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Rush of Love – Vereint E-Book

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Beschreibung

Alles scheint endlich perfekt: Blaire ist mit ihrer großen Liebe Rush verlobt und trägt sein Kind unter ihrem Herzen. Sie hat in Rosemary Beach echte Freunde gefunden und sogar damit begonnen, die verkorkste Beziehung zu ihrem Vater zu kitten. Doch ein erster Schatten fällt auf das Glück der beiden Liebenden, als Rushs Vater auftaucht, um ihn um Hilfe zu bitten, und schon bald ziehen noch dunklere Gewitterwolken auf …

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www.piper.de

Aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2013

ISBN 978-3-492-96461-6

© 2012 by Abbi Glines Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Forever Too Far«, Abbi Glines, Fairhope 2013 Deutschsprachige Ausgabe: © 2013 Piper Verlag GmbH, München Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur Umschlagabbildung: FinePic®, München Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

»Wenn du einen Grund zum Leben findest, halte daran fest.

Lass nicht los. Auch wenn das heißt, dafür Brücken hinter dir abreißen zu müssen.« – Rush Finlay

Prolog

Wenn mich Blaire und ihre Art, einen Raum zum Leuchten zu bringen, nicht so verzaubert hätten, hätte ich sein Kommen registriert. Hatte ich aber nicht. Erst als die Gespräche um mich herum verstummten und alle gebannt auf die Tür starrten, der ich den Rücken zukehrte, merkte ich auf. Ich sah Blaire an, die sich immer noch mit Woods unterhielt und die sich ändernde Atmosphäre im Raum nicht wahrnahm, und schob sie beschützend hinter mich, ehe ich mich umdrehte.

Dieselben silbern durchwirkten Augen, die ich jeden Tag im Spiegel erblickte, waren auf mich gerichtet. Es war schon eine Weile her, seitdem ich meinen Dad zuletzt gesehen hatte. Normalerweise hatten wir häufiger Kontakt, aber nachdem Blaire in meine Welt getreten war und sie völlig auf den Kopf gestellt hatte, hatte ich nicht mehr die Zeit und die Energie dafür gehabt, meinen Dad zu suchen, damit ich mit ihm reden konnte.

Sah so aus, als hätte er diesmal mich gefunden.

»Da ist ja dein Vater!«, flüsterte Blaire neben mir. Sie war hinter mir hervorgetreten und hielt nun meinen Arm umschlungen.

»Sieht ganz danach aus.«

Ohne Bühnen-Make-up und schwarze Lederklamotten sah er aus wie eine ältere Version von Rush. Ich hatte Mühe, mit Rush Schritt zu halten, der seinem Vater hinterher von den anderen Bargästen weg nach draußen eilte und meine Hand dabei fest umklammert hielt. Es ließ sich schwer sagen, ob Rush sich über sein Erscheinen freute oder nicht. Bislang hatte ihre einzige Kommunikation darin bestanden, dass Rush mit dem Kopf zur Tür gedeutet hatte. Anscheinend wollte er uns nicht in Anwesenheit eines Publikums miteinander bekannt machen.

Allerdings musste Dean Finlay, der bekannteste Drummer der Welt, auf dem Weg nach draußen mehrere Male stehen bleiben, um Autogramme auf Gegenstände zu schreiben, die ihm entgegengehalten wurden. Und das nicht nur von weiblichen Fans. Ein Typ hatte sich ihm sogar in den Weg gestellt und ihn gebeten, eine Barserviette zu unterschreiben. Nur die warnenden Blicke Rushs hielten den Rest der Gäste auf Abstand. Die nun stattdessen stumm beobachteten, wie der Drummer von Slacker Demon auf die Tür zusteuerte.

Inzwischen kühlte es abends stark ab. Draußen fröstelte mich sofort, und Rush blieb stehen und schlang seine Arme um mich. »Wir müssen nach Hause fahren!«, rief er seinem Vater zu. »Ich kann nicht zulassen, dass sie hier in der Kälte herumsteht, während wir uns unterhalten.«

Dean blieb endlich stehen und drehte sich um. Er ließ den Blick langsam über mich wandern, und ich sah, wie er stutzte, als er meinen Bauch bemerkte.

»Dean, das ist Blaire Wynn. Meine Verlobte. Blaire, das ist Dean Finlay, mein Vater«, erklärte Rush mit gepresster Stimme. Es klang nicht danach, als würde er uns einander gern vorstellen.

»Wieso sagt mir eigentlich kein Mensch, dass ich Opa werde?«, wollte Dean wissen. Keine Ahnung, was er davon hielt, seine Miene verriet jedenfalls nichts.

»Dazu war ich zu beschäftigt«, war die einzige Antwort, die er von Rush bekam. Seltsam. War es ihm etwa peinlich, seinem Vater zu erzählen, dass ich ein Kind von ihm erwartete? Mir wurde flau im Magen, und ich wollte mich von ihm losmachen.

Doch Rush schlang darauf die Arme nur umso fester um mich und beugte sich ein wenig herunter, damit er mir direkt in die Augen sehen konnte. »Was ist denn?«

Ich wollte vor Dean, der uns beide beobachtete, nicht darüber reden, also schüttelte ich den Kopf. Dennoch: Die Tatsache, dass Rush es seinem Vater nicht erzählt hatte, wurmte mich.

»Ich bringe Blaire zum Auto. Wir sehen uns dann zu Hause«, sagte Rush zu seinem Vater, löste den Blick aber nicht von mir. Ich sah zu Boden und wünschte, ich hätte nicht so ein Theater gemacht. Was musste Dean jetzt von mir denken!

Ich wollte gerade widersprechen, als Rush den Arm um meine Taille legte und mich zum Range Rover führte. Er war besorgt. Er mochte es nicht, wenn ich mich über etwas aufregte, etwas, woran wir dringend arbeiten mussten. Schließlich kam das immer mal wieder vor. Das hatte er nicht in der Hand.

Rush öffnete die Beifahrertür und hob mich hinein, als wäre ich fünf. Immer wenn er dachte, ich sei beunruhigt, behandelte er mich wie ein Kind. Noch so was, woran wir dringend arbeiten mussten.

Kaum war er eingestiegen und hatte seine Tür zugeschlagen, da sah er mich schon forschend an. »Irgendetwas stimmt nicht. Raus mit der Sprache, damit wir das gleich klären können.«

Seufzend lehnte ich mich zurück. Ich konnte es genauso gut hinter mich bringen, auch wenn das ein bisschen zickig rüberkommen würde. »Wieso hast du deinem Dad nichts von unserem Kind erzählt?«

Rush langte herüber und ergriff meine Hand. »Ist das der Grund? Es fuchst dich, dass ich es Dean noch nicht erzählt habe?«

Ich nickte und behielt den Blick auf unseren Händen, die auf meinem Bein lagen.

»Ich hatte einfach noch nicht die Zeit herauszufinden, wo er gerade steckt. Außerdem war mir eh klar, dass er auftauchen würde, sobald er Bescheid wusste, weil er dich kennenlernen wollen würde. Ich hatte noch keinen Bock auf Gesellschaft. Vor allem nicht auf seine.«

O Mann, ich benahm mich wirklich albern. In letzter Zeit reagierte ich auf alles total überempfindlich. Ich hob die Augen und begegnete seinem besorgten Blick. »Okay, das kann ich verstehen.«

Rush beugte sich zu mir und küsste mich sanft. »Sorry, dass ich es ihm noch nicht gesagt hatte, okay?«, flüsterte er, gab mir noch einen Kuss auf den Mundwinkel und lehnte sich dann zurück. In Augenblicken wie diesen schmolz ich nur so dahin.

»Na, aber jetzt ist er ja da. Mal sehen, was ihn eigentlich hergeführt hat. Ich möchte dich für mich allein. Meine ganze verflixte Familie kann mir gestohlen bleiben.«

Ohne meine Hand loszulassen, ließ Rush den Motor an und bog auf die Straße. Ich lehnte mich zurück und betrachtete ihn. Sein unrasiertes Kinn ließ ihn älter wirken, ungezähmt. Sehr sexy. Ich wünschte, er würde sich öfter mal nicht rasieren. Auch wie er sich dann anfühlte, mochte ich. Seinen Ohrring hatte er herausgenommen und trug ihn nun so gut wie gar nicht mehr.

»Was meinst du, wieso ist dein Vater wohl hier?«, fragte ich.

Rush warf mir einen Blick zu. »Ich hatte gehofft, er wäre gekommen, um dich kennenzulernen. Aber so überrascht, wie er aussah, wusste er wohl noch gar nichts von dir. Was heißt, dass es sich gut und gern auch um Nan drehen kann.«

Nan. Seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus war Rushs Schwester noch nicht wieder nach Rosemary zurückgekehrt. Er schien sich deswegen keinen Kopf zu machen, aber er liebte seine Schwester. Ich fand es schrecklich, dass ich der Grund war, weshalb sie fernblieb. Nun, wo sie ihren wirklichen Vater kannte und ihr somit auch klar war, dass ich ihr nie etwas weggenommen hatte, hoffte ich, wir könnten Rush zuliebe Freundinnen werden. Im Augenblick sah es allerdings eher nicht danach aus.

»Glaubst du, Nan ist zu Kiro gefahren?«, fragte ich.

Rush zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Seit ihrem Unfall hat sie sich irgendwie verändert.«

Rush parkte den Wagen vor dem großen Strandhaus, das sein Vater ihm gekauft hatte, als er noch ein Kind war. Rush drückte mir die Hand. »Ich liebe dich, Blaire. Und es macht mich ungeheuer stolz, dass du die Mutter meines Sohnes wirst. Ich möchte, dass jeder es weiß. Daran brauchst du nie zu zweifeln!«

Mir kamen die Tränen, und ich nickte, bevor ich seine Hand hob und sie küsste. »Leider gehen meine Gefühle jetzt immer so oft mit mir durch. Am besten beachtest du mich dann einfach gar nicht.«

Rush schüttelte den Kopf. »Das kommt ja gar nicht infrage. Wenn’s so ist, dann will ich dich doch beruhigen.«

Die Beifahrertür ging auf, und ich riss den Kopf herum. Dean stand grinsend davor. »Rush, lass die Frau aus dem Wagen steigen. Es wird Zeit, dass ich die Mutter meines Enkelkinds besser kennenlerne!«

Dean streckte mir die Hand entgegen, und da ich mir nicht sicher war, was ich sonst tun sollte, ergriff ich sie. Er schlang die langen Finger um meine Hand und half mir aus dem Range Rover. Im Nu war Rush da, entzog seinem Vater meine Hand und riss mich an sich. Sein Dad schüttelte den Kopf und lachte in sich hinein. »Ich glaub’s einfach nicht!«

»Gehen wir rein«, erwiderte Rush nur.

Dean ging zum Sofa hinüber, ließ sich darauf fallen und fischte eine Zigarettenschachtel aus der Tasche. Scheiße. Eigentlich hatte ich augenblicklich überhaupt keine Lust, mich mit ihm abzugeben. »Sorry, aber hier drinnen und in Blaires Nähe wird nicht geraucht. Das ist nicht gut für das Kind.«

Dean zog eine Augenbraue nach oben. »Herrgott, Junge, ich bin mir hundertpro sicher, deine Mama hat geraucht, als sie mit dir schwanger war!«

Dass sie das getan hatte – und mehr! –, glaubte ich ihm aufs Wort. Aber mein Kind setzte ich diesem Zeug garantiert nicht aus. »Heißt ja noch lange nicht, dass es deswegen gesund ist. Zwischen Blaire und Mom besteht ein Riesenunterschied.«

Genau in dem Moment, als ihr Name erwähnt wurde, kam Blaire mit zwei Bieren ins Wohnzimmer. Ich hatte sie gar nicht darum gebeten, weil ich es nicht gern sah, wenn sie jemanden bediente. Sie tat es trotzdem. Ich kam ihr auf halbem Weg entgegen. »Danke, aber das hättest du nicht zu machen brauchen«, sagte ich, nahm ihr das Bier ab und küsste sie auf die Schläfe.

»Schon klar. Aber schließlich haben wir einen Gast, und der soll sich willkommen fühlen.«

Sie verzog die Lippen zu so einem süßen Lächeln, dass es mir schwerfiel, mich weiter auf meinen Dad zu konzentrieren. Am liebsten wäre ich sofort mit ihr im Schlafzimmer verschwunden.

»Jetzt mal her mit dem Bier, Junge, und hör auf, sie so furchtbar zu betüddeln. Lass dem Mädel doch noch Luft zum Atmen. Weiß der Himmel, was in dich gefahren ist!«

Blaire entfuhr ein perlendes Lachen, das mich veranlasste, seine Worte zu übergehen.

»Hier«, sagte ich und drückte ihm das Bier in die Hand. »Und jetzt sag doch mal, wieso du eigentlich hier bist.«

»Was? Kann ein Dad nicht einfach mal seinen Sohn besuchen, wenn ihm danach ist?«

»Na hör mal, nach Rosemary kommst du doch nie!«

Dean zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Bier, dann legte er einen Arm auf die Rücklehne des Sofas und schwang die Füße auf den Couchtisch. »Deine Schwester rastet komplett aus. Die ist wirklich nicht mehr ganz dicht. Wir kommen damit allein nicht zurecht.«

Es ging um Nan. Na, das war ja zu erwarten gewesen. Ich setzte mich ihm gegenüber auf einen Sessel und streckte meine Hand nach Blaire aus. Ich wollte nicht, dass sie stand und sich aus der Unterhaltung ausgeschlossen fühlte. Sie kam zu mir, und ich zog sie auf meinen Schoß. »Was hat Nan denn getan?«, fragte ich und fürchtete mich fast schon vor der Antwort.

Dean trank einen weiteren großen Schluck Bier und fuhr sich dann durch seinen wirren Haarschopf. »Stellt sich eher die Frage, was sie nicht getan hat, würde ich sagen. Dieses Biest macht uns die Hölle heiß. Wir kommen überhaupt nicht zur Ruhe. Vor zwei Wochen haben wir unsere Tour beendet und sind nach L.A. zurückgekehrt, um uns eine kleine Auszeit zu gönnen. Doch dann ist sie aufgetaucht, und schon war der Teufel los. Nix mehr von wegen Ausruhen! Kiro weiß nicht, was er mit ihr machen soll. Wir brauchen Hilfe.«

Von Nan hatte ich lange nichts gehört, klar, aber ich hatte nicht gedacht, dass sie nach L.A. reisen und sich Kiro vorknöpfen würde. Sie wusste, dass mein Dad und Kiro sich in Beverly Hills eine Villa teilten. Dort wohnten sie schon mein ganzes Leben lang, wenn sie nicht herumtourten. Kiro war zwar einige Male verheiratet gewesen und währenddessen auch ausgezogen, nach jeder Scheidung jedoch zuverlässig wieder zurückgekehrt. Und so war das Haus als Slacker-Demon-Villa bekannt. Man konnte sich nie ganz sicher sein, welches Bandmitglied sich zu irgendeinem Zeitpunkt eigentlich dort aufhielt.

»Wohnt sie etwa in der Villa?«, fragte ich.

Dad riss die Augenbrauen hoch. »Na, ich bin doch nicht verrückt! Fuck, nein, natürlich nicht. Aber sie kreuzt ständig dort auf! Stellt Forderungen und so ’n Scheiß. Kiro hat versucht, die Wogen zu glätten und eine Art Beziehung zu ihr aufzubauen, aber das lässt sie nicht zu. Sie will einfach nicht hören, und sie … na ja, sie hat herausgekriegt, dass er noch eine Tochter hat. Das kam gar nicht gut.«

Anscheinend wusste sie noch gar nichts von Kiros Sohn, aber Mase ließ sich ja auch nie blicken.

»Das muss sie sehr mitnehmen«, meinte Blaire mit echter Besorgnis in der Stimme. Wie sie mit Nan Mitleid haben konnte, war mir schleierhaft. »Du musst unbedingt zu ihr«, wandte sie sich an mich. »Sie unterstützen, damit fertigzuwerden, und schauen, ob du ihr und Kiro nicht dabei helfen kannst, sich zusammenzuraufen.«

Ich wollte gerade protestieren, doch Dean fuhr dazwischen.

»Blaire, dich schickt der Himmel! Genau das solltest du tun, Rush. Dein Zimmer ist frei, und du weißt ja, wie gemütlich es ist. Nimm Blaire mit, dann kann ich sie auf die Art besser kennenlernen, und wir zwei verbringen endlich auch mal wieder etwas Zeit miteinander, hm? Wenn du’s nicht tust, geht Kiro Nan womöglich noch an die Gurgel.«

Blaire drückte mir die Schulter. »Ich finde, wir sollten hinfahren. Nan braucht dich.«

Ich neigte den Kopf zurück und sah zu ihr hoch. »Wieso kümmert es dich, was Nan braucht?«, fragte ich verwundert.

»Weil du sie liebst«, antwortete sie schlicht.

»Diese Frau darfst du nie mehr hergeben, Rush! Und jetzt Schluss mit Nan. Ich möchte wissen, wann dieses Kind auf die Welt kommt und wann die Hochzeitsglocken läuten«, meinte Dean in fröhlichem Ton. Der so ganz anders klang als der, den er anschlug, wenn er von Nan sprach.

Blaire sah zu meinem Dad hinüber und lächelte. »Ich bin jetzt in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche. Das Baby kommt also erst Mitte April. In zwei Wochen wollten wir eigentlich heiraten, aber das soll Rush jetzt nicht belasten. Wenn er erst mal die Familienprobleme aus der Welt räumen will, verschiebe ich die Hochzeit lieber. Feiern wir doch jetzt einfach mal wie geplant mit unseren Freunden Thanksgiving und reisen dann nach L.A. und kümmern uns um Nan. Und danach können wir uns in aller Ruhe um unsere Hochzeit kümmern.«

Ich wollte aber nicht länger warten. Ich hasste den Gedanken, dass unser Kind in ihr wuchs und sie immer noch Blaire Wynn hieß. Ich wollte, dass sie meinen Namen trug, damit alle Welt wusste, dass ich sie und mein Baby wollte. Doch das entschlossene Glitzern in ihren Augen sagte mir, dass ich mich damit nicht würde durchsetzen können.

»Ich möchte einfach nur, dass du glücklich bist«, erwiderte ich schließlich.

Blaire küsste mich auf die Nasenspitze. »Das weiß ich doch. Einer der vielen Gründe, warum ich dich liebe.«

»Wenn du erst nach Thanksgiving nach L.A. fliegst, um dich mit deiner Schwester zu befassen, dann schließe ich mich dir an. Außerdem ist es Jahre her, dass ich mal ein Thanksgiving mit dir verbracht habe«, verkündete mein Dad.

Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

»Wir hätten Sie sehr gern mit dabei, MrFinlay«, meinte Blaire und strahlte ihn an, als wäre es ihr ernst damit.

»Nenn mich doch bitte Dean, und duze mich, Schätzchen. Wir sind doch schon so gut wie eine Familie.«

Angesichts ihrer erfreuten Miene musste ich lächeln. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, wenn Dad Thanksgiving mit uns feierte. Wenn er Blaire zum Lächeln bringen konnte, dann kam ich damit klar.

Als wir uns über Thanksgiving unterhalten hatten, waren Erinnerungen an meine Mutter in mir hochgestiegen. Ich würde es zum ersten Mal ohne sie feiern. Je mehr mir das bewusst wurde, umso schwerer fiel es mir zu atmen. Ich zwang mich zu lächeln und eine Entschuldigung zu murmeln, bevor ich hocheilte, um mich zu duschen. Rush brauchte sowieso mal ein bisschen Zeit allein mit seinem Dad.

Während ich mich auszog und mich unter die Dusche stellte, ließ ich den bislang zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. Das warme Wasser strömte über mich, und mir entkam ein lauter Schluchzer. Letztes Jahr hatte ich das Thanksgiving-Essen für Mom und mich zubereitet, und wir hatten es zusammen im Esszimmer zu uns genommen. Ohne Freunde oder Familie. Nur wir beide. An jenem Abend hatte ich auch geweint. Denn tief in mir hatte ich gewusst, es würde mein letztes Thanksgiving mit meiner Mom sein. Die Erinnerungen an vergangene Jahre, als Valerie und mein Vater noch mitgefeiert hatten, waren bittersüß. Mein Herz sehnte sich nach allen, die wir verloren hatten. Ich hatte nicht gedacht, dass irgendetwas so schmerzen könnte, aber nun wusste ich, dass ich mich geirrt hatte.

Es würde schwer werden, die Feiertage ohne meine Mom zu begehen. Thanksgiving und Weihnachten hatte sie über alles geliebt. Wir fingen grundsätzlich an Thanksgiving an, das Haus weihnachtlich zu schmücken. Dann setzten wir uns vor den Fernseher, sahen uns White Christmas an und machten uns über die Reste des Truthahns und den Süßkartoffelauflauf her. Das war bei uns Tradition. Selbst noch, nachdem wir Valerie verloren hatten und Dad uns verlassen hatte.

Dieses Jahr würde alles anders sein. Das Wissen, dass Rush bei mir sein würde und ich eine neue Familie gründete, linderte den Schmerz. Ich wünschte mir nur, meine Mutter könnte hier sein und mich so glücklich erleben.

Die Tür ging auf, und ich fuhr herum und sah Rush ins Badezimmer kommen. Mit gefurchter Stirn blieb er stehen und betrachtete mich einen Augenblick, bevor er sich das Shirt auszog und es auf den Marmorboden warf. Dann öffnete er seine Jeans, zog sie mitsamt seinen Boxershorts aus und trat zu mir in die Duschkabine.

»Wieso weinst du?«, fragte er und umfasste mein Gesicht. Meine Tränen hatte das Duschwasser weggespült, aber ich musste wohl noch rot geweinte Augen haben.

Ich schüttelte den Kopf und lächelte ihn an. Ich wollte ihn nicht mit meinen Gefühlen belasten.

»Ich habe dich gehört, als ich die Tür zum Schlafzimmer aufgemacht habe. Ich muss wissen, warum, Blaire!«

Ich seufzte, schmiegte mein Gesicht an seine Brust und schlang die Arme um seine Taille. Ich hatte viel verloren, aber Gott hatte das wiedergutgemacht, indem er mir Rush geschenkt hatte. Ich musste mich daran erinnern, wie gesegnet ich eigentlich war. »Mich hat die Tatsache umgehauen, dass dies mein erstes Thanksgiving ohne meine Mom ist«, gestand ich.

Rush drückte mich noch fester an sich. »Das tut mir leid, Baby«, flüsterte er mir ins Haar.

»Mir auch. Ihr hätte es so gut gefallen. Ich wünschte, du hättest sie kennenlernen können.«

»Das wünschte ich mir auch. Bestimmt war sie genauso vollkommen wie du.«

Lächelnd wollte ich ihm widersprechen. Niemals würde ich meiner Mutter auch nur entfernt das Wasser reichen können! Sie war einer jener besonderen Menschen gewesen, die die Welt nicht oft zu sehen bekommt.

»Wenn’s dich zu sehr belastet, dass mein Vater hier rumhängt, dann schicke ich ihn weg. Du sollst diesen Tag in guter Erinnerung behalten. Wann immer ich dir irgendwie helfen kann, sag Bescheid, und ich tu’s.«

Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. Die blöden Schwangerschaftshormone machten in letzter Zeit die reinste Heulsuse aus mir. »Dich bei mir zu haben macht alles besser. Allein schon, dass ich darüber reden kann, tut so gut. Mom hat Thanksgiving geliebt. Und letztes Jahr wusste ich, es würde unser letztes gemeinsames Thanksgiving sein. Den ganzen Tag habe ich alles getan, damit er für sie etwas ganz Besonderes wird. Und für mich. Ich habe gewusst, diese Erinnerung würde ich brauchen.«

Rush, der mich schweigend hielt, malte sanft kleine Kreise auf meinen Rücken. Mehrere Minuten standen wir einfach da und ließen das Wasser über uns strömen. Schließlich löste er sich ein wenig und guckte zu mir hinunter. »Darf ich dich waschen?«, fragte er.

Unsicher, was er meinte, nickte ich. Er nahm sich von dem Stapel frischer Waschlappen außerhalb der Dusche einen herunter und suchte sich eines meiner Duschgels aus. Dann fing er an, meinen Rücken und meine Schultern einzuseifen. Als wäre ich ein Kind, hob er nacheinander meine beiden Arme und wusch sie gründlich. Ich stand da und schaute zu, wie er konzentriert jeden Zentimeter meines Körpers säuberte. Überraschenderweise machte er daraus gar nichts Sexuelles. Nein, es war süßer und unschuldiger als alles, was wir je gemacht hatten. Er verweilte mit der Hand auch nicht zwischen meinen Beinen, als er mich dort wusch. Er drückte nur einmal die Lippen an meinen Bauch, als er sich vor mich hinkniete und mir sanft Beine und Füße schrubbte.

Sobald er damit fertig war, stand er auf und spülte mit den Händen meinen Körper ab. Seine Berührungen wirkten dabei fast ehrfürchtig. Als würde er mich nicht waschen, sondern mir huldigen. Als ich sauber war, nahm er sich mein Haar vor. Ich schloss die Augen, während er mir die Kopfhaut massierte. Das fühlte sich so schön an, dass meine Knie ein wenig nachgaben. Rush spülte schnell das Shampoo aus meinem Haar und bearbeitete es fast genauso hingebungsvoll mit Conditioner, bevor er es klar ausspülte.

Nach diesem Verwöhnprogramm fühlte ich mich total entspannt, fast schon lethargisch. Rush drehte das Wasser ab und griff nach zwei großen Handtüchern. Eines davon schlang er mir ums Haar, das andere um meinen Körper. Dann hob er mich hoch, trug mich zum Bett und legte mich darauf.

»Ruh dich einfach aus. Bin gleich zurück«, flüsterte er, küsste mich auf die Stirn und ging ins Badezimmer zurück. Der Anblick seines nackten Hinterns war verführerisch, und ich wollte wach bleiben. Seine Berührungen hatten mich angetörnt, auch wenn er das gar nicht beabsichtigt hatte. Ich versuchte zu warten, doch mir wurden die Augen schwer, und ich döste ein.

Ich kuschelte mich an die Wärme. Sie roch so schön nach Sonnenschein und Meeresluft. Mit einem zufriedenen Seufzer rieb ich meine Wange daran. Sie gluckste.

Ich schlug die Augen auf und merkte, dass ich das Gesicht an Rushs nackte Brust geschmiegt hatte. Lächelnd küsste ich sie und linste zu ihm hinauf. Er grinste belustigt, und ich musste kichern.

»Wenn du morgens aufwachst, bist du wie ein kleines Kätzchen«, sagte er mit tiefer, heiserer Stimme. Er musste auch gerade erst wach geworden sein.

»Wenn du dich nicht so gut anfühlen würdest, dann würde ich mich im Schlaf auch nicht automatisch an dich kuscheln.«

Rush zwinkerte. »Dann bin ich ja froh, dass ich mich gut anfühle, denn deinen süßen Po schmiegst du gefälligst an niemanden sonst. Sonst gibt es Mord und Totschlag!«

Ich liebte diesen Mann.

»Tut mir leid, dass ich gestern Abend so schnell eingepennt bin.«

Rush schüttelte den Kopf. »Macht doch nichts. Es freut mich doch, wenn ich weiß, dass ich dich dazu bringen konnte zu entspannen und du gut einschlafen konntest. Ich sehe dich nicht gern traurig.«

Ich war verrückt vor Liebe zu diesem Mann.

Ich streckte mich aus, legte beide Hände um seinen Hals und drückte mich an ihn. Als seine Erektion meinen Oberschenkel streifte, spürte ich in meinem Schoß ein erwartungsvolles Prickeln und drückte die Beine fest zusammen. Heute Morgen brauchte ich ihn. Nach dem süßen Geplänkel vom Vorabend musste ich mich ihm nun völlig verbunden fühlen.

»Liebe mich«, flüsterte ich und kuschelte mich mit dem Kopf in seine Halsbeuge.

»Aber gern doch«, murmelte er und ließ die Hand zwischen meine Schenkel gleiten. Er hob eines meiner Beine hoch und legte es auf seine Hüfte. Es erregte mich, dass ich jetzt – weit geöffnet – seinen Blicken völlig ausgesetzt war. Zart strich er mit den Fingern am Inneren meiner Schenkel hoch, quälte mich, indem er über meinen bedürftigen, geschwollenen Eingang nur ganz flüchtig hinwegstrich. Ich wimmerte und hoffte, damit könnte ich ihn zur Eile antreiben, aber er ließ sich nicht beirren. Im Gegenteil, er ließ sich jetzt noch mehr Zeit. Seine rauen Fingerspitzen malten Muster von meinen Knien bis ganz oben an meine Oberschenkel und dann wieder zurück.

Ich war mir sicher, dass ich durch seine Spielchen inzwischen klitschnass war. Peinlich. »Rush, bitte!«

»Bitte was, meine Süße? Was möchtest du, dass ich tue?«

Ich hatte ihm doch schon gesagt, was er tun sollte! Anscheinend wollte er noch Genaueres erfahren. Rush und sein Dirty Talking erregten mich immer. »Berühr mich!«

»Das tue ich doch!«, erwiderte er.

»Berühr mich weiter oben«, bat ich. Er wollte, dass ich auf sein schmutziges Gerede einstieg. Na, jetzt war ich mal dran, ihn zappeln zu lassen.

Er fuhr mit seinem Finger in meine Oberschenkelfalte, und ich umklammerte seine Arme und erbebte. Er war so nahe. »Hier?«, fragte er.

Ich rutschte ein wenig, damit sein Finger dorthin gelangte, wo ich ihn haben wollte. Rush machte Anstalten, seine Hand wegzunehmen, und hielt dann inne. »Fuck!«, stöhnte er und schob den Finger langsam in mich hinein. »So feucht. Ich kann dich nicht scharfmachen, wenn du ohnehin schon so feucht bist«, flüsterte er.

Als er mit dem Finger sanft über meine Klit fuhr, stöhnte ich auf. Ich lag mit weit gespreizten Beinen vor ihm, und nun, wo er mich dort berührte, verlor ich fast den Verstand. Ich wollte mehr.

»Meine Süße war schon so bereit für mich«, sagte er, bewegte zwei Finger in mich hinein und drückte gegen meinen G-Punkt.

Der unterdrückte Lustschrei, der mir entfuhr, war zu viel für ihn. Er packte mich an der Taille, positionierte mich über sich und ließ mich dann langsam auf seinen Schwanz niedersinken. »Verdammt, das ist ja enger denn je!«, knurrte er, umklammerte meine Hüften und drückte sich gegen mich, während ich ihn Stück für Stück in mich aufnahm. Genau das hatte ich gewollt. Erfüllt zu sein. Von Rush.

Ich schlug Blaire vor, den ganzen Tag nackt in meinem Zimmer zu verbringen, doch davon wollte sie nichts hören. Schließlich hätten wir Besuch, meinte sie, und wir müssten uns anziehen und uns um Dean kümmern. Dabei hätte er für meinen Wunsch, mich mit Blaire zu verkriechen, garantiert Verständnis gehabt, aber sie war da anderer Meinung. Was nur zeigte, wie wenig ihr über das Rockstar-Leben meines Vaters bekannt war.

Blaire musste sich noch die Haare föhnen, und ich ging schon mal runter, um mit den Frühstücksvorbereitungen anzufangen. Auf der Party am vergangenen Abend hatte sie kaum etwas zu sich genommen, dann waren wir heimgefahren, und bevor sie noch etwas essen konnte, war sie auch schon eingeschlafen.

Dean stand schon in meiner Küche, holte Sachen aus dem Kühlschrank und stellte sie auf die Kücheninsel. Ich blieb stehen, beobachtete ihn einen Augenblick lang und versuchte mir einen Reim darauf zu machen, was er eigentlich vorhatte. Er holte Milch heraus, stutzte dann und sah zu mir herüber.

»Guten Morgen, Sohn. War mir nicht sicher, ob ihr’s heute aus dem Schlafzimmer schaffen würdet, so wie du gestern Abend hinter Blaire hergejagt bist, als sie nach oben ging. Da wollte ich euch beide mit leckeren Frühstücksdüften ködern.«

Ich lehnte mich an die Arbeitsfläche und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe sie zu überreden versucht, mit mir oben zu bleiben. Aber nein, nichts da, meinte sie, wir hätten Besuch!«, erklärte ich.

Dean lachte in sich hinein. »Wie der Vater, so der Sohn!«

»Ich bin kein bisschen wie du. Die Frau, die ich geschwängert habe, ist zufällig auch meine große Liebe. Ich heirate sie und werde den Rest meines Lebens damit verbringen, alles zu tun, um sie glücklich zu machen.«

Dean machte den Kühlschrank zu und musterte mich. Es war ihm anzusehen, dass er solche Worte aus meinem Mund nicht erwartet hatte. Als wir uns das letzte Mal längere Zeit gesehen hatten, hatte ich jede Nacht ein anderes Mädchen im Bett gehabt.

»Was macht sie so anders? Du warst doch schon mit einem Haufen Frauen zusammen. Wieso gerade sie?« Wäre seine Neugierde nicht ehrlich gewesen, wäre ich jetzt stinksauer gewesen. Aber er kannte mich nun mal nur so, wie ich vor Blaire gewesen war.

»Als sie hier zum ersten Mal reinspazierte und ich sie sah, da fühlte ich mich auf Anhieb von ihr angezogen. So einfach war das. Doch dann lernte ich sie besser kennen. So ein Mädchen wie sie war mir noch nie begegnet. Sie war so entschlossen, wo sie eigentlich verzweifelt hätte sein müssen. Das Leben hatte sie mies behandelt, trotzdem war sie eine unglaubliche Kämpfernatur. Wollte nie aufgeben oder kneifen. Ich bewunderte sie. Als wir uns dann näherkamen, war es endgültig um mich geschehen. Sie ist alles, was ich will.«

Über Deans Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus, dann nickte er. »Tja, ich schätze, du weißt mehr über das Leben als dein alter Mann, ich habe bei ’ner Frau nämlich noch nie solche Gefühle entwickelt. Freut mich, dass du’s gefunden hast. Das ist selten, Junge, halt es also gut fest. Noch mal begegnet dir so was nicht.«

Ich hatte nicht vor, je von ihr zu lassen. Dean sah sich in der Küche um. »Sag mal, wo finde ich denn eine Rührschüssel? Ich möchte der Mama meines Enkelkinds Rührei machen.«

Mein Herz zog sich zusammen. »Links vom Herd, zweites Regal.«

»Bereite du doch derweil schon mal den Bacon zu. Das Mädel braucht Proteine«, erklärte er und nahm sich eine Schüssel herunter.

Wo er recht hatte, hatte er recht. Ich passte auch immer auf, dass sie morgens ordentlich frühstückte. »Momentan ist sie auch ganz wild auf Waffeln. Deshalb habe ich mich mit einem Waffeleisen ausgerüstet«, erzählte ich ihm.

Dean nickte. »Gut zu wissen, dass du dich anständig um sie kümmerst.«

Ein paar Minuten arbeiteten wir schweigend vor uns hin. Ich hätte ihn gern über Nan und Kiro ausgefragt, wollte aber nicht, dass es das Erste war, was Blaire hörte, wenn sie herunterkam. Sie sollte ihr Frühstück genießen. Eine Unterhaltung über Nan war grundsätzlich nervig.

»Ich schätze, du weißt, dass Grant und Nan was miteinander hatten?« Dean verquirlte die Eier.

Ich erstarrte. Hallo? Hatte ich gerade richtig gehört?

»Ich habe ihn gewarnt, dass sie genauso verrückt ist wie ihre Mama und er lieber das Weite suchen sollte. Schon klar, sie ist deine Schwester, und du liebst sie, aber dieses Mädchen ist das reinste Gift. So was braucht ein Bursche wie Grant doch nicht! Er war immer so ein liebes Kind. Da kann man doch nicht zusehen, wie die ihn erst verschlingt und dann wieder ausspuckt!«

Ich war noch immer sprachlos. Grant und Nan … wie zum Geier hatte das passieren können? Wenn jemand wusste, wie flatterhaft Nan war, dann doch wohl Grant! Schließlich hatte er von klein auf mitgekriegt, wie beschissen meine Mom und ihr Vater, der sie nie anerkannt hatte, mit ihr umgegangen waren.

»Grant ist gekommen und hat versucht, mit ihr zu reden, doch sie hat sich im Club direkt vor seiner Nase irgendeinen Typen angelacht und ist mit dem abgezogen. Da hatte er dann wohl endgültig die Schnauze voll. Und hat ’nen Schlussstrich gezogen. Hoffe ich jedenfalls.«

Endlich stellte ich den Waffelteig weg, den ich die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte, während ich meinen Vater völlig entgeistert angestarrt hatte. »Grant hatte was … mit Nan?« Meine ungläubige Stimme ließ Dean aufmerken. Er drehte sich zu mir um.

»So ist es. So entsetzt, wie du mich anguckst, hast du’s wohl doch nicht gewusst, hm? Soweit ich weiß, haben die sich ein ganzes Weilchen gedatet. Den Armen hatte es wirklich voll erwischt. Aber sie ist genau wie ihre Mama. Der soll bloß froh sein, dass er sie los ist.«

»Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen?«

Dean schüttelte den Kopf. »Tja, frag mich was Leichteres!«

Mit ihm konnte ich darüber nicht reden. Ich verließ die Küche und trat auf die rückwärtige Veranda hinaus. Dort zog ich mein Handy heraus und wählte Grants Nummer. Wir erzählten uns alles. Und doch hatte er meine Schwester gedatet und mir gegenüber kein einziges Wort darüber verloren.

»Hey, Bro!«, grüßte er mich in putzmunterem Ton.

»Ich weiß das von dir und Nan«, war alles, was ich erwiderte.

Grant stieß einen müden Seufzer aus. »Ich hatte gehofft, ich könnt’s dir irgendwann mal erzählen. Also, ich hatte es in jedem Fall vor. Es ist nur so … sie wollte nicht, dass ich’s tue, und dann hatte sie den Unfall. Und dann, na ja … es ist aus. Dass sie nichts Ernstes von mir will, hat sie mir ziemlich krass zu verstehen gegeben. Ich komme nicht damit klar, wenn sie herumvögelt. Was mich betrifft, war das nicht nur als schnelle Nummer gedacht. Das hätte ich Nan nie angetan. Ich habe sie wirklich gemocht. Vielleicht sogar zu sehr.«

Ich sank auf den Sessel neben mir und starrte zum Meer hinaus. »Warum hast du’s mir denn nicht erzählt?«

»Na, wie gesagt, wollte ich ja. Aber sie hat mich gebeten, es nicht zu tun. Mir lag an ihr, Rush. Ich wollte, dass es läuft. Also bin ich auf ihre Bitte eingegangen. Aber ich habe mich beschissen gefühlt, dich deswegen anzulügen.«

Ihm hatte an Nan gelegen? Wow!

»Dean meint, du wärst jetzt fertig mit ihr.«

»Na ja, sagen wir so: Sie ist fertig mit mir. Ich kann ihre Spielchen nicht mehr länger mitspielen.«

Ich liebte meine Schwester, aber Grant liebte ich auch. Sie würde ihm das Herz brechen. Sie tat ihm nicht gut. Da hatte mein Dad völlig recht. Grant brauchte jemanden, der ihn lieben konnte. Ich war mir nicht sicher, ob Nan dazu imstande war. Ich war erleichtert. Allerdings nicht, weil ich wollte, dass sie kein Paar waren, sondern weil ich den Gedanken schrecklich fand, Nan würde dasselbe tun, was meine Mutter in der Vergangenheit mit den Männern getan hatte, die sie liebten. Grant hatte Besseres verdient.

»Sie kann niemanden glücklich machen, bis sie nicht eine Möglichkeit findet, selbst glücklich zu sein. Augenblicklich ist sie so voller Groll, dass sie jedem das Leben schwer macht, der ihr zu nahe kommt. Lass nicht zu, dass sie das bei dir auch tut.«

Grant schwieg eine Minute. »Sie kann schon auch anders sein. Ein Teil von mir hat sich einen Augenblick lang in sie verliebt. Dem hat sie ein Ende gemacht, indem sie mich daran erinnert hat, wie schwer es wäre, sie zu lieben.«

»Ich liebe meine Schwester. Aber du verdienst mehr. Nan ist mit sich selbst nicht im Reinen. Nicht wirklich. Sie hat einfach zu viele Probleme.«

»Danke, Rush. Ich hatte gedacht, diese Unterhaltung würde komplett anders laufen. Hatte nicht damit gerechnet, dass du dir um mich Sorgen machen würdest.«

»Na hör mal, du bist mein Bruder. Und ich möchte nur das Beste für dich. Ich möchte, dass du hast, was ich habe. Mach dich auf die Suche danach.«

Grant stieß ein Lachen aus, das klang, als hielte er das für unmöglich. »Na, ob sich das machen lassen wird?«

Als ich in die Küche kam, entdeckte ich Dean Finlay dabei, wie er Bacon briet und dazu einen Nummer-Eins-Hit von Slacker Demon pfiff. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Er drehte den Kopf zu mir um, und unsere Blicke trafen sich. Sein Gesichtsausdruck entsprach so gar nicht dem, den man bei einem berühmten Rockstar erwartete. Er erinnerte mich an den eines Vaters.

»Guten Morgen, Sonnenschein! Ich bereite dir und meinem Enkelkind gerade ein Frühstück zu. Eigentlich hatte ich Unterstützung, aber ich fürchte, ich habe Rush etwas erzählt, wovon er nichts wusste, denn er war völlig von den Socken! Er ist rausgegangen, um zu telefonieren. Kommt aber bestimmt gleich wieder«, erklärte er, während er Baconscheiben einzeln auf einem mit einem Papiertuch ausgelegten Teller ausbreitete.

Ich linste an ihm vorbei aus dem Fenster und entdeckte Rush, der am Handy eindringlich auf jemanden einredete. »Was hast du ihm denn erzählt?«, fragte ich und überlegte, ob ich lieber mal nach Rush sehen sollte.

»Grant und Nan hatten da eine Weile was am Laufen. Schließlich hat Nan ihre Spielchen aber zu weit getrieben, und jetzt ist es aus. Rush hatte davon keine Ahnung.«

Mir klappte die Kinnlade herunter. Grant und Nan? War das sein Ernst?

»Mich hat ja auch fast der Schlag getroffen. Hätte den Burschen nie für so dumm gehalten. Na, der hat dann wohl auf die harte Tour lernen müssen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.«

Ich sah wieder zu Rush hinaus. Er stand gerade auf und steckte sich das Handy in die Tasche zurück. Ich fragte mich, wen er angerufen hatte. Grant oder Nan?

»Wieso setzt du dich nicht an den Tisch, und ich mach dir einen Teller zurecht? Hättest du gern Milch oder Orangensaft oder lieber beides? Das Baby braucht vermutlich von beidem was.«

Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Dean zu, der einen Teller mit Bacon, Rührei und Waffeln in der Hand hielt. Hatte er das jetzt alles extra für mich zubereitet?

»Wow, das sieht aber lecker aus!«, sagte ich.

»Das ist es auch. Ein echtes Killerfrühstück! So, und jetzt setz dich mal hin, und hau ordentlich rein.«

Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen, und ließ mich am Tisch nieder. Gerade als sein Vater den Teller vor mich hin stellte, öffnete Rush die Tür und kam wieder herein.

»Mach dir um deine hübsche kleine Verlobte keine Sorgen. Ich habe mich gut um sie gekümmert.«

Rush grinste seinen Vater an und kam dann zu mir. Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich auf den Kopf. »Du bist so schön«, flüsterte er.

»Alles okay mit dir?«, fragte ich, nicht imstande, meine Besorgnis zu verbergen. Ich musste wissen, ob ihm das mit Grant und Nan nicht vielleicht zu naheging.

»Japp, alles okay. Grant ist jetzt um eine Erfahrung reicher, und alles wird gut.«

Ich legte die Stirn in Falten. Grant war um eine Erfahrung reicher? Was meinte er damit?

»Wir sprechen später drüber. Jetzt iss erst mal«, sagte er mit einem Augenzwinkern und ging sich dann selbst einen Teller holen.

Dean stellte ein Glas Orangensaft und ein Glas Milch vor mich hin und nahm dann links von mir Platz. Er hielt lediglich eine große Tasse Kaffee in der Hand, sonst nichts.

»Isst du denn gar nichts?«, fragte ich, während er einen Schluck aus der dampfenden Tasse trank.

Er schüttelte den Kopf. »Nope. Ich nehme mein Frühstück in flüssiger Form ein.«

Rush stellte seinen Teller auf meiner anderen Seite ab. Er hatte alles daraufgehäuft, was noch übrig war. Anscheinend hatte er Hunger. »Sorry, dass ich dir nicht weiter beim Frühstückmachen geholfen habe«, wandte Rush sich an Dean. »Danke jedenfalls.«

»Das habe ich gerne gemacht«, erwiderte Dean. »Ist schon eine Weile her, dass ich mal ein Frühstück zubereitet habe.«

Ich fand es schön, Rush mit seinem Vater zu erleben. Sie wirkten ganz normal. Und ich wurde auf die Art Teil der Familie. Dass es dazu mit seiner Mom und Schwester auch je kommen würde, bezweifelte ich, aber sein Dad schien mich zu akzeptieren.

»Jetzt, wo ich weiß, dass du kochen kannst, heuere ich dich als freiwilligen Helfer bei der Zubereitung des Thanksgiving-Dinners an«, informierte ich Dean.

Dean grinste. »Da bin ich sofort dabei! Schließlich habe ich auch so was schon ein ganzes Weilchen nicht mehr genossen. Ich freue mich drauf, es mit euch beiden zu verbringen.«

Bei Rushs freudigem Lächeln ging mir das Herz auf. »Ich gehe heute im Laden gleich noch die restlichen Zutaten besorgen.«

»Da begleite ich dich«, erwiderte Rush.

»Nichts da, du bleibst hier bei deinem Dad. Ihr könntet doch auch eine Runde Golf spielen oder so was. Die paar Sachen, die wir noch brauchen, kann ich auch allein einkaufen. Außerdem glaube ich, dass Bethy mitkommen wollte. Sie steuert für morgen einen Maisauflauf und einen Kürbiskuchen bei.«

»Verdammt, ich weigere mich, Golf zu spielen. Aber ein Tag mit meinem Sohn, das klingt gut! Wir könnten nach Destin fahren und uns den neuen Bond-Film reinziehen. Den wollte ich mir schon die ganze Zeit angucken. Ich würde dich sogar zum Lunch einladen, Rush.«

Ich merkte Rush an, dass er nicht so recht zog, und ich wusste, das lag nur daran, dass er es nicht gernhatte, wenn wir uns zu weit voneinander entfernten. Ich langte hinüber und drückte ihm fest die Hand. »Das klingt doch nach Spaß. Das machst du, okay? Und ich kann mich mal in Ruhe mit Bethy austauschen.«

Rush nickte, auch wenn er eigentlich nicht hatte einknicken wollen, das merkte ich.

Ich probierte mein Rührei und lächelte zu Dean hinüber. »Schmeckt super! Vielen Dank.«

Er strahlte mich an. Ich freute mich, dass er da war. An diesem Feiertag würden wir nicht ganz ohne unsere Eltern sein.

»Bitte, Blaire, ich flehe dich an, bitte!« Bethy stand vor mir, wippte auf den Zehen und hatte die Hände vor sich gefaltet, als würde sie beten. Angesichts des beschwörenden Ausdrucks in ihren Augen hätte ich beinahe losgelacht.

»Bist du nicht hier aufgewachsen? Wie kommt es, dass dir Dean noch nie über den Weg gelaufen ist?«, fragte ich und hob die Einkaufstüte aus dem Kofferraum des Range Rovers.

»Na, du weißt doch, ich gehöre dem Fußvolk an. Ich arbeite für die Reichen, verkehre aber nicht mit ihnen. Ach komm, ich weiß schon, dass ich ihn morgen sehe, aber ich würde ihn so gern jetzt schon kennenlernen. Ohne Jace, der nicht mitkriegen soll, wenn ich wegen Dean das große Herzflattern kriege.«

Ich gab ein Würgegeräusch von mir. »Der ist zu alt, als dass er noch Herzflattern verursachen könnte. Bäh!«

»Sag mal, willst du mich verarschen? Dean Finlays letzte Freundin war so um die einundzwanzig. So jemand wie der wird nie zu alt, als dass man seinetwegen nicht noch weiche Knie bekäme!«

Ende der Leseprobe