Once She Dreamed – In Sehnsucht vereint - Abbi Glines - E-Book

Once She Dreamed – In Sehnsucht vereint E-Book

Abbi Glines

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Beschreibung

Die neue Novella der Spiegel-Bestseller-Autorin Abbi Glines: Prickelnd, romantisch und bitter-süß! In Sammy Jos kleiner Heimatstadt in Alabama hat alles seine Ordnung: Niemand zieht weg, geheiratet wird untereinander, man bekommt Kinder und lässt sich in seinem Reihenhäuschen nieder. Doch Sammy Jo will etwas anderes. Seit sie denken kann, möchte sie hinaus in die Welt, mehr sehen, mehr erleben. Nur hat sie keine Ahnung, wie sie das anstellen soll, denn sie arbeitet Tag für Tag in der Bäckerei und ihre Mutter findet den Lebensentwurf mit Heiraten, in der Nähe Bleiben und Kinder Kriegen perfekt für sie! Alles ändert sich, als Hale Christopher Jude durch die Tür spaziert: Er verkörpert alles, wovon sie träumt - doch Sammy Jo übersieht, dass Dinge manchmal anders sind, als sie scheinen... Bei »Once She Dreamed – In Sehnsucht vereint« handelt es sich um den ersten Teil der zweiteiligen Novella »Once She Dreamed«. Teil 2 –  »Once She Dreamed – Für immer verliebt« erscheint im Mai 2018 ebenfalls bei »Piper Gefühlvoll«

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Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Once She Dreamed«.

 

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Lene Kubis

 

ISBN: 978-3-492-98412-6

Originalausgabe: © 2016 by Abbi Glines

Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München 2018

Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee

Covergestaltung: Favoritbüro, München

Covermotiv: Maridav/shutterstock und Babynin Aleksey/shuttersock

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

 

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Für Jack Britton Sullivan

Du bist in mein Leben getreten, als ich sicher war, dass ich niemanden brauche. Schon gar keinen Mann. Du hast mir gezeigt, dass ich sehr wohl jemanden brauche – jemanden, bei dem ich ganz ich selbst sein kann. Danke dafür.

Inhalt

Cover & Impressum

1 – »Die Eier sammeln sich …

2 – Der Duft der Erdbeer-Cupcakes …

3 – Mir war klar, dass …

4 – Ich war ziemlich überrascht, …

5 – Ben parkte seinen alten Ford-Truck …

6 – Die nächsten zwei Tage …

7 – »Einer ist für Henry …

8 – Der Rest des Tages …

9 – Eigentlich hatte ich nicht …

10 – Die Decke der großen Scheune …

11 – Er trug keine Jeans …

12 – Innerhalb einer Woche …

13 – Jamie schmiedete Hochzeitspläne, …

14 – Zum Glück sah Momma nicht, …

15 – Dafür, dass ich nicht …

16 – Ich weiß selbst nicht …

17 – Ich war eine Stunde früher …

18 – Als ich meinen Schwestern …

19 – Momma hatte nicht geweint, …

20 – Das Gebäude war historisch …

21 – Es war nicht leicht …

22 – Sobald ich einmal …

23 – Obwohl ich trotz …

24 – Jedes Mal, wenn ich …

1

»Die Eier sammeln sich nicht von allein ein!«, hörte ich meine Mutter um fünf Uhr morgens den altvertrauten Satz rufen, als sie unsere Zimmertür aufstieß. Ich teilte mir mein Zimmer mit meinen drei Schwestern. Immer schon. Unser Haus hatte nun mal nur fünf Räume, und zwei davon dienten als Schlafzimmer.

Gähnend fragte ich mich, ob ich wohl je in den Genuss des Ausschlafens kommen würde. Ob ich ein einziges Mal in meinem Leben länger als bis sieben Uhr morgens schlummern dürfte. Heiliger Bimbam, wäre das schön!

»Hör schon mit der Tagträumerei auf und kümmere dich um die Eier. Sammy Jo, hast du mich gehört? Momma kriegt doch die Krise, wenn die nicht in ein paar Minuten in der Küche liegen. Muss ich denn wirklich immer alles selbst machen?« Milly war die Älteste von uns vier. Letzten September war sie neunzehn geworden. Eigentlich dachten wir, dass sie diesen Typ namens Garner heiraten würde, aber dann war er den Marines beigetreten. Das hatte niemand erwartet, ganz besonders Milly nicht. Trotzdem glaube ich, dass es Momma noch mehr getroffen hat. Die hatte nämlich gehofft, dass es künftig ein Maul weniger zu stopfen gäbe.

»Hast du mich gehört?« Jetzt schrie meine Schwester bereits.

Seufzend hielt ich mir die Hand vor den Mund, um ein weiteres Gähnen zu unterdrücken, und funkelte Milly wütend an. Sie benahm sich immer ziemlich herrisch, dabei war ich nur elf Monate jünger als sie. Im August würde ich ebenfalls neunzehn werden. »Jaja, ich habe dich gehört. Um Himmels willen, hör bloß mit dem Gezeter auf!«, knurrte ich und hustete leise.

Hazel kicherte hinter mir. Ich drehte mich um und zwinkerte meiner Schwester zu, mit der ich das Bett teilte. Mit ihren zehn Jahren war Hazel die Jüngste, und ich war mir sicher, dass sie für immer unser Baby bleiben würde. Seit Daddy an Hautkrebs gestorben war, schien die Zeit irgendwie stehen geblieben zu sein. Deswegen hatte ich das Gefühl, dass auch Hazel nie erwachsen werden würde. Vor drei Jahren hatte sich Momma auf einen Mann eingelassen, der auf der Durchreise in unserer Stadt war und sie mit nichts als einem dicken Bauch zurückgelassen hatte. Heute aber wussten wir, dass es trotzdem gut war, dass es so gekommen war. Wir liebten unseren kleinen Bruder Henry sehr.

»Ich werde die verdammte Kuh nicht melken«, sagte Bessy, stampfte auf und stemmte dramatisch die Hände in die Hüften. »Ich war letzte Woche an der Reihe, und jetzt ist jemand anderes dran.« Bessy war fünfzehn und ganz schön anstrengend. Ich hoffte sehr, dass sie später am Theater landen würde. Bei ihrem Naturtalent für Dramatik wäre sie im Nu ein Superstar.

»Aber vor den Hühnern fürchtest du dich«, erinnerte Milly sie. »Also melke die Kuh oder füttere die Schweine, die ja stinken, wie du letzte Woche gemeint hast. Also, entscheide dich und hör auf so herumzufluchen.«

Als ich die Eier eingesammelt hatte, ging ich zurück zum Haus. Unglaublich, die beiden stritten sich immer noch wegen der Kuh! Wenn Momma wieder nach uns rief, wollte ich auf keinen Fall Ärger bekommen.

»Komm und hilf der kleinen Diva beim Melken«, raunte mir Milly zu. Aber ich ignorierte sie einfach. Sie war schließlich nicht mein Boss!

Ich öffnete die Tür mit dem Fliegengitter und trat in die Küche. Momma hatte mir den Rücken zugewandt, während sie das Backfett und die Butter in den Keksteig schnippelte.

»Willst du, dass ich den Schmorbraten in den Schongarer packe?«, wollte ich mich nützlich machen.

»Ich schätze mal, das sollten wir machen. Vilma hat nicht gesagt, wie alt er ist, und ich will nicht, dass der Braten verdirbt. War nett von ihr, dass sie ihn vorbeigebracht hat. Schön, dass wir so liebe Nachbarn haben.«

Liebe Nachbarn hin oder her, aber ich hatte von dieser Stadt hier ganz schön die Schnauze voll. Ich wollte raus aus Moulton. Raus aus Alabama. Alles wäre mir lieber gewesen, als hier zu wohnen! Draußen wartete die große weite Welt auf mich, und ich träumte davon, mir all die Länder anzusehen. Na ja, zumindest so viele wie möglich. Ich band mir mein Haar mit dem Gummi zusammen, dass ich immer an meinem Handgelenk trug. Von der Morgenbrise war mein Haar ganz verfilzt, aber das war mir egal. Ich würde die Knötchen später rauskämmen. Jetzt musste ich mich erst mal ein bisschen bei Momma einschmeicheln, damit ich später mit Ben und Jamie zum Konzert gehen durfte. Heute fand in Cullman, Alabama, das Rock-The-South-Festival statt, und meine Freunde hatten noch ein Ticket übrig. Ich war noch nie auf einem Konzert gewesen.

»Momma, wann musst du heute zur Arbeit?«, fragte ich und zog den Schongarer heraus. Gleich darauf sah ich mich nach weiteren Dingen um, die erledigt werden mussten. Momma erwartete nun mal von uns, dass wir mithalfen.

»Ich muss um acht in der Bäckerei sein. Sara ist schon seit fünf Uhr heute Morgen da, um sich um Brötchen und Sandwiches zu kümmern. Ich bin heute für die Cupcakes und Kekse zuständig. Vielleicht probiere ich auch ein neues Bananenbrot aus. Das verkauft sich immer gut.«

Diesen Monat arbeitete Momma schon zwölf Jahre in der Sweethouse Bakery. Wenn sie die Morgenschicht übernehmen musste, wurden wir von Milly geweckt. Das waren nicht gerade meine Lieblingstage.

»Du arbeitest heute von neun bis vier an der Theke. Sei ja pünktlich, Sammy Jo! Ich habe Hazel und Bessy eine Liste mit Dingen dagelassen, die hier im Haus zu erledigen sind. Bessy sollte dringend den Braten im Auge behalten. Die Liste liegt auf dem Tisch, schreib das bitte dazu.«

»Ja, Ma’am.« Ich notierte, was tun war. Während ich mit Momma in der Bäckerei arbeitete, ging Milly zur Kosmetikschule. Sie hatte ihren Abschluss schon gemacht und hatte jetzt einen Job beim einzigen Friseurladen der Stadt. Sie musste zwar erst um zehn Uhr anfangen, hatte dafür aber oft erst um neunzehn Uhr Feierabend – manchmal sogar noch später. Keine Ahnung, woher überhaupt die ganzen Kunden kamen, die so dringend einen Schnitt, ein Styling oder eine neue Haarfarbe brauchten. In Moulton wohnten gerademal um die dreitausend Leute. Mir war völlig schleierhaft, wieso beim Friseur stets Hochbetrieb herrschte. Okay, die Bäckerei lag direkt an der Hauptstraße, die von Florence nach Cullman führte. Daher gab’s immer eine Menge Laufkundschaft. Aber es erschien mir vollkommen bekloppt, in einer Stadt wie Cullman einen Friseursalon zu eröffnen. Hier machten die Leute ja sowieso nichts anderes, als einander anzustarren – entweder auf der Straße, zu Hause oder in der Kirche. Wäre genau dasselbe, wenn einfach alle eine Glatze hätten.

»Momma! Momma! Ich habe meinen Frosch verloren«, schrie Henry, als er mit dreckverschmiertem Gesicht und bebender Unterlippe zur Tür hereingestürmt kam.

»Wasch dich, und dann komm zum Frühstück. Das war bestimmt nicht der einzige Frosch hier! Du kannst später noch welche fangen.« Sie klang abgelenkt, und ich nahm mir fest vor, Henry nach dem Frühstück bei der Froschsuche zu helfen.

Er nickte, die Unterlippe immer noch zitternd. Dann verzog er sich Richtung Bad. Momma hatte ihn nie so richtig verwöhnt, aber darum kümmerten wir Schwestern uns dafür umso mehr!

»Passen heute Bessy und Hazel auf Henry auf, oder nehmen wir ihn mit in die Bäckerei?«, fragte ich, während ich den Sellerie für den Braten klein hackte und ab und zu ein Stückchen davon naschte.

»Bessy kann auf ihn aufpassen. Er ist nicht gern in der Bäckerei, weil ihn die Frauen so oft in die Wange kneifen. Außerdem nascht er zu viel.«

Henry stopfte immer massenhaft Kekse in sich hinein, und das passte Momma gar nicht. Aber es gab in der Bäckerei, in der er auch zur Welt gekommen war, für Henry einfach nicht viel zu tun. Momma hatte sich damals am Ende ihrer Schwangerschaft keinen Urlaub nehmen können, weil wir das Geld so dringend gebraucht hatten. Als ihre Fruchtblase schließlich platzte, reichte die Zeit nicht mehr aus, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Also kam Henry mit Saras und Vilmas Hilfe in der Bäckerei auf dem Fußboden zur Welt.

Mama tat mir leid. Die ganze Situation war wirklich vertrackt. Da hatte sie schon so viele Kinder, und dann kam noch eines dazu – und das Ganze ohne Mann! Nachdem mein Vater gestorben war, war ich mir sicher, dass es für ihn sowieso niemals einen echten Ersatz geben konnte. Aber manchmal fragte ich mich schon, ob meine Momma auch Angst davor hatte, sich wieder auf jemanden einzulassen. Eigentlich machte sie nicht den Eindruck.

An jenem Tag gab ich mir selbst ein Versprechen. Ich schwor mir, dass ich niemals allein ein Kind auf dem Fußboden auf die Welt bringen würde, ohne dass der Vater dabei war. Ich würde einen Mann heiraten, der mich liebte und mir die Welt zu Füßen legte. Und bei der Geburt würde er meine Hand halten, und ich wäre irgendwo, wo ich gut aufgehoben war. In einem Krankenhaus in New York zum Beispiel. Oder in Chicago, Boston oder meinetwegen auch in Seattle. Auf jeden Fall nicht in Cullman.

2

Der Duft der Erdbeer-Cupcakes in der Bäckerei ließ meinen Magen knurren. Leider durfte ich nicht mal dran denken sie zu probieren … Momma würde mir sofort auf die Pfoten hauen. Wahrscheinlich konnte sie wirklich Gedanken lesen, wenn es um Gebäck ging! In den Cupcakes waren frische Erdbeeren und die Glasur bestand aus Frischkäse. Und sogar der war selbstgemacht! Ich hatte Momma schon oft dabei zugesehen, wie sie ihn herstellte. Jedes Mal hätte ich liebend gern den Löffel abgeleckt, aber sie ließ mich nicht.

Jetzt war es schon nach vierzehn Uhr, und ich hatte immer noch nicht den Mumm gehabt, sie wegen des Konzerts zu fragen. Ich wollte eigentlich einen Moment abpassen, in dem sie nicht so beschäftigt war – sie hatte quasi den ganzen Tag durchgearbeitet, hatte schwitzend in der Küche geschuftet und sogar die Mittagspause ausgelassen. Es hatte keine gute Gelegenheit gegeben, sie zu fragen.

Das Glöckchen über der Tür läutete und riss mich aus meiner Cupcake-Trance. Rasch erhob ich mich von meinem Stuhl und setzte mein Kundenlächeln auf. Als ich den Mann sah, der vor der Theke stand, stockte mir kurz der Atem. Er war groß und gut aussehend, und seine Kleidung sah verdammt exquisit aus. Herrje, er roch sogar elegant. Das konnte ich trotz des Cupcake-Dufts feststellen, und das hieß schon eine Menge. Normalerweise kamen solche Männer nicht mal eben so in unsere Bäckerei spaziert.

»Hallo!«, sagte ich fröhlich. »Wir haben heute Erdbeer-Cupcakes frisch aus dem Ofen. Außerdem gibt es noch warme Apfeltarte und Blaubeermuffins, deren Beeren direkt von Mable Richards Feld kommen.« Auch wenn ich den Kunden immer erzählte, was wir gerade im Angebot hatten, kam ich mir dabei heute richtig dumm vor. Er sah einfach nicht aus wie jemand, der solche Sachen aß. Zu ihm passten Kaviar und Champagner viel besser.

»Oh, und dann haben wir auch noch Bananenbrot mit Nüssen. Es ist ganz frisch, und ich habe es noch nicht probiert, aber was Momma bäckt, schmeckt einfach immer köstlich.« Jetzt fühlte ich mich noch dämlicher.

Er ließ seinen Blick über die Törtchen wandern und ließ ihn schließlich auf mir ruhen. Seine Augen waren grün wie sonnenbeschienenes Gras. Am liebsten hätte ich mich für immer in diesen Augen verloren.

»Was würdest du mir denn empfehlen?« Seine tiefe Stimme war gehaltvoll wie der Whiskey, den ich mal mit Ben probiert hatte. Er hatte ihn von seinem Vater stibitzt.

»Hm?« Mehr brachte ich leider gerade nicht heraus, weil ich von der Stimme dieses Mannes regelrecht hypnotisiert war. Ganz ehrlich, ich fand, dass er sogar teuer klang. Bis zu diesem Moment hatte ich gar nicht gewusst, dass das überhaupt möglich war. Es kam mir fast so vor, als hätte er Gold in seinem Magen oder so.

Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen und auch ich musste plötzlich grinsen. »Was für ein Gebäckstück soll ich deiner Meinung nach denn kosten?«, formulierte er die Frage neu. Herrje, der Mann versuchte, etwas zu bestellen! Ich schüttelte den Kopf, um wieder etwas klarer denken zu können, und sah dann auf die Cupcakes. »Die Erdbeer-Cupcakes sind irre gut. Also, sie riechen so lecker – und weil sie mit frischen Erdbeeren gemacht wurden, finde ich, dass sie toll schmecken.«

»Gut, dann hätte ich gern drei davon.«

Ich strahlte ihn an. Bestimmt würde er begeistert sein!

»Okay«, sagte ich, griff nach einer Schachtel und streifte mir dann die Plastikhandschuhe über. Die mussten wir tragen, ehe wir das Essen berührten.

»Gibt es hier auch Kaffee?«, erkundigte er sich.

Ich nickte. »Klar! Ich habe eben eine frische Kanne gemacht. Möchten Sie einen großen?«

»Gern.«

Ich wollte ihn am liebsten sofort wieder ansehen, zwang mich dann aber, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Ich wollte jetzt auf keinen Fall etwas fallen lassen! »Gehört der Laden Ihrer Mutter?«, wollte er dann wissen und mir rutschten beinahe die Cupcakes aus der Hand.

»Meiner Momma?«, wiederholte ich und lachte leise. »Nein, sie arbeitet nur hier. Wäre toll, wenn sie eine eigene Bäckerei hätte. Sie würde ihre Sache sicher sehr gut machen.«

Ich stellte die Cupcakes und den Kaffeebecher aus Pappe vor ihn auf den Tresen.

»Das macht dann sieben Dollar und zweiundfünfzig Cent.« Ich faltete eine Serviette, legte sie auf die Schachtel und lächelte ein wenig dümmlich, als er einen Zehn-Dollar-Schein aus einem faustdicken Geldbündel zog. »Stimmt so«, sagte er.

Das bedeutete, dass er mir zwei Dollar und achtundvierzig Cent Trinkgeld gab! Warum sollte er das tun? Ich wollte gerade etwas sagen, da öffnete er die Schachtel und atmete den Duft der Törtchen tief ein. Als der Geruch auch mir in die Nase stieg, holte ich tief Luft. Er nahm einen Cupcake aus der Schachtel und griff nach Serviette und Kaffeebecher.

»Wenn die Dinger wirklich so gut sind, wie Sie sagen, dann bin ich bestimmt bald wieder hier«, meinte er und ging langsam Richtung Tür. Aber in der Schachtel auf dem Tresen waren doch noch die zwei anderen Cupcakes! »Entschuldigung!«, rief ich. »Sie haben die anderen Törtchen vergessen!«

Er blieb stehen und drehte sich grinsend zu mir um. »Die habe ich für Sie gekauft.« Dann verschwand er. Einfach so. Ich hatte nicht mal mehr die Chance, mich zu bedanken.

Als ich die Cupcakes betrachtete, lief mir das Wasser im Mund zusammen, aber ich würde nicht beide essen. Einer davon war für Henry. Momma würde nicht begeistert sein, aber der Mann hatte die Cupcakes für mich gekauft. Henry würde sich irre freuen und mehr interessierte mich gerade nicht.

Ich schnappte mir ein Törtchen, biss hinein und spürte, wie sich seine köstliche Süße in meinem Mund ausbreitete. Wow. Von dem Geschmack bekam ich Gänsehaut!

»Sammy Jo, was treibst du da?« Mommas Stimme ließ mich zusammenzucken. Dann sah sie mich mit ihrem ganz speziellen Blick an. So, als hätte sie ein freches Kind auf frischer Tat ertappt.

»Er gehört mir, ein Mann hat gerade drei Stück gekauft«, nuschelte ich mit vollem Mund. Als ich fertig gekaut hatte, wünschte ich mir wirklich, ich könnte den herrlichen Geschmack irgendwie in meinem Mund konservieren.

»Ein Mann hat was?!«, schnaubte sie, die Hände in die Hüften gestemmt.

»Er war gerade noch hier.« Ich zeigte auf die Tür. »Er hat gefragt, was ich empfehlen würde, und dann habe ich ihm die Erdbeer-Cupcakes ans Herz gelegt. Also hat er drei Stück genommen und dazu noch einen Kaffee. Er hat ein Törtchen aus der Schachtel geholt, gemeint, dass die anderen für mich wären, und ist davonmarschiert.«

Momma seufzte und schüttelte dann vor sich hin murmelnd den Kopf. Klar, das gefiel ihr überhaupt nicht. Aber der Cupcake war so lecker, dass ich das gern in Kauf nahm.

»Du solltest fremden Männern nicht erlauben, dir Sachen zu schenken. Das machen sie nur, wenn sie auf Sex aus sind und dich hübsch finden.« Sie hob drohend den Zeigefinger. »Wenn du in den Spiegel guckst, dann weißt du, was ich meine. Der liebe Gott hat dich nun mal zu einer hübschen jungen Frau werden lassen, und das fällt den Männern auf. Mit dir als Person hat das leider wenig zu tun. Also sei bloß vorsichtig!«

Diese Predigt hatte ich schon mal gehört. Es ging immer wieder darum, dass Männer mich ausnutzen wollten und ich mich davor schützen musste. Daddy hatte mich davor gewarnt, als ich auf die Junior High gekommen war. »Du bist einfach zu hübsch für diese Welt, Sammy Jo. Und ich würde wirklich ungern einen Kerl abknallen, nur weil er vergessen hat, dass du meine Tochter bist.«

»Er war schon weg, ehe ich ihn davon abhalten konnte. Momma, er war ziemlich reich. Hat sogar teuer gerochen! Bestimmt kommt er nie wieder hier vorbei. Solche Leute wohnen nun mal nicht hier.«

Momma runzelte die Stirn und blickte auf die Tür. »Klar kommt er wieder. Jetzt, wo er dich erst mal gesehen hat, wird er sich nicht davon abhalten lassen.« Mit diesen Worten verschwand sie wieder in der Küche.

Ich wiederum war mir nicht sicher, wie ich es finden sollte, dass meine Momma so fest davon überzeugt war, dass alle Männer hinter mir her waren. So wahnsinnig attraktiv fand ich selbst mich eigentlich nicht. Besonders nicht in Gegenwart eines solchen Traummanns.

3

Mir war klar, dass Momma nach der Sache mit den Cupcakes Nein zu dem Konzert sagen würde. Aber ganz kampflos wollte ich trotzdem nicht aufgeben, also fasste ich mir ein Herz. Jepp, wie vermutet. Sie wollte, dass ich zu Hause Erbsen pflückte und sie danach einmachte. Im Juni gab es in unserem Garten schon einiges zu ernten, und so ging das die nächsten Monate über dann weiter. Wir konnten uns quasi den ganzen Winter von dem ernähren, was der Garten uns so beschert hatte. Nächsten Monat waren dann die Tomaten mit dem Einmachen dran. Das hasste ich. Erbsen zu pulen allerdings auch.

Milly hatte an diesem Abend ein Date. Der Typ hieß Robbie Longman, und da Momma Milly immer noch so bald wie möglich unter die Haube bringen wollte, erlaubte sie ihr das Treffen. Sie hoffte wohl, dass er ihr einen Antrag machte. Und der Rest von uns kümmerte sich eben daheim plaudernderweise um die Erbsen. Sogar Henry half mit.

Theoretisch hätte ich mit Ben heute Abend auch eine Art Date gehabt. Klar, wir kannten uns schon seit Ewigkeiten und hatten wirklich nicht vor zu heiraten, aber es kam mir trotzdem unfair vor! Ich durfte nie Verabredungen haben. Stattdessen wurden meine Finger von den Schalen schon ganz rau, und ehe wir schlafen gehen konnten, hatten wir noch einiges vor uns.

Und auch jetzt musste ich ehrlich zugeben, dass der Cupcake die Sache wert gewesen war. Henry würde mir da sicherlich zustimmen! Ein Großteil der Glasur landete auf seinem Gesicht, wodurch er nur noch niedlicher aussah. Wenn das überhaupt möglich war.

»Erzähl die Geschichte von dem Cupcake-Mann noch mal«, flehte mich Bessy an, die von der Sache total fasziniert war. »Bitte!«

»Da gibt es nichts zu erzählen«, antwortete Momma knurrend und schnalzte mit den Fingern. Bessy guckte enttäuscht aus der Wäsche. Sie wusste nur zu gut, dass es nichts brachte, weiter zu insistieren, wenn Momma erst diesen Ton angeschlagen hatte.

»Ich will noch’n Cupkeks«, murmelte Henry lächelnd.

»An deinem Geburtstag kriegst du einen«, meinte Momma, woraufhin Henry sofort in ein schier endloses Geburtstagsständchen ausbrach.

»Wann kann ich in der Bäckerei arbeiten?«, wollte Bessy wissen, obwohl sie die Antwort sowieso kannte. So schnell würde sie nicht in den Genuss kommen, weil sie in den Sommermonaten auf Henry aufpassen musste. Aber das sagte ich nicht. Mich hatte sie schließlich nicht gefragt.

»Wenn Sammy Jo heiratet und keine Zeit mehr dafür hat«, erwiderte Momma da auch schon.

Sobald ich über einen Ehemann in spe nachdachte und darüber, was sich dann alles für mich ändern würde, huschte ein Lächeln über meine Lippen. Das Problem war nur, dass es keinen einzigen Kandidaten gab. Niemand würde mich vom Fleck weg heiraten und Moulton mit mir verlassen. Die würden alle hier sterben, da war ich mir sicher. Sie würden ihr Leben lang kaum etwas von der Welt sehen. Und wenn es mit mir so weiterging, dann erwartete mich dasselbe Schicksal.

»Sie ist so furchtbar wählerisch. Es gibt immer wieder Männer, die sie um eine Verabredung bitten, aber sie geht nie hin.« Bessy sah mich stirnrunzelnd an. »Sie ist das hübscheste Mädchen der Stadt, hat aber nie ein Date.«

Ich hatte das schon oft genug gehört und hatte es langsam satt, mich deswegen immer wieder zu rechtfertigen.

»Die Jungs aus dieser Stadt würden mich doch auch nicht aus diesem Kaff rausbringen. Aber ich möchte so viel entdecken! Und nichts will ich weniger, als hier in Moulton versauern und ein Kind nach dem anderen in die Welt setzen.«

Bessy verdrehte die Augen. »Dagegen ist ja auch überhaupt nichts einzuwenden. Aber es ist echt unfair, dass du wegen deines Aussehens so hochnäsig geworden bist. Du denkst einfach, du hättest was Besseres verdient als ich. Wenn ich deine blauen Augen, deine blonden Haare, deine großen Brüste und deine schlanken Beine hätte, dann hätte ich mir längst einen Mann mit eigenem Haus angelacht.«

Schade, dass meine Schwester nicht etwas höhere Ansprüche an ihren Zukünftigen hatte. Aber da ließ sich wohl nichts machen.

Ende der Leseprobe