Little Secrets – Vollkommen verliebt - Abbi Glines - E-Book

Little Secrets – Vollkommen verliebt E-Book

Abbi Glines

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Beschreibung

Ashton hat es satt, allen etwas vorzumachen. Sie ist nicht die brave, anständige Pfarrerstochter, für die alle sie halten. Als ihr Freund Sawyer den Sommer über verreist, trifft sie seinen Cousin Beau wieder – den attraktiven Bad Boy der Stadt. Als Kinder waren sie beste Freunde, doch plötzlich knistert es heftig zwischen ihnen. Und je mehr die beiden versuchen, voneinander zu lassen, desto unmöglicher wird es, dem eigenen Verlangen zu widerstehen.

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Inhalt

Impressum

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

Beau

3. Kapitel

4. Kapitel

Beau

5. Kapitel

6. Kapitel

Beau

Ashton

7. Kapitel

Beau

8. Kapitel

Ashton

9. Kapitel

Beau

10. Kapitel

11. Kapitel

Ashton

12. Kapitel

Beau

13. Kapitel

14. Kapitel

Ashton

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

Ashton

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

Ashton

21. Kapitel

22. Kapitel

Ashton

23. Kapitel

Ashton

24. Kapitel

25. Kapitel

Beau

26. Kapitel

Beau

Ashton

27. Kapitel

Beau

Ashton

28. Kapitel

Ashton

Wenn ein kleiner Flirt große Gefühle entfacht …

Danksagung

Mehr von Abbi Glines bei Piper

Leseprobe: Andersen/Bach, Warte auf mich …

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lene Kubis

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2013

ISBN 978-3-492-96390-9

© 2012 by Abbi Glines Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Vincent Boys – extended and uncut«, Simon Pulse, ein Imprint von Simon & Schuster Children’s Publishing, New York 2012 Deutschsprachige Ausgabe: © 2013 Piper Verlag GmbH, München Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur, München Umschlagabbildung: FinePic®, München Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Für meinen Sohn Austin, den einzigen Menschen, der meine Schwäche für Football versteht, weil er ein noch größerer Fan sein dürfte als ich. Roll Tide, son!

Prolog

Vor sieben Jahren …

Ash hat sich irgendwie verändert, oder?«, fragte mein Cousin Sawyer. Er war zu mir auf den Baum geklettert und setzte sich nun neben mich auf unseren Lieblingsast, von dem aus man über den ganzen See blicken konnte.

Unsicher, was ich auf diese Frage antworten sollte, zuckte ich nur kurz mit den Schultern. Klar, mir war in letzter Zeit so einiges an Ash aufgefallen. Zum Beispiel, wie ihre Augen beim Lachen funkelten oder wie ihre schönen langen Beine zum Vorschein kamen, wenn sie Shorts trug. Aber das hätte ich vor Sawyer nie im Leben zugegeben. Er hätte es Ash erzählt, und die beiden hätten sich darüber schlappgelacht.

»Nein, finde ich nicht«, antwortete ich und sah Sawyer dabei nicht in die Augen. Ich hatte Angst, er würde merken, dass ich log.

»Ich habe vor Kurzem gehört, wie Mom zu Dad gesagt hat, dass wir Ash bald anders sehen werden. Dass sie eine echte Schönheit wird und sich deswegen zwischen uns alles ändern dürfte«, sagte Sawyer mit leichter Besorgnis in der Stimme. »Ich will aber nicht, dass sich was ändert!«

»Ich würde mir da keine Sorgen machen. Ash ist Ash.« Ich konnte ihn noch immer nicht ansehen. Stattdessen hielt ich den Blick starr auf den See gerichtet. »Klar, sie ist hübsch, aber darauf kommt’s doch gar nicht an. Sie kann schneller auf einen Baum klettern als wir, steckt den Köder ohne Gezicke selbst an den Haken und füllt Wasserbomben wie ein echter Profi. Wir drei sind seit der Vorschule beste Freunde, und das bleibt auch so, wirst schon sehen.«

Ich schielte zu Sawyer hinüber. Ich fand, dass ich das gerade ziemlich überzeugend rübergebracht hatte.

»Du hast recht. Wen schert’s, dass sie aussieht wie eine Märchenprinzessin? Sie ist und bleibt Ash.« Sawyer lächelte und nickte. »Apropos Wasserbomben … Könntet ihr beide bitte aufhören, nachts herumzuschleichen und sie direkt vor unserem Haus auf die Autos zu werfen? Irgendwann erwischen meine Eltern euch, und dann kann ich euch auch nicht mehr aus der Patsche helfen.«

Grinsend erinnerte ich mich daran, wie Ash mühsam ein Kichern unterdrückt hatte, als wir zum Füllen der Ballons nach unten geschlichen waren. Dieses Mädchen trieb auf jeden Fall gern Unsinn – fast so gern wie ich.

»Habe ich da meinen Namen gehört?«

Ashs Stimme ließ mich zusammenfahren.

»Ihr zwei hört besser endlich mal auf, euch über diesen blöden BH lustig zu machen, den ich Moms Meinung nach tragen muss. Es reicht! Noch ein Wort, und ihr kriegt eins auf die Nase.« Sie stand mit einem Eimer voller Grillen in der einen und einer Angelrute in der anderen Hand neben dem Baum. »Gehen wir jetzt angeln oder gafft ihr mich lieber weiter an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen?«

Warum nur hatte ich es nicht nach Hause geschafft, ohne auf die beiden zu treffen? Ich hatte wirklich keine Lust darauf, für Beau und seine Schnalle die Mutter Teresa zu spielen, aber Sawyer hätte von mir erwartet, dass ich anhalte. Und so tat ich es, auch wenn er nicht da war. Mit einem frustrierten Seufzer ging ich vom Gas und stoppte. Beau stand in einigem Abstand neben seiner Freundin, die sich gerade übergab. Offensichtlich fand er ihre Würgegeräusche nicht allzu prickelnd.

»Wo hast du deinen Pick-up geparkt, Beau?«, fragte ich im genervtesten Tonfall, den ich zustande brachte.

Er lächelte mich auf diese dämlich verführerische Weise an, von der er wusste, dass er damit jedes Mädchen in der Stadt zum Dahinschmelzen brachte. Wäre schön gewesen, wenn mich das nach all den Jahren kaltgelassen hätte, tat es aber nicht. Gegen den heißen Bad Boy der Stadt immun zu sein war einfach unmöglich.

»Sag bloß, die perfekte kleine Ashton Gray bietet mir ihre Hilfe an!«, sagte er langsam, nein, leicht lallend, und beugte sich herunter. Er grinste mich durch das offene Wagenfenster an.

»Nachdem Sawyer nicht in der Stadt ist, habe ich nun mal die Ehre. Er würde dich nicht betrunken nach Hause fahren lassen, und ich genauso wenig.«

Er lachte kurz auf, und mir lief ein warmer Schauer über den Rücken. O Gott. Sogar wenn er lachte, war er sexy.

»Danke, Süße, aber ich komme klar. Sobald Nic aufgehört hat zu kotzen, verfrachte ich sie in den Pick-up. Die drei Meilen bis zu ihr packe ich gerade noch. Jetzt fahr schon weiter. Nicht, dass du meinetwegen noch einen deiner Bibelkurse verpasst!«

Mit ihm zu streiten war zwecklos. Er würde immer weiter sticheln, bis ich so sauer war, dass ich nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand. Er konnte mich mit einem Augenzwinkern zur Weißglut treiben, dabei gab ich mir wirklich große Mühe, nett zu allen zu sein.

Ich drückte aufs Gas und fuhr auf den Parkplatz. Ihn in diesem Zustand Auto fahren zu lassen war einfach nicht drin. Ich suchte die Reihen der geparkten Autos nach seinem alten schwarzen Chevy Pick-up ab. Sobald ich ihn entdeckt hatte, lief ich zu Beau zurück und streckte auffordernd die Hand aus.

»Entweder gibst du mir jetzt sofort die Autoschlüssel, oder ich hole sie mir. Du hast die Wahl, Beau. Willst du, dass ich deine Hosentaschen durchwühle?«

Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Vielleicht würde ich das sogar sehr genießen, Ash. Wieso probieren wir es nicht einfach mal aus?«

Hitze kroch meinen Nacken hinauf und kleckste rote Flecken auf meine Wangen. Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass ich gerade knallrot anlief. So was Blödes! Beau flirtete sonst nie mit mir. Ich war für gewöhnlich das einzige weibliche Wesen an unserer Schule, das Beau komplett ignorierte.

»Wag’s ja nicht, ihn anzufassen, du dumme Schlampe!«, fauchte Nicole, Beaus On-off-Freundin. »Die Schlüssel stecken in der Zündung.« Sie hob den Kopf, warf ihr dunkelbraunes Haar zurück und sah mich mit blutunterlaufenen dunkelblauen Augen hasserfüllt an.

Ohne ein weiteres Wort machte ich kehrt und ging zu Beaus Pick-up, wobei ich mir in Erinnerung rief, dass ich das alles für Sawyer tat.

»Los jetzt, steigt schon ein!«, rief ich den beiden zu und glitt durch die Fahrertür auf die abgenutzte Ledersitzbank, die Platz für drei Leute bot.

Es war nicht gerade leicht, einfach über die Tatsache hinwegzugehen, dass ich gerade zum ersten Mal im Inneren von Beaus Pick-up saß. Nachdem wir zahllose Nächte nebeneinander auf dem Dach gelegen und uns darüber unterhalten hatten, wie es wohl sein würde, wenn wir erst mal unseren Führerschein hätten, und wo wir dann überall hinfahren würden, saß ich jetzt, mit siebzehn Jahren, doch tatsächlich hinter dem Steuer.

Beau hievte Nicole zum Wagen und ließ sie auf die Ladefläche plumpsen.

»Bleib einfach liegen … außer dir wird wieder schlecht … dann pass auf, dass du gefälligst zur Seite raus kotzt«, sagte er schroff und öffnete leicht wankend die Fahrertür. »Rutsch rüber, Prinzessin! Nicole ist völlig weggetreten. Die kriegt gar nicht mehr mit, dass ich fahre.«

»Kommt gar nicht infrage. Du bist betrunken.« Ich umklammerte das Lenkrad fester. »Und du lallst.«

Er öffnete den Mund, um zu widersprechen, murmelte dann aber nur etwas, das wie ein Fluch klang, bevor er die Tür zuwarf, um den Wagen herumging und auf der Beifahrerseite einstieg. Er sagte kein Wort, und ich vermied es, ihn anzusehen. Ohne Sawyer an meiner Seite machte Beau mich nervös.

»Ich bin nicht betrunken, und ich lass dich nur fahren, weil ich heute Abend die Schnauze voll davon habe, mich mit Weibern herumzustreiten, verstanden?«, knurrte er, und man hätte fast meinen können, er sei tatsächlich nüchtern. Kein Wunder, dass er das Lallen im Griff hatte. Der Junge hatte sich schon die Kante gegeben, bevor die meisten von uns auch nur an ihrem ersten Bier genippt hatten. Wenn ein Typ ein Gesicht wie Beau hat, fällt das den älteren Mädchen auf. Und so war er schon lange vor uns zu heimlichen Partys auf dem Feld eingeladen worden.

Ich bekam es hin, nur kurz mit den Achseln zu zucken. »Wenn du nichts getrunken hättest, wäre das jetzt alles kein Problem.«

Er stieß ein hartes Lachen aus. »Ganz die brave kleine Pfarrerstochter, was, Ash? Früher hatte man mit dir wirklich zehnmal mehr Spaß. Bevor du angefangen hast, mit Sawyer herumzumachen, hatten wir eine richtig gute Zeit.« Ich spürte, dass sein Blick auf mir ruhte, und zu wissen, dass er beobachtete, wie ich reagierte, machte es mir schwer, mich aufs Fahren zu konzentrieren.

»Damals warst du meine Komplizin, Ash. Sawyer war schon immer der Musterknabe. Aber du und ich, wir waren die Unruhestifter! Was ist nur passiert?«

Was sollte ich darauf antworten? Das Mädchen, das früher am Kiosk Kaugummi geklaut hatte oder den Zeitungsjungen entführt und gefesselt hatte, damit wir ihm seine Zeitungen wegnehmen, sie in blaue Farbe tunken und anschließend vor die Haustüren legen konnten – dieses Mädchen kannte keiner mehr. Auch nicht das, das sich um zwei Uhr morgens aus dem Haus schlich, um Vorgärten mit Toilettenpapier zu schmücken und – hinter Büschen versteckt – Autos mit Wasserbomben zu bewerfen. Kein Mensch hätte mir geglaubt, wenn ich erzählt hätte, was ich damals alles angestellt hatte … Kein Mensch außer Beau.

»Ich bin einfach erwachsen geworden«, antwortete ich schließlich.

»Nein, du hast dich komplett verändert, Ash.«

»Wir waren Kinder, Beau. Ja, du und ich haben jede Menge Unsinn angestellt, und Sawyer hat uns immer wieder aus der Patsche geholfen. Wir waren einfach total jung und … Okay, ich habe mich verändert.«

Schweigend ließ er sich tiefer in seinen Sitz gleiten, und ich wusste, dass er den Blick von mir abgewandt hatte. So ein Gespräch hatten wir noch nie geführt. Auch wenn es kurz gewesen war und sich unangenehm angefühlt hatte, war mir klar, dass es längst überfällig gewesen war. Bisher hatte uns Sawyer irgendwie immer im Weg gestanden, wenn wir versucht hatten, unsere Freundschaft wieder zu kitten. Warum die eines Tages zerbrochen war, wusste ich selbst nicht. Am einen Tag war er noch mein Beau gewesen, mein bester Freund, und am nächsten Tag war er plötzlich nur noch Beau gewesen, der Cousin von Sawyer.

»Ich vermisse sie, weißt du? Sie war aufregend. Sie wusste, wie man Spaß hat. Und jetzt? Diese perfekte kleine Pfarrerstochter, die ihren Platz eingenommen hat, kotzt mich an.«

Seine Worte taten weh. Vielleicht, weil er es war, der sie sagte, oder vielleicht, weil ich genau wusste, was er meinte. Es war ja nicht so, dass ich nie wieder an dieses Mädchen gedacht hätte, und ich hasste ihn dafür, dass auch ich sie jetzt plötzlich wieder vermisste. Ich gab mir wirklich große Mühe, sie im Zaum zu halten.

»Ich bin lieber eine perfekte kleine Pfarrerstochter als eine besoffene Schlampe, die sich von oben bis unten vollkotzt«, entfuhr es mir.

Als Beau zu meiner Überraschung leise auflachte, wagte ich einen kurzen Blick zu ihm hinüber. Inzwischen war er in seinem Sitz so tief nach unten gerutscht, dass sein Kopf am abgenutzten Leder der Beifahrertür lehnte anstatt am harten Fenster.

»So ganz perfekt bist du wohl doch noch nicht. Sawyer würde nie jemanden so beschimpfen. Weiß er, dass du das Wort ›Schlampe‹ benutzt?«

Ich umklammerte das Lenkrad inzwischen so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Er wollte mich provozieren, und das bekam er ziemlich gut hin. Was sollte ich ihm schon antworten? Bestimmt wäre Sawyer schockiert gewesen, wenn er gehört hätte, wie ich jemanden als »Schlampe« beschimpfte. Besonders, wenn es sich um die Freundin seines Cousins handelte.

»Entspann dich, Ash. Ich verpetze dich schon nicht. Ich habe deine Geheimnisse schließlich jahrelang für mich behalten. Aber ich finde es schön zu wissen, dass sich irgendwo hinter dieser tugendhaften Fassade doch noch meine Ash verbirgt.«

Ich zwang mich, ihn nicht anzusehen. Wir begaben uns mit diesem Gespräch auf ein Terrain, das mir nicht ganz geheuer war.

»Niemand ist vollkommen. Ich tue auch nicht so, als ob ich’s wäre«, sagte ich. Es war eine Lüge, und wir beide wussten es. Sawyer war perfekt, ein leuchtendes Vorbild, und ich bemühte mich sehr, ihm ebenbürtig zu sein. Aber die ganze Stadt wusste, dass ich ihm nicht das Wasser reichen konnte.

Beau stieß ein kurzes, hartes Lachen aus. »Oh doch, Ash. Du tust so.« Das saß.

Ich bog in Nicoles Einfahrt ein, blieb stehen und hielt meinen Blick auf das Lenkrad gerichtet. Beau rührte sich nicht.

»Sie ist bewusstlos. Du wirst ihr helfen müssen«, flüsterte ich und hatte Angst, er könnte heraushören, dass ich verletzt war.

»Du willst, dass ich einer kotzenden Schlampe helfe?«, fragte er belustigt.

Ich seufzte und riskierte es schließlich doch, zu ihm hinüberzusehen. Als sich unsere Blicke trafen, wusste ich, dass es ein Fehler war. Er hatte die Augenlider leicht gesenkt, und seine langen, geschwungenen Wimpern verdeckten das Haselnussbraun seiner Augen beinahe ganz. Das Mondlicht fiel auf sein Haar und ließ es in warmen Blondtönen glänzen. Er erinnerte mich an einen gefallenen Engel.

»Sie ist deine Freundin. Hilf ihr.« Ich schaffte es irgendwie, wütend zu klingen, was mir bei seinem Anblick wirklich schwerfiel. Ich konnte in ihm immer noch den Jungen erkennen, von dem ich einst gedacht hatte, er könnte Berge versetzen.

»Danke, dass du mich daran erinnerst«, sagte er und fasste nach dem Türgriff, ohne dabei seinen Blick von mir abzuwenden. Ich sah schnell nach unten und betrachtete eingehend meine Hände, die jetzt gefaltet in meinem Schoß lagen.

Da rumorte plötzlich Nicole auf der Rückbank und brachte das Auto mit ihren ungelenken Bewegungen leicht ins Schwanken. Höchste Zeit zum Aufbruch. Nach kurzem Schweigen stieg Beau aus. Er trug Nicoles schlaffen Körper zur Haustür, klopfte und wurde eingelassen. Ich fragte mich, wer die Tür wohl geöffnet hatte. Nicoles Mutter? Kümmerte es sie, dass ihre Tochter besinnungslos betrunken war? Würde sie Beau erlauben, sie in ihr Zimmer zu bringen? Würde Beau bei ihr bleiben? Zu ihr ins Bett steigen und einschlafen? Beau erschien wieder im Eingang, ehe meine Phantasie völlig mit mir durchging.

Sobald er wieder im Pick-up saß, ließ ich den Motor an und fuhr in Richtung des Trailerparks, in dem er lebte.

»Also, jetzt mal raus mit der Sprache, Ash. Bestehst du deshalb darauf, den betrunkenen Typen und seine nuttige Freundin nach Hause zu fahren, weil du das ewige gute Mädchen bist, das jedem hilft? Ich weiß, du magst mich nicht besonders. Da stellt sich doch die Frage, warum du unbedingt willst, dass ich gut nach Hause komme.«

»Beau, du bist mein Freund. Natürlich mag ich dich. Wir sind Freunde, seit wir fünf Jahre alt sind. Klar, wir hängen nicht mehr miteinander ab oder machen gemeinsam die Nachbarschaft unsicher, aber du bist mir immer noch wichtig.«

»Seit wann das denn?«

»Seit wann was?«

»Seit wann bin ich dir wichtig?«

»Was für eine blöde Frage, Beau. Schon immer, das weißt du genau«, antwortete ich, obwohl mir klar war, dass er mir eine so vage Antwort nicht durchgehen lassen würde. In Wahrheit wechselten wir inzwischen kaum mehr ein ernstes Wort miteinander. Nicole hing ja normalerweise wie eine Klette an ihm. Und wenn er mit mir sprach, riss er nur irgendwelche Witze.

»Du nimmst meine Existenz doch kaum zur Kenntnis«, antwortete er.

»Das ist nicht wahr!«

Er prustete. »Wir saßen das ganze Jahr in Geschichte nebeneinander, und du hast mich fast nie angesehen. In der Mittagspause würdigst du mich keines Blickes, dabei sitze ich am selben Tisch wie du … Wir sind jedes Wochenende auf den Partys auf dem Feld, und wenn du deinen überheblichen Blick mal in meine Richtung schweifen lässt, dann meistens mit angewiderter Miene. Deswegen verblüfft es mich etwas, dass du mich immer noch als Freund betrachtest.«

Die hohen Lebenseichen zeigten die Abzweigung in den Trailerpark an, in dem Beau sein Leben lang gewohnt hatte. Die Schönheit der Landschaft, die sich vor einem auftat, sobald man in die Schotterstraße einbog, war trügerisch. Kaum war man nämlich an den hohen Bäumen vorbei, änderte sich die Szenerie drastisch. Verwitterte Wohnwagen und alte Autos waren blockweise aufgestellt, und in den Gärten lagen ramponierte Spielsachen verstreut. Mehr als ein Fenster war mit Holzbrettern zugenagelt oder behelfsmäßig mit Plastik abgedeckt. Mich konnte das alles nicht schocken. Selbst der Mann, der, eine Zigarette im Mundwinkel, auf den Verandastufen saß und nichts als Unterwäsche trug, überraschte mich nicht. Schließlich kannte ich diesen Trailerpark gut. Er war Teil meiner Kindheit.

Ich hielt vor Beaus Wohnwagen an. Man hätte seine plötzlichen Vorwürfe leicht auf den Alkohol schieben können, aber ich wusste, das ging nicht. Seit über vier Jahren hatten wir keinen Augenblick mehr allein miteinander verbracht. Seit ich Sawyers Freundin geworden war, hatte sich unsere Beziehung verändert.

Ich holte tief Luft und drehte mich zu Beau. »Außer mit dem Lehrer rede ich während des Unterrichts grundsätzlich mit niemandem. In der Mittagspause sprichst du nie mit mir, es gibt also keinen Grund, dich anzusehen. Wenn du deine Aufmerksamkeit mal auf mich lenkst, dann nur, um dich über mich lustig zu machen. Und auf den Partys sehe ich nicht dich angewidert an, sondern Nicole. So eine hättest du wirklich nicht nötig.« Ich verstummte, ehe ich noch etwas Dummes sagte.

Er neigte seinen Kopf zur Seite, als würde er mich studieren. »Du magst Nicole nicht besonders, oder? Mach dir wegen ihrer Schwäche für Sawyer mal keinen Kopf. Er weiß, was er an dir hat, und wird das auch nicht aufs Spiel setzen. Nicole kann mit dir nicht mithalten.«

Stand Nicole etwa auf Sawyer? Normalerweise machte sie mit Beau rum. Ich hatte nie mitbekommen, dass sie Sawyer mochte. Ich wusste, dass sie in der siebten Klasse mal einige Wochen lang ein Paar waren, aber das war in der Junior High gewesen. Das zählte nicht richtig. Außerdem war sie mit Beau zusammen. Wieso sollte sie sich da für einen anderen interessieren?

»Ich wusste gar nicht, dass sie ein Auge auf Sawyer geworfen hat«, antwortete ich, immer noch nicht sicher, ob ich ihm glauben sollte. Sawyer war überhaupt nicht Nicoles Typ.

»Du klingst überrascht«, meinte Beau.

»Na ja, bin ich ja auch! Ich meine, sie hat dich. Wieso sollte sie da was von Sawyer wollen?«

Ein zufriedenes Lächeln huschte über seine Lippen und brachte seine Haselaugen zum Leuchten. Anscheinend hatte ich mich so ausgedrückt, dass man meine Worte auch ganz anders auslegen konnte …

Er langte nach dem Türgriff, hielt aber noch mal inne und sah zu mir zurück.

»Ich wusste nicht, dass dich meine Frotzeleien ärgern, Ash. Ich höre auf damit, okay?«

Ich hatte nicht erwartet, dass er so etwas sagen würde. Mir fiel nichts Passendes darauf ein, weshalb ich seinen Blick einfach wortlos erwiderte.

»Ich sehe zu, dass ich meinen Wagen gegen deinen ausgetauscht habe, bevor deine Eltern morgens meinen Pick-up vor eurem Haus stehen sehen.« Er stieg aus, und ich sah ihn mit dem heißesten Hüftschwung, den man sich nur vorstellen konnte, auf die Eingangstür seines Wohnwagens zulaufen.

Natürlich würde meine Phantasie jetzt erst mal wieder eine Weile mit mir durchgehen. Trotzdem: Mein geheimes Faible für den Bad Boy der Stadt durfte auf keinen Fall ans Licht kommen …

Am nächsten Morgen fand ich mein Auto wie versprochen in unserer Einfahrt vor. Unter dem Scheibenwischer klemmte ein Zettel. Ich griff danach, und ein Lächeln glitt über mein Gesicht.

»Danke für gestern Abend. Ich hatte dich vermisst.« Er hatte einfach mit »B.« unterschrieben.

Hey, Baby. Tut mir leid, dass ich erst jetzt auf deine E-Mail antworte. Das Internet hier ist ziemlich unzuverlässig, und da ich kein Netz habe, bringt mein Handy auch nichts. Ich vermisse dich schrecklich. Ich denke den ganzen Tag an dich und frage mich, was du machst … Den Großteil unserer Tage verbringen wir mit Wanderungen. Unsere gestrige Tour hat uns zu einem unglaublichen Wasserfall geführt! Nach fünf Meilen bergauf in der Hitze war das kalte Wasser dann die reinste Wohltat. Immerzu habe ich mir gewünscht, du wärst bei mir.

Ich weiß jetzt sicher, dass das Angeln nicht meine Zukunft ist. Ich bin da der totale Loser! Cade schlägt mich bei der Fangquote um Längen. Gestern hat er mir gesagt, ich solle mich besser ans Footballspielen halten. LOL. Aber ich genieße meine Zeit mit ihm. Danke für dein Verständnis, dass ich das tun musste. Er braucht mich jetzt, mein kleiner Bruder. Ich werde in einem Jahr weggehen – und dann bin ich zwar auch nur einen Anruf weit weg, aber ich kann ihm eben nicht mehr beim Fußballtraining zusehen oder ihn beraten, wenn er sich zum ersten Mal verliebt … Daher versuche ich schon jetzt, all meine Weisheiten an ihn weiterzugeben.

Ich liebe dich, Ashton Sutley Gray, so sehr. Ich bin der größte Glückspilz der Welt.

Sawyer

Sawyer,

ich habe mir schon gedacht, dass deine verspätete Antwort mit Internetproblemen zu tun hat. Die Verbindung kann da oben in den Bergen ja nicht besonders sein. Zumindest nicht in so einer abgelegenen Hütte wie eurer. Ich vermisse dich auch. Ich freue mich, dass du mit Cade so eine Art Große-Bruder-Zeit verbringen kannst. Ich weiß, dass ihm das viel bedeutet.

Ich für meinen Teil arbeite gerade ziemlich viel in der Kirche. Wenn du nicht da bist, gibt es sonst nicht viel zu tun. An den Wochenenden bin ich nicht zum Feld gegangen. Meistens mache ich die Kirche sauber und leihe mir dann einen Film aus. Leann und Noah sind jetzt offiziell zusammen. Wenn sie nicht arbeitet, ist sie bei ihm. Ich bin also ganz auf mich allein gestellt. Ich bin so daran gewöhnt, meine ganze Zeit mit dir zu verbringen. Drück Cade und Catherine für mich!!

Ich zähle die Tage bis zu unserem Wiedersehen.

Ich liebe dich wie verrückt,

Ash

Nachdem ich auf »Senden« geklickt hatte, starrte ich auf den Bildschirm. Die Tatsache, dass ich Beau gar nicht erwähnt hatte, beunruhigte mich ein bisschen. Über Beau sprachen wir eigentlich kaum noch. Nur manchmal, wenn Sawyer sich Sorgen um ihn machte.

Schon sehr früh in seinem Leben hatte Sawyer sich um Beau gekümmert. Ihre Väter waren bekannt als die Vincent-Brüder, und Beau war der Sohn des jüngeren von ihnen, der ein ziemlich wildes Leben geführt hatte, bis er eines Tages mit seinem Motorrad in einen Sattelschlepper gerast war. Als das passierte, ging Beau in die erste Klasse. Ich erinnerte mich, dass er monatelang mit rot verweinten Augen herumgelaufen war. Es kam vor, dass er sich mitten in der Nacht aus dem Wohnwagen schlich und mich besuchte. Ich kletterte aus meinem Fenster, und wir saßen stundenlang auf dem Dach und überlegten, was ihn auf andere Gedanken bringen könnte. Meistens brachten uns diese Ideen in ein ziemliches Schlamassel, aus dem Sawyer uns dann wieder herausholen musste.

Sawyer hingegen war der Sohn des sogenannten guten Vincent-Bruders. Dieser hatte Jura studiert und ein Vermögen damit verdient, dass er Lieschen Müller gegen Versicherungsgesellschaften verteidigte. Die ganze Stadt liebte Harris Vincent und seine wunderschöne Frau Samantha, die regelmäßig in die Kirche ging, Tennis spielte und sich ehrenamtlich einsetzte. Und natürlich liebte man auch deren begabten ältesten Sohn, den Football-Star.

Die Stadt war nicht groß, und wie in jeder anderen Stadt in den Südstaaten wusste jeder über jeden Bescheid, einschließlich dessen Vergangenheit und der seiner Eltern. Hier in Grove, Alabama, ließ sich nichts geheim halten. Na ja, außer vielleicht auf dem Feld … In den dunklen Schatten der Pecannussbäume, die das weite, offene Feld umgaben, auf dem die Mason-Jungs ihre legendären Partys feierten, fand bestimmt so einiges statt, wovon nie jemand erfuhr. Es war der einzige Ort, an dem die alten Damen uns nicht von ihren Verandaschaukeln aus beobachten konnten, und die, die uns hätten sehen können, waren viel zu sehr mit den eigenen Dummheiten beschäftigt.

Ich griff nach dem Foto, das Sawyer für mich gerahmt und mir letzten Monat auf einer Feldparty gegeben hatte. Angesichts seines lieben Lächelns und seiner strahlend grünen Augen bekam ich ein schlechtes Gewissen. Dabei hatte ich eigentlich nichts Unrechtes getan. Ich hatte nur die Tatsache, dass ich Beau am Vorabend geholfen hatte, heil nach Hause zu kommen, für mich behalten. Ich hätte es Sawyer erzählen sollen. Nachdem ich das Bild auf den Schreibtisch zurückgestellt hatte, ging ich zum Schrank, um mir etwas zum Anziehen auszusuchen. Nichts wie raus hier! Dieser Sommer würde nie vorübergehen, wenn ich mich nicht irgendwie beschäftigte. Meine Grandma war von ihrer Reise nach Savannah zu ihrer Schwester zurückgekehrt. Ich könnte drüben im Altersheim meine Hilfe anbieten und anschließend bei ihr vorbeischauen.

Auf die Art konnte ich Sawyer, wenn ich ihm am nächsten Tag eine Mail schrieb, berichten, dass ich seine Urgroßmutter im Altersheim besucht hatte. Das würde ihm gefallen.

Sobald ich meine gute Tat für diesen Tag vollbracht und Urgroßmutter Vincent besucht hatte, machte ich mich auf den Weg zu meiner Grandma. Ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen, denn ich hatte sie höllisch vermisst. Ganz ohne sie und Sawyer hatte ich mich wirklich vollkommen allein gefühlt.

Kaum hatte ich meine Autotür hinter mir zugeschlagen, da öffnete meine Grandma auch schon die Tür und trat lächelnd heraus, ein großes Glas süßen Eistee in der Hand. Ihr weißblondes Haar war kaum noch schulterlang, und ich verkniff mir ein Grinsen.

Vor ihrer Abreise hatten wir eine Diskussion darüber gehabt, dass sie sich ihr Haar schneiden lassen müsse. Für jemanden in ihrem Alter war es zu lang geworden. Ich hatte ihr das gesagt, und sie hatte abgewinkt, als wüsste ich nicht, wovon ich redete. Offenbar hatte sie ihre Meinung geändert. Das Funkeln in ihren grünen Augen sagte mir, dass ihr klar war, was ich gerade dachte.

»Na, schau einer an, wer da beschlossen hat, vorbeizukommen und seine Grandma zu besuchen. Ich habe mich schon gefragt, ob du eine schriftliche Einladung erwartest«, neckte sie mich. Ich lachte, ging die Stufen hoch und umarmte sie.

»Du bist doch erst gestern nach Hause gekommen«, erinnerte ich sie.

Sie schnupperte an meinem T-Shirt und wich dann zurück, um mich anzusehen. »Riecht ganz so, als hätte jemand erst im Altersheim vorbeigeschaut und die Urgroßmutter des Freundes besucht, bevor sie zu ihrer eigenen Großmutter gefahren ist!«

»Ach, hör schon auf! Ich wollte dir ein bisschen Zeit geben, dich auszuschlafen. Ich weiß, dass das Reisen dich mitnimmt.«

Sie zog mich an der Hand zur Verandaschaukel, und wir setzten uns. Die Diamanten an ihren Fingern glitzerten im Sonnenlicht. Sie drückte mir das kalte Glas in die Hand.

»Hier, trink. Ich habe es eingeschenkt, sobald ich das kleine Auto in die Einfahrt biegen sah.«

Hier konnte ich mich entspannen. Das war Grandma. Sie erwartete nicht, dass ich perfekt war. Sie wollte nur, dass es mir gut ging.

»Hast du denn schon mit deinem Freund gesprochen, seit er weg ist, oder vergnügst du dich in der Zwischenzeit mit jemand anderem?«

Ich verschluckte mich an dem Tee und musste husten. Dann schüttelte ich den Kopf. Wie kam es, dass sie immer wusste, was los war, auch wenn keiner sonst etwas ahnte?

»Nun, wer ist es? Immerhin hast du mir seinetwegen den ganzen Schoß mit Tee vollgespuckt. Da will ich wenigstens einen Namen und ein paar Details!«

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich zu ihr, sodass ich ihr in die Augen sehen konnte. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich habe mich nur verschluckt, weil du mir so eine unsinnige Frage gestellt hast! Wieso sollte ich Sawyer betrügen? Er ist perfekt, Grandma.«

Sie schnaubte leise und tätschelte mein Bein.

»Niemand ist perfekt, meine Kleine. Niemand. Nicht mal dein Vater, obwohl er denkt, er wäre es.«

Sie machte sich immer darüber lustig, dass Daddy Pfarrer war. Laut Großmutter war er in seiner Kindheit und Jugend ein ziemlicher Unruhestifter gewesen. Wenn sie mir Geschichten über ihn als Junge erzählte, leuchteten ihre Augen auf. Manchmal hätte ich schwören können, dass sie den Sohn von früher vermisste.

»Sawyer ist so wunderbar, wie es nur irgend geht.«

»Na, mag ja sein. Ich bin heute bei den Lowrys vorbeigefahren, wo sein Cousin Beau gerade den Rasen gemäht hat.« Sie hielt inne und schüttelte mit einem breiten Grinsen den Kopf. »Mädchen, es gibt in dieser Stadt keinen Jungen, der auch nur ansatzweise mit Beaus nacktem Oberkörper mithalten könnte.«

»Grandma!« Vor Schreck, dass Grandma Beau ohne T-Shirt bewundert hatte, quetschte ich ihre Hand.

Sie gluckste. »Was denn? Ich bin alt, Ashton-Baby, aber nicht blind.«

Wie Beau verschwitzt und ohne T-Shirt aussah, wusste ich nur zu gut. Schließlich wäre es beinahe mein Untergang gewesen, als ich letzte Woche bei den Greens vorbeigefahren war, wo er ebenfalls gerade mit freiem Oberkörper den Rasen gemäht hatte. Von diesem Anblick hatte ich mich kaum mehr losreißen können. Hinterher hatte ich mir eingeredet, die Tätowierung auf seinem Brustkorb hätte mich so fasziniert, aber natürlich stimmte das nicht. Seine ausgeprägten Bauchmuskeln waren einfach der absolute Hingucker. Noch dazu machte diese Tätowierung sein Sixpack irgendwie noch sexier.

»Ich bin nicht die einzige alte Frau, die da guckt. Nur die einzige, die ehrlich genug ist, es zuzugeben! Die anderen heuern den Jungen einfach zum Rasenmähen an und setzen sich dann sabbernd ans Fenster.«

Genau deswegen liebte ich Grandma. Sie brachte mich immer zum Lachen. Sie akzeptierte das Leben so, wie es war. Machte einem nichts vor und spielte sich auch nicht auf. Sie war einfach nur Grandma.

»Ich habe keinen Schimmer, wie Beau ohne T-Shirt aussieht«, log ich. »Ich weiß nur, dass er nichts als Ärger macht.«

Grandma schnalzte mit der Zunge und setzte die Schaukel mit ihren Füßen ordentlich in Schwung. »Na ja, aber Ärger bringt doch auch Spaß ins Leben! Wohingegen Beschränkungen und Geradlinigkeit es fade und langweilig machen. Du bist jung, Ashton. Ich sage ja nicht, dass du losziehen und dein Leben ruinieren sollst. Ich sage nur, dass ein wenig Aufregung der Seele mal ganz guttut.«

Die Vorstellung von Beau, wie er letzte Nacht neben mir im Pick-up gefläzt und mich unter seinen dichten, geschwungenen Wimpern angesehen hatte, beschleunigte meinen Puls. Er war definitiv mehr als eine kleine Aufregung. Er war tödlich. »Genug von den Jungs. Ich habe einen und daher grade keinen Bedarf … Erzähl, wie war deine Reise?«

Grandma lächelte und schlug ihre Beine übereinander. An ihren grellpink lackierten Zehen baumelte eine hochhackige fersenfreie Sandale. Kaum zu glauben, dass sie die Mutter meines zugeknöpften Vaters war.

»Wir haben das ein oder andere besichtigt. So einige Whiskey Sours gepichelt. Und uns ein paar Theaterstücke angesehen. Solche Sachen.«

Klang ganz nach dem üblichen Ausflug zu Tante Tabatha.

»Ist Daddy heute Morgen schon zu seinem Kontrollbesuch vorbeigekommen?«

Sie seufzte dramatisch. »Ja, und natürlich hat er für meine Seele gebetet. Der Junge hat keinen Sinn fürs Abenteuer.«

Ich lächelte in meinen Eistee hinein. Typisch Grandma!

»Das wiederholst du vor ihm aber mal lieber nicht. Ich muss mir ohnehin schon genug Predigten von ihm anhören.« Sie stupste mit ihrem Bein gegen meines.

»Das tue ich nie, Grandma.«

Meine Großmutter holte mit ihrem Fuß noch einmal Schwung. »Na gut, wenn du dir für den Sommer schon keinen sexy tätowierten Bad Boy anlachen möchtest, dann müssen wir beide eben etwas unternehmen. Ich kann dich doch nicht jeden Tag die Kirche putzen lassen. Wo bleibt denn da die Aufregung?«

»Wir könnten shoppen gehen. Das geht immer«, antwortete ich.

»Genau, gute Idee! Wir gehen bummeln. Heute wird daraus allerdings noch nichts. Ich muss erst mal auspacken und hier aufräumen. Aber wie wär’s gegen Ende der Woche? Nur du und ich? Vielleicht laufen uns dann ja ein paar aufregende Typen über den Weg …«

Ich musste lachen. Nein, ein Fan von Sawyer war sie nun wirklich nicht. Als Einzige in dieser Stadt glaubte sie nicht, er könne übers Wasser gehen.

Nachdem Grandma und ich unsere Shoppingpläne geschmiedet hatten, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich hatte es geschafft, einen großen Teil des Tages außerhalb meines Zimmers zu verbringen. Bis zum Dunkelwerden konnte ich nun in einem guten Buch schmökern.

Bei meiner Heimkehr entdeckte ich zu meiner Freude, dass meine beiden Eltern nicht da waren. Ansonsten hätte mich Daddy nämlich garantiert wieder zu irgendeinem Job in der Kirche verdonnert. Und ich hatte einfach keine Lust, den restlichen Tag zu überprüfen, ob auf jeder Kirchenbank ein Gesangbuch lag, oder die Tische in der Sonntagsschule abzuwischen. Ich wollte einfach nur einen knisternden Liebesroman lesen und mich eine Weile in den fiktiven Welten verlieren.

Kaum hatte ich mein Zimmer betreten, um meine Klamotten zu wechseln, die nach Desinfektionsspray und alten Menschen müffelten, meldete mein Handy, dass ich eine SMS bekommen hatte. Ich kramte es aus meiner Tasche und starrte dann auf den Bildschirm, während die unterschiedlichsten Gefühle auf mich einstürmten.

Beau: Komm zum Loch.

Mit »Loch« bezeichneten wir den kleinen See am Ende des Grundstücks von Sawyers Eltern. Beau wollte mich dort allein treffen? Warum bloß? Mit klopfendem Herzen überlegte ich, was er vorhaben mochte. Ich warf einen Blick auf den Roman, den ich eigentlich hatte lesen wollen, und beschloss, dass ein Nachmittag mit Beau in der Natur aufregender sein würde.

Irgendwo in mir meldeten sich Gewissensbisse, die jedoch gegen das plötzliche Bedürfnis, etwas Verbotenes zu tun, nicht ankamen. Ehe ich zur Vernunft kommen und meine Meinung ändern konnte, antwortete ich:

Bin in 15Minuten da.

Vor Aufregung schlug mir das Herz bis zum Hals. Vielleicht hatte ich aber auch nur Angst, erwischt zu werden.

Dabei tat ich doch eigentlich nichts Schlimmes. Ich meine, Beau war mein Freund – irgendwie. Und er fühlte sich auch einsam. Und es war ja schließlich nicht so, dass ich zum Loch fuhr, um mit ihm herumzumachen. Vermutlich wollte er das Gespräch, das wir vergangene Nacht im Pick-up begonnen hatten, einfach nur zu Ende führen. Er war jetzt nüchtern. Höchstwahrscheinlich wollte er einfach sichergehen, dass ich nichts in den falschen Hals bekommen hatte. Wir hatten ja auch nicht vor, zusammen baden zu gehen oder so.

Beau: Zieh einen Badeanzug an.

Okay. Vielleicht dann doch. Ich schrieb nicht zurück, da ich mir nicht sicher war, was ich antworten sollte. Es wäre richtig gewesen, Nein zu sagen. Aber ich tat immer das Richtige. Grundsätzlich. Nur ein einziges Mal wollte ich das tun, worauf ich Lust hatte. Dem bösen Mädchen mal ein bisschen Freigang zugestehen. Ich ging zum Schrank und nahm die kleine Tüte heraus, die ich im obersten Regal verstaut hatte. Der kleine rote Bikini, den ich für Sawyer gekauft und dann nie vor ihm getragen hatte, weil ich Angst hatte, er würde ihn nicht gutheißen, befand sich darin. So oft schon hatte ich nach dieser Tüte gegriffen, sie dann aber doch nie herausgeholt. Der Bikini war ein Spontankauf gewesen, von dem ich schon vorher wusste, dass er schließlich doch nie zum Einsatz kommen würde. Ich konnte Grandmas zufriedenes Grinsen förmlich vor mir sehen, als ich das knappe Teil herauszog, auf dessen Kauf sie bestanden hatte.

»Was sagst du zu dieser Art von Ärger, Grandma?«, flüsterte ich, ehe mir ein kleines Kichern entschlüpfte.

Hätte ich mich je gefragt, ob meine Seele tatsächlich so schwarz war, wie die ganze Stadt es glaubte, hätte ich es in dem Moment, in dem Ashton engelsgleich aus ihrem kleinen weißen Jetta stieg, mit Sicherheit gewusst: Ich war dazu verdammt, in der Hölle zu schmoren.

Als ich ihr die SMS mit der Frage geschickt hatte, ob sie mich treffen wolle, hatte ich mich damit eigentlich nur daran erinnern wollen, wie unerreichbar sie war. Ich dachte, eine deutliche Abfuhr wäre die Art von kalter Dusche, die ich bräuchte, um sie mir endlich ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen. Stattdessen hatte sie zugestimmt, und mein dummes schwarzes Herz hatte Luftsprünge gemacht. Sie kam auf mich zu, doch als sich ihre hübschen grünen Augen und meine begegneten, hielt sie unvermittelt inne. Mehr als alles andere auf der Welt hätte ich ihr entgegengehen und ihr versichern wollen, dass sie von mir nichts zu befürchten hatte. Ich wollte mich nur mit ihr unterhalten und zusehen, wie ihre Augen beim Lachen aufleuchteten oder wie sie an ihrer Unterlippe knabberte, wenn sie nervös wurde.

Aber ich durfte diesem Verlangen nicht nachgeben. Sie gehörte nicht mir. Schon lange nicht mehr. Sie hätte nicht hier sein dürfen, und ich hätte sie nicht herbitten dürfen. Also schwieg ich, lehnte weiter am Baum, als sei ich der Teufel persönlich, und hoffte, sie würde kehrtmachen und davonrennen.

Doch sie kam näher. Sie knabberte dabei mit ihren perfekten weißen Zähnen wie wild an ihrer Unterlippe.

Ich hatte mich schon viel zu oft Phantasien über diese Lippen hingegeben … Sie trug Shorts, die ihre langen, gebräunten Beine kaum bedeckten. Bei ihrem Anblick bekam ich Lust, am nächsten Sonntag in die Kirche zu gehen und Gott dafür zu danken, dass er sie erschaffen hatte.

»Hey«, sagte sie leise und errötete.

Verdammt, sie war der Wahnsinn. Ich hatte Sawyer nie um etwas beneidet. Schließlich liebte ich ihn wie einen Bruder. Er war der Einzige aus der Familie, den ich je wirklich geliebt hatte. Wenn er sich mal wieder selbst übertraf, jubelte ich ihm innerlich zu. Er war mir in meiner harten Kindheit immer zur Seite gestanden, hatte seine Eltern angebettelt, mich bei ihnen übernachten zu lassen, wenn ich mich fürchtete, in den leeren, dunklen Wohnwagen zurückzukehren. Er hatte immer alles gehabt, was ich nicht hatte: die perfekten Eltern, das perfekte Zuhause, das perfekte Leben. Aber nichts davon hatte gezählt, weil ich Ashton hatte. Sie war meine Komplizin, meine Seelenverwandte, der ich all meine Ängste und Träume anvertraute. Und dann bekam Sawyer auch noch mein Mädchen, so wie er stets alles in seinem perfekten Leben bekommen hatte. Das Einzige, wovon ich hätte behaupten können, dass es mir gehörte, war nun sein geworden.

»Du bist gekommen«, sagte ich schließlich. Sie errötete noch tiefer.

»Ja, auch wenn ich eigentlich gar nicht weiß, warum.«

»Das frage ich mich auch«, sagte ich, da wir jetzt ehrlich zueinander waren.

Sie holte tief Luft und stemmte die Hände in die Hüften. Keine Pose, die noch nötig gewesen wäre, da ihr Bikinioberteil ohnehin das Einzige war, das ihre unglaublichen Brüste bedeckte. Ihr Anblick erregte mich mehr, als mir guttat, weshalb ich den Blick schleunigst von ihrem Dekolleté abwandte.

»Schau, Beau, jetzt wo Sawyer weg ist, fühle ich mich allein, und mir ist langweilig. Leann kellnert entweder bei Hank oder bei Noah. Ich glaube, ich fände es schön, wenn wir … Freunde sein könnten. Immerhin warst du acht Jahre lang mein bester Freund. Ich will, dass das wieder so wird.«

Sie wollte, dass wir wieder Freunde wären? Wie zur Hölle sollte ich das schaffen? Sie aus der Ferne zu begehren war das eine. Das andere, sie als »gute Freundin« direkt um mich zu haben. Ich war mir nicht sicher, ob ich darauf eingehen konnte. Aber verdammt, was blieb mir angesichts des flehenden Ausdrucks in ihren Augen schon anderes übrig?

»Okay«, sagte ich und zerrte mir das T-Shirt über den Kopf. »Lass uns schwimmen gehen.«

Ich wartete nicht ab, ob sie tatsächlich aus diesen winzigen Shorts herausschlüpfen würde. Die Versuchung, ihr dabei zuzusehen, war natürlich groß, andererseits konnte ich meinem Herzen den Anblick, wie sie sich aus diesem vermaledeiten Ding wand, kaum zumuten. Es mochte ein schwarzes Herz sein, was aber nicht hieß, dass es vor Aufregung nicht versagen konnte.

Ich griff nach dem starken Ast über mir und schwang mich hinauf. Als ich darauf stand, balancierte ich nach vorn und schnappte mir die Seilschaukel. Einen Moment lang war ich wieder Kind und flog über den See hinaus. Dann ließ ich los, machte einen Salto und tauchte möglichst geschmeidig in die ruhige Wasseroberfläche ein. Wieder aufgetaucht, sah ich in der Hoffnung zum Ufer, einen Blick auf Ashton erhaschen zu können, wie sie sich auszog. Die kleinen Shorts waren verschwunden, und Ash lief gerade zu der Schaukel hinüber. Natürlich hatte ich sie schon in einem Bikini gesehen, doch jetzt erlaubte ich mir zum ersten Mal, den Anblick zu genießen. Mit hämmerndem Herzen beobachtete ich, wie sie die Leiter hochstieg, die ich vor Jahren aus Holzstücken gebaut und an den Stamm genagelt hatte, damit Ash auf den Baum klettern konnte. Sie balancierte langsam auf den Ast hinaus und grinste noch einmal zu mir herunter, bevor sie die Schaukel packte und sich aufs Wasser hinausschwang. Nachdem sie eine perfekte Schraube gemacht hatte, schlug sie einen Salto und tauchte ins Wasser ein. Es hatte mich drei Nachmittage gekostet, ihr beizubringen, wie man von der Schaukel aus einen Salto machte und sauber im Wasser landete. Sie war damals acht Jahre alt und wild entschlossen gewesen, es Sawyer und mir in allem gleichzutun.

Ashton tauchte wieder auf und neigte den Kopf zurück, um sich die nassen Locken aus dem Gesicht zu streichen.

»Es ist nicht so kalt, wie ich gehofft hatte«, sagte sie mit einem triumphierenden Lächeln.

»Es hat 36Grad und wird heute noch heißer werden. Ehe der Monat um ist, hat der See Badewannentemperatur.« Ich bemühte mich, meine Faszination darüber zu verbergen, dass ihre Wimpern vom Wasser ganz stachlig geworden waren.

»Ja, weiß ich doch. Schließlich habe ich genauso viele Sommer an diesem See verbracht wie du …«, sagte sie und verstummte, wie um uns daran zu erinnern, in wessen See wir hier schwammen. Ich wollte, dass sie sich mit mir wohlfühlte. Wenn es half, über Sawyer zu sprechen, dann bitte! Außerdem schadete eine kleine Erinnerung daran, zu wem sie gehörte, überhaupt nicht.

»Schon gut, schon gut. Sorry, aber diese neue Ashton ähnelt der, die ich mal kannte, einfach so gar nicht. Da vergesse ich manchmal, dass Sawyers perfekte kleine Freundin dasselbe Mädchen ist, das früher da drüben am Ufer Schlammschlachten mit mir angezettelt hat.«

Ashtons Lächeln verwandelte sich blitzschnell in einen frustrierten Flunsch.

»Ich wünschte, du würdest aufhören, mich wie eine andere Person zu behandeln, Beau. Okay, ich bin älter geworden, aber ich bin immer noch dieselbe. Im Übrigen hast du dich auch verändert. Der alte Beau hätte mich nicht wie Luft behandelt, weil er zu beschäftigt ist, mit seiner Freundin herumzumachen.«

Darauf hätte ich so einiges erwidern können, aber das ließ ich mal besser bleiben. Sawyer zuliebe. Lieber alles unverfänglich halten.

»Nein, aber der alte Beau hatte damals auch noch nicht gewisse Bedürfnisse«, schoss ich mit einem Zwinkern zurück und spritzte ihr Wasser ins Gesicht.

Ihr vertrautes Lachen versetzte mir einen Stich.

»Schon klar. Wenn man so einen steilen Zahn wie Nicole an sich kleben hat, vergisst man vermutlich alles um sich herum. Ich sehe schon, was dir wichtiger ist, wenn du dich zwischen einer alten Freundin und einer heißen Nummer entscheiden musst.«

Wenn ich gewusst hätte, dass Ashton meine Aufmerksamkeit in irgendeiner Weise wichtig war, hätte ich Nicole sofort links liegen lassen und mich ihr voll und ganz gewidmet. Aber die meiste Zeit hielt Sawyer sie fest umschlungen, und ich brauchte die Ablenkung, die Nicole mir bot – auch so eine Sache, die ich nie vor Ashton zugegeben hätte.

»Na ja, die Bravste ist Nicole nicht«, versuchte ich die Schuld auf sie zu schieben.

Ashton verzog den Mund zu einem breiten Grinsen, und die Grübchen erschienen, die mich seit jeher an ihr faszinierten.

»Nicole kennt nicht mal die Definition des Wortes brav. Wohingegen sie wohl zumindest den Hauch einer Ahnung haben dürfte, was das Wort vulgär bedeutet.«

War das nur Wunschdenken, oder klang da ein wenig Eifersucht mit? Verdammt, wieso machte mich die Vorstellung, dass Ashton eifersüchtig auf Nicole war, so verflucht glücklich?

»Nicole ist nicht so verkehrt. Sie holt sich einfach, was sie will«, antwortete ich, um Ashtons Reaktion zu testen.

Ashton versteifte sich und runzelte verärgert die Stirn. Mit Mühe konnte ich mir ein Schmunzeln verkneifen. Es freute mich, dass sie sich darüber ärgerte, dass ich Nicole verteidigte. Mir gefiel der Gedanke, dass sie mehr als Freundschaft für mich empfand, auch wenn ich nie gut genug für sie sein würde. An Sawyer käme ich nie heran, aber zu wissen, dass ich ihr etwas bedeutete, fühlte sich richtig gut an.

»Du hast einen schlechten Frauengeschmack, Beau Vincent«, antwortete sie.

Ich sah zu, wie sie zum Steg schwamm, sich nach oben stemmte und auf die Kante setzte, was mir einen extrem erfreulichen Anblick auf ihren kaum bedeckten Hintern verschaffte. Ich brauchte eine Minute, bis ich mich wieder daran erinnerte, worüber wir gesprochen hatten. Mein lustvernebeltes Hirn schien sich auf nichts anderes mehr konzentrieren zu können als auf Ashtons zur Schau gestellten nassen Körper. Ich schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, und erinnerte mich an ihre Bemerkung über meinen schlechten Frauengeschmack. Wenn sie wüsste.

»Ich nehme an, Sawyer hat einen besseren Geschmack?«, fragte ich und schwamm zu ihr. Sie zog die Stirn kraus und biss sich auf die Unterlippe.

Diese Reaktion hatte ich nicht erwartet. Ich hatte sie zum Lächeln bringen wollen.

»Vielleicht, weil ich nicht in aller Öffentlichkeit über ihn herfalle; aber wir wissen doch beide, dass er es besser hätte treffen können.«

Was zur Hölle meinte sie damit?

»Glaubst du?« Ich bekam es hin, ganz normal zu klingen, obwohl ich unbedingt wissen wollte, weshalb sie glaubte, Sawyer nicht zu genügen.

Sie lächelte mich traurig an.

Die späte Nachmittagssonne stand direkt hinter ihr, sodass die langen blonden Locken, die ihr Gesicht umrahmten, sanft schimmerten.

Dadurch wirkte sie wie der Engel, der sie zu sein schien. Unberührbar, außer man war der perfekte Sawyer.

»Ich bin nicht blind, Beau. Ich will damit nicht sagen, dass ich mich hässlich finde. Ich weiß, ich sehe ganz gut aus. Ich habe schönes Haar, und mein Teint ist ganz passabel. Und auch wenn meine Augen nicht groß und blau sind oder lange Wimpern haben, sind sie okay. Aber ich sehe nun mal nicht aufregend oder umwerfend aus. Sawyer ist vollkommen. Manchmal kann ich kaum glauben, dass er sich für mich entschieden hat.«

Aus Angst, der ungläubige Ausdruck in meinem Gesicht würde ihr mehr verraten, als gut war, wandte ich mich von ihr ab. Ich wollte ihr sagen, dass ihre grünen Augen in jedem Kerl sofort den Beschützerinstinkt weckten. Wie faszinierend ihre rosa Lippen waren, oder wie dieses eine Grübchen meinen Puls zum Rasen brachte. Ich wollte ihr verklickern, wie der Anblick dieser langen, gebräunten Beine die Jungs zum Stolpern brachte. Und dass ich, wenn sie diese engen T-Shirts trug, den Wunsch verspürte, sie zu bedecken – damit nicht jeder Kerl, der sie so sah, sich zu Hause mit diesem Bild im Kopf einen runterholte. Aber nichts davon konnte ich ihr verraten.

Ich zwang mich zu einem normalen Gesichtsausdruck und sah sie wieder an. »Ich glaube, dass du dich da unterschätzt. Sawyer hat sich schließlich nicht nur wegen deines Aussehens für dich entschieden.« Das war alles, was ich zu sagen hatte.

Ende der Leseprobe