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Lila Kate Carter hat es satt, als gefühlskalt zu gelten. Noch mehr hat sie Cruz Kerrington satt, der seit der Schulzeit mit ihrem Herzen spielt. Sie lässt ihre Heimatstadt hinter sich, um neu anzufangen. Im Küstenstädtchen Sea Breeze lernt sie den attraktiven Eli Hardy kennen und erlebt mit ihm einen heißen One-Night-Stand. Mit Eli fühlt Lila sich stark und frei, doch er scheint einer alten Liebe nachzutrauern. Und dann ist da ja noch Cruz, der Lila immer stärker vermisst. Für sie will er sich ändern und eine Beziehung wagen. Lila muss sich entscheiden, wem sie ihr Vertrauen schenkt.
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Aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau
© Abbi Glines 2017 Titel der englischen Originalausgabe: »Because of Lila«, im Selbstverlag, 2017 © der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2019 Covergestaltung: zero-media.net, München Covermotiv: Getty Images/PeopleImages; FinePic®, München Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
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Cover & Impressum
Prolog
1. Kapitel – Lila Kate
2. Kapitel – Lila Kate
3. Kapitel – Eli Hardy
4. Kapitel – Lila Kate
5. Kapitel – Eli Hardy
6. Kapitel – Lila Kate
7. Kapitel – Eli Hardy
8. Kapitel – Lila Kate
9. Kapitel – Eli Hardy
10. Kapitel – Cruz Kerrington
11. Kapitel – Lila Kate
12. Kapitel – Eli Hardy
13. Kapitel – Lila Kate
14. Kapitel – Cruz Kerrington
15. Kapitel – Lila Kate
16. Kapitel – Cruz Kerrington
17. Kapitel – Lila Kate
18. Kapitel – Cruz Kerrington
19. Kapitel – Lila Kate
20. Kapitel – Cruz Kerrington
21. Kapitel – Lila Kate
22. Kapitel – Cruz Kerrington
23. Kapitel – Lila Kate
24. Kapitel – Cruz Kerrington
25. Kapitel – Lila Kate
26. Kapitel – Cruz Kerrington
27. Kapitel – Lila Kate
28. Kapitel – Cruz Kerrington
29. Kapitel – Lila Kate
30. Kapitel – Eli Hardy
31. Kapitel – Lila Kate
32. Kapitel – Eli Hardy
33. Kapitel – Cruz Kerrington
34. Kapitel – Lila Kate
35. Kapitel – Cruz Kerrington
36. Kapitel – Lila Kate
37. Kapitel – Cruz Kerrington
38. Kapitel – Lila Kate
39. Kapitel – Cruz Kerrington
40. Kapitel – Lila Kate
41. Kapitel – Cruz Kerrington
42. Kapitel – Eli Hardy
43. Kapitel – Lila Kate
44. Kapitel – Cruz Kerrington
PROLOG
Immer dasselbe. Jede Veranstaltung lief gleich ab. Nie ein neues Gesicht, nie eine neue Kulisse. Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung.
Ich seufzte, bemühte mich aber, mir meine schlechte Laune nicht anmerken zu lassen – was mir nach all den Jahren auch nicht sonderlich schwerfiel. Lächeln, nicken, Fragen beantworten, Interesse am Leben des Gegenübers heucheln und dann auf zum nächsten Small Talk. Die beste Überlebensstrategie für jeden Event der Reichen und Schönen von Rosemary Beach.
Als ich klein war, hatte ich solche Veranstaltungen geliebt. Ich hatte mit den anderen Kindern gespielt, und unsere Eltern hatten schon mal ein Auge zugedrückt, wenn uns Nate Finlay oder Cruz Kerrington zu Dummheiten anstifteten. Natürlich war das aufregend gewesen. Von Langeweile keine Spur. Doch mit der Pubertät hatte sich alles verändert.
Ich drehte mich zu meinen Eltern um. Meinem gut aussehenden Vater merkte man nicht an, dass er schon über vierzig Jahre alt war. Alle hier liebten ihn, und das galt auch für meine schöne Mutter. Die beiden unterhielten sich gerade miteinander. Er hatte dabei zärtlich die Hand auf ihren unteren Rücken gelegt, und ihre Blicke sprachen Bände. Nichts und niemand konnte ihre Liebe zueinander infrage stellen.
Dank ihrer märchenhaften Liebesgeschichte stellte ich wohl etwas zu hohe Ansprüche an meine eigenen Beziehungen. Ach was, machen wir unrealistisch hohe Ansprüche daraus. Ich wollte das, was sie hatten, und ich ging automatisch davon aus, dass auch mir so etwas Hochromantisches bevorstand. Irgendwann. Denn ich selbst war mit zweiundzwanzig noch nie verliebt gewesen. Gut, in meinen Teenagerjahren hatte es einmal kurz danach ausgesehen. Nach einem Kuss von Cruz Kerrington hatte ich meine eigene märchenhafte Zukunft klar vor mir gesehen, aber schon in der Woche darauf hatte Cruz mit Melanie Harnett herumgeknutscht und mir damit das vierzehnjährige Herz gebrochen.
Trotzdem gab ich zunächst nicht auf und träumte weiter, denn er flirtete danach noch immer mit mir oder zwinkerte mir zu, holte mich auf den Gängen der Schule ein und flüsterte mir Dinge ins Ohr. Allerdings grundsätzlich nicht in Gegenwart anderer. Gleichzeitig lag ein Mädchen nach dem anderen in seinen Armen oder auf dem Rücksitz seines BMWs, und so schaffte es Cruz nach und nach, mich zu desillusionieren und mir meine Träume zu nehmen.
»Na, so still heute Abend?« Mein Cousin Caspian Manning setzte sich neben mich. Er lebte in Fort Worth und war deshalb auf solchen Events nur selten anzutreffen. Mom hoffte zwar, dass er seinen Wunsch, auf ein College in Florida zu wechseln, in die Tat umsetzen würde, aber ich konnte mir Caspian nirgendwo anders vorstellen als auf der Ranch von Onkel Mase. Aber Caspian hatte andere Erwartungen ans Leben. Ich hätte ihm sagen können, dass Florida eine Schnapsidee war. Go west!
»Ich denke nach«, erwiderte ich mit nicht ganz so breitem Fake-Lächeln, denn er kannte mich zu gut.
Er schmunzelte. »Darüber, wie lange es noch dauert, bis du dich nach Hause stehlen und dich mit einem Buch in dein Bett verkriechen kannst?«
Ich zuckte kurz die Achseln und erwiderte sein Grinsen. »Das vor allem, ja.«
Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Glaubst du, die Leute hier denken jemals an einen Tapetenwechsel? Diese Bälle oder was immer das für ein Quatsch ist, den ihr hier veranstaltet, kommen mir alle gleich vor. Das Aufregendste ist noch der Shrimps-Dip da drüben.«
»Na, komm schon, das hier ist eine Benefizveranstaltung für Legastheniker, und deine Eltern gehören zu den Sponsoren.« Seine Mutter, meine Tante Reese, hatte, ohne es zu wissen, jahrelang an Legasthenie gelitten. Sobald ihr das klar geworden war, hatte sie lesen gelernt und ihren Schulabschluss nachgeholt. Sie war eine echte Inspiration.
»Ja, schon klar, aber letzten Monat hat hier eine andere Party stattgefunden und in dem davor auch eine. Wir kriegen immer die Einladungen dazu, auf feinem Papier und mit einem Siegel aus Goldwachs auf der Rückseite. Die liegen dann bei uns auf der Küchentheke herum.« Seufzend ließ Caspian den Blick durch den gut gefüllten Raum schweifen.
Eigentlich hätte ich ihm ja gern zugestimmt, verkniff es mir aber. Letzten Monat hatte der alljährliche Debütantinnenball stattgefunden, bei dem die Mädchen, die seit Kurzem volljährig waren, in die Gesellschaft eingeführt wurden. So unglaublich überholt das auch war, fand es doch immer noch statt. Als ich volljährig geworden war, hatte ich auch an einem teilgenommen – und immer noch Albträume deswegen.
»Irgendwer sollte Cruz den Alk wegnehmen. Der sieht aus, als wäre er besoffen und auf dem besten Weg zu hackedicht.«
Das ließ mich aufhorchen, leider! Ich folgte Caspians Blick und entdeckte einen leicht schwankenden Cruz, der ein wenig zu laut lachte. Hastig sah ich mich im Raum nach seinen Eltern um, entdeckte sie aber nirgends. Wenn sie etwas davon mitbekämen, wären sie stinksauer. Normalerweise wäre spätestens jetzt Nate eingeschritten, doch der lebte mittlerweile mit seiner Verlobten in Alabama.
Ich wartete ab, ob vielleicht jemand anderes einsprang, als Cruz von einem Kellner auch schon ein weiterer Drink in die Hand gedrückt wurde. Gar nicht gut!
»Ich gehe besser mal zu ihm. Es wäre schrecklich für seine Eltern, wenn er sich gerade heute Abend danebenbenehmen würde.«
»Viel Glück«, erwiderte Caspian, und ich machte mich widerstrebend auf den Weg zu Cruz.
Für gewöhnlich mied ich Cruz. Aus guten Gründen. Doch der Kerrington Country Club, in dem die Veranstaltung stattfand, gehörte nun mal seinen Eltern, die ich – anders als ihn – sehr mochte. Wenn Cruz austicken und sich vor aller Augen blamieren würde, täten sie mir schrecklich leid.
Oje, gerade gab er seinem neunzehnjährigen Bruder Blaze seinen Drink und nahm sich dafür ein Glas Bourbon vom Tablett. Gleich zwei betrunkene Kerrington-Jungs, das war noch schlimmer. Ich verfluchte Nate und seinen Umzug, da ich jetzt zum ersten Mal seit Jahren gezwungen war, mit Cruz ein Wort zu wechseln. Ich hatte ein Talent darin entwickelt, ihm aus dem Weg zu gehen, worauf ich ziemlich stolz war.
Ich erreichte die beiden unbemerkt und schnappte mir Blaze’ Glas genau in dem Augenblick, als er zum Trinken ansetzte. »Sorry, daraus wird nichts«, bemerkte ich trocken und stellte das volle Glas auf das Tablett zurück, ehe ich mich an Cruz wandte, der mich mit einem belustigten, wenn auch irritierten Grinsen ansah. »Und was dich angeht: Lass uns besser von hier verschwinden, bevor du noch irgendeine Dummheit begehst. Nein, warte: Bevor du eine weitere Dummheit begehst. Du hast ja einem Neunzehnjährigen schon Alkohol angedreht.«
Cruz lachte verblüfft auf. »Ich glaube, wir haben uns noch gar nicht kennengelernt. Ich bin Cruz Kerrington, und wer bist du?«, scherzte er.
»Jetzt sei kein Arsch!«, erwiderte ich mit finsterer Miene.
Er fing laut zu lachen an. Als sich unsere Blicke wieder trafen, machten sich seine Augen noch immer über mich lustig. »Ich kann nicht fassen, dass Lila Kate Carter gerade das Wort ›Arsch‹ in den Mund genommen hat!«
Warum hatte ich früher nur mal was für ihn übriggehabt? Hatte ich damals wirklich geglaubt, ihn zu lieben? Gott, wie bescheuert. »Cruz. Bitte. Lass uns gehen.« Ich packte ihn am Arm, als sich Chanel – deren Nachnamen ich nicht mehr im Kopf hatte, deren Vornamen man jedoch nur schwer vergessen konnte – uns in den Weg stellte.
»Wohin willst du, Cruz?«, wollte sie wissen. »Wir hatten doch was vor.«
Er zuckte unschuldig die Achseln. »Keine Ahnung. Frag Lila Kate.« Er machte keinerlei Anstalten, sich aus meinem Griff zu befreien. Im Gegenteil, er schien das Ganze auch noch zu genießen!
Chanel riss den Blick von Cruz los und funkelte mich mit ihren großen braunen Augen an. Sie war wütend. Mir doch egal! Wenn sie Cruz von hier hinauslotsen wollte, gerne. »Wir haben schon Pläne gemacht. Er ist vergeben.« Es klang fast schon wie ein Knurren.
»Wenn eure Pläne vorsehen, von hier abzuhauen, nur zu. Er hat zu viel getrunken und muss dringend hier weg.«
»Er kann tun und lassen, was er will. Er ist ein Kerrington!«
»Darf ich kurz einwerfen, dass ich das hier immens genieße?« Inzwischen nuschelte Cruz ein wenig.
»Nimm ihn einfach und geh.« Mir reichte es! Ich wollte nur wieder zurück an meinen Tisch. Meine Ruhe haben, bis ich endlich nach Hause fahren konnte.
»Sag mir nicht, was ich zu tun habe! Wer dein Großvater ist, kratzt mich nicht. Der hat sich längst zur Ruhe gesetzt. Also komm runter von deinem hohen Ross.«
Kam sie jetzt wirklich damit daher? Herrgott! Diesen Vorwurf hatte ich mir schon lange nicht mehr anhören müssen. Mein Opa war der Leadsänger der legendären Rockband Slacker Demon. Schon vor Jahren hatten sie aufgehört, auf Tour zu gehen. Ich erinnerte mich nicht mal mehr, wann genau. So lang war das schon her.
»Ich habe es mir anders überlegt, Chanel. Ich möchte, dass Lila Kate mich rausbringt. Du langweilst mich«, sagte Cruz. »Und gemein bist du auch.«
Wie, was? Mein Blick flog von Chanel zu Cruz, der noch immer albern grinste. »Lila Kate, du bist lustiger. Lass uns gehen.«
»Ist das dein Ernst?«, keifte Chanel eine Oktave höher. »Die ist doch die totale Schlaftablette!«
»Sie ist echt, Chanel. Verdammt echt«, sagte er ruhig und grinste mich dann verschmitzt an. »Du bringst mich besser raus, bevor ich hier noch unangenehm auffalle.«
Da ich das eh vorgehabt hatte, begleitete ich ihn genervt aus dem Ballsaal und aus dem Gebäude hinaus. Weg von dem Angestellten des Parkservices, denn dass sich Cruz hinters Steuer setzte, kam nicht infrage. Stattdessen brachte ich ihn zum Clubhaus, in dem er auf einem der vielen großen und teuren Ledersofas seinen Rausch ausschlafen konnte.
»Wohin gehen wir eigentlich? Soll ich dir am zehnten Loch zu Willen sein?«
Nur ein Scherz, das wusste ich. Trotzdem gingen mir seine Worte unter die Haut. »Danke, kein Bedarf. Ich möchte Della und Woods lediglich ersparen, dass sich ihr Ältester in aller Öffentlichkeit lächerlich macht.«
Er grinste. »Gott, immer der Anstand in Person! Das ist so sexy, weißt du das? Dein engelsgleiches Gesicht, dein Killerbody und dein perfektes Benehmen. Eine Kombination, die bei Kerlen wie mir Fantasien weckt … Man will dich dazu bringen, mal so richtig aus dir rauszugehen. Freiheit zu schmecken.«
»Ich fühle mich … frei«, brachte ich heraus, auch wenn mich seine Beschreibung von mir ein bisschen erschreckte.
»Lila Kate Carter, Miss Rühr-mich-nicht-an«, fuhr er leicht lallend fort. »So begehrenswert und so eisig, dass man ihr lieber nicht zu nahe kommt.«
Eisig? Ich war nicht eisig!
»Wie bitte?«
Bei der Treppe zum Clubhaus blieb ich stehen und funkelte ihn wütend an. Er machte einen Schritt auf mich zu.
»Du …«, flüsterte er und fuhr mit seiner Fingerspitze unter mein Kinn, »bist eine kostbare Porzellanpuppe, die man nur ansehen, aber nicht berühren darf. Dabei ist der Gedanke so verdammt verlockend! Aber man weiß, dass sie zerbricht, wenn man’s versucht. Also lässt man es. Hält Abstand. Betrachtet sie aus der Ferne. Bis man genug intus hat und sich doch mal ein bisschen was traut.«
Mir gefiel das nicht. Nichts davon. Ich war keine zerbrechliche Puppe. Ich war sehr stark, neigte nur einfach nicht zu Gefühlsdramen. Ja, ich war tough und hielt mich an die Regeln, aber das machte mich noch lange nicht kalt! »Nur weil ich mir nicht dauernd die Kante gebe, ständig Party mache und mit jedem Kerl in der Stadt was am Laufen habe, macht mich das noch lange nicht kalt!«, schoss ich zurück.
»Nein, aber du hast dich noch nie auf jemanden eingelassen. Das geht schon in Richtung eisig.«
»Tut es nicht!«, hob ich die Stimme. Cruz war unfair.
»Ach nein? Wie wär’s dann damit?«, sagte er, legte den Arm um meine Hüfte und zog mich an sich. Das Erste, was ich schmeckte, als er mich küsste, war der Whisky, und es fühlte sich an, als würde er mich provozieren wollen – als würde er mich zu einer Reaktion zwingen wollen. Er küsste mich so, als würde er es überhaupt nicht wirklich meinen. Mit der Hand hielt er meine Taille so fest, dass es wehtat, und nichts an diesem Moment war romantisch.
Ich stemmte beide Hände gegen seine Brust und stieß ihn weg. Er stolperte zurück und schüttelte lachend den Kopf. »Siehst du? Meine Rede!«
»Cruz!«, ertönte Chanels kreischende Stimme.
Wir drehten uns um und sahen, wie sie auf megahohen High Heels auf uns zugestürmt kam. Ein Wunder, dass sie sich dabei nicht das Genick brach. Ich hätte das nicht hingekriegt.
»Tja, Chanel, du hast mich gefunden. Gut gemacht.« Er deutete mit dem Daumen auf mich. »Mit der hier klappt’s eh nicht, insofern darfst du mit mir ins Clubhaus kommen und mir dieses rote Höschen zeigen, von dem du sagtest, du würdest es nicht anhaben.«
Chanel lächelte selbstzufrieden. Als hätte sie einen Preis gewonnen, um den wir gestritten hätten.
»Du hast mich da drinnen zurückgelassen!«, schmollte sie.
»Na ja, ich wollte eben auch mal die andere Option checken. Es war köstlich, gehört für meinen Geschmack allerdings etwas aufgetaut«, erklärte Cruz mit schwerer Zunge und sah mich durch gesenkte Augenlider an. »Gute Nacht, Lila Kate.«
Während sie zum Eingang des Clubhauses gingen, legte er ihr die Hand auf den Hintern, und sie knutschte sich bereits an seinem Hals entlang. So einfach lief das bei ihm. Und so oberflächlich war er.
Auf jemanden mit so einem miesen Charakter konnte ich gut verzichten, und wenn es für mich schon keine Märchen gab, dann wollte ich wenigstens Abenteuer, beschloss ich. Dafür musste ich Rosemary Beach allerdings verlassen.
Zeit wurde es!
1. Kapitel
Das Geld, das mein Grandpa in meinen Treuhandfonds einbezahlt hatte, hatte ich bislang noch nicht angerührt. Mein Studium auf einem Privatcollege, das etwas über eine Autostunde von Rosemary Beach entfernt lag, hatte ich nämlich mithilfe eines Stipendiums für Tanz finanziert. Seitdem ich meinen Dad mit drei Jahren gefragt hatte, ob ich ein Tutu tragen und eines Tages auf einer großen Bühne herumwirbeln dürfe, hatte ich privaten Tanzunterricht bekommen.
Ursprünglich hatte ich in Rosemary Beach eine Tanzakademie eröffnen wollen, doch je klarer mir wurde, dass ich auf meinen Märchenprinzen wohl lang warten musste, desto weniger reizte mich der Gedanke noch. Ich wollte auch nicht die Welt bereisen und endlose Stunden dem Traum hinterherjagen, eine berühmte Tänzerin zu werden. Ich sah ja, wie viel Einsatz und Hingabe das Ganze verlangte. Schließlich hatte ich Freundinnen, die dieses Ziel eisern verfolgt hatten und denen nun für nichts anderes mehr Zeit blieb. Es war ihr Leben. Ich wollte etwas anderes.
Seitdem ich im vergangenen Mai meinen Collegeabschluss mit Literatur im Haupt- und Tanz im Nebenfach gemacht hatte, überlegte ich, welchen Weg ich einschlagen sollte. Nichts kam mir richtig vor, und so sah ich mich stattdessen erst mal nach einer Eigentumswohnung um, die ich mit einem Teil des Geldes aus meinem Treuhandfonds kaufen wollte. So prickelnd fand ich es nämlich nicht, mit zweiundzwanzig, fast schon dreiundzwanzig, noch bei meinen Eltern zu wohnen.
Insofern hatte ich die Idee, mich auf eine Abenteuerreise zu begeben, aufregend gefunden. Nun stand ich auf der Veranda meines Elternhauses, mit einem gepackten Koffer neben mir, und musste mir eingestehen, dass mir der Abschied von meinen Eltern schwerer fiel als gedacht.
»Ruf an. Sobald du in Sea Breeze bist, ruf gleich an, wenn du bei Nate angekommen bist. Bitte!«, sagte meine Mom, während sie mich fest umarmte. So klischeehaft das auch klingen mag, meine Mom war meine beste Freundin. Ich hatte nie eine rebellische Phase durchlaufen, in der ich meine Eltern hasste oder für beschränkt hielt. Ich hatte mich mit all meinen Problemen an meine Mutter gewandt.
»Mach ich, und sobald ich weiß, wie es von dort aus weitergeht, gebe ich Bescheid«, versicherte ich ihr. Ich hatte eine Freundin in Birmingham, die an der Alabama School of Fine Arts eine Lehrerstelle angenommen und mich zu sich eingeladen hatte. Allerdings stellte sich noch die Frage, ob ich die Golfküste entlangfahren oder auf meiner Reise eine nördlichere Route nehmen wollte.
»Die Reifen sind neu, das Öl ist gewechselt, und alles ist komplett durchgecheckt.« Mein Dad wies mit dem Kopf in Richtung meines silbernen Land Rovers, den ich von meinen Eltern zum Collegeabschluss geschenkt bekommen hatte. »Wenn irgendein Warnlicht aufblinkt, dann bitte nichts wie zum nächsten Rover-Händler.« Seine Stimme war von Gefühlen belegt, die er mühsam zu verbergen suchte. Meine Mutter war meine beste Freundin, doch mein Vater war mein Held. Das hatte ich ihm mit zwei Jahren erklärt, und das galt immer noch.
Ich ging zu ihm und umarmte ihn. »Danke. Ich liebe dich, Daddy«, sagte ich und spürte, wie mir die Tränen kamen. Er hielt mich fest, als könnte er mich dadurch am Wegfahren hindern.
»Ich liebe dich, Baby-Girl.« Ihm brach die Stimme. Ich versuchte, die drohenden Tränen wegzuzwinkern. Meine Eltern sollten mich nicht weinen sehen. Ich wollte das doch durchziehen.
»Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Wir haben dich so großgezogen, dass du an dich selber glaubst. Findest, was dich glücklich macht. Ich könnte nicht stolzer auf die Frau sein, zu der du dich entwickelt hast!«
Wie sollte ich bei solchen Worten nicht losheulen? Ich schluckte schwer und lehnte den Kopf an seinen Brustkorb. Dann atmete ich tief ein, riss mich zusammen und löste mich von ihm. Wenn ich auf eigenen Beinen stehen wollte, dann musste ich diese behütete Welt verlassen, in der sich mein Vater um alles kümmerte.
»Dank euch bin ich, wer ich bin«, erklärte ich ihnen mit einem Lächeln. »Ich kriege das hin, und ich rufe euch regelmäßig an und bringe euch auf den neuesten Stand.«
Schniefend schenkte mir Mom ein kleines Lächeln. »Geh und finde dein Glück. Du magst aussehen wie ich, aber du bist um so vieles mutiger, als ich es war. Ich wünschte, ich wäre in deinem Alter auch so furchtlos gewesen.«
Meine Mutter war die mutigste Frau, die ich kannte. Um mich auf die Welt zu bringen, hatte sie dem Tod ins Auge geblickt. Das betrachtete sie nicht als mutig genug, egal, wie oft ich sie vom Gegenteil überzeugen wollte. Vor allem, wenn wir uns hinsetzten und zusammen die Briefe durchgingen, die sie mir während der Schwangerschaft geschrieben hatte. Für den Fall, dass sie die Geburt nicht überlebte. Im Laufe der Jahre hatten wir sie jeweils zur vorgesehenen Zeit geöffnet und gelesen. Zunächst war Dad mit von der Partie gewesen, doch irgendwann – zu der Zeit war ich noch ganz klein – war er dann nach den ersten Zeilen, die Mom laut vorlas, unvermittelt aus dem Raum geflohen und hatte sich danach auch nicht wieder zu uns gesellt.
Mom hatte mir über den Kopf gestrichen und gelächelt. »Das ist okay. Er ist so glücklich, dass wir alle zusammen sind, und diese Briefe erinnern ihn daran, wie gesegnet wir sind.«
Damals hatte ich das nicht verstanden, doch ein paar Jahre darauf begriff ich, dass diese Briefe meinen Dad an die schwerste Zeit in seinem Leben erinnerten – an die, als er glaubte, er müsse sein Leben ohne meine Mom verbringen. Für mich war ein Leben ohne sie nicht vorstellbar. Daher verstand ich seine Qualen auch und erwähnte die Briefe ihm gegenüber nie mehr.
Dad ergriff meinen Koffer. »Das kann doch nicht dein einziges Gepäck sein, oder?«
»Doch, ich reise mit leichtem Gepäck!«
»Und ich dachte, ich könnte dein Zimmer in meinen privaten Fitnessraum umwandeln. Dabei lässt du ja alles zurück!« Nun zog er mich auf.
Achselzuckend ging ich auf seine Stichelei ein. »Ich wollte sicherstellen, dass noch alles da ist und ihr mich nicht vergessen habt, wenn ich mich entschließe heimzukommen.«
Dad verfrachtete den Koffer in meinen Rover.
»Wir würden dein Zimmer nie anrühren. Das weißt du«, sagte Mom ernst.
Ich lachte. »Klar weiß ich das.« Auch wenn ich nicht vorhatte, wieder bei meinen Eltern einzuziehen. Doch für den Moment brauchte ich einfach nicht viel.
»Pass auf dich auf, Lila Kate. Wie lieben dich sehr«, sagte sie, als ich sie noch einmal umarmte und dann auf die Fahrerseite zusteuerte, wo mein Vater bereits mit geöffneter Tür auf mich wartete.
»Mach bei keinen Tankstellen halt, bei denen nichts los ist und die schlecht beleuchtet sind. Versuch, vor dem Dunkelwerden anzukommen. Deine Pistole hast du hoffentlich griffbereit unter dem Sitz?«
»Ja, Daddy. Habe ich. Ich pass schon auf.«
Nach einer weiteren Umarmung kletterte ich in den Rover und fuhr los. Im Rückspiegel sah ich, wie mir meine Eltern aus dem Vorgarten nachwinkten. An dem Baum dort hing noch immer meine Schaukel, wie schon mein Leben lang. Während ich Richtung Westen fuhr, ließ ich meine Welt, in der ich mich immer geborgen gefühlt hatte, diese Stadt, in der ich tagtäglich nur noch dieselbe Leere entdeckte, immer weiter hinter mir.
Ich schaltete Bluetooth in meinem Wagen ein und entdeckte die am Vorabend zusammengestellte Playlist auf meinem Handy. Ich fühlte mich frei. Aufgekratzt. Gar nicht mehr wie mein altes Selbst. Und so wollte ich mich auch gar nicht mehr fühlen. Ich wollte nicht als brav und bieder bezeichnet werden. Oder als eisig. Eisig war am schlimmsten.
Ich hatte über Cruz’ Worte nachgedacht und begriffen, dass sie stimmten. Auch wenn er betrunken war, und ich hasste ihn sowohl dafür, dass er sie ausgesprochen hatte, wie auch dafür, dass er recht hatte. Dieses Mädchen wollte ich nicht sein. Ich wollte anders sein. Wollte Risiken eingehen. Abenteuer bestehen.
Ich griff nach meiner Wasserflasche und sang zur Musik mit.
Das Mädchen, das alle von nun an kennenlernen würden, würde sich sehr von der alten Lila Kate Carter unterscheiden.
Ich würde nie wieder das Etikett »brav« oder »kalt« verpasst bekommen. Ich wäre lustig, faszinierend, zu allem bereit. Der Gedanke machte mich etwas nervös, doch gab er mir auch einen Kick, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte.
Immer her mit meinem neuen Leben! Jedes verrückte, wilde, chaotische bisschen davon.
2. Kapitel
Sea Breeze, das in Alabama lag, ähnelte Rosemary zwar irgendwie, war andererseits aber komplett anders. Die Strände sahen genauso aus. Logisch, Sea Breeze und Rosemary lagen ja auch an derselben Küste. Der Ort allerdings war … na ja … weniger strukturiert, und es gab weder einen Country Club noch Luxusläden. Dagegen gab es Souvenirshops mit kitschigen, aufblasbaren Wasserspielzeugen davor und wild bedruckten T-Shirts, die du in den Straßen von Rosemary Beach nie zu Gesicht bekommen hättest. Ich liebte es hier. Die Echtheit. Die neongelben Schilder mit den Aufschriften »Free Hermit Crabs«, »Twenty-Four-Hour Breakfast« und »All You Can Eat Shrimp« gaben mir das Gefühl, mich bereits in einer anderen Welt zu befinden.
Mein GPS war so eingestellt, dass es mich direkt zu Nates Haus leiten würde, aber ich wurde erst später erwartet. Ich konnte mich also umsehen und hatte noch etwas Zeit für mich, ehe ich wieder über meine Pläne reden musste. Und Nate würde Fragen stellen. Meine Aktion war so untypisch für mich, dass er mich damit vermutlich nur so löchern würde.
Kurz rief ich Mom an und gab Bescheid, dass ich sicher in Sea Breeze angekommen war, nun ein bisschen shoppen gehen und mich umschauen würde und sie später von Nate aus anriefe, um ausführlicher mit ihr zu plaudern. Ich beschloss, nach einem Lokal zu schauen, dessen Schild mit Livemusik und frischen Krabben warb, und wendete. Es war fast sechs, und ich hatte Nate und Bliss gesagt, ich würde bei meiner Ankunft bereits gegessen haben. Ah, das hier sah doch nicht schlecht aus! Drinnen schien schon einiges los zu sein, ich konnte mich also einfach unter die Leute mischen. Die Musik, die aus den Lautsprechern schallte, war selbst auf dem Parkplatz schon zu hören. Schlecht war sie nicht, wenn auch nicht unbedingt mein Ding. Andererseits wollte ich ja von nun an offen für Neues sein. Beim Eintreten merkte ich, dass es sich um eine Bar handelte. Gerade kamen mir Zweifel an meinem Entschluss, als mir klar wurde, dass die alte Lila Kate so denken mochte, die neue das aber wesentlich gelassener sähe. Sie würde das Essen in der Bar einfach mal probieren.
Um die Tanzfläche herum standen hohe Tische, mit Hockern bestuhlt, um die sich bereits eine Menge Mädchen in winzigen Shorts, schulterfreien Tops und teilweise sogar in Bikinioberteilen drängten. Der Sommer war vorbei, aber im Freien war es noch immer heiß. Herbstlich würde es hier erst Ende Oktober sein. Noch immer strömten Touristen nach Sea Breeze, doch nachdem sich die Bargäste hier alle zu kennen schienen, stammten sie wohl größtenteils aus dem Ort.
Ich entschied mich für einen der freien Plätze an der Bar. Dort bediente eine Frau, und ich entspannte mich gleich ein wenig. Ich schwang mich so auf den Hocker, dass ich mir die Band auf der Bühne ansehen und die Leute beobachten konnte. Zu Collegezeiten war ich mit Freunden in ähnliche Bars gegangen, hatte mich dort aber immer unwohl gefühlt. Damit musste jetzt Schluss sein.
»Was kann ich dir bringen?« Ich wandte mich um und sah, dass mich die umwerfende Barkeeperin anlächelte. Ihre Haare hatten einen Rotton, für den man viel Geld hinblättern würde, und ihre Augen waren von einem beneidenswerten Grünton.
»Äh, ja. Eine Speisekarte vielleicht?«
»Okay.« Sie lächelte freundlich und schob mir eine zu. »Ich komme dann gleich wieder. Außer du möchtest schon mal was zu trinken bestellen?«
»Oh, nein, ich brauche noch einen Moment. Danke.«
Sie wandte sich zum Gehen, hielt aber noch mal kurz inne. »Du bist nicht von hier, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Hab ich mir schon gedacht.« Sie wirkte belustigt. »Wenn du Fragen hast, ruf mich einfach. Ich heiße Larissa.«
»Ja, okay. Danke, Larissa.«
Ich studierte die Speisekarte. Krabben-Nachos – von so einer Kombination hatte ich noch nie gehört. Machten sie Nachos mit Krabben darauf? Superidee eigentlich. Frittierte Pickles, so etwas hatte ich in Bars schon mal gesehen, aber noch nie probiert. Schließlich mussten Tänzerinnen auf ihr Gewicht achten. Frittiertes war tabu. Ob ich die mal probieren sollte? Proletenkaviar, das klang doch interessant. Aber ich war kein Fan von Schwarzaugenbohnen, und mit Kaviar schien das Ganze nicht viel gemein zu haben.
»Versuch die gefüllten Potato Skins mit Krabbenfleisch. Megafettig und kein bisschen gesund, aber so verdammt lecker!«, ertönte hinter mir die Stimme eines Mannes. Vor Schreck ließ ich die Speisekarte fallen.
Ich drehte mich um, und mir blieb die Luft weg. Ein hochgewachsener, braun gebrannter Blondschopf mit einem Hammerlächeln stand vor mir. Außerdem roch er gut. Nach Seife … und Whisky. Eine gute Mischung irgendwie!
Er hob meine Speisekarte auf und gab sie mir zurück. »Ich hab die in dieser Bar schon gegessen, da durfte ich rechtlich gesehen noch gar nicht rein. Vertrau mir. Nimm die Potato Skins.«
Ich nickte. Eigentlich hätte ich etwas Witziges oder Neckisches erwidern sollen, doch mir fiel nichts ein. Da haperte es noch, was diesen Neue-Lila-Kram anging. »Okay«, lautete meine geniale Antwort. Nur »okay«. Was stimmte nicht mit mir? Mit attraktiven Männern hatte ich doch schon mein ganzes Leben zu tun. Warum brachte ich ausgerechnet bei diesem hier nichts Vernünftiges raus?
»Larissa!«, rief er, und hinter der Bar wandte sich die Rothaarige um und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Was gibt’s, Eli?« Sie rührte sich nicht vom Fleck.
Er sah mich an. »Wie heißt du?«
Immerhin, darauf konnte ich antworten. »Lila«, erwiderte ich, denn ich hatte beschlossen, dass die neue Lila Kate dieses alberne Kate weglassen würde. Damit klang ich wie eine Zehnjährige. Lila war … sexyer.
Er grinste schief. »Lila. Der Name gefällt mir. Passt zu dir.« Dann wandte er sich wieder an Larissa. »Lila hätte gern mit Krabben gefüllte Potato Skins.«
Larissa kam zu uns. »Ihr freundet euch gerade an?«, fragte sie Eli und sah dann lächelnd zu mir. »Er hat heute Abend ein bisschen zu tief ins Glas geschaut. Ich würde ihm ja den Hahn zudrehen, aber das ist eine Ausnahme bei ihm, glaub mir. Wie auch immer: Hat er für dich bestellt, weil er vorhat, dir alles wegzuessen, oder möchtest du die gefüllten Kartoffeln wirklich?«
Hier kannte ja wirklich jeder jeden. Cool, wie in einer Vorabendserie. »Ja, er hat sie mir so dermaßen angepriesen. Sie klingen köstlich!«
Larissa lachte. »Erwarte lieber nicht zu viel. Gut sind sie ja, aber köstlich ist vielleicht übertrieben. Wie wär’s noch mit einem Getränk?«
Normalerweise hätte ich Mineralwasser bestellt. »Einen Dirty Martini, bitte«, sagte ich stattdessen.
»Hast du deinen Perso dabei?«
Ich langte in meine Handtasche, zog meinen Führerschein raus und gab ihn ihr. Larissa warf einen Blick darauf, nickte und sah zu dem Typen neben mir. »Benimm dich!«, sagte sie und marschierte wieder hinter die Bar.
Er setzte sich neben mich, lehnte sich an die Rückwand des Tresens und ließ den Blick über die Menge schweifen. »Ich hab dich hier noch nie gesehen. Woher kommst du, Lila?«
Gerade wollte ich antworten, dass ich aus Rosemary käme, bremste mich aber gerade noch. Ich kannte diesen Eli ja gar nicht. Er war ein Fremder. Auch wenn ich jetzt wilder und unbekümmerter drauf sein wollte, musste ich bis zu einem gewissen Grad vorsichtig sein.
»Aus Florida«, sagte ich daher. Es war ein großer Bundesstaat. Da konnte ich vage sein.
Er nickte. »Florida, hm? Ich hab gedacht, du machst Urlaub hier, aber wenn du aus Florida kommst, macht das wenig Sinn. Warum Urlaub an diesem Strand machen, wenn’s dort auch schöne gibt? Was führt dich also nach Alabama?«
Ich mochte seine Stimme. Sie war so wohlklingend, und sie passte gut zu seinem Geruch – sehr attraktiv! »Mich zieht’s gen Westen. Eine Art Abenteuerreise.«
Abrupt drehte er sich zu mir. »Eine Abenteuerreise? Allein?«
Okay, das war eine Schnapsidee. Ich sollte einem Unbekannten nicht erzählen, dass ich allein unterwegs war. »Nein, ich reise mit Freunden«, schwindelte ich hastig.
Er schien mir das nicht abzunehmen. »Wirklich?«
Ich nickte. »Ja, wirklich.«
»Bitte schön, dein Dirty Martini.« Larissa stellte den Drink vor mir ab. Er hatte Eisstückchen drin, so wie ich es liebte.
»Danke. Der sieht super aus.«
»Larissa ist die Beste«, stimmte mir Eli zu. »Apropos, wie sieht’s nun mit einem weiteren Jack aus?«, fragte er sie.
»Wie wär’s erst mal mit einem Glas Wasser?« Sie schob ihm ein Glas Wasser hin.
»Willst du’s dir mit mir verscherzen?« Unglücklich sah er auf das Glas.
»Im Gegenteil. Ich will dir den Arsch retten«, entgegnete sie. Dann wandte sie sich um und sagte über die lauter werdende Musik zu mir: »Eli ist ein netter Kerl. So richtig merkt man das, wenn er nüchtern ist, und dein Essen kriegst du in fünf Minuten.« Sie hielt die Hand mit fünf gespreizten Fingern hoch.
Die Barkeeperin, die echt nett wirkte, schien Eli zu mögen. Insofern konnte ich wohl davon ausgehen, dass ich heute Abend weder entführt noch vergewaltigt wurde. Schon mal was!
3. Kapitel
Zu viel Alkohol war einfach nicht der Bringer. Außer man befand sich mit einer Pizza oder, besser noch, mit chinesischem Essen und dem DVD-Box-Set von Rocky allein zu Hause. Da konnte nichts schiefgehen. Doch ich hatte seit drei Wochen allen Frauen abgeschworen. Die Frau, die ich zuletzt datete, hatte sich beim sechsten Treffen Notizen für eine Hochzeit gemacht und sie mir dann gezeigt. Das war unser letztes Date gewesen.
Zugegeben, ich vermisste Frauen. Die, die neben mir saß, war sensationell, außerdem erinnerte sie mich an dieses Benimmbuch, das meine Großmutter Larissa zum Lesen gegeben hatte, als wir klein waren. Grandma wollte, dass ich es auch las, aber ich dachte gar nicht dran. Das Mädchen auf dem Buchcover war mir zu adrett und artig – ein Look, dem ich erst jetzt etwas abgewinnen konnte. Eingepackt in das Paket neben mir war er der totale Antörner.
Es war einfach zu drollig, Lila dabei zu beobachten, wie sie sich abmühte, mit Messer und Gabel eine Potato Skin zu essen. Larissas Gesicht, als Lila sie um »Besteck« gebeten hatte, toppte das allerdings noch. Wir waren im Umfeld meiner Großmutter groß geworden, Leute mit guten Manieren waren uns also nicht fremd. Doch in einem Schuppen wie dem Live Bay traf man auf diese Sorte Mädchen sonst nicht.
Bestimmt war Larissa genauso amüsiert wie ich. Wenn auch nicht unbedingt so fasziniert. Jedes Mal, wenn sie wegen Getränken ankam, bedachte sie mich mit diesem Benimm-dich-Funkeln.
Sie war meine Tante, aber nur ein paar Jahre älter als ich, weshalb wir mehr wie Cousin und Cousine aufgewachsen waren. Eine Zeit lang hatte sie sogar bei uns gewohnt, doch damals war ich noch so klein, dass ich mich daran nicht mehr richtig erinnern konnte.
Ich hatte ganz schön schauspielern müssen, um Larissa über meinen tatsächlichen Trunkenheitsgrad hinwegzutäuschen und auf die Art an einen weiteren Whisky zu gelangen.
Schließlich fasste ich zu Lilas Teller hinüber, nahm eine der Potato Skins und hielt sie ihr an den vollkommenen rosigen Mund, was sie mit einem Stirnrunzeln quittierte. »Iss sie mit der Hand. Versuch’s mal. Dadurch kriegst du zwar fettige Finger, aber irgendwie macht’s das noch besser.«
Als leidenschaftlicher Läufer war ich eigentlich kein Junkfood-Typ, sondern suchte mir mein Essen sehr bedacht aus – bis ich mich betrank. Dann war nichts mehr sicher vor mir. Heute hielt mich Lila allerdings davon ab. Sie faszinierte mich viel zu sehr, als dass mich noch irgendetwas anderes interessiert hätte.
Anmutig aß sie einen Bissen, hielt dann beim Kauen die Hand vor den Mund und grinste, als hätte sie etwas total Verruchtes getan. Mann, war das heiß! Nie im Leben war sie wirklich so perfekt, wie es mir vorkam. Irgendwo musste es einen Haken geben, der mir allerdings in meinem angeschickerten Zustand entging. Ich musste vorsichtig vorgehen.