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Wenn Liebe und Schmerz nur ein Herzschlag trennt
Riley hat es satt, eine Lügnerin genannt zu werden. Doch kaum ist sie zurück in ihrer Heimat, begegnet man der jungen Mutter erneut mit Misstrauen. Allein Sunnyboy Brady urteilt nicht vorschnell und spricht ihr Mut zu. Das freut und verwirrt Riley zugleich. Schließlich könnte der gut aussehende Quarterback jedes Mädchen haben. Und plötzlich knistert es heftig zwischen ihnen, aber kann sie Brady wirklich vertrauen?
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Seitenzahl: 353
Cover & Impressum
Widmung
1. Riley – Hab so Unga!
2. Brady – Bloß nicht einknicken, weil sich dein Guter-Junge-Komplex meldet
3. Riley – Meine kleine Schwester?
4. Brady – Vor allem nicht für Riley
5. Riley – Wo ist Thomas?
6. Brady – Die von Ihnen gewählte Nummer ist zurzeit nicht vergeben
7. Riley – Sollen wir eine kleine Spritztour machen?
8. Brady – Lauf du mal weiter mit deinem Heiligenschein rum
9. Riley – Die menschliche Natur ist nicht immer schön
10. Brady – In fünf Minuten geht unser Work-out los!
11. Riley – Du erinnerst dich, wer ich bin, richtig?
12. Brady – Wenn ich groß bin, möchte ich wie Rhett sein
13. Riley – Ich bin nicht jeder andere
14. Brady – Diese Stadt war die reinste Tratschbörse
15. Riley – Ich merke schon, ihr seid noch genauso bezaubernd wie eh und je
16. Brady – Dabei brauchst du so was
17. Riley – Du musst eine Meisterschaft gewinnen
18. Brady – Mit drei Touchdowns Vorsprung
19. Riley – Den heutigen Abend verdanke ich dir
20. Brady – Spaßiges Spiel gestern, hm?
21. Riley – Sie ist der Sonnenschein in meinem Leben
22. Brady – Sie ist bei mir
23. Riley – Ich wusste gar nicht, dass gute Freunde sich so küssen
24. Brady – Ich hab das im Griff
25. Riley – Schau bitte auch nach Thomas
26. Brady – Der Kerl von vorhin würde ich nie wieder sein
27. Riley – Die schöne heile Welt, an die wir als Kinder glaubten, gibt es nicht
28. Brady – Ich hoffe, du hast gut geschlafen
29. Riley – Er ist ein hübsches Kerlchen, nicht?
30. Brady – Das war die einzige Waffe, die ich hatte
31. Riley – Für den Moment
32. Brady – Willkommen im Club
33. Riley – Du siehst deiner Mama vielleicht ähnlich!
34. Brady – Gunner hat mir nichts zu sagen
35. Riley – Klingt nach Willa
36. Brady – Das ist die beste Pizza, die ich je hatte
37. Riley – Als eingeschworene Gemeinschaft kann man die Lawtons nicht mehr bezeichnen
38. Brady – Nichts daran ist falsch
39. Riley – Tod durch Maisbrot
40. Brady – Ich war überzeugt, dass sie tatsächlich vollkommen sein könnte
41. Riley – Go Lions!
42. Brady – Verlass mein Spielfeld
43. Riley – Verschwinde, Serena
44. Brady – Ich begleite mein Mädchen zu seinem Wagen
45. Riley – Feldparty hin oder her, nach einem Spiel war es Bradys Show
46. Brady – Ich ziehe aus
47. Riley – Es wird noch weitere Veränderungen geben
48. Brady – Wir überleben das
49. Riley – Alles schien normal
50. Brady – Wir mussten uns ja auch nicht gleich über alles klar werden
51. Riley – Ich habe schon einen Albtraum durchgemacht
52. Brady – O Gott, bewahrt mich vor diesem schmalzigen Scheiß!
53. Riley – Es war Teil meiner Geschichte
54. Brady – Was zur Hölle würde ich ohne sie tun?
55. Riley – Er glaubt, er hätte dir nicht gereicht
56. Brady – Und eines Tages sage ich Ja
Danksagung
Mehr heißer Lesestoff von Abbi Glines
Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.piper.de
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau
ISBN 978-3-492-97872-9 © Abbi Glines 2017 Titel der amerikanischen Originalausgabe: »After the Game«, Simon Pulse, ein Imprint der Simon & Schuster Children’s Publishing Division, 2017 © der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2018 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Umschlagabbildung: FinePic®, München Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
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Für jedes junge Mädchen, das einen Fehler begangen hat oder an das keiner glaubt. Mögt ihr Kraft in euch finden und euch in dem Bewusstsein, dass alles einmal vorübergeht, zu starken Persönlichkeiten entwickeln. Kopf hoch!
Hab so Unga!
Lautes Getöse aus der Küche riss mich aus meinen Träumen in die Wirklichkeit. Es roch verbrannt, und Bryony lag nicht mehr neben mir im Bett. Mein Blick fiel nach dem Aufwachen immer gleich auf ihre niedlichen blonden Löckchen und die großen blauen Augen, mit denen sie mich anschaute.
Ich sprang auf und sprintete aus meinem Schlafzimmer. Eine Million Dinge schossen mir durch den Kopf, denn ohne mich stand Bryony eigentlich nie auf. Gerade als ich in die Küche stürzte, schepperte es wieder.
Meine Großmama lehnte mit dem Rücken an der Spüle. Vor ihr lag ein Topf auf dem Boden, der mit einem Gemisch aus Haferflocken und Milch gefüllt gewesen sein musste, das sich nun auf den Fliesenboden ergoss. Aus dem Toaster hinter ihr stieg Rauch auf, und ich riss schnell den Stecker aus der Steckdose, um Schlimmeres zu verhindern.
»Mami!«, ertönte Bryonys süße Stimme hinter mir.
Ich wirbelte herum, weil ich mich vergewissern musste, dass ihr nichts zugestoßen war, und wäre dabei um ein Haar auf dem Haferbrei ausgerutscht.
Bryony, deren Löckchen nach allen Seiten abstanden, sah mit verschreckter Miene zu mir auf. »Hab so Unga!«
Ich hob sie hoch, damit sie nicht noch in die Bescherung trat, und drückte sie an mich. Gleich fühlte ich mich besser.
»Großmama hat wohl versucht, dir was zu essen zu machen.« Ich schaute zu meiner Großmutter, die sich das verschüttete Frühstück zu ihren Füßen besah.
»Ich weiß nicht.« Sie klang, als wäre sie sich nicht sicher, was sie sagte oder warum sie eigentlich dort stand. Was für sie normal war. An einigen Tagen war sie besser drauf. An anderen schlechter. Heute war wohl eher Letzteres der Fall.
»Ich setze Bryony in ihren Hochstuhl, mach ihr ein Müsli und dann wische ich das weg. Was möchtest du denn frühstücken, Großmama?«
Sie richtete ihren Blick auf mich, und die Verwirrung darin machte mich wie immer traurig. Die Frau, die mir beigebracht hatte, wie man Kekse backte, und mir Lieder vorgesungen hatte, während sie dazu auf Töpfen und Pfannen getrommelt hatte, gab es nicht mehr. Inzwischen fand sie sich in ihrem eigenen Kopf nicht mehr zurecht.
»Weiß nicht«, sagte sie. Das hörte ich häufig.
Nachdem ich Bryony in den Hochstuhl gesetzt hatte, nahm ich Großmama sanft am Arm und lotste sie von der rutschigen Haferpampe weg. Meistens wachte ich morgens eher auf als sie, doch heute hatte ich verschlafen. Dabei weckte mich normalerweise meine Mom, bevor sie zur Arbeit ging, aber heute hatte sie damit entweder keinen Erfolg gehabt oder sie hatte es vergessen.
»Hab so Unga!«, machte sich Bryony erneut bemerkbar. Falls sie Großmama in der Küche entdeckt hatte, hatte sie ihr dasselbe gesagt. Und da musste jener einen kurzen Augenblick klar gewesen sein, dass sie Bryony etwas herrichten musste. Doch diese kurze Erinnerung hatte sich wieder verflüchtigt, und sie hatte den Topf fallen lassen. Ein zerbrochener Teller, auf dem sich wohl etwas Apfelmus befunden hatte, lag auch auf dem Boden. Und dann noch das verbrannte Toastbrot.
»Okay.« Ich griff nach einer Schachtel Frühstücksflocken und schüttete ein paar davon auf Bryonys Essbrett. »Iss erst mal die, Schatz, derweil wischt Mami den Boden sauber.«
Bryony nahm sich ein paar Flocken und steckte sie sich in den Mund.
»Ich habe einen Teller zerbrochen«, meinte Großmama besorgt.
»Ach, das kann doch mal passieren. Sobald ich mit dem Wischen fertig bin, mach ich dir Hafergrütze mit braunem Zucker und Apfelstückchen. Das magst du doch so gern.« Ich lächelte sie beruhigend an.
Sie zog die Stirn kraus. »Mag ich das?«
Es war, als müsste ich mich um ein weiteres Kind kümmern. Lang waren wir noch nicht wieder hier in Lawton, Alabama, aber die Zeit seitdem war nicht einfach gewesen. Es zerriss einem das Herz, einen geliebten Menschen so verwirrt zu erleben. Alzheimer war eine schreckliche Krankheit.
»Oma auch Unga«, erklärte Bryony mir.
Ich lächelte meine Tochter an. »Stimmt. Dann wird’s jetzt Zeit fürs Frühstück.«
»Sandra wird sich wegen ihres Tellers aufregen. Sie liebt diese Teller. Ich muss in die Stadt gehen und ihr bei Miller’s einen neuen kaufen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
Für jeden anderen hätte das plausibel geklungen. Logisch. Leider war es alles andere als das. Sandra war die Schwester meiner Großmama gewesen und schon an Krebs gestorben, als ich drei Jahre alt war. Und Miller’s hatte 1985 schließen müssen. Ich wusste das nur deshalb, weil Großmama mich kurz nach meiner Rückkehr gebeten hatte, ihr dort etwas zu besorgen, und ich gerade losziehen wollte, als mich meine Mom im letzten Moment aufhielt und aufklärte. Großmama lebte in der Vergangenheit. 1985 war Roy Miller einem Herzinfarkt erlegen, seine Familie hatte das Geschäft aufgegeben und war aus Lawton weggezogen.
Inzwischen hatte ich herausgefunden, dass es besser war, einfach mitzuspielen, anstatt sie an all das zu erinnern. Hätte ich ihr erklärt, dass Sandra tot war und es Miller’s schon lang nicht mehr gab, hätte sie einen hysterischen Anfall bekommen. Folglich überhörte ich ihre Bemerkung und machte den Boden sauber, bevor ich auf dem Herd einen neuen Haferbrei zubereitete und das verbrannte Toastbrot entsorgte.
»Weißt du, wo ich Lylas Apfelmus hingestellt habe? Sie soll davon heute Morgen etwas essen. Den hab ich gestern frisch gemacht mit den Äpfeln, die ich bei Miller’s gekauft habe.«
Lyla war meine Mutter. Noch so etwas, das meine Großmama durcheinanderbrachte. Oft hielt sie Bryony für meine Mutter, als sie klein war. Einmal mehr verloren in der Vergangenheit.
»Ich bringe ihr was von dem Apfelmus, und du setzt dich einfach hin und entspannst dich. Du kriegst gleich einen Saft von mir. Schau den Vögeln draußen zu. Guck doch, sie fressen das Futter, das wir ihnen gestern ins Vogelhäuschen gestreut haben.« Tatsächlich fing sie an, durch das große Erkerfenster die Vögel zu beobachten.
Heute arbeitete Mom nur bis Mittag im Krankenhaus. Nach dem Essen würde ich mit Bryony einen Spaziergang zum Park machen können. Ich musste zusehen, dass die beiden etwas zu essen bekamen und ich die morgendliche Hausarbeit erledigte, damit wir später ausgiebig spielen konnten. Die Sonne schien, aber die ganz warmen Tage lagen hinter uns. Die kühle Herbstluft war perfekt, um sich draußen aufzuhalten. Und Bryony liebte es, das bunte Laub vom Boden aufzusammeln. Sie nannte die Blätter ihre »Sammung«.
Bloß nicht einknicken, weil sich dein Guter-Junge-Komplex meldet
Woche zwei ohne Ivy, und noch immer war großes Drama angesagt. Dabei hatte ich gedacht, es würde uns beide glücklicher machen, wenn ich sie endlich freigab, vor allem mich glücklicher machen. Doch in der Schule einer heulenden Ivy über den Weg zu laufen, die mir traurige Nachrichten hinterließ, wie verloren sie sich ohne mich fühlte, war auch nicht das Gelbe vom Ei. Es war nicht gerade angenehm zu wissen, dass ich ihr wehgetan hatte. Aber was half’s? Entweder war Schluss, oder sie konnte sich weiter etwas vormachen.
Ich hätte doch keine andere angehimmelt, wenn ich sie wirklich geliebt hätte. Ich mochte das andere Mädchen nicht bekommen haben, doch ich war hinter ihr her gewesen. Ging’s noch mieser? Fairerweise hatte ich einen Schlussstrich ziehen müssen. Wobei man ins Grübeln kommen konnte, wenn man sah, wie sehr es Ivy mitnahm.
»Halt durch. Jetzt bloß nicht einknicken, weil sich dein Guter-Junge-Komplex meldet!«, beschwor mich West Ashby, der mich im Gang eingeholt hatte. Er war einer meiner besten Freunde. Wer weiß, vielleicht auch mein einziger bester Freund. Seitdem ich mich möglicherweise in die Freundin meines anderen besten Freundes verliebt hatte, war ich mir da echt nicht mehr so sicher.
»Sie kommt damit nicht klar.« Ich vermied es, Ivy und ihre Freundinnen anzusehen, die mich alle beobachteten. Wie heiße Dolche spürte ich ihre Blicke auf mir. Dabei war ich eigentlich gar nicht der Typ, der wütende Blicke erntete. Die bekamen normalerweise West oder Gunner ab. Ich nicht. Ich war der Gute.
»Das wurde mal Zeit. Du hast lange genug gelitten, nur weil du nett sein wolltest. Manchmal muss man lernen, ›Scheiß drauf‹ zu sagen.«
Ich sah ihn von der Seite an. »Auf so einen Ruf wie deinen kann ich verzichten.«
West lachte in sich hinein. »Mein Ruf ist der eines verliebten Mannes. All meine vorangegangenen Verfehlungen sind damit vom Tisch.«
Er hatte recht. Meine Cousine Maggie hatte ihn verändert. Er nutzte Mädchen nicht länger aus, nur um sie dann in die Wüste zu schicken. Wenn ich ihn gemeinsam mit Maggie sah, packte mich der Neid, und ich wünschte mir auch eine Freundin, der ich nah sein wollte. Eine, deren Anblick mir unweigerlich ein Lächeln entlockte. Eine wie Willa, die nun mit Gunner zusammen war und bei der ich null Chancen hatte. Ich hätte sie ihm auch gar nicht abspenstig machen wollen, denn die beiden waren glücklich zusammen. Noch nie zuvor hatte ich Gunner glücklich erlebt. Das war Willas Werk.
»Ivy ist nicht diejenige welche, verstehst du? Dabei verdient sie es, für jemanden diese Eine zu sein. Leider ist sie da bei mir an der falschen Adresse. Aber krieg das mal in ihren Kopf!«
»Ivy ist das Klammergirl in Reinform.« West klopfte mir auf den Rücken. »Hier muss ich rein. Bleib hart. Irgendwann sieht sie sich auch wieder nach anderen um.«
Mir kam es vor, als sei es auch meine Schuld, dass andere in Ivy das verzweifelte Mädchen sahen, das nicht loslassen konnte. Na, und es stimmte ja auch: Hätte ich schon vor Monaten mit ihr Schluss gemacht, anstatt sie im Unklaren und von einem Uns träumen zu lassen, hätte sich das Ganze längst nicht so zugespitzt.
Hinter mir hörte ich Gunner lachen, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie er gerade den Arm um Willa legte und sie ansah, als wäre sie seine Sonne auf Erden. Eigentlich hätte ich mich für sie freuen sollen. Aber wie denn, wenn ich auch so was wollte? Ich hatte gedacht, mit Willa würde mir das gelingen. Und wieder war ich selbst schuld. Weder hatte ich von Ivy abgelassen noch einen Annäherungsversuch bei Willa gestartet. Hatte ich erwartet, Willa würde einfach Däumchen drehen, bis ich mir mal im Klaren darüber war, was ich mit meiner Freundin anstellte? Anscheinend schon. Ich Schwachkopf.
Willa sah sich um und unsere Blicke trafen sich. Sie lächelte. Es war kein flirtendes Lächeln, wie es mir die meisten Mädchen schenkten, sondern ein freundliches. Die Art, wie ein Mädchen einen Kerl anlächelte, den sie als Kumpel betrachtet und von dem sie sonst nichts will.
Ich erwiderte ihr Lächeln und nickte Gunner zu, bevor ich vor den beiden Turteltauben in mein Klassenzimmer floh. Bislang hatte ich nicht zu Bitterkeit geneigt. Aber sie zusammen zu erleben verlangte mir schon einiges ab. Noch dazu täglich! Deshalb hatte ich schließlich auch mit Ivy Schluss gemacht. Zumindest dafür musste ich ihnen dankbar sein.
Asa Griffith und Nash Lee saßen schon auf ihren Plätzen und amüsierten sich über etwas auf Nashs Laptop. Ich ging zu ihnen und ließ mich gegenüber Nash und hinter Asa nieder.
»Hey, Brady«, gurrte eine Blondine und wackelte dazu mit den Fingern. Ich kannte sie vom Sehen, aber wie sie hieß? Keine Ahnung.
»Mach dich mal für mich an sie ran, Alter«, raunte Asa, nachdem er gesehen hatte, wer mich angesprochen hatte. »Was für ein Body! Check sie mal ab und berichte.«
Oha, ihre Körbchengröße konnte sich sehen lassen. Was alles war, was Asa interessierte. Ich löste meinen Blick von ihr und sah zu ihm. Sie war nicht die Erste, die mich anbaggerte. Das ging schon die ganze Woche so. Aber das konnte ich Ivy einfach nicht antun. Schließlich lief sie immer noch mit verheulten Augen rum.
»Ein Mädchen macht mehr aus als nur ihr Körper«, raunte ich zurück.
Er riss schockiert die Augenbrauen hoch. »Nein, wirklich?«
Er scherzte, trotzdem war es scheiße, so was zu sagen.
»Dann wird es dich ja nicht interessieren, was Nash heute Morgen in seinen Mails gefunden hat.« Asa grinste zu Nash rüber.
Ich hatte Schiss nachzufragen.
»Mann, ich hab nicht drum gebeten. Sie hat’s aus freien Stücken geschickt«, verteidigte der sich.
»Du schaust es dir aber immer und immer wieder an.« Asa grinste dreckig.
Nashs Grübchen erschienen, und er klappte seinen Laptop mit einem Schulterzucken zu und verstaute ihn in seiner Büchertasche. »Ich bin ein Kerl, und sie ist nackt. Zur Hölle, klar schaue ich mir das an!«
Ich wollte lieber gar nicht wissen, um wen es ging, denn inzwischen hatte ich genau vor mir, worauf sie starrten, und brauchte nicht auch noch das Gesicht dazu.
»Sagt mal, ist euch im Ort schon mal Riley über den Weg gelaufen? Ich hab sie gestern mit einem Kind in einem Buggy gesehen. Sie kam gerade aus dem Park.« Asa machte ein düsteres Gesicht, als wäre das keine gute Neuigkeit. Auf Rileys Anblick konnten wir alle verzichten. Die machte nur Probleme. Dabei war Gunner endlich happy.
»Ja, ich habe sie schon vor ein paar Wochen mit dem Kind gesehen. Ihre Eltern müssen noch eins bekommen haben. Riley nimmt Fernunterricht, glaube ich. Mom sagte, ihre Großmutter sei dement und ihre Eltern seien wieder hergezogen, damit sie sich um sie kümmern könnten.« Ich hatte mich darüber beschwert, dass Riley nach Lawton zurückgekehrt sei, und Mom hatte mir sofort den Kopf gewaschen.
»Ist halt kacke für die Lawtons. Die hatten diesen Monat schon genügend Scheiß am Hals. Da hilft Rileys Rückkehr auch nicht gerade«, meinte Asa.
»Bin mir nicht sicher, ob mir die Lawtons leidtun. Jemanden mit Alzheimer in der Familie zu haben ist noch mal eine ganz andere Nummer als die Probleme reicher Leute«, antwortete Nash.
Sosehr es mir für Gunner leidtat, musste ich Nash doch zustimmen. Seine Familie hatte so ihre Probleme, aber die hatte Rileys Familie offensichtlich auch. Sie konnten nichts dafür, dass ihre Tochter log wie gedruckt. Ich konnte Riley hassen und gleichzeitig Mitleid für ihre Eltern aufbringen. Die hatten auch eine harte Zeit hinter sich. Da kam das neue Kind gerade recht. Es würde sie darüber hinwegtrösten, was Riley mit ihren Lügenmärchen angerichtet hatte.
Meine kleine Schwester?
Regen. Echt jetzt? Als ich Bryony in ihrem Buggy zum Park geschoben hatte, schien noch die Sonne. Der Regensturm hatte sich aus dem Nichts entwickelt. Und meine Mutter ging nicht an ihr Handy. Andererseits hätte sie Großmama sowieso nicht allein zu Hause lassen können, um uns abzuholen.
Zumindest hatte ich einen Regenschutz für den Buggy, der Bryony einigermaßen trocken halten sollte. Ich selbst hingegen würde garantiert pudelnass, sobald ich aus dem dürftigen Schutz dieses Baumes trat.
»Reng, Mami!«, kreischte sie und streckte ihre Händchen begeistert nach den Regentropfen aus. Sie fand den Regen gar nicht schlimm. Nein, für sie war es ein Abenteuer. Na, und ich versuchte, das Ganze als eine neue Erfahrung zu betrachten. Dadurch kam ich auch mit Situationen klar, die ich ansonsten stressig gefunden hätte. Vor Bryony hätte ich das nie so gesehen. Da hatte ich mich über alles tierisch aufgeregt und aus Fliegen Elefanten gemacht. Weil ich zum Schulball nicht vom gewünschten Typen eingeladen worden war oder weil meine beste Freundin mit meinem Freund geflirtet hatte. Dramen, die mir inzwischen sinnlos vorkamen.
Sobald man mir Bryony in die Arme gelegt hatte, hatte sich meine Welt auf den Kopf gestellt. Mein Leben würde nie mehr dasselbe sein, und aller Schmerz und Kummer, die zu ihrer Ankunft auf dieser Welt geführt hatten, waren vergessen. Einfach so. Die Vergangenheit interessierte mich nicht länger. Mich interessierte nur, dass Bryony mir gehörte. Wer ihr Vater war und was er getan hatte, bedeutete nichts. Weder jetzt noch jemals.
Ich hatte meine Tochter. Sie war gesund. Nur das zählte noch in meinem Leben. Schlaflose Nächte wurden zu einer besonderen Zeit des Bondings. Endloses Weinen, wenn sie sich nicht wohlfühlte, wurde zu einer Chance zu lernen, wie man sie zum Lachen brachte. Das war es, was zählte. Wir beide.
»Ja, es regnet, Mäuschen. Mal schauen, wie schnell wir heimkommen können«, sagte ich in fröhlichem Ton.
Daraufhin klatschte sie, und ich zog mir meine Hoodiekapuze über den Kopf, um wenigstens ein paar Minuten vor dem Regen geschützt zu sein, bevor ich zu dem Bürgersteig rannte, der zum Haus meiner Großmutter führte. So schlimm war es gar nicht. Die Herbstluft roch schön feucht und erinnerte mich an meine Kindheit. Das waren gute Erinnerungen, solche, wie ich sie mir für Bryony wünschte. Auch wenn wir nicht in Lawton bleiben konnten. Sosehr ich an dieser Stadt hing, wurde ich hier doch nicht länger akzeptiert. Fürs Erste hatten wir hier allerdings wieder unsere Zelte aufgeschlagen, blieben jedoch für uns und genossen das Leben, so gut es ging. Auf Dauer war es aber nichts.
Neben mir drosselte ein Pick-up seine Geschwindigkeit, doch ich joggte einfach weiter. Ich hatte eine Mission.
»Sag mal, soll ich euch mitnehmen?«, rief eine vertraute Stimme. Brady Higgens’ Stimme hätte ich überall erkannt. An seine hasserfüllten Blicke und Bemerkungen konnte ich mich noch gut erinnern. Ich blickte stur nach vorn und lief einfach weiter.
»Mensch, Riley, es regnet in Strömen, und die Kleine wird pitschnass. Steig doch zumindest ihr zuliebe ein. Sonst erkältet sie sich.«
Er klang aufgebracht. Sein Tonfall gefiel mir nicht. Meinte er etwa, er könnte mir vorschreiben, wie ich mein Kind großzuziehen hatte? Das bisschen Regen würde sie schon überleben. Es handelte sich ja schließlich um keinen Schneesturm, zum Kuckuck noch mal!
»Bis zum Haus deiner Großmutter sind es noch zwei Meilen. Dieser Regenschauer wird noch schlimmer. Komm, ich bring dich hin. Dem Kind zuliebe.«
Die Art, wie er »Kind« sagte, machte mich wütend. Er schnallte nicht, wer Bryony war. Im Verein mit all den anderen Idioten in dieser Stadt dachte er, ich hätte gelogen. Mit diesem Vorwurf hatten sie uns aus der Stadt getrieben. Und das alles, weil es unmöglich sein konnte, dass ein »Goldjunge« wie Rhett Lawton mich vergewaltigt hatte. Ich musste mich ihm doch förmlich aufgedrängt haben. Als Freundin seines Bruders – wie sollte er mir da so etwas antun wollen? Ich musste verrückt sein.
Ich blieb stehen und drehte mich zu Brady um. Er war immer einer von den Netten gewesen. Hatte sich für andere eingesetzt und an das Gute in ihnen geglaubt. Bloß in meinem Fall nicht. Da hatte er sich gegen mich aufhetzen lassen wie die anderen auch. Gerade wollte ich ihm sagen, wohin er sich seinen allmächtigen Ton schieben konnte, als es blitzte und kräftig zu donnern anfing. Vor Regen hatte ich keine Angst, aber bei einem echten Gewitter wollte ich mich mit Bryony lieber nicht im Freien aufhalten. Folglich sparte ich mir meine bissige Bemerkung, sagte »Danke!« und hob Bryony aus dem Buggy.
Erleichtert über mein Einsehen sprang er aus dem Pick-up und schnappte ihn sich. »Wirf ihn einfach nur hinten auf die Ladefläche. Der ist sowieso schon nass.«
Ohne nachzuschauen, ob er es tat, eilte ich zur Beifahrerseite und kletterte mit Bryony hinein, die ihr Gesicht lächelnd dem Regen entgegenstreckte. Im Wageninneren war die Heizung an, und als sie ein wenig fröstelte, befürchtete ich, Brady hätte recht haben und sie sich wirklich erkälten können. Sobald wir zu Hause waren, bekam sie von mir einen Orangensaft und ein warmes Bad.
Brady stieg wieder ein, und ich rang mir widerstrebend ein Nett-von-dir ab. Nie hätte ich damit gerechnet, dass ich ihm oder irgendjemand sonst hier so etwas sagen würde.
»Ich bezweifle, dass es deine Eltern toll fänden, wenn du bei diesem Wetter mit deiner kleinen Schwester zu Fuß nach Hause gingst«, meinte er mit Blick auf Bryony. »Gut, dass du zur Vernunft gekommen bist.«
Meine kleine Schwester? Echt jetzt? Behauptete man das in der Stadt? Stirnrunzelnd sah ich aus dem Fenster. Ich konnte ihn berichtigen, aber was brächte das? Überhaupt nichts. Brady würde davon ausgehen, dass ich mich hätte schwängern lassen, nachdem ich aus der Stadt verschwunden war. Meine eigentliche Geschichte konnte unmöglich wahr sein. Dabei sah Bryony wie eine Lawton aus, wenn man sich die Zeit nahm, sie genauer zu betrachten. Tatsächlich ähnelte sie ihrem Vater sogar sehr. Nicht, dass ich darauf hinweisen würde. Bryony sollte mit den Lawtons nichts zu tun haben. Das waren Monster.
Als wir wegzogen, war mein Bruder Vance trotz seines Hasses auf alle hiergeblieben. Sein Leben fand nun mal hier statt. Das Getratsche um mich legte sich allmählich, doch leider geriet er trotzdem zweimal in eine Prügelei deswegen und bekam ordentlich Ärger mit der Schule. Schließlich ließ er sich breitschlagen, auf eine Privatschule in der Nähe unseres neuen Wohnorts zu wechseln. Als wir uns Großmamas Zustands wegen zu einer Rückkehr nach Lawton entschlossen hatten, wollte er das abblasen, doch meine Eltern hielten es für das Beste, wenn er seinen Schulabschluss außerhalb Lawtons machte. Sein IQ schoss durch die Decke, doch sein Temperament leider auch. Es tat mir leid, dass er meinetwegen in solch eine Situation geraten war. Als er letzte Woche wegfuhr, hatte er mir gesagt, es müsse mir nicht leidtun, er würde gern auf die neue Schule gehen. Ich hatte mir trotzdem die Augen aus dem Kopf geheult.
Bryony streckte ihre kleinen Patschhändchen zur Heizung und strahlte Brady dabei an. Sie hatte keine Ahnung, dass er ein Feind war. Sie sollte von Feinden und der Hässlichkeit in der Welt nichts wissen.
»Wie heißt sie denn?«, fragte Brady.
»Bryony.« Ich wollte nicht mit ihm reden. Brady wollte mich genauso wenig in seinem Pick-up sitzen haben, wie ich darin sitzen wollte. Wäre irgendein anderer von Gunner Lawtons Freunden vorbeigefahren, dann würde ich mich immer noch in dem Unwetter da draußen befinden und versuchen, nicht in Panik zu geraten. Brady war da allerdings anders. Er sah ein Kind in Not und musste einfach etwas unternehmen.
»Du hast hübsche Augen, Bryony«, erklärte er ihr.
Sie neigte den Kopf und sah zu mir auf. Ihre feuchten blonden Locken klebten ihr an der Stirn. Ich beugte mich hinunter und küsste sie. Es wäre einem schwergefallen, es nicht zu tun.
»Wie alt ist sie denn?«
Ich wollte mich immer noch nicht mit ihm unterhalten, aber er fuhr uns zu meiner Großmutter. Wenn er also Interesse heucheln wollte, dann musste ich wohl oder übel darauf eingehen. »Fünfzehn Monate.«
»Reng!«, jubelte Bryony, als es draußen blitzte.
Brady lachte. Sie war ja auch zum Niederknien. Noch vor der Ankunft bei meiner Oma wäre er hin und weg von ihr.
»Dann bist du ja schon ein großes Mädchen!«
Sie nickte energisch. Ihr gefiel es, groß genannt zu werden. Auch wenn sie sich von mir noch immer wie ein Baby in den Schlaf wiegen ließ.
»Wohnt deine Oma immer noch im selben Haus?«, fragte Brady, als er in ihre Straße einbog.
»Ja.« Er wusste, wie man hinkam. Wir waren zusammen aufgewachsen. Hatten dieselbe Schule besucht, waren auf dieselben Partys gegangen, hatten im selben Park gespielt.
Schließlich bog er in unsere Einfahrt, und ich schlang die Arme fest um Bryony. Ich musste sie erst ins Haus bringen, bevor ich den Buggy nehmen konnte.
»Ich renn schnell mit Bryony rein und hole dann den Buggy.«
»Ich mach das schon. Geht einfach rein.«
Na dann? Ich öffnete die Tür und eilte in den Schutz des Hauses. Drinnen rief ich nach meiner Mutter, doch sie antwortete nicht. Ich wollte ihr Bryony geben, damit ich den Buggy holen konnte. Stattdessen setzte ich sie ab. »Warte hier. Bin gleich wieder da, okay?«
Bryony nickte, und ich wollte gerade wieder hinauseilen, als Brady mit dem durchnässten Buggy auch schon zur Tür gerannt kam.
»Danke«, sagte ich einmal mehr.
Er nickte. »Kein Ding!«
Bryony zupfte mit ihrem Patschhändchen an meinem Hosenbein. »Mama ist nass!«
Brady riss die Augen auf, und ich begriff, was sie gerade gesagt hatte. Tja, jetzt ging ihm wohl ein Licht auf. Von wegen kleine Schwester …
Ich bedachte ihn mit einem knappen Lächeln und zog die Tür hinter mir zu, ehe er noch irgendetwas sagen konnte.
Vor allem nicht für Riley
Mama? Sie hatte Riley Mama genannt. Ich hatte es gehört, und Rileys Blick hatte es mir bestätigt. Tja, und was hieß das nun? War sie so kurz nach Verlassen der Stadt schwanger geworden?
Oder davor? War sie schwanger und hatte gemeint, wenn sie es Rhett anhängte, könnte sie dadurch Geld rausschlagen? Falls ja, war das total mies. Nur um einen Vater nennen zu können, hätte sie um ein Haar Rhetts Zukunft zerstört. Gunners Kind konnte es nicht sein, mit dem hatte sie nämlich nicht geschlafen. Das wussten wir alle. Doch jemand war ihr an die Wäsche gegangen, weshalb sie sich was ausdenken musste. So weit, so klar.
Eins hatte ich allerdings nie kapiert. Hatte sie sich zu viel aus Gunner gemacht, um mit ihm zu schlafen? Warum eine Lüge über seinen älteren Bruder verbreiten? Warum nicht über den Freund? Außer sie dachte, mit Rhett wäre die Geschichte glaubhafter. Na, ich würde wohl nie peilen, warum sie das getan hatte. Da blickte man einfach nicht durch.
Fakt war, dass Riley nun ein Kind hatte und die Kleine niedlich war. Sie schien eine gute Mutter zu sein, obwohl – ich hatte die beiden ja noch kaum zusammen erlebt. Wer weiß, wie sie sonst mit ihr umging.
Die ganze Geschichte mit Riley und Bryony ging mir den Rest des Abends nicht mehr aus dem Kopf. Dass ich sie nach Hause gefahren hatte, erzählte ich niemand, denn ich hatte keinen Bock, mich dafür rechtfertigen zu müssen. Wobei, wozu überhaupt? Gern hätte ich gedacht, dass jeder meiner Freunde dasselbe getan hätte. Riley hatte ein kleines Kind dabei, und es stürmte. Doch ich hatte so meine Zweifel. Der Hass, den alle auf sie schoben, saß tief.
Allerdings hatten wir Rhett letztens von einer unschönen Seite erlebt, als er sich eindeutig nicht zu schade dafür war, sich wie ein Arschloch aufzuführen, vor allem gegenüber Gunner. Ob Gunner Riley nach dieser Erfahrung nicht doch glauben könnte?
Der Gedanke, dass Riley möglicherweise gar nicht gelogen hatte, hing in der Luft. Aber so abartig und krank konnte Rhett doch nicht sein, dass er sie tatsächlich vergewaltigt und dann gelogen hatte. Ja, gut, er hatte so seine Probleme, aber er war nicht grausam. Nicht auf diese Art.
Ich schüttelte den Kopf, um mein Hirn von diesen Gedanken zu befreien, und steuerte die Treppe an. Nichts wie hoch in mein Zimmer, das jetzt unterm Dach lag.
Die Tür meines alten Zimmers stand offen, und als ich sah, dass meine Cousine Maggie mit einem Buch in der Hand auf dem Bett lag, blieb ich stehen.
»Hey! Wo steckt West?«
Maggie sah auf. »Hey, Brady! Er verbringt den Nachmittag mit seiner Mom.«
Das fand ich schwer in Ordnung. West sorgte dafür, dass es seiner Mom gut ging und sie stabil blieb. Nach dem Tod seines Vaters hatten sie eine schwere Zeit durchgemacht.
»Prima.« Noch immer ging ich nicht weiter.
Maggie machte einen Knick in die Seite des Buchs und klappte es zu. »Hast du was auf dem Herzen, Brady?« Sie legte den Kopf schräg und musterte mich, als würde sie die Antwort schon kennen.
Vielleicht war es ja wirklich so.
»Bin mir nicht sicher«, erwiderte ich achselzuckend.
Seufzend hielt sie ihr Buch hoch. »Jetzt können wir genauso gut reden. Du hast mich beim Lesen unterbrochen.«
Wenn überhaupt jemand die Klappe hielt, dann Maggie, das wusste ich. Sie machte aus nichts ein Drama und beteiligte sich auch an keinem. Zudem hörte kaum jemand so gut zu wie sie, und ich schätzte ihre Meinung.
Ich ging ins Zimmer hinein und ließ mich ihr gegenüber auf den Sessel in der Ecke fallen.
»Ich habe Riley Young bei dem Mistwetter nach Hause gefahren. Sie hatte ein Kind dabei. Ein kleines Mädchen, eigentlich eher noch ein Baby.« Da. Ich hatte es zugegeben.
Einen Augenblick starrte mich Maggie schweigend an. »Ist das alles? Du hast ein Mädchen in deinem Wagen mitgenommen und hast nun das Bedürfnis, dir das von der Seele zu reden?«
Ich hatte gedacht, Maggie würde Riley Youngs Geschichte schon kennen. »Hast du den Teil überhört, als ich sagte, es handelt sich um Riley Young? Sprich: Diejenige, die Rhett beschuldigt hatte, sie vergewaltigt zu haben, und ihm deshalb beinahe sein Stipendium durch die Lappen gegangen wäre?«
»Ich weiß, wer Riley Young ist, schließlich zieht ihr genug über sie her. Aber sie hatte ein kleines Kind bei sich, bei dem Sauwetter, und die beiden waren ihm ausgesetzt. Da würde ihr doch wohl jeder anbieten, sie heimzufahren. Hättest du es nicht getan, solltest du dich mies fühlen. Aber du hast es getan, und ich checke nicht, worum es bei dieser ganzen Unterhaltung eigentlich geht.«
Seufzend lehnte ich mich auf dem Sessel zurück und starrte einen Augenblick aus dem Fenster. Wie konnte ich das Maggie erklären? Sie ließ sich nicht zu Hasskampagnen gegen andere hinreißen. Sie war die Geduld und Nachsicht in Person.
»Die Kleine hat Riley ›Mama‹ genannt«, sagte ich in der Hoffnung, ich könnte Maggie dadurch etwas mehr Resonanz entlocken.
Maggie riss die Augen auf. »Oh, dann ist sie also mit einem Baby zurückgekehrt. Könnte es Rhetts sein?«
Na, endlich hatte es bei ihr geklingelt. »Das geht mir ja eben im Kopf rum! Als sie gemerkt hat, dass sie schwanger ist, hat sie dieses Lügenmärchen über Rhett erzählt, um Geld von ihm zu erpressen. Nur das ergibt Sinn. Und wenn Gunner das rausfindet, wird sein Leben sogar noch komplizierter. Dabei hat er schon genug am Hals.«
Maggie sah mich mit finsterer Miene an. Als hätte ich etwas Unrechtes getan. »Tja, wahlweise könnte Riley die Wahrheit gesagt haben. Von dem bisschen, was ich von Rhett Lawton mitgekriegt habe, hängt die Messlatte in puncto Moral bei ihm ja nicht sonderlich hoch. Wieso seid ihr alle so überzeugt, dass sie gelogen hat?«
Genau das, was mich beschäftigt hatte, brachte sie völlig locker über die Lippen. Andererseits war Rhett für sie ja auch nicht eine Art großer Bruder gewesen. Sie kannte ihn nicht. Nicht so wie ich.
»Rhett war ein Spitzenathlet. Und seine Familie die reichste der Stadt. Er hatte Geld und Macht, und in diesem Gefühl haben die Einwohner ihn zusätzlich bestärkt. Ist es da so schwer zu glauben, dass er meinte, sich etwas nehmen zu können, das nicht ihm gehörte? Wenn er so war, wie ihr erzählt, warum hatte Riley dann versucht, das Kind ausgerechnet ihm unterzuschieben? Sie hätte doch wissen müssen, was für schlechte Karten sie hat! Ich an ihrer Stelle hätte einen Mordsschiss gehabt, so eine Lügengeschichte über Rhett Lawton zu verbreiten. Sieht nur so aus, als hätte sie einen äußerst schwierigen Weg gewählt, um es sich leichter zu machen.«
Alles, was sie sagte, ergab Sinn. Von A bis Z. Doch ich konnte Riley nicht so einfach glauben. Noch sah ich in ihr die Feindin. Doch was, wenn sie unschuldig war?
Ich stand auf. »So einfach ist das nicht.«
Maggie zuckte die Achseln. »Nein, ist es nicht. Vor allem nicht für Riley.«
Wo ist Thomas?
Kein Lawton war an unserer Tür erschienen und hatte mich aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Ein gutes Zeichen. Möglicherweise kehrte Brady mal wieder den netten Kerl heraus, als den er sich so gern gab, und hielt den Mund. Dass plötzlich ein Lawton auf der Matte stand und Bryony zu sehen wünschte, war das Letzte, was ich wollte.
Ich wünschte, ich hätte nie jemandem die Wahrheit erzählt. Hätte ich mich doch nur über den Vater ausgeschwiegen und klammheimlich die Stadt verlassen, dann wäre das jetzt alles kein Problem. Bryony brauchte nie zu erfahren, wer ihr Vater war. Mir graute vor dem Tag, an dem sie mich nach ihm fragte, denn ich wusste, er würde kommen. Wenn sie in die Schule kam und realisierte, dass andere Kinder Mama und Papa hatten, dann würde sie es wissen wollen.