Villa Incognito - Tom Robbins - E-Book

Villa Incognito E-Book

Tom Robbins

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Beschreibung

Chaos in Laos – Tom Robbins ist Kult. Villa Incognito – ein Paradies im laotischen Dschungel. Vorzügliche Currys, charmante Konkubinen, Philosophiestunden jederzeit gratis. Kommen Sie her, aber sind Sie schwindelfrei? Der einzige Weg führt übers Hochseil. Passen Sie auf. Aber das alles ist besser, als in New York herumzuhängen. Und für Notfälle haben wir hier auch einen falschen Priester. Eine wilde Fabel, die keinen Lachmuskel untrainiert, keine Weisheit ungewendet und keine suchende Seele unerleuchtet lässt. «Robbins fährt mal wieder mächtig auf. Das ist Kunst.» (Rolling Stone) «Der beste Schriftsteller der Welt.» (Thomas Pynchon) «Eine Menge Spaß, vermengt mit einer nicht zu knappen Dosis Tiefsinn.» (Berliner Zeitung)

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Seitenzahl: 364

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Tom Robbins

Villa Incognito

Roman

Aus dem Englischen von Pociao und Roberto de Hollanda

Für Alexa, wen sonst?

«Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.»

Bertolt Brecht, Dreigroschenoper

ERSTER TEIL

Esheißt, Tanuki hätte seinen Hodensack als Fallschirm benutzt, als er vom Himmel fiel.

Erst mal gar nicht so abwegig, wenn man Tanukis außergewöhnlich großes Gehänge in Betracht zieht.

Tja, okay, aber eigentlich doch – vor allem, weil es im Verhältnis zu seiner gesamten Körpermasse erheblich größer ist als das eines Elefanten, eines Wals oder das von Jolly Green Giant. Mag sein, dass Tanukis Skrotum damals sogar noch größer war als heute, auch wenn dies kaum vorstellbar ist, weil seine Klöten ja schon fast am Boden schleiften und jedes Mehr an Volumen zweifellos seine Mobilität behindert hätte und obendrein gewiss schmerzhaft gewesen wäre. Denkbar wäre aber auch, dass Tanuki imstande war und vielleicht immer noch ist, seinen Hodensack nach Belieben zu vergrößern oder zu verkleinern.

Dennoch müssen wir einräumen, dass es einigermaßen schwierig ist, zu bestimmen, welche Rolle anatomische Größe per se in Tanukis Familie spielt. Doch wichtiger, als zu wissen, wie es dem Dachs gelang, mit Hilfe seiner bemerkenswerten Samenhülle auf der Erde zu landen, scheint die Frage zu sein, woher er eigentlich kam. Und warum.

Klopf! Klopf!

«Wer da?»

«Tanuki.»

«Tanuki wer?»

«Sei nicht albern. Tanuki persönlich.»

«Ach so. Verstehe. Und wo kommst du her, Tanuki persönlich?»

«Aus der anderen Welt.»

«Welcher anderen Welt?»

«Aus der Welt, die es vor dieser hier gab, du Depp! Der Welt der animalischen Ahnen.» Die Stimme klang wie aus einer Kiesgrube gebuddelt.

«Ah so. Dann verzeih. Also, du ehrenwerter animalischer Ahne. Wie bist du hergelangt?»

«Mit dem Fallschirm. Das ist streng verboten, gegen alle Regeln sozusagen. Aber was soll’s …!»

Der Bauer sah sich nach Spuren von Ausrüstung um, insbesondere nach dem seidenen Fallschirm und dem Gurtwerk.

«Vergiss es», brummte Tanuki.

«Na schön, was suchst du hier?»

«Reiswein.»

«Sake? Kann ich verstehen, aber das nehme ich dir nicht ab. So, wie du grinst, hast du schon mehr als genug Reiswein intus. Gibt es noch andere Gründe?»

«Ja. Mädchen. Hübsche junge Dinger.»

Der Mann prustete dermaßen los, dass ihm ein Popel aus der Nase flog. «Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Kein Mädchen würde sich mit einem so komischen Kerl wie dir einlassen.»

«Da wäre ich mir nicht so sicher, du Hornochse!», fauchte Tanuki und versetzte dem Mann einen heftigen Schlag in die Magengrube, sodass der auf die Erde fiel, nach Luft japste und kein Wort mehr herausbekam. Dann watschelte der Dachs mit seinem dicken Bauch, der wie ein Weihnachtsmann-Implantat hin und her schwang, auf den Hinterbeinen zum Brunnen, wo die Tochter des Bauern die Wasserkrüge füllte, und fixierte sie mit seinem Hochspannungsgrinsen. Es war ein breites Grinsen, so überhitzt, manisch und wild, dass es den Spiegel eines Gruselkabinetts zum Splittern gebracht oder den Stäbchen in einer Mädchenfrisur den Lack abgepellt hätte.

Esfolgt eine kurze, nur unvollständige Erläuterung zu Tanukis Wesen. Obwohl ihn alle Welt als «Dachs» betrachtet, ist Tanuki wissenschaftlich gesehen überhaupt kein Dachs. Jeder Zoologe wird gern bestätigen, dass Tanukis zur Gattung der ostasiatischen Wildhunde gehören (Nyctereutes procyonoides). Sie besitzen die lange Schnauze, Färbung und Zeichnung eines Waschbären, nicht aber dessen berühmten geringelten Schwanz.

Die Tatsache, dass Tanukis fast schwanzlos sind und gern aufrecht gehen, spielt zweifellos eine Rolle bei der Frage, warum man den Tanuki generell in einem derart anthropomorphen Licht betrachtet. Am Rande eines dunklen Waldes könnte man als suggestibler Mensch einen Tanuki auf den ersten Blick für ein etwas klein geratenes menschliches Wesen halten. Doch dank seiner übernatürlichen Kräfte gibt es tatsächlich noch einen legitimeren Grund für den anthropomorphen Ruf der Tanukis, wie wir bald sehen werden.

Bevor wir aber fortfahren, möchten wir darauf eingehen, dass dem aufmerksamen Leser in unserem Bericht vermutlich eine offensichtliche, vielleicht sogar verwirrende Inkonsequenz aufgefallen ist. Wenn der Autor nicht einfach nur schlampig oder unzuverlässig ist, warum schreibt er dann manchmal «Tanuki». (Singular, Eigenname) und manchmal, sogar im selben Absatz, «Tanukis» (Plural, Gattungsbegriff)? Die Erklärung ist ganz einfach. Dieses dachsartige Geschöpf ist wie Gott einer und viele zugleich.

Beides. Im gleichen Augenblick. Wie Gott.

Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit dem Unergründlichen beschäftigt hat, weiß, dass «Gott» und «Götter» austauschbare Begriffe sind. Die Anhänger des exklusivistischen und patriarchalischen Jehova/​Allah haben nicht Unrecht, wenn sie behaupten, es gäbe nur einen Allmächtigen, und «er» sei unveränderlich und unumstößlich. Aber auch die naiven Heiden und Primitiven liegen nicht falsch, wenn sie Götter des Feuers ebenso wie Götter der Flüsse anbeten. Wenn sie die Mondgöttin, den Geist des Krokodils oder Götter verehren, die – um nur einige Orte zu nennen – in Baumstämmen wohnen oder in Regenwolken, in Peyote-Buttons oder Neonröhren (vor allem den rhythmisch aufleuchtenden weißen und grünen).

Wenn der Leser/​die Leserin weise und geistig flexibel genug ist, das göttliche Prinzip nicht durch menschliche Beschränktheit und Alleinansprüche einzuengen, wird er/​sie einsehen, dass man gleichzeitig monotheistisch und pantheistisch sein kann (es vielleicht sogar sein sollte!). Dann wird er/​sie es leichter haben, das paradoxe Wesen unseres kleinen Freundes Tanuki von den Tanukis zu verstehen.

Die Tochter am Brunnen schien zunächst gewillt, Tanukis Einladung zu einem Schäferstündchen anzunehmen. Schließlich war sie auf einem Bauernhof aufgewachsen, und die Begattungsrituale der Tiere waren ihr ebenso vertraut wie das Sprießen von jungem Reis oder das Heranreifen der Pflaumen. Daher war ihr auch der sexuelle Verkehr mit Tieren nicht fremd, denn sie hatte Brüder, Vettern und Nachbarsjungen, die sich gelegentlich so verlustierten. Wenn wir nur selten, falls überhaupt, von Mädchen erfahren, die solch schmutzigen Praktiken frönen, dann bestimmt nicht, weil Mädchen vom Lande weniger scharf als ihre männlichen Partner sind. Vielleicht hängt es mit dem allgemeinen Charakter von Mädchen zusammen, der klarer, zurückhaltender, empfindsamer und feiner ist als der ihrer raubeinigen männlichen Gleichaltrigen. Möglicherweise ist es aber auch nur eine Frage der Logistik: Ein hormongesteuerter junger Mann kann durchaus ein Schaf besteigen, aber die Vorstellung eines Mädchens, das sich einem Bock darbietet, ist nicht nur abwegig, sondern beinahe undenkbar. Es würde den Einfallsreichtum des Mädchens auf eine harte Probe stellen und den Bock vermutlich ziemlich verwirren.

Aber Tanuki war kein gewöhnliches Tier. Er ging aufrecht, hatte einen charmanten Akzent, ein selbstbewusstes, exotisches Auftreten und ein fesselndes, zuweilen enervierendes Grinsen. So süß war er und so verführerisch, dass sie schon bald die Schärpe ihres Kimonos zu lösen begann. Doch als er sich dann damit brüstete, wie er vor kurzem mit dem Fallschirm von der anderen Welt auf die Erde abgesprungen war, bekam sie es mit der Angst. Sie lief zurück zum Bauernhaus und verriegelte die Tür. «Mir war, als hätte ich einen Dämon gesehen», erzählte sie ihrer Mutter als Erklärung, warum sie erhitzt und ohne Wasser zurückgekehrt war.

Niedergeschlagen klaute Tanuki ein kleines Fässchen mit Sake, das zum Kühlen im Brunnen lag, und trollte sich in den Wald, um nachzudenken. Mitten in der Nacht, als er bereits ziemlich beschwipst war, fing er an, auf seine Wampe zu trommeln, wie Tanukis es hin und wieder tun. Das pla-bonga, pla-bonga seiner Bauchtrommel lockte schließlich einen Kitsune an. Einen Fuchs.

«Schwachkopf!», schimpfte Kitsune, als Tanuki über seine klägliche Abfuhr jammerte. «Wie kannst du nur so naiv sein und einem Menschen die Wahrheit sagen? Die Menschen leben in einem endlosen Gespinst von Illusionen. Religion. Patriotismus. Wirtschaft. Mode. Und so weiter. Wenn du die Gunst der Zweibeiner gewinnen willst, musst du lernen, etwas genauso frech zu erfinden wie sie. Übrigens hilft es, gelegentlich ihre seit Urzeiten unveränderten Illusionen zu sabotieren, denn dann sind sie gezwungen, aus der Frustration heraus ganz neue Möglichkeiten für ihre Spezies zu entwickeln. Doch das ist wahrscheinlich eine Mission, für die du weder Interesse aufbringst noch richtig geeignet wärst. Also belüge die Menschen nach Strich und Faden und zieh deinen Nutzen draus – aber vergiss nie, vor dir selbst immer aufrichtig zu sein.»

Der betrunkene Dachs bekam nicht alle weisen Ratschläge des Fuchses mit, doch das Wichtigste blieb haften. Als er das nächste Mal bei Einbruch der Dunkelheit am Brunnen auftauchte, versuchte er es mit einer neuen Masche. «Meine hübsche Kirschblüte», säuselte er der Bauerntochter ins Ohr. «Ich bin in Wirklichkeit nur ein ganz gewöhnliches Tier aus dem Wald, das du mit deiner Schönheit verzaubert hast. Angesichts des enormen Verlangens, deine zarte Hand zu halten und deinen wohlgeformten Nacken zu liebkosen, habe ich mich gestern wohl etwas im Ton vergriffen.»

«Oje», seufzte das Mädchen. Und während seine kleinen Finger ihre Schärpe lösten, beobachtete sie ihn mit einer Mischung aus Mitleid, Eitelkeit und Ehrfurcht.

Nach vollzogenem Akt ließ Tanuki das Mädchen erschöpft im Moos liegen und klopfte an die Tür des Bauern. «Verzeiht mir zehntausendmal, ehrenwerter Herr», sagte Tanuki mit einer tiefen Verbeugung. «Ich fürchte, ich war gestern nicht nur unhöflich, als ich so abrupt unser Gespräch unterbrach, sondern habe auch ein wenig übertrieben. Seht mich an, mein Herr! Seht mich genau an. Natürlich bin ich kein animalischer Ahne. Das wäre ja absurd! Nein, ich bin nur ein armes Waisenkind aus dem Wald, das gerade eine Pechsträhne hat und halb verhungert ist. Dieses Jahr sind Frösche und wilde Zwiebeln rar, und mein leerer Magen wäre Euch ewig dankbar, wenn …»

Ein wenig misstrauisch stellte ihm der Bauer eine Schale mit gekochtem Reis neben die Küchentür. Tanuki begann zu fressen, nahm absichtlich nur kleine Bissen und kaute sehr, sehr langsam. Als sein Gastgeber nach einer Weile gelangweilt seine Aufmerksamkeit wieder der Hausarbeit zuwandte, griff der Dachs plötzlich nach einem Fässchen Sake, das fast so groß war wie er selbst, und verschwand mit wirbelnden Beinchen und heftig baumelndem Beutel im Gebüsch, auf der Flucht vor der Axt des Bauern.

An diesem Abend betrank sich Tanuki derart begeistert, dass es sogar dem Sake schwindelig wurde. Dazu trommelte er auf seinen dicken Bauch – pla-bonga, pla-bonga –, und sein Grinsen duellierte sich mit dem Mond.

Tanuki liebte selbst gebrannten Sake. Er liebte es, im Mondlicht seinen Bauchtrommeltanz zu zelebrieren, und er liebte es, sich an fetten Fröschen und Yamswurzeln gütlich zu tun, aber am allerliebsten vernaschte er junge Frauen. Dem ersten Erfolg mit der Bauerntochter folgten viele weitere Eroberungen. Im Lauf der Jahre genoss er zahllose Erfolge dieser Art. Diese Begegnungen machten ihm enormen Spaß, trotz der Tatsache, dass einige Mädchen später ziemlich merkwürdige Kinder zur Welt brachten. Deren Familien hielten sie für Dämonen und warfen sie entweder von einer Klippe oder ertränkten sie im nächstgelegenen Fluss.

Schließlich aber hatte Tanuki die Nase voll von der offenen, schlichten Art der Bauernmädchen. Er begann, in die Städte einzudringen, wo die Frauen charmant und gebildet waren, sich in teure Seide kleideten, Gedichte rezitierten, erheblich besseren Sake tranken und nach Puder und Parfum dufteten statt nach Stall und Schweiß.

Wenn er sich in einen Garten oder Innenhof geschlichen hatte, schlenderte er mit schwingendem Gehänge und feurigem Grinsen zu einer der anwesenden Frauen. «Verzeiht mir», sagte er dann. «Ich bin ein einsamer Bewohner der violetten Berge, der nur von Eurer blendenden Schönheit in die Stadt gelockt wurde, und mein unschuldiges Wesen sehnt sich …»

Die Reaktion hing vom Alter der jeweiligen Frau ab. Wirklich junge Mädchen – fünfzehn, sechzehn oder siebzehn Jahre alt – kreischten, als hätte Godzilla ein Ei in ihrem Badewasser ausgebrütet, nahmen ihre Getas in die Hand und liefen so schnell sie konnten ins sichere Haus. Mädchen in den Zwanzigern dagegen warfen ihm ihre Getas an den Kopf, warfen Bücher, Flöten, Teekannen, Eisenlaternen, Tintenfässer und Steine, und zwar mit einer solch gewaltigen Wucht, dass er Fersengeld geben musste, um sich in Sicherheit zu bringen. War das Objekt seiner Begierde aber dreißig oder älter, warf es ihm einen ruhigen, verächtlichen Blick zu, drohte ihm mit dem spitzen lackierten Zeigefinger und wies ihn kalt zurecht: «Du verstänkerst meine Chrysanthemenbeete, du obszöner Affe. Verkriech dich wieder in deinen schmutzigen Bau, sonst macht mein Diener Hackfleisch aus dir.»

Jede weitere Abfuhr raubte Tanuki ein Stück mehr von seinem Selbstvertrauen, sodass es schließlich bis auf die Knochen abgenagt war. Mit eingekniffenem Schwanz – falls man diesen Stummel als Schwanz bezeichnen kann – verkroch er sich wieder in die Berge, so tief, dass weder das Licht einer Stadt, eines Dorfes noch eines Weilers die stummen Funksignale der Sterne dämpfen konnte. Nach einem halbherzigen Mahl aus modrig-blättrigen Pilzen schlürfte er ein Fässchen (selbst gebrannten) gestohlenen Reiswein und begann dann ein halbherziges müdes Tänzchen auf den abgefallenen Blättern. Gegen Mitternacht tauchte der Fuchs auf.

«Was für ein armseliges Konzert!», schimpfte Kitsune. «Da könnte ja selbst ich mit einem Zahnstocher auf Dampfklößen bessere pla-bongas produzieren als du auf deinem Bauch. Hast du denn überhaupt kein Gefühl für Rhythmus mehr?»

Statt seinem ersten Impuls zu folgen und dem Fuchs das leere Fass an den Kopf zu schleudern, fing Tanuki an, die lange Liste seiner jämmerlichen Misserfolge in der Stadt herunterzuleiern. Es scherte ihn nicht mal, dass er dabei sein Gesicht verlor, und zwar eimerweise.

Kitsune schüttelte den orangeroten Kopf. «Es ist mir völlig schleierhaft, wie du zu deinem Ruf als Schlitzohr gekommen bist. Jetzt hör mal gut zu, Sonnyboy! Zwar kann man alle Menschen übers Ohr hauen, aber nicht alle auf die gleiche Art und Weise. Den Köder, mit dem man einen Hinterwäldler angelt, wird ein gebildeter Kosmopolit ausspucken – oder er beißt erst gar nicht an. Es sei denn, der Köder ist mit Geld gespickt, jener verhängnisvollen Verlockung, die jeden Menschen, gleich welcher Fasson, zum Fisch degradiert.»

«Ich habe nur gehört, dass man Sake dafür bekommen kann», entgegnete Tanuki. «Den guten.»

«Gewiss, aber du müsstest ja erst das Geld stehlen, um es dann gegen Sake einzutauschen. Warum nicht gleich den Reiswein stehlen und auf den Zwischenhändler pfeifen? Geld! Bevor es erfunden wurde, waren die Menschen fast so schlau wie wir. Nicht dass du besonders schlau wärst! Diese ‹Bitte, hab mich lieb, weil ich ein einsames kleines Kuscheltier bin›-Masche ist doch was für Amateure. Für Haustiere und Teddybären. Du hast das komplizierte Gewirr des menschlichen Geistes immer noch nicht durchschaut. Nun, eins will ich dir verraten. Wenn du dich auf dem Futon einer Dame aalen willst, dann musst du die Gestalt eines Herren annehmen.»

«Aber wie soll …»

«Wie? Wie? Bist du nun ein animalischer Ahne, oder nicht?» Nachdem ihm unmissverständlich klar geworden war, dass er an diesem Abend auf der Lichtung des Dachses weder was zu futtern oder zu trinken noch eine vernünftige Unterhaltung erwarten konnte, trabte Kitsune verärgert zurück in den Wald.

Tanuki legte sich auf das welke Laub und versuchte, wieder den Grad an Nüchternheit zu erlangen, den er brauchte, um das, was der Fuchs gesagt hatte, richtig zu begreifen. Einige Schneeflocken fielen vom Himmel, träge und zögernd. Sie segelten so langsam herab, als ließen sie sich Zeit, damit Tanuki – oder sonst wer – sie bemerkte. Als warteten sie darauf, dass ein staunender Zuschauer ihre Schönheit entdeckte und erkannte, dass keine Schneeflocke der anderen gleicht. Bleibt nur die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Schneeflocken dazu übergingen, ihrer eigenen PR zu glauben?

Das war der erste Schneefall des Winters gewesen. Als es am Ende des Winters, so gegen Mitte März, zum letzten Mal schneite, warf die Gestalt, die sich auf der Lichtung des Dachses erhob, einen menschenähnlichen Schatten. Die Flocken fielen nur geringfügig schneller als ihre unerschrockenen Wegbereiter im November, warfen sich trotz der Brise in die Brust und hauchten zittrig, aber vernehmlich: «Regardez-moi. So was wie mich habt ihr noch nie gesehen und werdet ihr auch nie wieder sehen.» Die allerletzte Flocke in der Schlange (eingebildet bis zum Schluss) landete auf einem Lid, das zu Toshiro Mifune gepasst hätte, inklusive Epikanthus. Von dort schnippte ein Daumen sie ohne viel Federlesens weg. Nicht eine Kralle, sondern ein Daumen.

Tanuki hatte fast den ganzen Winter gebraucht, um seine Verwandlung zu vervollkommnen – falls man von Vervollkommnung überhaupt sprechen kann. Verwandlungen lagen natürlich im Rahmen seiner übernatürlichen Fähigkeiten, aber es war harte Arbeit, und ein Tanuki findet nun mal wenig Gefallen an harter Arbeit. Eine Metamorphose, egal wie vorübergehend sie geplant ist, erfordert äußerste Konzentration und lässt sich nicht etwa wie im Märchen mit einem Zauberstab und einem Simsalabim! bewerkstelligen. Obendrein kommt es vor, dass der gedankenlose Konsum von Sake diverse Schrauben des Verstandes lockert. Folglich konnte man in der Gestalt, die sich vor dem Eingang ihres Baus reckte und streckte, bei näherem Hinsehen so manchen Makel erkennen – kein Wunder angesichts von Tanukis Faulheit und häufiger Trunkenheit.

Er selbst machte sich darüber keine Sorgen. Er zog ohnehin den Dachskörper vor und hielt ihn (nicht ganz ohne Grund) für eine weichere und trotzdem kräftigere, flexiblere und effizientere Hülle als die der berühmtesten Schauspieler, Sportler oder Krieger. Vielleicht hatte er immer noch nicht raus, wie der menschliche Geist funktioniert, kannte sich mittlerweile aber besser denn je mit den biomorphen Grenzen des menschlichen Körpers aus. Neben seiner animalischen Anmut und dem herrlichen Wildgeruch gab es Kleinigkeiten wie ein Fellbüschel hier oder einen scharfen Reißzahn dort, mit denen sich seine neuen Damenbekanntschaften abfinden mussten.

April. Wie ein Juckreiz lag der Frühling über dem Land. Die ganze Landschaft schien sich wach zu kratzen – träge und träumerisch, gelegentlich aber auch so heftig, dass die Nägel auf Knochen stießen, altes kaltes Kalzium unter unseren diversen prickelnden Gelüsten. Winzige Frösche wurden aus Dreck und Schlamm gescharrt und unvermutet ins Wachsein katapultiert. Winzige Knospen, leuchtend wie Blasen, aus den Hartholzzweigen gescheuert. Und die Bäume, die so besoffen waren von ihrem Saft, wie Tanuki es vom Alkohol nie sein würde (obwohl sie sehr viel mehr Würde ausstrahlten), schrappten lange Blue Notes vom Himmel.

Tausende von Insekten ließen ihren Motor warmlaufen und warteten nervös auf den diesjährigen Grand Prix von Nektar und Blut. Das satte Schwarz der im Dezemberschnee so bedrohlichen Krähen verblasste. Die zarten Farben des Frühlings nahmen vorweg, was Technicolor eines Tages aus Boris Karloff machen sollte. Doch kein sanfter goldener Strahl hatte ihre unheimlichen Schreie mildern können, und so probten die Krähen ungerührt weiter für ihre Dämonenrolle in einem imaginären Kabuki-Stück. Ihr Kreischen übertönte in regelmäßigen Abständen das Piepsen und Summen ringsum. Es hatte wohl die Funktion eines Signalhorns, denn mittlerweile war die Natur definitiv auf den Beinen und traf Anstalten, sich tüchtig ins Zeug zu legen.

Auch Tanuki stand auf und blinzelte in die Morgensonne. Er wusch sich das Gesicht, inspizierte die Vorräte in seiner Speisekammer und packte ein wenig Proviant in ein blauweißes Bento-Tuch. Der Frühling hat etwas an sich, das jeden Zweifel ausräumt. Wenn der April kommt, macht sich das Veilchen keine Sorgen mehr, ob seine Karriere am Ende sein könnte. Der Müllerssohn glaubt wieder daran, dass er die Prinzessin erobern kann. Gräser und alte Jungfern werfen ihre frostige Rüstung ab. Genauso zuversichtlich war offenbar auch Tanuki.

Mit seinem animalischen Körper kletterte er einen blumenübersäten Hang bis hinauf zu einem Felsmassiv, wo Flechten blühten wie ein Hautausschlag, und stieß vor bis zum Fuß eines Wasserfalls. Dort begann er, Bambus zu schlagen und Stämme zu sammeln, offensichtlich in der Absicht, sich ein Floß zu bauen. Doch stellte sich bald heraus, dass die Holzbearbeitung und das Verbinden der Stämme mehr Arbeit machte, als der Dachs gedacht hatte. Nach einer schweißtreibenden Stunde gab er auf.

Anschließend watete er in den Fluss und ließ seinen aufgeblähten Hodensack auf der Wasseroberfläche treiben, wobei die Klöten als Pontons fungierten. Dann beugte er sich vor und verlagerte sein Gewicht vorsichtig auf diese unglaublichste aller Barkassen. Banzai! Er überließ sich der Strömung, und der von der Schneeschmelze geschwollene Fluss trug Tanuki rasch mit sich. Fünfzig Meilen weit. Bis nach Kyoto.

Meet me in Cognito, baby,

In Cognito we’ll have nothing to hide.

Let’s go incognito, honey,

And let the world believe that we’ve died.

Inkognito, bis über beide Ohren als Mensch verkleidet, verbrachte Tanuki seinen ersten Tag in Kyoto damit, Straßenbahnen und Rikschas aus dem Weg zu gehen und den Kopf einzuziehen, um nicht gegen Lampions mit flackernden Kerzenherzen oder nackte elektrische Glühbirnen zu stoßen. So groß wie ein Mensch zu sein – daran musste er sich erst gewöhnen. Kyoto befand sich in einem Übergangsstadium und trippelte gerade vom Feudalismus in die Moderne. Dieser kontrastive Zustand war unserem seltsamen Besucher in gewissem Sinne ganz recht, denn Tanuki, der animalische Ahne, lebte außerhalb der Zeit. Zwar kam er mit allen möglichen Arten von Anachronismen zurecht, doch das Stadtleben war nicht seine Sache. Leider haben sich Zivilisation und wilde Natur noch nie richtig vermischen können, und im vorliegenden Fall konnte man zwar den Quasidachs aus dem Wald, nicht aber den Wald aus dem Quasidachs prügeln.

Die verstohlene Art, mit der er sich in der Stadt herumdrückte, an Garküchen schnüffelte, die Geishas beäugte; die Gier, mit der er den Sake kippte und sein Fleisch verschlang; die lässige Unverfrorenheit, mit der er auf seinen Bauch trommelte oder in den Zähnen stocherte, und das bei gesellschaftlichen Anlässen, wenn er lieber dem Kaiser hätte huldigen oder ein Lieblingshaiku hätte rezitieren sollen, aber auch die Intensität seines Blicks, wenn er zufällig den Mond oder einen Schwarm über sich hinwegfliegender Wildgänse entdeckte: All das entlarvte Tanuki in Kyoto als Landei.

Wie gesagt, an Charme mangelte es ihm nicht, und seine Anziehungskraft hatte die Verwandlung von der Bestie zum Menschen überlebt. Zudem gab es vornehme Stadtfrauen, die seine bäurischen Manieren in der Tat unwiderstehlich fanden, als erregenden Einbruch des Barbarischen in die Zivilisation. Aber rustikales Flair ist eine Sache, und struppige graue Fellbüschel in den Kniekehlen des Liebhabers eine ganz andere – kaum hatte er sich vor ihnen entkleidet, flohen viele Damen und Kurtisanen, so schnell ihre zitternden Beine sie trugen, wieder in die Zivilisation zurück.

Doch nicht alles war verloren. Wie die Weisen uns gelehrt haben, lässt sich über Geschmack nicht streiten. Offensichtlich gibt es Frauen, die auf behaarte Männer abfahren und nicht aus der Fassung geraten, wenn sie ein zottiges Haarbüschel entdecken, das wie eine verirrte Puppenperücke auf dem Körper ihres Bettgenossen sprießt. Schließlich gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass Tanuki ein wilder Kerl war, oder? Die pelzigen Auswüchse gehörten dazu. Mehr oder weniger.

Es gab aber noch ein anderes Problem, einen echten coup de grâce. Nehmen wir an, eine Frau ist seinem rauen Charisma erlegen, und sein absonderliches Fell hat ihre Glut eher entfacht als gedämpft. Die Frau lagert auf ihren seidenen Kissen und erwartet den Eröffnungsstoß, als sich plötzlich der Dachsschwanz aufrichtet. Dieses stummelartige Anhängsel, das er in seiner Schlampigkeit zu transformieren vergaß und sie in ihrer Leidenschaft bislang nicht bemerkte. Jetzt, da ihn die Erregung gepackt hat, flutscht das Teil aus seinem Versteck und fängt an heftig zu wedeln. (Vergessen Sie nicht, dass das Plasma eines Tanukis ziemlich perfekt der Genealogie eines Hundewelpen nachkläfft.) Tja, und damit war dann gewöhnlich die Sache gelaufen. Wäre der Coitus interruptus ein Land, hätte ihm Tanukis Schwanz als Flagge dienen können.

Nur eine von Kyotos Schönheiten, die Dame Ogumata, erlaubte ihm, mit der Aufführung fortzufahren, nachdem der Schwanz die Bühne erobert hatte. Es erübrigt sich, auf das Gefühl des Triumphs einzugehen, das Tanuki beflügelte. Einige Abende später kehrte er erwartungsvoll zu ihrem Haus zurück, doch das Hausmädchen erklärte, seine Herrin sei ans Meer gefahren, «um sich ausgiebig zu erholen».

Tanuki hatte Kyoto bald satt. Die Frauen waren ihm zu wählerisch, die Luft zu rauchig, die Straßen zu überfüllt, die Menschen zu laut, und es gab viel zu viele Regeln. Man konnte die Grillen nicht hören, nicht mal die Hälfte der Sterne sehen, und die Bäume wurden abgeschlagen, um Platz für mehr Häuser und Läden zu schaffen. «Wieso fällen sie die Bäume und lassen die Menschen stehen?», brummte Tanuki. «Bäume sind doch viel nützlicher als Menschen. Jeder weiß das, nur die Menschen nicht.»

Vielleicht lag er da gar nicht so falsch. Bäume produzieren Sauerstoff, Menschen atmen ihn bloß ein, vergiften und missbrauchen ihn. Bäume halten die Erde zusammen; Menschen wühlen sie unablässig auf. Bäume bieten zahllosen Spezies Zuflucht und Schutz, Menschen dagegen bedrohen deren Existenz. Wenn es sie in genügender Anzahl gibt, halten Bäume das Klima im Gleichgewicht; Menschen gefährden den Planeten, indem sie dieses Gleichgewicht zerstören. Im Schatten eines Menschen kann man sich nicht ausruhen, nicht mal, wenn er ein Fettwanst ist. Und ist es nicht erfrischend, dass Bäume periodische Veränderungen durchmachen, ohne deswegen einen Nervenzusammenbruch zu kriegen? Wer strahlt mehr Würde aus – oder die friedlichere spirituelle Präsenz: ein Baum oder der typische Homo sapiens? Und das Beste von allem: Welcher Ahorn, welche Zypresse hat je versucht, einem was anzudrehen, was man gar nicht haben will?

Zu platt? Und wennschon! Tatsache ist, dass unser Freund die Nase allmählich voll hatte. An dem Abend, als er von Ogumatas Flucht erfuhr, zog er sich zwischen einen menschenleeren Kiefernhain und eine alte Steinmauer am Stadtrand zurück, wo er sich in einem nur zehnminütigen Prozess in einen Nyctereutes procyonoides zurückverwandelte. Es war nicht das erste Mal seit der Ankunft in Kyoto, dass er seine Tiergestalt wieder annahm, aber noch nie hatte es sich so gut angefühlt. Genau in dem Augenblick, als seine Verwandlung vollzogen war und er wieder in der geschmeidigen Zähigkeit animalischer Kraft und dem beruhigenden Gewicht schwerer Bälle schwelgte, hörte er ein leises Pfeifen und eine sanfte weibliche Stimme von der Mauer her. «Aha. Ah so. Du warst also wirklich eine Art Magier aus einer anderen Welt!»

Tanuki sträubten sich die Haare. Irgendein schamloses Menschenwesen war ihm gefolgt und hatte seine Verwandlung entdeckt! Das durfte nicht sein! Mit gefletschten Zähnen wirbelte er herum, erhob sich auf die Hinterbeine und fauchte.

«Als wir uns das letzte Mal trafen, warst du nicht so unfreundlich, Tanuki-san.» Die Stimme klang weich, hatte aber einen spöttischen Unterton.

Der Dachs sah eine Gestalt in einem schmalen, unauffällig in der Mauer eingelassenen Tor. «Kennen … kennen wir uns denn?», stammelte er.

«Allerdings!» Die Frau trat aus dem Tor. «Aber es ist zwölf Jahre her, in denen du sicher vielen anderen armen Mädchen dasselbe angetan hast wie mir.»

Der jungen Frau war nicht bewusst, dass für ein Wesen wie ihn zwölf Jahre ihrer Zeitrechnung so viel wie ein ganzes Jahrhundert sein konnten. Oder bloß vier Minuten. Sie wusste nur, dass sie mit neunundzwanzig jetzt ein Dutzend Jahre älter war als in der Nacht, als er sie im Moos neben dem Familienbrunnen vernascht hatte.

Denn ja, sie war die Bauerntochter Miho, seine erste Eroberung, nachdem er sich mit dem Fallschirm von der Wolkenfestung auf die Erde abgeseilt hatte. Dort oben hätte er sich vor einem zornigen Götterrat verantworten müssen, einberufen und geleitet vom verärgerten Gott der Mäßigung und der reichlich angesäuerten Göttin der Nassen Nudeln. (Wenn seine Schutzpatronen, die Göttin für Bagatelldiebstähle, der Gott der Rülpser und der Gott der krummen Touren, ihm nicht zur Flucht verholfen hätten, wäre Tanuki womöglich für immer von unserer Welt verbannt worden. So oder so ähnlich heißt es jedenfalls.)

Miho stellte sich noch einmal vor, und als Tanuki auf sie zuging, erinnerte sie ihren ehemaligen Verführer an ihre kurze Liaison am Brunnen. Sie erzählte, dass sie schwanger geworden sei und ein wundervolles, in jeder Hinsicht normales Baby auf die Welt gebracht habe – abgesehen davon, dass seine Ohren ein wenig spitzer als normal waren und es bereits bei der Geburt den winzigen Ansatz eines Schnäuzchens hatte, was allerdings nur einem unverbesserlichen Prinzipienreiter aufgefallen wäre. Ach ja, und sein Hodensack war halb so groß gewesen wie sein Kopf. Aber es war hübsch. Hübsch und süß. Und es gehörte ihr. Trotzdem hatte ihre Mutter es verflucht, ihre Brüder hatten es ausgelacht, und ihr Vater hatte es in den Abgrund geworfen. Den Abgrund, wo die Wildschweine hausten.

«Dieser Holzkopf!», brummte Tanuki. «Ich hätte ihn noch gründlicher vermöbeln sollen.» Er hielt inne. «Aber sein Sake ist nicht übel.»

Die in Ungnade gefallene Miho war von dem Bauernhof nach Kyoto geflüchtet. «Ich hatte gehofft, als Kurtisane Karriere zu machen», erklärte sie. «Aber jedes Mal, wenn eine Mama-san mich in einem Geishahaus betrachtete, sah sie die Schwangerschaftsstreifen, die dein Sohn auf meinem Bauch hinterlassen hatte, und schickte mich weg. Ich war am Verhungern, hatte keinen Platz zum Schlafen und war auf dem besten Weg, als Straßenmädchen zu enden, als mich die Mönche des Klosters zusammengekauert vor diesem Tor fanden und aufnahmen.»

«Mönche?» Jetzt erst bemerkte Tanuki die vertraute geschwungene Silhouette des Tempeldachs, das sich in der Dunkelheit hinter der Steinmauer erhob. «Ich dachte, Mönche erlauben keine Frauen im Kloster.»

«Ja, aber es sind Zenmönche. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Buddhisten fürchten sie sich nicht vor der Versuchung. Und im Gegensatz zu den blauäugigen europäischen Teufeln, die heutzutage Kyoto unsicher machen, haben sie auch keine Heidenangst vor Ideen, die nicht mit den ihren übereinstimmen. Zenmönche fürchten sich vor gar nichts.» Ein Hauch von Stolz schwang in Mihos Stimme mit. Dann fügte sie hinzu: «Aber ich muss hart arbeiten, die Böden schrubben und das Essen machen. Jeden Morgen stehe ich um vier Uhr auf und komme nur selten vor Mitternacht ins Bett.»

Es gab nur wenig Licht, trotzdem bemerkte Tanuki die Erschöpfung in ihrem Gesicht. Ihre Nase war eine Spur zu schief geraten, der Mund ein Runzel-Gen zu nah an einer Dattelpflaume, um sie als klassische Schönheit gelten zu lassen, doch sie besaß den langen anmutigen Hals, den ihre Landsleute so bewunderten, und bot im Großen und Ganzen einen überaus angenehmen Anblick. Sie könnte noch hübscher sein, dachte Tanuki, wenn diese Mönche nicht so verdammt furchtlos wären, sobald es darum geht, anderen Arbeit aufzuhalsen.

«Ich nehme an, dass du mich hasst», sagte er und scharrte mit der Fußspitze am Boden, als wollte er sich jeden Augenblick davonmachen.

«O nein», antwortete sie hastig. «Ganz und gar nicht. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich Kyoto mit seinen hellen Lichtern, Straßenmusikanten, Tempeln, Samurais, Festen und feinen Kimonos niemals gesehen. Ich würde immer noch im Hof die Hühner füttern und Tag und Nacht einem Schafskopf von Ehemann dienen, statt einem Trupp lebenslustiger Zen-sensai. Du hast das berechenbare Muster meines Lebens durchbrochen. Und auch wenn Ungewissheit und Veränderungen ziemlich unangenehm sein können, ein Leben ohne sie ist nur ein Marionettentheater.»

«Du hörst dich schon genauso an wie die Mönche», brummte Tanuki.

Miho errötete. «Ja, vermutlich haben sie meine Überzeugungen beeinflusst.» Sie zögerte. «Hör mal, Tanuki-san. Ich will dir nicht zu nahe treten … aber zufällig habe ich andere Mädchen in Kyoto getroffen, die ebenfalls einen unehelichen Spross von dir zur Welt gebracht haben, und sie erzählen immer dasselbe. Wir alle laufen mit einem gebrochenen Herzen herum – kein Wunder, immerhin hat man unsere Kinder umgebracht. Das ist ein nie endender Kummer für uns, aber obwohl du unser unschuldiges Verlangen ausgenutzt hast, sind wir froh, dass du unser Leben auf den Kopf gestellt und uns neue Wege gezeigt hast, die wir von allein nie gefunden hätten. Ich glaube, in unser aller Namen zu sprechen, wenn ich sage, wir sind dir dankbar, dass du uns ruiniert hast.» Miho lächelte diskret und senkte den Blick.

Tanuki, der noch wenige Minuten zuvor vor ungerechtfertigter Überheblichkeit gestrotzt hatte wie ein verwöhntes Kind oder der Basketballtrainer eines Colleges, wurde nun ungewöhnlich nachdenklich. Sein Gesicht, das Miho vielleicht wegen der langen abgerundeten Schnauze an einen Fahrradsattel erinnerte, nahm nun einen derart nachdenklichen und versunkenen Ausdruck an, dass man hätte meinen können, der Sitz würde von Buddhas bleischweren Pobacken platt gedrückt.

Er dachte an Kitsune. Der Fuchs spielte den Menschen ständig üble Streiche und behauptete dann, dass sein Unfug ihnen letztendlich zugute komme, weil er sie flexibel und erfinderisch machte – das sei für ihren Fortschritt von entscheidender Bedeutung. Tanuki hatte immer geglaubt, dass der Fuchs sein Verhalten nur hatte rechtfertigen wollen, was gar nicht nötig gewesen wäre. Für ihn – Tanuki – war der Spaß an der Sache Rechtfertigung genug, und der Fortschritt der Menschheit interessierte ihn nicht die Bohne. Wenn aber Miho die Wahrheit sagte, hatte sein sorgloses Vergnügen unbeabsichtigt bei mehreren Frauen positive Veränderungen in Gang gesetzt.

Was sollte er davon halten? Tanuki war unsicher. Er hatte ein bestimmtes Gefühl, doch das war derart überraschend und fremd, dass es in den Annalen des Tanukitums keine Vorläufer hatte. Noch bevor er es richtig fassen konnte, unterbrach Miho seine Gedanken.

«Ich muss jetzt den Abendtisch abräumen», sagte sie. «Ich bin froh, dass ich dir das alles endlich mal sagen konnte. Eines Tages, Tanuki-san, würde ich gern erfahren, was einen bodenständigen Kerl wie dich in die große Stadt verschlagen hat. Komm mal wieder vorbei, dann mache ich uns einen Tee.»

«Sake», entgegnete Tanuki, doch es blieb offen, ob er damit sagen wollte, dass der Sake ihn in die Stadt gelockt hatte oder er sich beim nächsten Mal Reiswein statt Tee wünschte.

Tanuki hatte vorgehabt, in seine alten Jagdgründe zurückzukehren (richtiger wäre vielleicht: seine alten «Trommelgründe»). Die lagen zum größten Teil in der Bergkette, die sich am Rückgrat von Hondo entlangzieht, obwohl er bekanntlich auch das Hinterland von Hokkaido unsicher gemacht hatte. Doch kaum hatte er den Fuß der Hügel westlich von Kyoto erreicht, entdeckte er zufällig eine flache verlassene Höhle, in der er sich verkroch. Um zu trauern.

Ja, so war es. Das neue seltsame Gefühl, das Tanuki überrumpelt hatte, war nichts anderes als Trauer. Vor allem Trauer um seine toten Nachkommen. Diese Empfindung war ebenso irritierend wie fremd. Er mochte sie ganz und gar nicht und fluchte, weil er keinen Sake hatte, mit dem er sie vielleicht hätte vertreiben können. Doch statt in den Höfen der Nachbarschaft ein oder zwei Krüge Reiswein zu organisieren, harrte er in der Höhle aus und stellte sich diesem Gefühl.

In dem steifen schwarzen Buch, das die «europäischen Teufel» immer bei sich hatten, egal, wo sie hingingen, stand der Satz: «Gott vergibt alles, nur nicht die Verzweiflung.» Die Missionare weigerten sich hartnäckig, über solche Aussagen mit den Zenmönchen zu diskutieren, die sie höflich darauf ansprachen. («Die Blauäugigen können weder Weisheit noch Ruhe erlangen», behauptete einer von Mihos sensais, «weil sie alle Hände voll damit zu tun haben, vor Begeisterung über das Leid der Verdammten zu klatschen.») Der ungebildete und desinteressierte Tanuki wäre von selbst niemals darüber gestolpert. Trotzdem besaß er ein instinktives Wissen (eine Intuition, die, zugegeben, gelegentlich von Kitsune wachgerüttelt werden musste), das ihm sagte, Verzweiflung ist letzten Endes selbstzerstörerisch und eine Last für die anderen. Wenn man sich seiner Verzweiflung überlässt, verlieren die Götter früher oder später die Geduld und schicken einem etwas, das einen wirklich zur Verzweiflung treibt.

Was gab wohl den stärksten Ausschlag bei Tanukis Trauer? Das Empfinden eines persönlichen Verlusts? Oder war es der Schmerz über das tragische Phänomen der Kindstötung (die doch in manchen Teilen Asiens Tradition hat)? Und welchen Anteil hatte die simple Neugier, welche Art von Kindern wohl aus seiner speziesübergreifenden Paarung mit Frauen entstanden waren? Wir werden es nie erfahren. Selbst wenn es in der Hauptsache blanke Neugier gewesen wäre, hätte man ihn nicht verurteilen dürfen, denn erst die Neugier – vor allem ein intellektueller Wissensdurst – unterscheidet die wirklich Lebendigen von denen, die nur so tun als ob. Jedenfalls ist es bei Menschen so.

Was auch immer die Trauer des Dachses ausmachte, er schwelgte nur eine Woche darin. Dann schritt er an einem strahlenden Oktobermorgen zur Tat. Mit laut knackenden Sehnen, krachenden Muskeln und knirschenden Knochen – einer physischen Kakophonie, die sämtliche Mäuse, Hasen und Vögel aus der Nachbarschaft in die Flucht schlug – nahm er erneut menschliche Gestalt an und machte sich auf den Weg nach Kyoto.

Meet me in Cognito, baby,

Of course we’ll have to color our hair.

The best thing about life in Cognito

Is that everybody’s nobody there.

Klopf! Klopf!

«Wer da?»

Bevor Tanuki antworten konnte, öffnete sich das Tor einen Spaltbreit und gab den Blick auf Mihos Gesicht frei. Sie wirkte verwirrt.

«Verzeiht, mein Herr, aber das hier ist der Dienstboteneingang.» Offensichtlich hatte man am Hintereingang des Klosters noch nie so einen vornehmen Tokugawa-Kimono gesehen, wie Tanuki ihn trug (er hatte ihn von einer Wäscheleine in einem wohlhabenden Viertel der Stadt mitgehen lassen). «Was wollt …»

«Ich bin’s. Persönlich.»

Tanukis Stimme klang, als hätte man sie mit einem rostigen Topfdeckel aus einem ausgetrockneten Flussbett gescharrt. Sie kam ihr bekannt vor, zweifellos, aber sie konnte sie nicht einordnen, nicht in Verbindung bringen mit dem eleganten, höchstens ein wenig zerzausten Herrn, der vor ihr stand.

«Ich, verdammt! Dein Ruin!»

Plötzlich flammte eine Glühbirne in Mihos Kopf auf. Vielleicht war es auch ein guter alter Lampion. «Oh! Ah so! Tanuki-san! Du hast wieder deinen alten Bäumchen-wechsle-dich-Trick gemacht, was?» Wenn sie Tanuki in seiner menschlichen Gestalt vor sich hatte, empfand sie dasselbe Unbehagen, wie wenn der Abt des Klosters ihr Sutras rezitierte, während er auf dem Klo saß. Trotzdem bat sie ihn herein.

Offenbar war der Abt samt seinen Mönchen an diesem Tag in aller Herrgottsfrühe in die Berge aufgebrochen. Das machten sie jedes Jahr, um das Herbstlaub zu betrachten. Tanuki musste ihnen unterwegs begegnet sein. Sie hatten Miho mit drei Novizen zum Schutz des Klosters zurückgelassen, doch kaum war das morgendliche Zazen vorbei, hatten die Jungs ihre neue Freiheit genutzt und waren mit der Straßenbahn ins Vergnügungsviertel der Stadt gefahren, um irgendeine Kabuki-Vorstellung zu besuchen. So hatten Tanuki und Miho das Kloster für sich.

Wenn man Tanukis Neigungen kennt und Mihos Anfälligkeit erahnt, kann man sich ungefähr vorstellen, was sich an diesem Nachmittag und Abend im Kloster abspielte. Eins mag jedoch verwundern. Miho wollte sich erst näher mit Tanuki einlassen – tafeln, trinken, tanzen oder turteln –, nachdem er sich unter lautem Knacken, Krachen und Knirschen wieder in einen Dachs verwandelt hatte.

Ohne Zweifel war Tanuki von ihrer Forderung überrascht und zugleich gerührt, soweit er zu dieser Art von Empfindung fähig war.

«Mir ist ein echter Bösewicht lieber als ein falscher Held», erklärte sie gelassen. Vermutlich war ihre seltsame Neigung psychologisch erheblich schwieriger zu erklären, aber darüber wollte sie sich nicht auslassen.

Tanuki glaubte, sie gäbe lediglich eine abstruse Zen-Philosophie zum Besten, fasste ihre Aussage jedoch als Kompliment auf und war überzeugter denn je, mit ihr die richtige Wahl getroffen zu haben für … für das, was er im Schilde führte.

Pla-bonga, pla-bonga. Der Klang, satt und rund und trotzdem irgendwie hohl, hallte durch den Tempel und dessen Umgebung. Pla-bonga, pla-bonga. Meilenweit. Manchmal waren es seine Pfoten, die auf dem Wanst den Rhythmus trommelten, während sie im Hof tanzten, manchmal war es sein dicker fester Bauch, der gegen ihren flachen weichen klatschte, als sie … pla-bonga, pla-bonga. Sie ein Meter sechzig, er höchstens halb so groß. Trotzdem gelang es ihm, sie … pla-bonga, pla-bonga. Die Bauern auf den nahe gelegenen Höfen wechselten ernste Blicke. «Sieht ganz danach aus, als stünde ein harter Winter bevor», sagten sie. «Die Tanukis fallen in die Städte ein.»

Die Nachbarn brachten es nicht mit dem Trommeln in Verbindung, aber aus der Ferne schien das Kloster zu glühen und zu leuchten. Kleine Pfützen – keineswegs nur verschütteter Sake – glitzerten auf Mihos Futondecke, den Kacheln neben der Badewanne, auf den Tatami-Matten vor dem Schrein, auf zwei niedrigen Tischplatten und einer Truhe aus Zedernholz.

Er füllte ihr Fass bis zum Anschlag. Dann brachte er es zum Überlaufen. Trotzdem blieb noch genug übrig, um mehrere Räume samt Mobiliar mit einer Glasur zu versehen. Um Mihos eigenen Beitrag bereichert, nicht zu vergessen das silbrige Mondlicht und Spritzer vom besten Wein des Abts, erstrahlte der ganze Tempel in verschärftem Glanz. Zugleich war es – was Außenstehende aber nicht mitkriegten – ziemlich glitschig. Verwegene Mäuse, die durch den viel versprechenden Duft in der Hoffnung auf exotische Gelage angelockt wurden, gerieten ins Schleudern und prallten gegeneinander wie kleine Rennwagen auf einer Eisbahn. Motten und Moskitos klebten an den Wänden und versuchten, sich durch heftiges Flattern zu befreien. Auf dem Boden rieb eine Grille die Beine aneinander und konnte sie nicht mehr lösen.

Die nächsten beiden Tage verbrachte Miho damit, das ganze Kloster zu wischen und zu wienern. Als die Mönche schließlich zurückkehrten, waren alle Spuren von Tanukis Ergüssen beseitigt, obwohl sie selbst beim Gehen immer noch ein wenig tropfte. Die zerbrochenen Becher und den fehlenden Sake mussten die Novizen auf ihre Kappe nehmen.

Fast drei Monate vergingen, ehe Tanuki in den Tempel von Kyoto zurückkehrte.

Klopf! Klopf!

«Wer da?»

«Ich. Persönlich.»

«Der Persönlich, der mich um den Verstand gebracht und dann verlassen hat?» In Mihos Stimme war nicht der geringste Vorwurf zu hören – sie hatte nichts anderes erwartet –, nur ein Hauch von Traurigkeit. Auch in ihrem Gesicht spiegelte sich Kummer, und nachdem sie das kleine Tor geöffnet hatte, fragte er, was es damit auf sich hatte.

«Ich muss den Tempel verlassen», erklärte sie. «Ich werde mich von meinen weisen Mönchen verabschieden müssen.»

«Wegen des Sake?»

«Wegen des Kindes.» Sie klopfte sich auf den Bauch, der noch nicht angefangen hatte zu schwellen.

Tanuki grinste. Man hätte kaum behaupten können, er sei überrascht. Hatte er nicht genug Samen erzeugt, um Atlantis und halb Pompeji wieder zu bevölkern? (Mit was für Bewohnern, ist eine andere Frage.) «Gut», antwortete er schlicht. «Die Mission ist beendet. Ich bin gekommen, um dich mitzunehmen. Du wirst meine Frau sein.»

Miho war verblüfft. «Aber – aber ich kann doch keinen – keinen Dachs heiraten.»

«Ich bin kein Dachs. Und wer sagt, dass du das nicht kannst?»

Sie dachte einen Augenblick nach. «Nun … niemand.» Sie dachte noch etwas länger nach. «Aber ich kann doch nicht im Wald leben wie ein wildes Tier.»

«Natürlich kannst du das.»

«Oh.» Sie hielt inne. «Von der Seite habe ich es noch nie gesehen.»

Eine Stunde später, nach Einbruch der Dämmerung, machte sich das seltsame Paar auf den Weg in die Berge.

Der Weg war leicht mit Pulverschnee bedeckt. Gelegentlich wirbelte ein Windstoß eine kleine Wolke davon auf, die man kaum von dem blassen Reispapiermond über dem Paar oder den Atemwölkchen vor ihrem Mund unterscheiden konnte. Sie hielten sich an der Hand wegen der Wärme darin, und vor ihnen lag steif gefroren der schmale Weg.

Sie waren noch keine drei oder vier Meilen weit gekommen, als ein Trio von ronin, arbeitslosen freiberuflichen Samurai, ihnen den Weg versperrte. Sie waren alternde Relikte aus feudalistischeren Zeiten. Zuerst glaubten die zwielichtigen ronin, Miho hätte ein Kind im Schlepptau. Zwar sprachen ihre lüsternen Blicke Bände, doch das bisschen Ehre, das sie noch besaßen, bewog sie dazu, die Mutter passieren zu lassen. Unglücklicherweise zog genau in diesem Moment eine Wolke vor dem Mond weiter.

«Aha!», rief einer der Samurai. «Seht ihr dasselbe wie ich? Dieses hübsche Flittchen führt ihr Haustier spazieren.» Was für ein Tier, sagte er nicht. Zwar hatte er anlässlich der einen oder anderen Schlacht schon mal Tanukis im Wald trommeln hören, doch war ihm noch nie einer begegnet.

«Das ist kein Haustier», berichtigte ihn Miho scharf. «Es ist mein …» Sie verstummte. Das Wort wollte ihr nicht über die Lippen, und vermutlich war es auch besser so.

Die Männer drängten sich um Miho, was Tanuki zu einem drohenden Knurren veranlasste. Daraufhin zog einer der Samurai ein abgewetztes Schwert aus der Scheide, so alt und verrostet, dass es eher ein Öl- als ein Blutbad hätte vertragen können. Er zielte auf den Kopf des Quasidachses, war aber etwas betrunken und seit Jahren aus der Übung. Tanuki wich ihm mühelos aus und bohrte dem schäbigen Samurai seine Fänge in die Kniescheibe. Das laterale Kollateralband wurde zerfetzt, der mittlere Meniskus gelockert. Der Angreifer brüllte, fasste sich ans Knie und ließ dabei das Schwert fallen. Als das lädierte Bein sein Gewicht nicht mehr halten konnte, brach er zusammen.

Daraufhin wandte sich Tanuki mit gefletschten Zähnen dem zweiten Samurai zu, doch im gleichen Moment schlich sich der dritte von hinten an und verpasste ihm einen derart kräftigen Tritt in den Hintern, dass er in hohem Bogen über den Weg flog und kopfüber im eisigen Sumpf eines Reisfeldes landete. Lachend und sabbernd packten die beiden anderen Samurai Miho an den Armen. Während der eine sich seiner Unterwäsche entledigte, schwang der andere drohend das Schwert.