8,99 €
Della will stark für Woods sein, auch wenn sich ihr Leben vor ihren Augen in nichts auflöst. Egal, wie weit sie von zu Hause flieht, die Schatten ihrer Vergangenheit lassen sie nicht los. Sie versucht, ihre tiefen Ängste und wahren Gefühle vor Woods zu verbergen, um ihn zu schützen, denn sie weiß, dass sie ihn sonst mit sich in die dunklen Tiefen reißen wird. Aber ist sie stark genug, den einzigen Menschen loszulassen, der ihr noch Halt gibt?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 364
Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.piper.de
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lene Kubis
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Taschenbuchausgabe
1. Auflage 2014
In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
ISBN 978-3-492-96665-8
© 2013 Abbi Glines Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Simple Perfection«, Atria Paperback (A Division of Simon & Schuster, Inc.), New York 2013 Deutschsprachige Ausgabe: © 2014 Piper Verlag GmbH, München Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur Umschlagabbildung: Roy Morsch/Corbis Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Für meinen Ehemann Keith. Danke, dass du mein sicherer Hafen bist!
Während der Beerdigung meines Vaters hatte meine Mutter kein Wort mit mir gesprochen. Ich hatte versucht, sie zu trösten, aber sie hatte sich einfach abgewandt und war gegangen. Ich hatte in meinem Leben ja mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit einer solchen Situation. Niemals. Nie hatte ich irgendetwas getan, was meiner Mutter geschadet hätte. Und trotzdem hatte sie meinem Vater dabei geholfen, mein Leben zu zerstören.
Ihn so kalt und starr im Sarg liegen zu sehen, hatte mich nicht so sehr erschüttert, wie ich gedacht hatte. Es war einfach alles noch zu frisch, und ich hatte noch nicht genug Zeit gehabt, ihm zu vergeben. Er hatte Della übel mitgespielt, und das konnte ich ihm nicht verzeihen, selbst jetzt nicht, wo er unter der Erde war. Schließlich war sie mein Ein und Alles.
Meine Mutter hatte meinem Blick den Mangel an Emotionen sicher angemerkt. Ich hatte auch nicht das Bedürfnis, irgendetwas vorzutäuschen. Nicht mehr. Vor einer Woche hatte ich ohne einen Funken von Bedauern mein altes Leben hinter mir gelassen. Es war mir nicht schwergefallen – schließlich hatte ich nur ein Ziel gehabt: Ich musste Della wiederfinden. Die Frau, die in mein Leben getreten war und alles auf den Kopf gestellt hatte. Als ich eigentlich schon vergeben war, war Della Sloane zu meiner Sucht geworden. Durch ihre beinahe schon verstörende Vollkommenheit hatte sie dafür gesorgt, dass ich mich hoffnungslos in sie verliebte. Ein Leben ohne sie erschien mir vollkommen sinnlos. Ich fragte mich tatsächlich, wie jemand glücklich sein konnte, ohne sie zu kennen.
Jetzt, wo mein Vater gestorben war, lastete all das, was ich nur zu gern abgehakt hatte, wieder auf meinen Schultern. Della hatte mir seit dem Moment, in dem wir nach Rosemary Beach in Florida zurückgekehrt waren, still zur Seite gestanden. Ihre kleine Hand hielt meine fest umschlossen. Sie spürte, wenn ich sie brauchte, auch ohne dass ich es sagte. Wann immer sie meine Hand drückte, wusste ich, dass sie für mich da war. Und dass ich es schaffen würde.
Gerade war ich allerdings ohne Della unterwegs. Ich hatte sie nicht mit zu meiner Mutter nehmen wollen, und so war Della zu Hause geblieben. Es war ja gut und schön, dass meine Mom lange Zeit erfolgreich so getan hatte, als würde ich nicht existieren. Jetzt aber besaß ich alles, woraus ihr Leben bestand – das Haus, in dem sie lebte, mit eingeschlossen. Es war eine nette Dreingabe zu dem Country Club, der mir ebenfalls vermacht worden war. Mein Großvater hatte sichergestellt, dass mir all das nach dem Tod meines Vaters zufallen würde.
Der wiederum hatte es nie für nötig gehalten, mich darüber zu informieren, sondern mir immer nur unter die Nase gerieben, dass er die totale Kontrolle über mein Leben besaß. Und ich mich, wenn ich meinen rechtmäßigen Platz in dieser Welt einnehmen wollte, seinem Willen beugen musste. Dabei wäre mir zu meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag sowieso alles zugefallen oder eben nach dem Tod meines Vaters. Je nachdem. Vor der Verantwortung, die damit einherging, konnte ich mich nicht länger drücken.
Jetzt stand ich jedenfalls vor der Haustür meiner Mom und überlegte, ob ich anklopfen sollte, um den Gedanken dann zu verwerfen. Meine Mutter musste endlich einmal aufhören, sich wie ein kleines Kind aufzuführen. Schließlich war ich alles, was ihr geblieben war. Es war höchste Zeit, dass sie Della an meiner Seite akzeptierte – immerhin hatte ich vor, ihr einen Ring an den Finger zu stecken, sobald ich sie davon überzeugt hatte. Ich wusste allerdings, dass es gar nicht so leicht werden würde, sie zu einer Heirat zu überreden. Dafür kannte ich Della gut genug. Aber jetzt, wo meine Welt schlagartig auf den Kopf gestellt worden war, brauchte ich die Gewissheit, dass Della auf mich wartete, wenn ich nach Hause kam.
Ich wollte eben nach dem Knauf greifen, als die Tür aufschwang. Im Hauseingang meiner Eltern stand, unschuldig lächelnd wie ein Engel, Angelina Greystone. Obwohl sie sich alle Mühe gab, nett zu wirken, konnte sie das bösartige Glitzern in ihren Augen nicht verbergen. Diese Frau hatte ich einst beinahe geheiratet, um an den Club zu kommen, der mir jetzt ohnehin gehörte. Mein Vater hatte mich stets glauben lassen, dass mir nur durch diese Heirat der Aufstieg und die Zukunft möglich waren, die mir zustanden. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass ich Della kennenlernen und sie mir zeigen würde, dass das Leben mehr für mich bereithielt als eine lieblose Ehe mit einem herzlosen Biest.
»Wir haben dich schon erwartet. Deine Mutter hat sich mit einer Tasse Kamillentee, den ich ihr gemacht habe, ins Wohnzimmer zurückgezogen. Sie muss dich dringend sehen, Woods. Und ich bin wirklich sehr froh, dass du Rücksicht auf ihre Gefühle genommen und dieses Weibsbild nicht mitgebracht hast.«
Auch wenn diese Hexe Dellas Namen nicht benutzt hatte, wusste ich, dass sie ihn sehr wohl kannte. Wahrscheinlich wollte Angelina so tun, als hätte sie noch nie von Della gehört, aber das stimmte nicht. Sie war einfach bloß gehässig. Allerdings hatte ich keine Ahnung, was zum Teufel sie bei meiner Mutter verloren hatte.
Ich schubste Angelina beiseite und ging ins Haus, ohne ihr zu antworten. Meine Mutter konnte ich schließlich auch ohne ihre Hilfe finden. Wenn sie allein sein wollte, verkroch sie sich immer ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich auf der weißen Samt-Chaiselongue nieder, die einst meiner Großmutter gehört hatte, und starrte durch die riesigen Panoramafenster nach draußen.
Ich ignorierte das Klicken von Angelinas High Heels, die mir folgte. Egal was sie auch tat, sie ging mir damit grundsätzlich höllisch auf den Keks. Dass sie sich zum Beispiel an einem Tag wie heute, an dem es immerhin um das Begräbnis meines Vaters und somit eine reine Familienangelegenheit ging, einfach aufdrängte, verstärkte meine Abneigung gegen sie nur noch. Warum machte sie das? Und was erwartete sie sich davon? Das hier gehörte jetzt alles mir. Mir. Nicht meinem Vater. Und ganz bestimmt auch nicht meiner Mutter. Jetzt war ich der Kerrington, der das Sagen hatte.
»Mutter«, sagte ich, als ich ohne anzuklopfen das Wohnzimmer betrat. Ich ließ ihr keine Chance, mich wegzuschicken. Ehe wir dieses kleine Gespräch nicht geführt hatten, würde ich sowieso nicht gehen. Denn egal, wie viel Unrecht sie mir zugefügt hatte: Ich liebte sie. Sie war immer noch meine Mom, auch wenn sie nie an mich gedacht, sondern immer nur meinem Vater zur Seite gestanden hatte. Nie war es um mich gegangen, sondern immer nur darum, was sie für mich wollten. Trotzdem bedeutete sie mir deswegen nicht weniger.
Meine Mutter wandte ihren Blick nicht von dem Golf von Mexiko vor ihrem Fenster ab. »Woods«, sagte sie. »Ich habe dich erwartet.«
Mehr nicht. Und das tat weh. Mit dem Tod meines Vaters hatten wir beide einen Teil unseres Lebens verloren. Aber das begriff sie vermutlich einfach noch nicht.
Ich stellte mich in ihr Blickfeld, sodass sie mich zur Kenntnis nehmen musste. »Wir sollten reden«, erwiderte ich schlicht.
Sie sah mir in die Augen. »Allerdings.«
Es wäre so leicht gewesen, ihr die Kontrolle über dieses Gespräch zu überlassen. Aber das würde ich nicht tun. Es war höchste Zeit, dass ich ein paar Grenzen zog. Besonders jetzt, wo ich mit Della zusammen war und wir nach Rosemary zurückgekehrt waren.
»Na, immerhin ist er allein gekommen«, hörte ich Angelina sagen, die in der Tür stand. Ich drehte mich um und funkelte sie an. Was wollte die denn hier?
»Das hier geht dich nichts an. Mach, dass du wegkommst«, antwortete ich eiskalt.
Angelina wich zurück.
»O doch, das tut es sehr wohl. Sie wird in nächster Zeit hier bei mir wohnen. Ich brauche dringend Gesellschaft, damit ich nicht so einsam bin, und Angelina hat Verständnis dafür. So ein liebes Mädchen. Sie wäre wirklich die perfekte Schwiegertochter gewesen.«
Ich verstand ja, dass der Schmerz über den Tod meines Vaters noch ganz frisch war. Aber den Ton angeben durfte sie deshalb noch lange nicht. Ich musste vor den beiden Damen dringend ein paar Dinge klarstellen.
»Wenn überhaupt, dann wäre sie eine egoistische und verdorbene Schlampe von Schwiegertochter gewesen. Gott sei Dank habe ich das bemerkt, ehe es zu spät und mein Leben vollkommen ruiniert war.« Ich hörte, wie beide scharf die Luft einsogen, aber ich würde sie jetzt noch nicht zu Wort kommen lassen.
»Jetzt habe ich das Sagen, Mutter. Ich werde mich um dich kümmern und dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt. Allerdings werde ich Angelina in meinem Leben weder akzeptieren noch dulden. Vor allen Dingen werde ich nicht mehr zulassen, dass irgendjemand Della verletzt. Ich werde sie vor euch beiden beschützen! Sie ist meine Vollendung, mein Herz gehört nur ihr. Ich halte es nicht aus, wenn sie leidet. Ich kann gar nicht richtig in Worte fassen, was ich alles für sie empfinde. Bitte versteh nur, dass ich niemandem mehr gestatte, ihr wehzutun. Das könnte ich keinem verzeihen.«
Der verkniffene Zug um den Mund meiner Mutter war Antwort genug. Sie akzeptierte es nicht. Aber heute war vielleicht auch nicht der richtige Tag, um sie von meinen Gefühlen für Della zu überzeugen. Sie trauerte um einen Mann, auf den ich immer noch stinkwütend war.
»Wenn du irgendetwas brauchst, ruf mich bitte an. Oder wenn du bereit bist, ohne Groll auf Della mit mir zu sprechen. Wir werden uns irgendwann noch mal darüber unterhalten. Du bist meine Mutter, und ich liebe dich. Aber ich werde dich weder in Dellas Nähe lassen noch dich ihr vorziehen. Bitte sei dir über eins im Klaren: Wenn du mich je vor die Wahl stellst, werde ich mich ohne zu zögern für sie entscheiden.«
Ich ging zu meiner Mutter und drückte einen Kuss auf ihre Stirn, ehe ich ohne ein weiteres Wort an Angelina vorbeizog. Höchste Zeit, dass ich zurück nach Hause ging. Della kam allein nicht besonders gut zurecht. Ich war immer etwas besorgt, wenn ich sie zurückließ.
Woods hatte noch immer nicht geweint. Zeigte bis jetzt nicht die geringste Gefühlsregung, und das gefiel mir überhaupt nicht. Ich wollte, dass er trauerte. Ja, es wäre wirklich besser gewesen, seinen Tränen freien Lauf zu lassen, statt sie mir zuliebe zurückzuhalten. Bei dem Gedanken daran, dass er meinetwegen seine Gefühle unterdrückte, drehte sich mir der Magen um. Als sein Vater mich weggejagt hatte, hatte er gleichzeitig auch Verrat an Woods begangen. Aber ich hatte den Ausdruck in seinem Gesicht gesehen, wann immer er seinen Vater angeschaut hatte. Seine Anerkennung hatte Woods viel bedeutet, weil er ihn trotz allem geliebt hatte. Und deswegen war es jetzt so wichtig, dass er sich diesem großen Verlust stellte.
»Della?« Woods kam ins Wohnzimmer. Er blickte sich im Raum um und entdeckte mich dann draußen auf dem Balkon. Sofort ging er auf die Glastür zu. In seinem Blick lag eine Entschlossenheit, die mir fast Sorgen machte. Er kam heraus und stellte sich neben mich.
»Hey, ist es gut gelaufen?«, fragte ich, ehe er mich in den Arm nahm und mich fest an sich zog. Das hatte er in der vergangenen Woche sehr oft getan.
»Ach, meine Mutter befindet sich gerade in der Trauerphase. Wir reden weiter, wenn sie das alles ein bisschen verarbeitet hat«, flüsterte er in mein Haar. »Ich habe dich vermisst.«
Ich lächelte ihn an. »Du warst gerade mal eine Stunde weg. Da hattest du doch gar nicht genug Zeit, um Sehnsucht zu bekommen!«
Woods fuhr mit seinen Fingern durch mein Haar, strich es zur Seite und umschloss dann mein Gesicht mit seinen Händen.
»Ich habe in der Sekunde, in der ich aus dem Haus getreten bin, begonnen dich zu vermissen. Am liebsten hätte ich dich immer bei mir.«
Ich lächelte und küsste seine Hand. »Das geht nicht.«
Woods zog die finstere Miene, die ich schon so gut kannte.
»Ich will aber nicht ohne dich sein.« Er legte eine Hand auf meine Hüfte und zog mich an sich. »Ich kann mich auch überhaupt nicht konzentrieren, wenn ich dich nicht berühren kann!«
Ich grinste und drückte einen Kuss auf die Innenseite seines Handgelenks. »Wenn du mich anfasst, können wir uns doch gar nicht mehr bremsen.«
Woods schob seine Hand unter mein Shirt. Als sie sich meiner Brust langsam näherte, erschauerte ich. »Jetzt gerade will ich mich auch überhaupt nicht bremsen lassen«, hauchte Woods.
Ich mich auch nicht. Trotzdem war ich mir sicher, dass er jetzt eigentlich Redebedarf hatte … dass es ihm guttäte, über alles zu sprechen.
Sein Handy läutete, und wir hielten inne. Sofort nahm sein Gesicht einen angespannten Ausdruck an, und er zog bedauernd seine Hand unter meinem Shirt hervor.
»Ja bitte?«, sagte er in seinem Business-Tonfall und sah mich entschuldigend an. »Ja, ich bin in fünf Minuten da. Sagen Sie ihm, dass wir uns im Büro meines Vaters … in meinem Büro treffen.«
Es fiel Woods offensichtlich ziemlich schwer, das Büro seines Dads schon als sein eigenes zu bezeichnen. In Momenten wie diesen bekam ich eine kleine Ahnung von dem Schmerz, den er so hartnäckig ignorierte und der doch in ihm rumorte.
»Das war Vince. Ein paar Vorstandsmitglieder sind in der Stadt und wollen mich in einer Stunde treffen. Gary, der Berater und beste Freund meines Vaters, möchte mich vorher noch kurz briefen. Es tut mir leid«, sagte er, griff nach meiner Hand und zog mich an sich.
»Das muss es doch nicht. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen, ja?«
Woods gluckste. »Tja, wenn du den gesamten Tag bei mir im Büro verbringen könntest, würde mir da schon was Nettes einfallen.«
»Hm … Ich glaube nicht, dass du dann wirklich zum Arbeiten kämest.«
»Definitiv nicht«, antwortete er.
»Los, zeig dem Vorstand, was du draufhast!«
Woods gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Und was hast du jetzt Schönes vor?«
Ich wollte wieder arbeiten. Es fehlte mir sehr, die Leute zu sehen und eine Aufgabe zu haben. Den ganzen Tag nur am Strand herumzuliegen – das passte eigentlich gar nicht zu mir. »Kann ich nicht meinen Job zurückhaben?«, fragte ich.
Woods runzelte die Stirn. »Nein. Ich will nicht mehr, dass du in diesem Restaurant arbeitest.«
Damit hatte ich schon gerechnet. »Okay. Dann suche ich mir eben einen anderen Job. Ich brauche dringend irgendwas zu tun. Vor allen Dingen, wenn du so beschäftigt bist.«
»Und was ist, wenn du mich brauchst? Wo würdest du denn arbeiten wollen? Was, wenn ich dann nicht zu dir kann? Das wird doch nicht funktionieren, Della. Wenn du nicht bei mir bist, kann ich dich nicht beschützen.«
Oje, ich setzte ihn gerade nur noch mehr unter Druck. Er brauchte einfach Zeit, um sich an alles zu gewöhnen. Und die würde ich ihm geben. Erst mal mussten seine Wunden heilen. Und ich musste mir eben überlegen, wie ich meine Tage am besten verbrachte.
»Okay. Warten wir ein paar Wochen ab und sprechen dann noch mal drüber«, sagte ich lächelnd und hoffte, ihn so etwas beruhigen zu können.
Er sah erleichtert aus. »Alles klar. Sobald das Meeting vorbei ist, rufe ich dich an, und wir essen zusammen zu Abend. Ich schwöre, dass ich dich nicht lang allein lassen werde.«
Ich nickte einfach.
Woods zog mich abermals an sich und küsste mich zärtlich. Es war ein ziemlich besitzergreifender Kuss. Im Moment brauchte er mich tatsächlich sehr. Und deswegen war ich jetzt eben für ihn da.
»Ich liebe dich«, flüsterte er und küsste mich dann noch einmal auf den Mund.
»Ich dich auch.«
Woods brach auf, und ich blieb noch eine Weile auf dem Balkon stehen und blickte aufs Meer. Ich hatte so lange nicht richtig am Leben teilgenommen, und jetzt lernte ich, dass es auch darum ging, Opfer zu bringen. Besonders, wenn man jemanden liebte.
Mein Handy klingelte – Teilnehmer unbekannt. Das konnte nur eines bedeuten: Tripp.
»Hey«, sagte ich und ließ mich auf der Liege nieder.
»Wie läuft’s?«
»Alles okay soweit. Woods arrangiert sich langsam mit den neuen Umständen«, antwortete ich.
Tripp stieß einen erschöpften Seufzer aus. »Ich hätte für die Beerdigung nach Hause kommen sollen. Aber ich konnte nicht.«
Ich wusste nicht, was Tripp in Rosemary so bedrängte. Aber irgendetwas lag da im Argen. Seit er weggegangen war, hatte er mich zweimal angerufen. Beide Male von einer unbekannten Nummer aus, und beide Male hatte er sehr abwesend gewirkt. Beinahe … deprimiert.
»Jace meinte, er hätte versucht dich zu erreichen und es nicht geschafft. Du hast deine Nummer geändert, oder?«
»Ja, habe ich. Wollte ein bisschen Abstand.«
»Na, Jace vermisst dich jedenfalls und macht sich auch ein bisschen Sorgen.«
Tripp antwortete nicht, und ich hatte nicht den Eindruck, dass ich ihn jetzt zum Reden drängen durfte.
»Okay, ich ruf ihn an und sage ihm, dass dazu kein Grund besteht. Ich hätte nicht so lang in Rosemary bleiben dürfen, das bringt mich total durcheinander. Ich kann nicht zurückkommen. In dieser Stadt sind Dinge geschehen, denen ich mich einfach nicht stellen kann.«
Das hatte ich schon gewusst. Ich hatte zwar keine Ahnung, worum es sich bei diesen Dingen wirklich handelte, aber ich wusste, dass sie ihm keine Ruhe ließen.
»Arbeitest du denn wieder?«, fragte er.
»Nein. Woods möchte das gerade nicht. Er braucht mich, ich bin seine einzige Unterstützung. Seine Mutter … Na ja, du weißt ja, wie sie ist.«
Tripp war einen Moment lang still, und ich fragte mich, woran er dachte. Ich wollte auf keinen Fall, dass er einen blöden Kommentar über Woods machte.
»Okay, gerade braucht er dich – das verstehe ich schon, Della. Aber du hast diese Reise angetreten, um endlich dein Leben zu leben. Vergiss das nicht, ja? Aus einem Gefängnis bist du geflohen. Such dir jetzt kein neues, bitte.«
Seine Worte setzten mir ziemlich zu. Woods hatte nichts mit meiner Mutter gemeinsam. Er brauchte mich, weil er seinen Vater verloren hatte und jetzt urplötzlich einen Job zu machen hatte, auf den er nicht vorbereitet gewesen war. Nein, er versuchte nicht, mich zu bevormunden.
»Das ist was anderes! Ich will es schließlich auch so. Ich liebe Woods und will für ihn da sein, wann immer er mich braucht. Und sobald es ihm wieder besser geht, suche ich mir einen Job.«
Tripp antwortete nicht, und wir schwiegen eine Weile. Ich fragte mich, ob er einfach anderer Meinung war oder nicht wusste, was er dazu sagen sollte.
»Wenn ich das nächste Mal anrufe, werde ich meine Nummer nicht unterdrücken. Dann hast du sie für den Fall, dass du sie mal brauchst.«
Würde ich nicht.
»Aber … gib sie bitte nicht Jace oder sonst jemandem. Bitte.«
»Mach’s gut, Tripp«, antwortete ich und legte einfach auf. Von seinen Zweifeln und Bedenken wollte ich nichts wissen. Er lag einfach falsch. Bei Woods und mir lief es bestens. Tripp irrte sich vollkommen.
Einen Monat später …
Ich schielte auf mein Handy und überlegte, ob ich Della anrufen sollte. Seit fünf Stunden hatte ich nicht mit ihr gesprochen, da mein Morgen mit Meetings und Konferenzschaltungen via Telefon vollgepackt gewesen war. Della beschwerte sich nie, und das machte mir zu schaffen, da ich das eigentlich sehr verständlich gefunden hätte. Ich ließ sie im Stich. Aber wie sollte ich auch gleichzeitig den Kerrington Country Club leiten und mich um sie kümmern?
Jede andere Frau wäre schon längst in meinem Büro aufgetaucht und hätte mir deswegen eine gehörige Szene gemacht. Nicht aber Della.
Ein leises Klopfen an der Tür hielt mich davon ab, nach dem Handy zu greifen.
»Herein!«, rief ich und sah mich nach den Unterlagen um, die Vince mir vorhin zum Unterschreiben vorbeigebracht hatte.
»Draußen saß niemand, deswegen bin ich direkt zu dir gekommen.« Angelinas Stimme hatte ich nicht erwartet.
»Was braucht Mutter denn jetzt schon wieder?«, fragte ich entnervt, ohne sie anzusehen. Erst hatte ich mich über Angelinas Anwesenheit sehr geärgert, aber letztlich half sie meiner Mutter viel mehr, als ich das gekonnt hätte. Mehr sogar, als mir gefiel.
»Sie vermisst dich. Es ist über eine Woche her, dass du sie angerufen hast.«
Angelina hatte wie meine Mutter ein großes Talent darin, einem ein schlechtes Gewissen zu machen. Die zwei hatten wirklich eine Menge gemeinsam!
»Ich rufe sie später an, aber ich ertrinke in Arbeit, wirklich! Wenn das alles ist, dann geh jetzt bitte wieder.«
»Du musst nicht dermaßen frostig mit mir umgehen, Woods. Ich helfe dir einfach auf die einzige Art, die mir möglich ist. Jeder Tag, den ich mit deiner Mutter verbringe, ist eine Art Geschenk von mir an dich, verstehst du? Weil ich dich liebe. Dass ich auf eine andere Art um dich kämpfe, lässt du ja nicht zu. Aber was macht Della bitte für dich? Ich habe nicht den Eindruck, dass sie dich unterstützt.«
»Das reicht! Wag es ja nicht, dich auf eine Stufe mit Della zu stellen. Ich habe dich nicht darum gebeten, dich um meine Mutter zu kümmern. Wenn es nötig ist, bezahle ich eben jemanden dafür. Und Della ist immerhin der Grund, weshalb ich morgens aufstehe. Unterschätz also bitte niemals ihre Bedeutung, ja?«
Angelina versteifte sich und öffnete schon den Mund, um noch etwas zu sagen. Ich senkte meinen wütenden Blick wieder auf die Verträge, die vor mir lagen. Das Gespräch war für mich definitiv beendet. »Geh jetzt.«
Das Klicken ihrer sich entfernenden Absätze war das herrlichste Geräusch, das ich seit Langem gehört hatte.
Als die Tür endlich hinter ihr ins Schloss fiel, griff ich nach dem Handy und rief Della an.
»Hallo«, tönte ihre süße Stimme aus dem Telefon.
»Ich brauche dich«, antwortete ich.
»Mein spätes Mittagessen mit Blaire und Bethy ist gleich vorbei. Bin sofort da«, erwiderte sie.
»Komm einfach rein, wenn du hier bist.«
»Okay.«
Exakt 10Minuten und 15Sekunden später öffnete meine Tür sich erneut, und Della trat ein. Sie hatte ihr dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Das kurze Sommerkleidchen, das sie trug, schmeichelte ihren Kurven fast mehr, als mir lieb war. Ich stand auf und ging um meinen Schreibtisch herum auf sie zu.
»Hi«, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln.
»Hi«, erwiderte ich, ehe ich meine Hände auf ihre Hüften legte und meinen Mund auf ihren drückte. Ach, ihre Lippen waren immer so voll und weich … und schmeckten wegen ihres Lipgloss ganz leicht nach Kirsche.
Das – genau das brauchte ich. Das war es, was mich durchhalten ließ.
Della hörte auf, mich zu küssen, und legte ihre Hände um mein Gesicht. »Geht es dir gut?«, fragte sie leise.
»Jetzt schon.«
Della blickte zu mir hoch und musterte mich eingehend. Dann ging sie zur Tür und schloss ab, ehe ich sie fragen konnte, was sie vorhatte.
»Zieh dich aus«, sagte sie schlicht und schob dann die Träger ihres Kleides über ihre Schultern.
Einen Augenblick lang war ich vollkommen sprachlos. Ich tat, was sie verlangt hatte, ohne meinen Blick von ihr abzuwenden. Als ihr Kleid zu Boden fiel und sie in nichts als pinken Spitzenhöschen und dem dazu passenden BH vor mir stand, trat ich auf sie zu und hob sie hoch. Della schlang ihre Beine um meine Hüften, und wir begannen uns stürmisch und gierig zu küssen. Eigentlich konnte man es nicht einmal mehr küssen nennen, dafür war es beinahe zu roh. Man konnte eher sagen, dass wir einander verschlangen. Mit Haut und Haar.
Ich wollte sie gleich hier auf meinem Schreibtisch nehmen, aber bis dorthin würden wir es gar nicht mehr schaffen. Nicht nach dieser Striptease-Nummer. Ich war nicht einmal mehr dazu in der Lage, einfach nur ihren Geschmack zu genießen und sie zu berühren. Vielmehr musste ich ihn einfach sofort in sie reinstecken, ehe ich explodierte.
Ich setzte sie ab und drehte sie mit dem Gesicht zur Wand. Einen Augenblick lang weidete ich mich einfach nur an dem Anblick ihres Körpers, der sich mir entgegenbog, und mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb. Sie war wunderschön. Perfekt. Ich packte sie an den Hüften und drang in sie ein. Ihr lustvoller Aufschrei war so laut, dass ich mir sicher war, dass der gute Vince draußen an seinem Schreibtisch ihn gehört haben musste. Aber das war mir vollkommen gleichgültig.
»O Gott, das fühlt sich immer so toll an. So wahnsinnig toll …«, flüsterte ich. Als ihr Körper daraufhin erbebte, musste ich lächeln.
»Fester«, bettelte Della und presste ihren süßen runden Hintern gegen mich.
Ich stieß in sie hinein und hielt inne. Tief in ihr versunken lehnte ich mich nach vorn und liebkoste ihre Brüste. »Du machst mich total verrückt, Baby.«
Della stöhnte auf und wackelte mit ihrem Po. Sie wollte, dass ich mich bewegte.
»Dein Loch ist so eng. Das fühlt sich absolut himmlisch an … Ich könnte ewig so in dir bleiben«, versicherte ich ihr und meinte es vollkommen ernst. Dellas Muschi saugte an mir wie der süßeste Mund, den ich kannte.
Plötzlich begann dieses enge Loch, dem ich da gerade huldigte, sich zusammenzuziehen und meinen Penis zu drücken. Ich erstarrte. Dann machte sie es wieder. Was zur Hölle? Es fühlte sich an, als quetschte sie meinen Schwanz sanft zusammen … »Heilige Scheiße«, stöhnte ich. Ich würde viel früher einen Orgasmus haben, als ich wollte! Ich glitt aus ihr hinaus und wieder hinein – und da begann die Massage schon wieder. »Baby, ich komme jeden Moment, wenn du so weitermachst!«, sagte ich gepresst. Mit aller Macht wehrte ich mich gegen die Hitze, die meinen Schwanz umschloss. Ich war so nah dran!
»Della, Baby, hör auf damit! Ich explodiere jeden Moment und kann mich wirklich nicht mehr zurückhalten …«
Sie streckte mir ihren Po ein Stück weiter entgegen, und die Wände ihrer seidigen Hitze umschlossen mich noch fester. Es war, als hätte sie meinen Körper völlig unter Kontrolle – und ich selbst überhaupt nicht mehr. Ich spürte, wie ich ejakulierte, und rief ihren Namen, während mein Körper sich völlig hilflos gegen ihren bog.
»Ja! O Gott, ja!«, rief Della und versteifte sich kurz, ehe sie heftig zu zittern begann. Ich schlang meine Arme um sie und hielt sie fest, während wir beide langsam von dem Höhepunkt heruntersanken, auf den sie uns katapultiert hatte.
»Was hast du da nur mit mir angestellt?«, fragte ich staunend.
Sie lehnte sich wieder an meine Brust, und auf ihrem Gesicht erschien ein kleines zufriedenes Lächeln.
»Ich habe dich so richtig durchgefickt, und das ziemlich gut, würde ich sagen«, erwiderte sie keck.
Diese Antwort hatte ich nicht erwartet. Ich hob sie lachend hoch, ging zum nächstbesten Stuhl und ließ mich mit ihr hineinsinken.
»Das war wirklich unglaublich«, sagte ich und drückte einen Kuss in ihren Nacken.
»Fühlst du dich jetzt besser?«, fragte sie mitfühlend und bog ihren Hals zur Seite, sodass ich besseren Zugang hatte.
»Kommt ganz darauf an«, antwortete ich.
»Worauf denn?«
»Ob ich dich davon überzeugen kann, den ganzen Tag hier bei mir zu bleiben.«
»Du musst doch arbeiten«, sagte sie und sah mich streng an.
»Mmm, aber wenn du hier bist, kann ich mich viel besser konzentrieren. Außerdem könntest du dich ja auch noch mal ausziehen und mein verruchtes Mädchen sein, wenn ich dich in der Hinsicht noch mal brauche.«
Della warf den Kopf zurück und lachte. Und der Klang ihrer ausgelassenen Freude brachte für mich alles, aber absolut alles ins Lot.
Das Telefon, das auf Woods’ Schreibtisch lag, piepte zweimal.
»MrKerrington, Miss Greystone ist hier und möchte mit Ihnen sprechen«, verkündete die Stimme der Sekretärin durch den Lautsprecher.
Woods schloss die Augen und legte seinen Kopf auf die Lehne des Stuhls, auf dem wir immer noch saßen.
»Verdammt. Was will diese Kröte denn jetzt schon wieder?«
Kam Angelina oft hierher? Ich versuchte mit aller Macht, die Eifersucht zu unterdrücken, die sich in mir auszubreiten drohte. Natürlich schaute Angelina dann und wann vorbei, um ihn zu sehen. Immerhin lebte sie bei seiner Mutter und half ihr dabei, mit der Trauer zurechtzukommen. Das wiederum half Woods. Ich hingegen unterstützte ihn kein bisschen. Auch weil ich mir gar nicht sicher war, wie ich das anstellen sollte.
Ich wollte mich schon von seinem Schoß erheben, aber er hielt mich fest.
»Wir sollten uns was anziehen, Woods.«
»Lass mich bloß nicht allein mit ihr!«
Ich lehnte mich hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.
»Ich gehe nicht weg! Aber ich ziehe es doch vor, ihr nicht splitterfasernackt zu begegnen.«
Woods seufzte und ließ mich los, sodass ich aufstehen konnte.
»Und du wirfst dir bitte auch was über! Es ist mir ganz egal, was sie vor meiner Zeit schon zu sehen bekommen hat, aber damit ist jetzt Schluss.«
Woods lachte laut auf und erhob sich. »Bin ja schon dabei, Süße. Ganz ruhig.«
Während wir unsere Kleidung überstreiften, grinsten wir uns verschwörerisch an. Mir gefiel die Vorstellung, dass Angelina gleich hereinkommen und genau wissen würde, was wir getrieben hatten. Klar, das war eine ziemlich alberne Freude, die ich da empfand, aber ich konnte nichts dagegen tun.
»Schicken Sie sie rein«, antwortete Woods von seinem Schreibtisch aus, während er mir dabei zusah, wie ich meine Frisur richtete. Der wilde Sex hatte sie völlig zerstört, und mein Pferdeschwanz hielt kaum noch.
Die Tür schwang auf. Ich wirbelte herum und sah, wie Angelina hereingestöckelt kam, als gehöre sie ganz selbstverständlich hierher.
»Ich weiß nicht, warum du …« Als ihr Blick auf mich fiel, verstummte sie. Ich hatte meinen Pferdeschwanz wieder in Ordnung gebracht und ließ die Hände sinken.
»Habt ihr wirklich gerade …«
»Warum bist du zurückgekommen?«, unterbrach Woods sie barsch.
Angelina sah ihn an, als hätte er sie geschlagen. Ich beobachtete, wie sie versuchte, sich wieder zu fassen. Woods hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, mit den Fingern durch sein Haar zu fahren, und es war immer noch total verstrubbelt. Ich konnte beim Anblick seines absolut ramponierten Erscheinungsbildes nur mit viel Mühe ein Grinsen unterdrücken.
»Ich wollte nur Bescheid geben, dass deine Mutter dich heute zum Abendessen erwartet«, sagte Angelina so beherrscht wie möglich.
»Wenn Della nicht eingeladen ist, werde ich leider nicht kommen können.«
Angelina stieß einen frustrierten Seufzer aus und funkelte mich wütend an.
»Sie ist deine Mutter, Woods. Sie hat eben ihren Ehemann verloren und trauert. Du bist alles, was ihr geblieben ist. Kapierst du das denn nicht? Oder ist es dir völlig egal?«
Sie hatte recht. Woods’ Mutter würde mich vielleicht nie mögen. Aber trotzdem war er ihr Sohn, und sie brauchte ihn.
»Ich will, dass du hingehst«, sagte ich, ehe er etwas erwidern konnte.
Er sah mich an und runzelte die Stirn.
»Bitte«, sagte ich eindringlich und hoffte, dass er vor Angelina keinen Streit mit mir beginnen würde.
Woods versuchte, sein Haar zu ordnen, obwohl ihm der Strubbel-Look meiner Meinung nach ganz hervorragend stand.
»Okay. Aber nur für eine Stunde. Und es bleibt eine einmalige Angelegenheit. Das nächste Mal möchte ich nämlich, dass Della dabei ist.«
Angelinas verärgerte Miene verwandelte sich in ein zufriedenes Lächeln. Ja, heute Abend würde sie ihn für sich haben – ganz für sich allein. Dieser Gedanke gefiel mir überhaupt nicht, aber ich konnte Woods schließlich nicht von seiner trauernden Mutter fernhalten.
»Ich bin froh, dass du neben deinem Schwanz auch noch ab und an dein Gehirn mit in deine Entscheidungen einbeziehst«, antwortete Angelina spitz, ehe sie auf dem Absatz kehrtmachte und zur Tür ging.
»Sie ist ein Miststück. Ignorier sie einfach«, sagte Woods, ehe er sich von dem Tisch abstieß, an dem er gelehnt hatte, und zu mir hinüberkam.
»Weiß ich doch«, versicherte ich ihm. Trotzdem fürchtete ich tief in meinem Inneren, dass sie recht hatte.
»Sie sind an der Tür, Della. Lass sie bloß nicht rein, hörst du? Sie wollen uns nur wehtun. Wir müssen deinen Bruder beschützen. Sie haben schon mal versucht ihn zu töten. Und dieses Mal wollen sie uns umbringen. Lass sie nicht rein! Lass sie bloß nicht rein. Schhh. Hör auf zu weinen, du kleine Göre! Du musst leise sein. Ganz leise. Dann verschwinden sie wieder.«
Ich presste beide Hände auf meinen Mund, um die angstvollen Schreie zu unterdrücken, die ich nicht unter Kontrolle hatte. Ich hasste es, wenn das passierte. Mom würde hinterher wieder gemein sein. Sie konnte es nicht leiden, wenn Leute an unsere Tür klopften. Es regte sie auf. Und dann begann sie, mit ihm zu sprechen. Er war zwar nicht da, aber sie sah ihn trotzdem. Und das machte mir eigentlich am meisten Angst.
»Steh auf! Sie sind weg. Geh zur Tür und hol das Paket, das sie dagelassen haben. Und pass auf, dass sie dich nicht sehen«, flüsterte Mom.
Ich wollte die Tür nicht öffnen. Ich wollte es einfach nicht, auch wenn ich mir nicht sicher war, was da draußen lauerte. In letzter Zeit zwang Mom mich immer öfter dazu. Seit meinem sechsten Geburtstag.
Schmerz breitete sich in meinem Schädel aus, als Mom mich am Pferdeschwanz packte und brutal nach oben riss. Ich durfte jetzt auf keinen Fall weinen. Das würde alles nur noch schlimmer machen.
»Geh!«, schrie sie in einem Ton, der kalte Schauer über meinen Rücken jagte. Ein fester Schubs beförderte mich aus der Toilette hinaus in den Flur. Sie würde in dem kleinen Raum warten, bis ich mit dem Paket zurück war.
Ich sah mich nach ihr um, aber anstatt ihres wilden, völlig entrückten Blickes sah ich nur Blut. Es strömte aus der Toilette hinaus in den Flur. Nein. Nein, da sollte kein Blut sein! Plötzlich zerriss ein angsterfüllter Schrei die Stille. Er kam aus der Toilette.
Ich fuhr auf und konnte den Schrei immer noch hören. Er kam aus meiner Kehle, so wie immer. Es war nicht meine Mutter, die da aus Leibeskräften schrie, sondern ich.
Ich war immer noch allein. Während ich mich im Wohnzimmer umsah, versuchte ich tief und ruhig zu atmen. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippenbögen wie ein Presslufthammer. Ich zog meine Beine an und legte mein Kinn auf die Knie. Ohne Woods schlief ich nur selten ein. Wenn er neben mir lag, konnten die nächtlichen Panikattacken nicht so übermächtig werden.
Die Uhr am Kühlschrank sagte mir, dass es bereits nach 21Uhr war. Er hatte schon vor über einer Stunde zurück sein wollen. War er länger bei seiner Mom geblieben? Ich griff nach meinem Handy, das auf dem Kaffeetischchen lag, und sah, dass ich zwei Anrufe verpasst und eine Nachricht bekommen hatte. Alle von Woods. Ich öffnete die SMS.
Bitte melde dich! Ich mache mir Sorgen um dich, und Mutter ist während des Dinners ohnmächtig geworden. Ich nehme an, dass sie nicht genug gegessen hat. Ruf mich an, Süße!
Das war jetzt zehn Minuten her. Ich schoss vom Sofa hoch und wählte gerade seine Nummer, als die Tür aufsprang und Woods eintrat. Sein Blick heftete sich auf mich, und er atmete tief aus. »Gott sei Dank. Verdammt, Baby, du hast mir einen Riesenschreck eingejagt.«
Ich ließ mein Telefon fallen und ging auf ihn zu.
»Es tut mir so leid. Ich bin eben erst aufgewacht, nachdem ich auf der Couch eingenickt bin. Wie geht es deiner Mutter?«
Woods zog mich an sich und schlang seine Arme um mich. »Sie war zu schwach, um aufzustehen, also habe ich den Notarzt gerufen. Angelina hat immer wieder gesagt, dass es vielleicht ein Schlaganfall sein könnte. Sie ist mit Mom ins Krankenhaus gefahren, damit ich nach dir sehen kann.«
Ich gab ihm einen leichten Schubs. »Na, dann aber nichts wie hin, los! Fahr ins Krankenhaus! Oder warte, ich ziehe mir nur schnell meine Schuhe an und komme mit.«
»Bist du sicher? Wenn du total k.o. bist, möchte ich dich nicht mit ins Krankenhaus schleifen. Kann sein, dass wir die ganze Nacht da ausharren müssen.«
Ich schlüpfte in meine Tennisschuhe und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. »Nein, nein, schon gut. Ich will bei dir sein.«
Woods lächelte und streckte mir seine Hand entgegen.
»Schön. Ich bin sowieso nicht zu gebrauchen, wenn ich mir gleichzeitig Sorgen um dich mache, weil du allein bist. Falls du schlafen willst, kannst du dich einfach an mich kuscheln.«
Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, dass Angelina ihm bei der Pflege seiner Mutter unter die Arme griff. Nur weil sie da gewesen war, hatte er kurz nach Hause kommen können. Und wozu, bitte schön, war ich gut? Er musste sich ständig Sorgen um mich machen. Ich war ein schwaches, hilfsbedürftiges Wesen. Ein Stresspunkt mehr für ihn, das ja – aber ganz sicher keine Unterstützung.
»Jetzt schau nicht so düster. Sie wird schon wieder auf die Beine kommen. Die Sanitäter haben gesagt, dass ihr Kaliumspiegel ziemlich niedrig ist. Sie nehmen auch nicht an, dass es ein Schlaganfall ist, aber wegen ihrer ungewöhnlichen Herzfrequenz musste sie ins Krankenhaus, um dort kurz durchgecheckt zu werden.«
Ich nickte, als er seine Finger mit meinen verflocht.
»Auf geht’s«, sagte ich.
Ich würde schon eine Möglichkeit finden, ihm zu helfen. Er brauchte einfach eine starke Schulter, und die würde ich ihm bieten.
»Hast du denn gut geschlafen so ganz ohne mich?«, fragte er auf dem Weg nach draußen.
»Ja. Großartig«, log ich. Noch mehr Aufregung konnte er jetzt nicht gebrauchen.
Della hatte schließlich aufgegeben, sich an mich geschmiegt und war innerhalb weniger Minuten eingeschlummert. Mittlerweile war es nach drei Uhr morgens, und Mom stand noch immer in einem Raum unter Beobachtung. Angelina war bei ihr. So war es am besten.
Natürlich war ich nicht blöd – mir war völlig klar, dass Angelina meiner Mutter nicht aus reiner Herzensgüte half. Sie machte es, um mich schlussendlich zurückzugewinnen. Es war ja auch nicht so, dass meine Mom rund um die Uhr eine Krankenschwester brauchte, sondern vielmehr eine Freundin. Und genau das war Angelina eben gerade für sie.
Della schien es nicht zu stören. Ich hatte aufmerksam beobachtet, ob es ihr nicht doch zu schaffen machte. In dem Moment, in dem ich den Eindruck bekäme, dass es sie verletzte, würde ich den Kontakt zu Mom und Angelina abbrechen, bis Letztere endgültig aus unserem Leben verschwunden war. Wahrscheinlich würde sie sich sowieso aus dem Staub machen, sobald sie merkte, dass ihre Masche nicht zog und ich nicht zu ihr zurückkehren würde. Weil mein Herz Della gehörte und niemandem sonst.
Della begann, im Schlaf leise zu wimmern. Ich zog sie sanft auf meinen Schoß, strich ihr das Haar aus dem Gesicht und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Meistens half das. Und überhaupt hatte sie in letzter Zeit nur noch selten schlechte Träume. Normalerweise sah ich sie kommen und hielt sie auf, ehe sie Della überwältigten.
»Ich hab dich, ich bin hier! In meinen Armen kann dir nichts passieren, Della. Nichts, Baby. Das lasse ich nämlich nicht zu«, versicherte ich ihr, bis ihr Atem wieder regelmäßiger wurde, ihr Körper sich entspannte und sie in einen friedlichen Schlummer zurückfand. Ich lächelte und drückte einen Kuss auf ihr Haar. Die Vorstellung, dass ich ihre Angst in die Schranken weisen konnte, gefiel mir. Und das Wissen, dass ich alles war, was sie brauchte, hatte eine nahezu berauschende Wirkung auf mich.
»Wird das nicht langsam mühsam? Sie ist wirklich wie ein hilfloses, kleines Kind!« Angelinas eisiger Kommentar regte mich tierisch auf. Ich sah aber nicht einmal zu ihr hoch, sondern konzentrierte mich stattdessen ganz auf die Frau in meinen Armen.
»Wie geht es Mom?«, fragte ich sie.
»Sie schläft. Besonders viel gegessen hat sie leider nicht. Das wusste ich zwar, aber ich kann sie ja nicht dazu zwingen – schließlich bin ich nicht ihre Krankenschwester. Wenn du öfter vorbeikämest, würde sie auch mehr zu sich nehmen. Du fehlst ihr!«
O nein, meine Mutter hatte mich noch nie vermisst. Sie war nichts weiter gewesen als die Marionette meines Vaters. Wenn er mich bei sich haben wollte, wollte sie das auch, ansonsten scherte sie sich nicht um mich. Außer in der Zeit, als sie gehofft hatte, ich würde Angelina heiraten.
»Du stellst Della über deine Mutter, Woods. Schwache Nummer, ehrlich.«
Ich riss meinen Blick von Dellas friedlichem Gesicht los.
»Nein. Es ist vielmehr so, dass meine Mutter ihre Bedürfnisse über meine stellt. Und ich werde mein Leben ganz sicher nicht so leben, wie sie sich das vorstellt. Ich liebe, wen ich will, verflucht noch mal! Das kann sie ganz sicher nicht kontrollieren«, erwiderte ich kalt.
»Du musst den Kerrington Country Club leiten, Woods. Da brauchst du jemanden, der dir dabei zur Seite steht. So bist du aber noch zusätzlich für die da verantwortlich! Sie ist doch keine Hilfe für dich, sondern nur eine weitere Last. So kann aus dir kein erfolgreicher Geschäftsmann werden, Woods. Das sage ich dir«, meinte Angelina und deutete auf Della.
Ich presste meine Freundin noch fester an meine Brust. Solange sie bei mir war, konnte ich alles schaffen. Alles.
»Was dir ganz offensichtlich nicht in den Kopf will – und meiner Mutter scheinbar auch nicht –, ist, dass ich ohne Della nicht leben kann. Nicht einmal atmen kann ich ohne sie. Oder mich konzentrieren. Ich brauche sie und nur sie. Wenn sie nicht bei mir ist, bringe ich rein gar nichts zustande. Steck dir also deine schneidenden Kommentare und verqueren Ansichten bitte sonst wohin und lass mich in Ruhe! Ich weiß genau, was ich brauche, und du wirst es mir leider nie geben können. Hast du gehört? Und kommt das vielleicht endlich mal bei dir an? Du. Wirst. Nie. Meine. Freundin. Oder. Frau. Sein.«
Angelina öffnete den Mund und schloss ihn dann blitzschnell wieder. Ihr tiefrotes Gesicht sagte mir, dass die Message angekommen war. Sie war fuchsteufelswild. Sehr gut. Wurde ja auch langsam Zeit, dass sie das kapierte. Als sie ging, sah ich nicht mal hin, sondern wandte meine Aufmerksamkeit stattdessen wieder Della zu. Allein ihr Anblick besänftigte mich schon.
Als der Arzt vier Stunden später zu uns kam und mir mitteilte, dass es meiner Mutter gut ging und sie mich sehen wollte, wachte Della auf und rieb sich verwirrt die Augen. Ich konnte sehen, wie der Arzt sie anerkennend musterte. O nein, es gefiel mir ganz und gar nicht, wenn andere Kerle sie so ansahen, aber es war zwecklos, sich darüber aufzuregen. Sie war nun mal unendlich schön und sexy. Da half es nur, mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass sie mit mir zusammen war.
»Los, geh rein und sieh nach ihr. Ich versuche derweil, irgendwo Kaffee aufzutreiben«, sagte sie schläfrig. »Ich bringe dir auch einen mit.«
Ich drückte einen Kuss auf ihren Mund, weil ich sie sofort kosten musste und dem Arzt demonstrieren wollte, wie die Dinge zwischen uns standen. Als Antwort schlang sie ihre Arme um meinen Nacken und erwiderte meinen Kuss.
»Ich liebe dich«, flüsterte ich.
»Und ich liebe dich«, sagte sie, erhob sich und ging in ihrer engen, unten abgeschnittenen Jogginghose und einem meiner Kapuzenpullover davon. Als wir zum Krankenhaus aufgebrochen waren, hatte sie nur ein Trägertop getragen und deswegen irgendwann angefangen zu frieren.
Ende der Leseprobe