weil sie die Nachmittage oft in ihrem Zimmer verbrachte, wo sie Musik hörte und manchmal auch tanzte: Sie hatte eine ganze Reihe von coolen Schritten in ihrem Repertoire, doch an diesem Tag hatte sie das ungute Gefühl, dass sie strenger bestraft werden würde, wenn ihr Daddy vom Golfplatz zurückkam. (Du weißt doch, was Golf ist, oder? So was Ähnliches wie Basketball für Leute, die nicht springen, oder Schach für Leute, die nicht denken können.) Und was noch schlimmer war, sie hatte keine Ahnung, was sie eigentlich verbrochen hatte.

Aber am Ende fuhr abends die ganze Familie zum Pizzaessen nach Picora, und niemand verlor ein Wort über Gracies Benehmen. Vielleicht hatte der Mundgeruch der Lehrerin auch Mrs.Perkels Erinnerungsvermögen lahmgelegt.

Auf alle Fälle schlief Gracie an diesem Abend mit einem heimlichen Grinsen ein, weil Onkel Moe und sie am nächsten Morgen ein Abenteuer vorhatten. Und weil sie kein israelitischer kleiner Junge im alten Ägypten war.

3

Hast du schon mal das Gefühl gehabt – oder dir vorgestellt