Barrierefreie Dokumente und PDF - Domingos de Oliveira - E-Book

Barrierefreie Dokumente und PDF E-Book

Domingos de Oliveira

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Beschreibung

Der Einstieg in das Thema barrierefreie PDF kann schwierig sein. In diesem Buch erhalten Sie eine kompakte Einführung. Es richtet sich an Personen, die PDF mit Office barrierefrei umsetzen möchten oder die Umsetzung barrierefreier PDF betreuen. Im ersten Teil des Buches wird gezeigt, was die Barrierefreiheit von Dokumenten und PDF ausmacht und wie behinderte Menschen Dokumente nutzen. Im zweiten Teil geht es um Projektmanagement und Steuerung. Dieser Abschnitt soll Auftraggebern und Dienstleistern die Zusammenarbeit erleichtern und dabei helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Im dritten Teil wird gezeigt, wie barrierefreie Dokumente mit Microsoft Office umgesetzt werden können und worauf bei der Gestaltung von Texten und Grafiken zu achten ist. Es gibt auch Hinweise zur Gestaltung von Informationsgrafiken und Bild-Beschreibungen. Der Autor Domingos de Oliveira arbeitet seit dem Jahr 2010 als Consultant für digitale Barrierefreiheit. Er hat zahlreiche Vorträge und Schulungen zu barrierefreien PDF durchgeführt. Durch seine eigene Blindheit kennt er nicht nur die Perspektive des Umsetzenden, sondern auch jene des Nutzenden barrierefreier und oft genug nicht-barrierefreier Dokumente.

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Inhalt

Einleitung

Grundlagen barrierefreier Dokumente

Rechtliche Vorgaben und Richtlinien

WCAG und EN 301549

PDF Universal Accessibility (PDF UA)

Standards vs. Best Practices

Das Problem Barrierefreiheit in PDF

Wie behinderte Menschen mit Dokumenten arbeiten

Blinde und Sehbehinderte

Motorisch Behinderte

Lese-Einschränkungen

Weitere Behinderungen

Anforderungen an barrierefreie Dokumente

Was heißt Barrierefreiheit bei Dokumenten?

Semantische Formatierungen

Text-Alternativen

Sensorische Informationen

Kontraste und Farben

Tastatur-Bedienung

Anpassbarkeit, Lese-Reihenfolge und Umfließen

Störungsfreiheit

Formulare und Anwendungen

Korrekter Code

Metadaten und Sprache

Empfehlung: Dynamik vermeiden

Multimedia

Empfehlung: Inhaltliche Verständlichkeit

Was in der WCAG nicht vorkommt

Projektmanagement

Eigener Mindest-Standard

Der interne Prozess

Rollen-Verteilung

Viele PDF-Dokumente barrierefrei machen

Expertise und interne Qualifizierung

Anforderungs-Management

Drei Ansatzpunkte für die Barrierefreiheit

Tipps für Auftraggeber

Tipps für Auftragnehmerinnen

Qualitätssicherung

Vorbereitung von Dokumenten

Die Arbeit mit Source-Dokumenten

Inhaltliche Aspekte

Optimierung des Workflows

Entscheidungshilfe: Office oder DTP

Umsetzung mit Microsoft Office

Word

Formatierung

Texte auszeichnen mit Formatvorlagen

Beschreibungen für Grafiken und Bilder

Objekte gruppieren

Verlinkungen

Sprache festlegen

Tabellen

Meta-Daten eingeben

Barrierefreiheit prüfen

PowerPoint

Exkurs: Präsentationen barrierefrei gestalten

Excel

Als barrierefreies PDF exportieren

Zusammenarbeit an Dokumenten

Text-Design

Zielgruppen für barrierefreies Design

Die Rolle der Standards

Schriften und Schrift-Gestaltung

Textfluss und Silbentrennung

Abstände

Sonderformatierung und Hervorhebungen

Schriftgrafiken

Farben und Kontrast

Tabellen

Empfehlungen für Druck

Augenbewegungen und kognitiven Load reduzieren

Ausrichtung nach Rastern

Digitale Alternative zum gedruckten Text

Blindenschrift in gedruckten Publikationen

Grafiken und Bilder

Gestaltung von Informationsgrafiken

Text in Grafiken

Visuelle Gestaltung der Grafik

Umgang mit Effekten

Beschreibungen von Bildern

Der Alternativtext

Die Bildunterschrift

Der Fließtext

Entscheidungsbaum für Bild-Beschreibungen

Tabellen als Alternative

Exkurs: Grenzen von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz

Anhang A: PDFs auf Barrierefreiheit prüfen

PDF Accessibility Checker

Prüfung von barrierefreien PDF-Formularen

Test durch Nutzerinnen

Anhang B: Checklisten für barrierefreie Dokumente und PDF

Allgemeine Anforderungen an Standard-Dokumente

Anforderungen an Tabellen

Anforderungen an Formulare

Anhang C: Glossar

Einleitung

Dieses Buch soll Sie in das Thema barrierefreie Dokumente und PDF einführen. Es richtet sich an Personen, die Dokumente mit Office barrierefrei umsetzen möchten, aber auch an Projekt-Verantwortliche, welche die Qualitätssicherung oder Abläufe zu barrierefreien PDF optimieren wollen.

Das Buch hat vier große Themen:

Barrierefreiheit bei Dokumenten und PDF verstehen

Projektmanagement für barrierefreie Dokumente

barrierefreie Dokumente mit Office-Bordmitteln erstellen

Tipps für Best Practices für Typografie, Informationsgrafiken und Bild-Beschreibungen

Einige Themen werde ich in diesem Buch nicht behandeln: Das Nachbearbeiten von PDF mit Desktop-Publishing-Programmen wie Adobe Acrobat und InDesign sowie programmiertes Verhalten in Dokumenten bleiben außen vor. Leider wird auch das Thema barrierefreie interaktive Formulare nicht behandelt: Das ist mit Microsoft Office derzeit nicht umsetzbar.

Dieses Buch richtet sich an Personen, die einen hohen Grad an Barrierefreiheit für ihre Dokumente erreichen wollen und bereit sind, wo es Ihnen möglich ist, über die Standards hinauszugehen. Wenn Ihr Ziel darin besteht, in einem beliebigen Prüf-Tool lauter grüne Haken zu bekommen, ist das legitim, aber nicht Anspruch dieses Leitfadens. Meines Erachtens ist es wichtiger, eine hohe Zahl an für behinderte Menschen nutzbaren Dokumenten zu generieren. Viele Expertinnen bestehen auf der Einhaltung von technischen Standards, auch wenn sie in der Praxis kaum Vorteile bieten.

In meiner praktischen Arbeit habe ich immer wieder festgestellt, dass der Bedarf an Informationen in Buchform sehr groß ist. Es gibt zwar zahlreiche Informationsquellen im Internet. Doch ist es gerade für Einsteigende schwierig, die Qualität der Informationen zu beurteilen. Die bisherigen Publikationen sind teils sehr umfangreich und im Arbeits-Alltag nicht so leicht aufzunehmen.

Wie in so vielen Bereichen gibt es auch beim Thema barrierefreie Dokumente relativ wenige Informationen von Betroffenen. Es gibt einen Gap zwischen jenen, die Inhalte erstellen und denjenigen, die sie nutzen sollen. Diese Lücke kann ich nicht ganz füllen, aber einen Versuch ist es wert.

Die einzelnen Teile des Buches bauen nicht aufeinander auf. Um das Thema Barrierefreiheit bei Dokumenten zu verstehen, sollten Sie aber zumindest die ersten drei Abschnitte lesen.

Dokumente barrierefrei zu gestalten, lernen Sie nicht durch das Lesen von Büchern, sondern vor allem durch die praktische Arbeit. Sie sollten also die neuen Techniken möglichst zeitnah umsetzen, um von dem Buch profitieren zu können. In der Theorie klingt Vieles einfach und nachvollziehbar, in der Umsetzung wird es dann kompliziert. Ein weiterer Grund für den Hinweis, dass Sie selbst entscheiden müssen, was Sie wann umsetzen, wenn es über die Standards hinausgeht.

Ich habe in diesem Buch die weibliche oder geschlechtsneutrale Formen verwendet, Männer sind mitgemeint. Tatsächlich werden aber die meisten Lesenden dieses Buches weiblich sein. Generell sind Frauen in den Berufen mit Bezug zur digitalen Barrierefreiheit wie Kommunikation oder Design stark vertreten.

Aus praktischen Gründen habe ich auf weiterführende Verweise in diesem Buch verzichtet. Die Zahl an Büchern ist überschaubar und die wenigsten Menschen sind bereit, Links abzutippen. Sie finden auf meiner Website netz-barrierefrei.de zahlreiche weiterführende Links zu den einzelnen Kapiteln. Wenn Sie selbst nach Informationen recherchieren wollen, sollten Sie es direkt auf Englisch versuchen und aktuelle Quellen vorziehen.

Zuletzt noch zu einer Frage, die in meinen Schulungen häufig aufkommt: Müssen wir das jetzt alles umsetzen, was der Oliveira da sagt? Wie so oft ist die Antwort nicht ganz klar. Was durch Gesetze und Richtlinien vorgegeben ist, muss von den zu deren Einhaltung Verpflichteten umgesetzt werden. Das gilt vor allem für alle öffentlichen Institutionen. Das gilt nicht erst seit der EU-Richtlinie 2016-2102, die in diesem Zusammenhang oft erwähnt wird. Vielmehr gibt es die BITV bereits seit 2002, sie hätte also schon seit 20 Jahren umgesetzt werden müssen. Es gibt aber auch eine gewisse Schwammigkeit in den Gesetzen: Einerseits muss Barrierefreiheit nicht umgesetzt werden, wenn sie für die Einrichtung eine unverhältnismäßige Belastung wäre (§ 12 a, Absatz 6 BGG). Andererseits wird durchaus gefordert, dass über die Standards hinausgegangen werden sollte und nutzer-spezifische Anforderungen berücksichtigt werden sollen (§ 3, Absatz 2, Satz 3 BITV).

Um es kurz zu machen: Die Pflicht-Anforderungen müssen naturgemäß erfüllt werden. Für alle optionalen Aspekte möchte ich Sie in die Lage versetzen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Wenn Sie meine Argumente nicht schlüssig finden, steht es Ihnen frei, es anders zu machen.

Zu meinem Hintergrund: Ich arbeite seit dem Jahr 2010 im Bereich digitale Barrierefreiheit. Seit dem Jahr 2017 biete ich Schulungen zur Barrierefreiheit mit Office an. Ich konnte verschiedene Organisationen zum Umgang mit Dokumenten beraten. Daneben kann ich auf über zehn Jahre Tätigkeit als freiberuflicher Online-Redakteur zurückblicken.

Ich bin von Geburt an blind und kenne daher sowohl die Perspektive des von Barrieren Betroffenen als auch jene des Inhalte-Erstellers. Da ich noch einen nutzbaren Sehrest habe, schwanke ich ein wenig zwischen Blindheit und Sehbehinderung. Deshalb kann ich zumindest was Lese-Einschränkungen angeht auch meine eigenen Erfahrungen einfließen lassen.

Grundlagen barrierefreier Dokumente

In diesem Abschnitt möchte ich einige allgemeine Informationen zum Thema barrierefreie Dokumente zusammenfassen. Vorneweg eine kleine Klärung dazu, wie ich die Begriffe in diesem Buch verwende.

Mit Dokumenten sind sämtliche Formate gemeint, in welchem Inhalte weitergegeben werden können. In diesem Buch geht es vor allem um Dokumente, die mit Office erstellt werden können.

Mit Quell-Dokument oder Source-Dokument sind Dokumente gemeint, die in einem Format erstellt wurden, in welchem sie in der Regel nicht final weitergegeben werden. Das sind zum Beispiel Office-Formate, aber auch Latex oder Markdown.

Ich unterscheide zwischen Autoren- und Profi-Tools. Autoren-Tools sind Programme, die in der Regel auch ohne Einarbeitung genutzt werden können, in unserem Fall also fast immer Microsoft Office. Profi-Tools erfordern eine größere Einarbeitung, in unserem Fall sind Programme zum Desktop Publishing (DTP) wie Adobe Acrobat oder Adobe InDesign gemeint.

Rechtliche Vorgaben und Richtlinien

Generell lässt sich bezüglich Barrierefreiheit zwischen verschiedenen Rechtsakten unterscheiden. Gesetze legen allgemeine Vorgaben fest. Diese werden in Verordnungen spezifiziert. Weiterhin gibt es Standards, die konkrete Anforderungen festlegen. Diese Standards können, müssen aber keine Industrie-Normen der ISO oder des DIN sein.

In Deutschland gibt es mehrere relevante Richtlinien und Gesetze, die zur Barrierefreiheit verpflichten. Die Verpflichtung gilt auch für interne Dokumente, wenn die jeweilige Organisation Menschen mit Behinderung beschäftigt.

Das wichtigste Gesetz ist das Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Es formuliert in § 4 allgemeine Anforderungen zur Barrierefreiheit. Diese allgemeinen Anforderungen werden in Verordnungen wie der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung spezifiziert.

Daneben gibt es Gesetze für den Arbeitsplatz wie die Arbeitsstätten-Verordnung. Sie verpflichten zur Barrierefreiheit, wenn ein behinderter Mitarbeiter beschäftigt wird. Öffentliche Einrichtungen sind unabhängig davon immer zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet.

Auch die Behinderten-Rechtskonvention verpflichtet in Artikel 9 dazu, einen barrierefreien Zugang zu Informationen zu schaffen. Weil Deutschland die Konvention ratifiziert hat, ist es verpflichtet, die Vorgaben der Konvention umzusetzen.

In Deutschland gibt es aktuell (2022) für Unternehmen und Non-Profit-Organisationen nur wenige Vorschriften, die sie dazu verpflichten, Dokumente barrierefrei bereit zu stellen. Ausnahme sind arbeitsrechtliche Anforderungen, wenn etwa ein behinderter Mitarbeiter beschäftigt wird. Auch wenn Sie für ein bestimmtes Projekt PDFs erstellen und dafür eine Förderung vom Staat erhalten wird häufig gefordert, dass das PDF barrierefrei ist. Last not least sind auch Organisationen, die sich zu 50 Prozent oder mehr aus öffentlichen Mitteln finanzieren zur Barrierefreiheit verpflichtet.

Ein relativ neues Gesetz ist das Barrierefreiheits-Stärkungs-Gesetz. Es wurde im Mai 2021 verabschiedet und verpflichtet einige Akteure aus der Privat-Wirtschaft zur Barrierefreiheit. Dazu gehören auch die Anbieter von eBooks und eBook-Readern.

Es ist noch nicht festgelegt, welche Vorschriften für die Anbieter gelten werden. Sehr wahrscheinlich wird man für eBooks aber keine eigenen Vorschriften erlassen. Vielmehr wird man auf geltende Standards wie die WCAG bzw. die EN 301 549 zurückgreifen. Diese Standards sind auf alle elektronischen Dokumenten-Formate anwendbar.

In den USA gibt es den Americans with Disabilities Act. Er verpflichtet auch Privatunternehmen zur Barrierefreiheit. Im Zusammenhang mit Webseiten und Apps hat er bereits zu einigen Klagen gegen Privat-Unternehmen geführt. Ist Ihre Organisation in anderen Ländern aktiv, sollten Sie prüfen, ob für Sie spezielle Anforderungen der Barrierefreiheit im Zielland gelten.

WCAG und EN 301549

Das Thema Standards für digitale Barrierefreiheit ist generell nicht leicht zu durchschauen. Wichtig ist vor allem, die Grundlagen der Barrierefreiheit zu verstehen, die Standards auseinanderzuhalten und sinnvoll für die Auftragssteuerung zu verwenden.

Ausschlaggebend für die digitale Barrierefreiheit in Deutschland ist die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0. Sie regelt, welche Anforderungen für die digitale Barrierefreiheit generell gelten. Bis zum Jahr 2019 enthielt sie eigene Anforderungen zur Barrierefreiheit. Seit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2016-2102 in deutsches Recht im Mai 2019 enthält die BITV keine technischen Anforderungen an die Barrierefreiheit mehr. Vielmehr verweist sie in § 3 Absatz 2 auf harmonisierte Standards der Europäischen Union. Dieser harmonisierte Standard ist die EU-Norm EN 301 549. Diese Norm hat Versionsnummern und wird regelmäßig weiterentwickelt und ergänzt.

Die EN 301 549 wird von der ETSI entwickelt, dem European Telecommunications Standards Institute. Die Norm formuliert Anforderungen zur Barrierefreiheit bei technischen Systemen. Anforderungen an Non-web documents werden in Kapitel 10 des Standards zusammengefasst. Im Prinzip ist die EN 301549 in diesem Bereich die Umsetzung der WCAG in eine EU-Norm.

Die WCAG werden von der Web Accessibility Initiative (WAI) erstellt und betreut. Die WAI ihrerseits ist eine Arbeitsgruppe innerhalb des W3C.

Die WCAG soll prinzipiell auf alle denkbaren digitalen Oberflächen bzw. Inhalte anwendbar sein. Ihr Schwerpunkt liegt aber ganz klar auf Webseiten. Nicht alle Anforderungen der WCAG lassen sich auf Nicht-Web-Dokumente übertragen. Auch fast alle Materialien der WAI beschäftigen sich mit barrierefreien Webseiten.

Alle Kriterien der WCAG sind drei Konformitätsstufen zugeordnet: A, AA und AAA, wobei A die Mindest-Konformität und AAA die höchste Konformität ist. Möchte man also Konformität nach Stufe AAA erreichen, müssen alle Anforderungen der Stufe A und AA erfüllt werden.

Die WCAG basiert auf vier Prinzipien (Principles):

wahrnehmbar - perceivable

bedienbar - operable

verständlich - understandable

robust

Robust bezieht sich darauf, dass ein Dokument mit möglichst vielen Hilfstechnologien funktionieren soll.

Die vier Prinzipien teilen sich in 13 Richtlinien auf. Diese Richtlinien formulieren allgemeine Anforderungen. Spezifische Anforderungen schließlich stehen in den 78 Erfolgskriterien, welche sich auf die 13 Richtlinien verteilen.

Die Erfolgskriterien sind auf Testbarkeit ausgelegt. Es werden also nur Anforderungen in die WCAG aufgenommen, deren Erfüllung sich überprüfen lässt.

Die WCAG-Anforderungen sind teils abstrakt. Jedes Erfolgskriterium ist mit einem Dokument namens „Understanding WCAG 2.X“ verknüpft. Dort finden Sie Erklärungen zum jeweiligen Erfolgskriterium und praktische Beispiele. Das Dokument „How to meet WCAG 2.X“ beschreibt vor allem Techniken, die sich auf das Web beziehen. Dennoch ist es zum Verständnis der Anforderungen sowie für das Erkennen häufiger Fehler hilfreich.

Für die typischen Office-Formate gibt es keine eigenen Barrierefreiheits-Standards. Hier können analog die WCAG-Anforderungen bzw. die EN 301549 als Basis verwendet werden. Office-Anbieter aus den USA wie Microsoft, Google und Apple orientieren sich in erster Linie an der Section 508, dem US-amerikanischen Pendant der deutschen BITV.

PDF Universal Accessibility (PDF UA)

Im Zusammenhang mit barrierefreien PDF ist stets auch die Norm PDF Universal Accessibility (PDF UA) zu nennen. Häufig ist in Ausschreibungen zu lesen, dass der Standard PDF UA zu erfüllen sei. Allerdings ist PDF UA nicht der Standard für barrierefreie PDF.

Der Standard PDF UA wird von der PDF Association bzw. der Arbeitsgruppe PDF UA Foundation entwickelt. Diese Organisation kümmert sich um die Verwaltung des gesamten PDF-Formats und entwickelt es weiter.

Damit die drei Ebenen Client, Reader und assistive Technologie einander verstehen, benötigen sie eine gemeinsame Sprache, einen Standard, nach dem Barrierefreiheits-Informationen hinterlegt und ausgelesen werden können. Das ist PDF UA. PDF UA versucht, die technisch unspezifischen Anforderungen der WCAG in konkrete technische Anforderungen für PDFs zu übersetzen.

Ein Beispiel: Die WCAG fordert, dass Inhalte wie Überschriften oder Listen maschinen-lesbar formatiert sind oder dass Bilder beschrieben werden. PDF UA beschreibt, wie diese Forderung für barrierefreie PDFs konkret technisch umzusetzen ist. Das ist notwendig, damit unterschiedlichste Programme wie Erstellungs-Tools, Lese-Programme und assistive Technologien wissen, wie sie mit barrierefreien PDFs umgehen sollen.

Der Standard PDF UA legt nicht nur die technischen Anforderungen für die Gestaltung barrierefreier PDFs fest. Er sagt auch, welche Voraussetzungen Programme zur Erstellung und Anzeige barrierefreier PDFs erfüllen müssen. Nur wenige der gängigen PDF-Tools können barrierefreie PDFs erstellen oder korrekt anzeigen.

PDF UA richtet sich primär an die Entwicklerinnen von PDF-Programmen wie Lese-Programme, Prüf- und Erstellungs-Werkzeugen und assistiven Technologien. Für die Erstellenden barrierefreier PDF ist eher die WCAG relevant.

In der EU-Norm EN 301 549 wird ausdrücklich nicht PDF UA als Anforderung an barrierefreie Dokumente und PDFs genannt, sondern die WCAG 2.1. Auch in den Richtlinien anderer Länder wie der USA wird nicht PDF UA, sondern WCAG 2.1 als Standard referenziert.

Dieser Punkt ist wichtig, weil er sehr häufig missverstanden wird. PDF UA bleibt hinter den Anforderungen der WCAG zurück. PDF UA ist eine konkrete Möglichkeit, einen Teil der WCAG-Anforderungen technisch in PDF umzusetzen. PDF UA-Konformität ist allerdings nicht mit Barrierefreiheit gleichzusetzen und auch keine Voraussetzung, um WCAG 2.1 zu erfüllen.

Ein wichtiges Dokument ist daneben das Matterhorn-Protokoll. Es formuliert eine Reihe teils automatisierter, teils manueller Prüfschritte, um Dokumente auf Barrierefreiheit bzw. Erfüllung von PDF UA zu prüfen. Das Matterhorn-Protokoll steht in der aktuellen Version im Internet in einer deutschen Übersetzung zur Verfügung.

Standards vs. Best Practices

Keine Frage, die Standards müssen erfüllt werden. Allerdings sind die Standards stets ein Minimal-Konsens der beteiligten Parteien. Es gibt keine Vorschrift, wonach man nicht über die Standards hinausgehen darf.

Eine Möglichkeit sind Best Practices. Es handelt sich dabei etwa um Design Patterns, welche die Arbeit erleichtern, weil sie gängigen Konventionen folgen. Wenn Sie zum Beispiel ein Formular zu Ihrer Person ausfüllen, sind die einzelnen Felder nach einem bestimmten Schema geordnet. Häufig ist das Anrede, Vorname, Nachname, Straße, PLZ und so weiter. Die Reihenfolge könnte aber auch PLZ, Vorname, Anrede, Wohnort, Nachname und so weiter sein. Für eine Software, welche die Daten verarbeitet, würde das keinen Unterschied machen, aber es wäre nicht sehr nutzerfreundlich.

Eine Best Practice kann zum Beispiel auch Sicherheits-Einstellungen betreffen. PDF erlaubt einige Abstufungen bei den Sicherheits-Mechanismen. Sie können zum Beispiel alle Mechanismen aktivieren, aber den Zugriff durch assistive Technologien erlauben. Das ist durch die Richtlinien nicht verboten.

Allerdings verwenden nicht alle Menschen mit Behinderung dedizierte assistive Technologien. Personen mit Lernstörung zum Beispiel können auf alternative Lese-Werkzeuge zurückgreifen, um Texte an ihre Bedürfnisse anzupassen. Das funktioniert allerdings nicht, wenn das PDF mit Schutz-Mechanismen versehen ist. Wie so oft verhindern solche Mechanismen nicht das, was sie verhindern sollen, sondern verringern den Nutzungs-Komfort für diejenigen, die auf die Inhalte angewiesen sind.

Ich werde in diesem Buch immer darauf hinweisen, wenn ich Empfehlungen gebe, die über den Standard hinausgehen.