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KEIN WEG ZU WEIT - KEIN LAND ZU FERN von MACOMBER, DEBBIE Chase weiß seit gestern: Er will nur eine, Leslie. Doch alles könnte vorbei sein, wenn sie das Interview sieht! Der Junggeselle, der mittels Plakat eine Ehefrau sucht und über den Leslie sich so abschätzig geäußert hat - ist nämlich Chase. Noch weiß sie es nicht … WOGEN, WELLEN, HEIßE KÜSSE von SHARPE, ALICE "Nehmen Sie, Megan Ashley Morison …" Schiffskapitän John Vermont stockt. Noch nie hat ihn eine Trauung berührt - und an die Ehe glaubt er nicht. Doch jetzt blickt diese hinreißende Braut viel öfter ihm in die Augen als ihrem Bräutigam. Und ihm wird ganz anders ums Herz … HOCHZEITSNACHT UNTER TAUSEND STERNEN von RIMMER, CHRISTINE "Und wenn das Baby kommt, schicke ich dir die Scheidungspapiere per Post", versichert Megan Nathan kühl. Aber tief im Inneren fühlt sie nichts als Sehnsucht. Weil sie ihren guten Freund Nathan, den sie bald wieder freigeben muss, schon so lange heimlich liebt …
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Seitenzahl: 616
Debbie Macomber, Alice Sharpe, Christine Rimmer
BIANCA GOLD BAND 21
IMPRESSUM
BIANCA GOLD erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
Neuauflage by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg, in der Reihe: BIANCA GOLD, Band 21 - 2014
© 1993 by Debbie Macomber Originaltitel: „Bride Wanted“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1995 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: BIANCA, Band 946 Übersetzung: Renate Moreira
© 1998 by Alice Sharpe Originaltitel: „Wife on His Doorstep“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1999 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: BIANCA, Band 1138 Übersetzung: M. R. Heinze
© 1998 by Christine Rimmer Originaltitel: „Marriage by Necessity“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1999 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: BIANCA, Band 1144 Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer
Abbildungen: Radius Images / Corbis, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733730345
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
Was ist das für ein Mann, der sich per Plakat irgendeine Ehefrau sucht?? Lesley ist noch ganz irritiert über den Aufruf, als sie dem charmanten Chase begegnet. Der ist ein Mann nach Lesleys Geschmack: ein Gentleman mit einer Aura von Freiheit und Abenteuer. Lesley fällt aus Wolke sieben, als sie das Unvermeidliche erfährt: Chase ist der Typ mit dem Plakat!
Aufgeregt steht Megan vor dem Schiffsaltar, als eine Katze die Zeremonie stört. Alle sind hingerissen – bis auf den Bräutigam. Der kickt die Katze über Bord! Megan ist entsetzt, und nur der junge Kapitän scheint sie zu verstehen. Überhaupt ist dieser John Vermont ein echter Traummann. Hat Megan sich etwa den Falschen ausgesucht?
Eine Zweckehe und ein Kind?! Völlig abwegig findet Nathan Meggies Bitte. Andererseits: Seiner besten Freundin dadurch ihre Ranch zu sichern, das ist eigentlich nur ein Freundschaftsdienst. Nathan steigt also in den Deal ein. Doch die Hochzeitsnacht fühlt sich nach so viel mehr an! Meggie ist sexy, emotional, wundervoll – und die Frau seines Lebens?
„Lassen Sie mal sehen, ob ich Sie richtig verstanden habe“, sagte der Mann, der hinter dem Schreibtisch saß und eine Zigarre rauchte, zu Chase Goodman. „Sie wollen eine Plakatwand zu dem Zweck mieten, sich eine Frau zu suchen?“
Chase war nicht bereit, sich von einem schmerbäuchigen Zyniker seine Idee ausreden zu lassen. Er hatte genau drei Wochen Zeit, eine Frau zu finden, da blieb nicht viel Zeit für Romantik. Die Zeit, die er außerhalb Alaskas verbrachte, war begrenzt, und das war der direkteste Weg, um zu einer Ehefrau zu kommen. Er war dreiunddreißig Jahre alt, gut aussehend und einsam. Bereits den letzten Winter hatte er allein verbracht.
Er war zwar bereit zuzugeben, dass seine Idee sehr außergewöhnlich war, aber schließlich waren es auch außergewöhnliche Umstände, in denen er sich befand. Schließlich musste er die richtige Frau, um die er werben konnte, erst einmal treffen. Seattle war zwar sicherlich voller geeigneter Frauen, aber ihm war durchaus klar, dass nur wenige bereit wären, die Großstadt für den kalten, einsamen Norden aufzugeben. Chase hielt es für das Beste, die Karten auf den Tisch zu legen, zu warten und dann zu sehen, welche Antwort er erhielt.
„Sie haben mich richtig verstanden“, erklärte Chase.
„Auf der Reklametafel soll stehen: ‚Frau zum Heiraten gesucht‘?“ Die dicke Zigarre im Mund des ebenfalls dicken Mannes bewegte sich wie durch Zauber von einem Mundwinkel zum anderen.
„Ja, zusammen mit der Telefonnummer, die ich Ihnen gegeben habe. Der Telefonservice wird die Anrufe entgegennehmen.“
„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was für ein Typ Frau auf diese Werbung antworten wird?“
Chase nickte nur. Genau darüber hatte er lange und gründlich nachgedacht. Er wusste, was er erwarten durfte. Aber es musste doch eine darunter sein, die ihm vom ersten Augenblick an gefallen würde, und die – wenn alles gut lief – auf ihn ebenso reagieren würde. Auf diesen Zufall hoffte er, auch wenn die Chancen eins zu tausend standen.
Er wusste, dass der Weg, den er einschlug, nicht der Beste war. Wenn er mehr Zeit zur Verfügung gehabt hätte, eine Frau für sich zu gewinnen, dann hätte er beweisen können, dass er dazu befähigt war, ein guter Ehemann und – wenn die Zeit kommen würde – auch ein vorbildlicher Vater zu sein. Aber er gehörte sowieso nicht zu jenen Männern, die stets die richtigen Worte fanden, die Frauen hören wollten. Er brauchte Hilfe, und die Plakatwand würde von Anfang an alles klarstellen.
„Meine Männer werden das gleich morgen früh erledigen.“
„Gut“, sagte Chase und grinste.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Alles, was er jetzt noch tun musste, war, sich zu entspannen und darauf zu warten, dass seine Braut zu ihm kommen würde.
Lesley Campbell starrte anklagend auf den Kalender. Der 15. Juni hätte ihr Hochzeitstag werden sollen. Aber sie würde keine Braut sein. Das Hochzeitskleid, das irgendwo im hintersten Teil ihres Kleiderschrankes hing, würde mit der Zeit wahrscheinlich gelbstichig werden. Und wenn man Seattles feuchtes Klima berücksichtigte, würde das wunderschöne Seiden- und Spitzenkleid sogar Stockflecken bekommen.
Also gut, dachte Leslie und straffte die Schultern, ich werde mich nicht von einer aufgelösten Verlobung unterkriegen lassen. Sie hatte ein ausgefülltes Leben, gute Freunde und Freundinnen. Sicherlich würde eine von ihnen sich an die Bedeutung des heutigen Tages erinnern und sie anrufen. Sicherlich hatten weder Jo Ann noch Lori vergessen, welche Bedeutung der heutige Tag für sie besaß. Lesley hätte sich keine besseren Freundinnen wünschen können als ihre Lehrerkolleginnen Jo Ann und Lori. Beide wären Brautjungfern gewesen, wenn es zur Hochzeit gekommen wäre. Bestimmt erinnerten die beiden sich daran und planten etwas Besonderes, um sie aufzumuntern. Irgendeine Überraschung. Irgendetwas, das ihre Traurigkeit verfliegen lassen und sie wieder zum Lachen bringen würde.
Das flaue Gefühl in ihrer Magengegend verstärkte sich noch, und sie schloss die Augen und atmete so lange tief ein und aus, bis es ihr wieder besser ging. Sie weigerte sich, Tony die Macht zu überlassen, sie zu verletzen. Es war schlimm genug, dass sie zusammenarbeiten mussten. Dem Himmel sei Dank war die Schule für diesen Sommer zu Ende, und sie hatte drei Monate Ferien, um sich zu erholen und neue Kraft zu schöpfen.
Lesley öffnete den Kühlschrank und hoffte, darin irgendetwas Appetitanregendes zu entdecken. Aber darin lagen noch immer derselbe leicht welke Salatkopf, zwei überreife Tomaten und eine schrumpelige Zucchini. Nun, eigentlich war ihr das auch gleichgültig. Sie hatte sowieso keinen Appetit.
Männer … wer braucht die schon, fragte sich Lesley, während sie die Kühlschranktür wieder schloss. Nicht sie. Nie wieder.
Einige ihrer männlichen Bekannten und Freunde hatten in der letzten Zeit versucht, eine Beziehung über das freundschaftliche Maß hinaus mit ihr einzugehen. Aber Lesley stand allen Bemühungen nur gelangweilt gegenüber.
Der Mann, den sie geliebt hatte, der Mann, dem sie drei Jahre ihres Lebens geschenkt hatte, hatte sechs Monate vor ihrer Hochzeit verkündet, dass er noch nicht so weit sei, um sich endgültig zu binden. Leslie hatte es nicht fassen können. Sie waren bereits in den letzten zwei Jahren am College zusammen gewesen und hatten zur gleichen Zeit ihre Lehrerausbildung gemacht. Sie hatten sogar an der gleichen Grundschule gearbeitet, sich jeden Tag gesehen, und dann – wie ein Blitz aus heiterem Himmel – hatte Tony behauptet, dass er mehr Zeit brauche.
Nur eine Woche später hatte Lesley feststellen müssen, was mehr Zeit bedeutete. Tony hatte sich Hals über Kopf in eine Kollegin verliebt. Nachdem er drei Wochen lang mit April Packard ausgegangen war, hatte Tony die Verlobung mit Lesley gelöst. Als wenn das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, heirateten Tony und April bereits einen Monat später. Da Lesley einen Arbeitsvertrag und nur wenig Gespartes hatte, konnte sie die Schule nicht ohne weiteres verlassen und war gezwungen, sich jeden Tag das Glück des frisch vermählten Paares mit anzusehen.
Sie gab sich große Mühe, nicht zu verbittern und so zu tun, als wenn alles nur zu ihrem Besten wäre. Wenn Tony sich schon in eine andere Frau verliebte, dann war es tatsächlich besser, wenn er es vor statt nach der Hochzeit getan hatte, redete sie sich ein und bekam es auch ständig von den anderen zu hören.
Nur, es funktionierte nicht.
Es tat so weh, ihn verloren zu haben. In manchen Nächten kämpfte sie bis zum Morgengrauen mit ihrer Einsamkeit. Das Gefühl der Verlassenheit schien sie manchmal zu ersticken. Und ständig mit ansehen zu müssen, wie glücklich Tony und April waren, war nicht gerade hilfreich.
Das letzte Mal hatte sie sich als sechsjähriges Mädchen so einsam gefühlt. Ihre Familie hatte damals einen Urlaub in Disneyland geplant. Lesley war hellauf begeistert gewesen und hatte es gar nicht erwarten können, dahinzukommen. Es wäre ihr erster Flug gewesen, ihr erster Aufenthalt außerhalb von Washington. Dann, drei Tage bevor die Ferien beginnen sollten, hatte ihr Vater seine Sachen gepackt und hatte die Familie ohne Vorwarnung, ohne ein Wort zu sagen und offensichtlich ohne Bedauern verlassen. Das Geld, das die Familie für den Urlaub gespart hatte, nahm er mit.
Ihre Mutter war so bestürzt und unglücklich gewesen, dass sie noch nicht einmal in der Lage gewesen war, Leslie zu trösten, die sich schuldig fühlte und nicht wusste, warum.
Als weder Jo Ann noch Lori sie bis Mittag angerufen hatten, sank Lesleys Stimmung sogar noch mehr. Vielleicht hat es einen Grund, warum die beiden mich nicht anrufen, dachte sie. Vielleicht nehmen sie an, ich habe vergessen, was für ein Tag heute ist, und wollen die ganze unglückselige Angelegenheit ruhen lassen, um zu vermeiden, dass kaum verheilte Wunden wieder aufbrechen. Dabei war alles, was Lesley wollte, ein wenig Spaß … irgendetwas, das sie vergessen ließ, wie einsam sie sich fühlte.
Jo Ann war nicht zu Hause, also hinterließ Lesley eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter. Die Bedeutung dieses Tages schien auch Lori entgangen zu sein, die sich in einen Mann verliebt hatte, den sie erst vor kurzem kennen gelernt hatte.
„Hättest du Lust und Zeit, mit mir heute Abend ins Kino zu gehen?“, fragte Lesley.
Lori zögerte. „Nicht heute Abend. Larry war in den letzten Tagen nicht in der Stadt und wird heute Abend wieder zurückkommen. Könnten wir an einem anderen Tag zusammen ausgehen?“
„Sicher“, antwortete Lesley so lässig, als hätte sie nicht den geringsten Kummer. Niemals würde sie auf den Gedanken kommen, ihren besten Freundinnen vorzujammern, wie sehr sie litt. „Ich wünsche dir viel Spaß.“
Irgendetwas musste Lori an Lesleys Stimme aufgefallen sein. „Lesley, geht es dir gut?“, fragte sie besorgt.
„Natürlich“, beruhigte Lesley rasch ihre Freundin. „Wir sehen uns dann in den nächsten Tagen.“
Nachdem sie aufgelegt hatte, war ihr klar geworden, dass sie ganz allein auf sich gestellt war. Auf ihre Freunde konnte und wollte sie heute nicht zählen. Sie seufzte und biss sich auf die Unterlippe. Sie war es so sehr leid vorzugeben, dass es nicht wehtat, und so müde, die Unbekümmerte vorzuspielen, wenn ihr Herz in Wirklichkeit fast zerbrach.
Ein Tag wie dieser rief nach drastischen Maßnahmen. Und nichts konnte drastischer sein als eine große Packung extra sahnige Schokoladensplittereiscreme, die man gemütlich vor dem Fernseher verspeiste. Am besten, während man sich einen jener schönen alten Filme ansah, in denen Herz sich zwar ebenfalls auf Schmerz reimte, aber bei denen es eine Garantie auf ein Happy End gab.
Lesleys Laune besserte sich bei dem Gedanken. Jawohl, sie würde sich selbst verwöhnen. Männer! Wer brauchte sie? Ich nicht, entschied Lesley. Sie nahm ihre Handtasche und lief bereits mit leichterem Herzen zur Tür hinaus.
Es war an einer Kreuzung, an der sie bei Rot anhalten musste, als sie die Plakatwand erblickte.
FRAU ZUM HEIRATEN GESUCHT.
TELEFON: 555–1213.
Zuerst war sie amüsiert. Ein Mann suchte auf diese Art und Weise eine Frau? In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie etwas so Lächerliches gesehen. Dieser Mann war entweder verrückt oder schwachsinnig. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie in letzter Zeit nicht sehr gut auf das männliche Geschlecht zu sprechen war.
Immer noch amüsiert über die Plakatwand, parkte Lesley auf dem Parkplatz des Supermarktes und ging auf den Eingang zu. Kleine Rosensträucher, Rhododendren und Balkonblumen in allen Farben standen zum Verkauf vor dem Geschäft, und Leslie spielte mit dem Gedanken, ein paar rote Geranien zu kaufen, um sie in den Blumenkasten auf der Veranda zu pflanzen.
Ihr fiel ein Mann auf, der ungeduldig vor den automatischen Glastüren hin- und herlief und nervös auf seine Uhr blickte, aber sie vergaß ihn schnell wieder, während sie sich die Pflanzen ansah und sich ausmalte, wie wundervoll sich ein paar pinkfarbene Fuchsien auf ihrer Veranda ausmachen würden.
„Entschuldigen Sie“, sagte genau dieser Mann einige Minuten später, als sie die Eingangstür fast erreicht hatte. „Können Sie mir sagen, wie spät es ist?“
„Sicher“, antwortete sie und winkelte den Arm an, um auf ihre Uhr zu blicken.
In diesem Moment griff der Mann nach ihrer Handtasche und riss sie ihr so schnell vom Arm, dass Lesley für einen Herzschlag vor Schreck wie angewurzelt stehen blieb. Sie konnte es nicht fassen, man hatte sie bestohlen! Bis sie sich vom Schreck erholt hatte, war der Dieb bereits über den halben Parkplatz gelaufen.
„Hilfe! Ein Dieb“, schrie sie. Da sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, hier auf einen Retter zu warten, begann sie, so schnell sie konnte, hinter ihm herzulaufen, entschlossen, nicht sein neuestes Opfer zu werden.
Er war schnell, so viel stand fest, aber Lesley hatte nicht umsonst an unzähligen Aerobic-Kursen teilgenommen. Sie war vielleicht keine olympische Hoffnung, aber durchtrainiert und flink.
Der Handtaschenräuber hatte fast die Straße erreicht und war gerade dabei, um die nächste Ecke zu verschwinden, als ein anderer Mann an Lesley vorbeilief. Mehr als dass er groß und schlank war und ein kariertes Hemd und Jeans trug, hatte sie nicht von ihm gesehen.
„Er hat meine Handtasche“, rief sie hinter ihm her. Sie hatte begriffen, dass sie den Dieb niemals selbst stellen könnte, und ihren Lauf verlangsamt, um Luft zu holen.
Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass der zweite Mann den Räuber bereits eingeholt und zu Boden geworfen hatte. Lesleys Herz setzte für einen Moment aus, als die beiden sich über den Boden rollten und zu kämpfen begannen. Aber ihr Retter hatte mit seiner Größe und Stärke den Dieb schnell überwältigt und ihm die Handtasche abgenommen.
„Die gehört sicher Ihnen“, sagte ihr Retter, als sie näher kam, und reichte ihr die Tasche, ohne den Dieb loszulassen. Der Dieb kickte mit den Füßen und begann aus Leibeskräften zu fluchen.
„Hey, ist das vielleicht eine Art, sich vor einer Lady zu benehmen“, erklärte ihr Held, drehte den Handtaschenräuber auf den Bauch und drückte ihm das Knie in den Rücken. Der Dieb stöhnte und hielt den Mund.
Im Hintergrund jaulte eine Polizeisirene.
Der Polizeiwagen bog in den Parkplatz ein und hielt neben ihnen an. Ein Polizist stieg aus.
„Kann einer von Ihnen mir erzählen, was hier vor sich geht?“, fragte er.
„Dieser Mann“, begann Lesley entrüstet und zeigte auf den am Boden liegenden Dieb, „riss mir die Handtasche vom Arm und wollte sich damit aus dem Staub machen. Und dieser Mann“, fügte sie hinzu und zeigte auf ihren Retter, „hat ihn eingeholt und festgehalten.“
„Chase Goodman“, stellte sich ihr Held vor.
Lesley presste die Handtasche an die Brust und dachte mit Schaudern daran, wie nahe sie daran gewesen war, alles zu verlieren. In ihrer Handtasche waren ihre Wagenschlüssel, ihr Hausschlüssel, Führerschein, ihr Scheckbuch, ihr Geld und ihre Kreditkarten. Es wäre ein Albtraum gewesen, das alles ersetzen zu müssen. Ganz abgesehen davon, dass jemand die Schlüssel zu ihrem Haus und ihrem Wagen zusammen mit ihrer Adresse gehabt hätte.
Es schien, als wenn sie dem Polizisten noch Hunderte von Fragen beantworten musste, bevor er den Dieb endlich in den Wagen setzte und mit ihm zum Polizeirevier fuhr.
„Ich bin Ihnen sehr dankbar“, sagte Lesley zu dem Mann, der ihre Handtasche gerettet hatte. Er war sehr groß – mindestens einen Meter neunzig – breitschultrig und muskulös. Auf den ersten Blick hatte sie angenommen, dass er ein Bodybuilder sei, aber bei näherem Betrachten entschied sie, dass das kein Mann war, der seine Zeit in einem Fitness-Center verbrachte. Er wirkte wie ein Mann, der es gewohnt war, sich in der freien Natur aufzuhalten. Eine Aura von Freiheit und Abenteuer umgab ihn, was Lesley sehr anziehend fand. Er wirkte wie ein starker, sanfter Bär. Dieser Eindruck wurde noch durch die braunen Augen mit dem warmen Blick und sein freundliches Lächeln verstärkt.
„Gern geschehen, Miss …“
„Lesley Campbell. Woher wissen Sie, dass ich nicht verheiratet bin?“
„Sie tragen keinen Ring.“
Unwillkürlich strich sie mit dem Daumen über den Finger, an dem sie einst Tonys Verlobungsring getragen hatte, und nickte. Ihr war aufgefallen, dass der Mann ebenfalls keinen trug.
„Verdienen Sie damit Ihren Lebensunterhalt?“
„Wie meinen Sie das?“ Chase sah sie unsicher an.
„Dieben nachlaufen, meine ich“, erklärte Lesley. „Sind Sie Polizist oder so etwas Ähnliches?“
„Nein, ich arbeite an der Alaska-Pipeline. Ich bin nur für kurze Zeit in Seattle.“
„Das erklärt einiges“, sagte sie gedankenverloren.
„Erklärt was?“
„Ich dachte mir gleich, dass Sie sich viel im Freien aufhalten.“ Es überraschte sie, dass sie ihn so gut eingeschätzt hatte.
Er lächelte. „Soll ich Ihnen sagen, was ich über Sie denke?“
„Nur heraus damit.“
„Sie laufen so graziös wie eine Gazelle, und Sie sind seit langem die erste Frau, die nicht den Kopf in den Nacken legen muss, um mich anzusehen.“
„Das stimmt.“ Lesley wusste nur allzu gut, was es bedeutete, überdurchschnittlich groß zu sein. Sie war selbst einen Meter achtundsiebzig groß und das größte Mädchen in ihrer High-School-Klasse gewesen. Ihre Größe war ein Fluch und gleichzeitig ihr größter Besitz gewesen.
Ihre Lehrer hatten wegen ihrer Größe automatisch angenommen, dass sie auch reifer als die anderen sei, und hatten oft mehr von ihr gefordert und ihr mehr Verantwortung aufgeladen als den anderen. Es war schwer für sie gewesen, passende Kleidungsstücke zu finden, und sie hatte es auf ihre Größe geschoben, dass sie bei Jungen nur bescheidenen Erfolg gehabt hatte.
Erst als sie zwanzig wurde, hatte sie sich endlich akzeptieren und stolz auf sich sein können. Als sie es schließlich abgelehnt hatte, weiterhin ständig wegen ihrer Größe Komplexe zu haben, schien sie auf einmal das andere Geschlecht anzuziehen. Kurze Zeit darauf war Tony in ihr Leben getreten. Es hatte ihr nie etwas ausgemacht, dass er drei Zentimeter kleiner war als sie, noch schien es ihn gestört zu haben.
„Sind Sie Athletin?“, fragte Chase, während sie zusammen zum Supermarkt gingen.
„Oh nein“, antwortete Lesley, geschmeichelt durch seine Annahme.
Sie standen gerade unter den hängenden Fuchsientöpfen, als Lesley auf einmal bewusst wurde, dass es keinen Grund mehr gab, diese Unterhaltung fortzusetzen. „Ich würde mich gern für Ihre Hilfe erkenntlich zeigen“, erklärte sie, öffnete die Handtasche und holte ihr Portemonnaie heraus.
Er legte sanft, aber bestimmt seine Hand auf ihre. „Ich werde auf keinen Fall Geld von Ihnen annehmen.“
„Ich hätte den Dieb nie allein aufhalten können. Es ist das Mindeste, was ich tun kann.“
„Ich habe getan, was jeder andere auch getan hätte.“
„Kaum“, erwiderte Lesley. Vor dem Supermarkt und auf dem Parkplatz hatten sich viele Leute befunden, aber die meisten hatten geflissentlich weggeschaut oder ihr höchstens mitleidige Blicke zugeworfen. Nur Chase war bereit gewesen, ihr zu helfen.
„Wenn Sie schon darauf bestehen, mir zu danken, wie wäre es dann mit einer Tasse Kaffee?“
Lesleys Blick wanderte zu dem Café gleich neben dem Supermarkt hinüber. Man hatte gerade versucht, sie zu berauben, irgendwie erschien ihr deshalb das Vorhaben, mit einem Fremden Kaffee zu trinken, nicht gerade sonderlich klug.
„Ich kann ihr Zögern verstehen, aber ich versichere Ihnen, ich bin vollkommen harmlos.“
„In Ordnung“, stimmte Lesley schließlich zu. Chase lächelte, und seine braunen Augen sahen sie warm an. Nie zuvor hatte sie einen Mann mit so ausdrucksvollen Augen getroffen.
Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster, und die Kellnerin brachte ihnen die Menükarte und zählte die Spezialitäten des Tages auf.
„Ich nehme nur einen Kaffee“, sagte Lesley.
„Was für Kuchen haben Sie?“, wollte Chase wissen.
Die junge Kellnerin, ein Teenager mit Hautproblemen, rasselte monoton fünf verschiedene Sorten herunter, als würde sie das am Tag tausendmal tun.
„Bringen Sie mir bitte einen Apfelkuchen und eine Tasse Kaffee.“
„Ich werde ebenfalls ein Stück davon nehmen“, sagte Lesley. „Obwohl ich es eigentlich nicht sollte.“ Dieser Kuchen würde die Vorspeise zu ihrer Gourmeteiscreme sein, die sie sich bei einem alten Doris-Day-Film schmecken lassen würde, einem jener Filme, in dem es stets ein Happy End gab. Wenn es jemals eine Zeit gegeben hatte, in der sie an Märchen glauben wollte, dann war sie jetzt gekommen.
„Natürlich sollten Sie es“, sagte Chase mit Nachdruck.
„Ich weiß“, erwiderte Lesley und blickte schnell aus dem Fenster, weil sie sich daran erinnerte, warum sie sich so verwöhnte. Ihr war es peinlich, als ihr plötzlich Tränen in die Augen traten. Es gelang ihr zwar, sie zurückzublinzeln, aber nicht früh genug, um sie vor Chase zu verbergen.
„Stimmt etwas nicht?“
„Das ist wohl die Nachwirkung des Schocks“, antwortete sie und hoffte, dass er diese Antwort akzeptieren würde. Seltsam, sie konnte wochenlang den Schmerz unterdrücken, und ausgerechnet jetzt, wo die Schule für diesen Sommer vorbei war und sie April und Tony zu ihrem Glück nicht mehr jeden Tag sehen musste, begann sie zu weinen.
„Es ist nur, weil heute eigentlich mein Hochzeitstag sein sollte“, stieß sie plötzlich hervor, und sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum sie das ausgerechnet einem wildfremden Menschen erzählte.
„Was ist passiert?“, fragte Chase sanft und ergriff ihre Hand. Es war eine tröstende, beruhigende Geste.
„Oh, was so normalerweise passiert. Tony traf eine andere Frau … na ja, das Übliche. Die beiden haben sich sofort ineinander verliebt und heirateten bereits nach einem Monat. Beide scheinen sehr glücklich zu sein. Es ist nur, dass …“ Ihre Stimme versagte, und sie ließ den Rest offen.
Die Kellnerin brachte Kuchen und Kaffee, und Lesley holte, erleichtert über die Unterbrechung, aus ihrer Handtasche ein Taschentuch heraus. „Meine besten Freundinnen haben vergessen, dass heute der Tag ist, an dem Tony und ich heiraten wollten. Ich hatte bis auf den Tischschmuck bereits alles geplant. Es sollte eine perfekte Feier werden. Ich nehme an, dass ich so viel mit dem Planen der Hochzeit zu tun hatte, dass ich nicht bemerkte, wie unglücklich Tony geworden war. Als er dann darum bat, noch einmal alles zu überdenken, war ich schockiert. Ich hätte merken müssen, dass ihn etwas bedrückte. Und wie sich dann kurze Zeit später herausstellte, war es sein Schuldgefühl. Er hatte April getroffen. Wir arbeiten alle zusammen an der gleichen Grundschule.“
„Lehrer?“
Lesley nickte. „Wie dem auch sei, er fühlte sich zu April hingezogen und sie zu ihm, und das Ganze geriet irgendwie außer Kontrolle. Ich nehme an, Sie verstehen, was ich meine …“
„Ja, und ich halte ihren Exverlobten für einen ausgesprochenen Narren.“
Lesley lachte humorlos. „Wir sind immer noch Freunde. Zumindest versucht er, mein Freund zu sein. Ich weiß nicht so genau, was ich empfinden soll. Es ist alles vor Monaten passiert, aber es tut immer noch weh, und ich scheine es einfach nicht hinter mir lassen zu können.“
„Es ist nur menschlich, dass Sie sich verraten und verletzt fühlen, besonders an diesem heutigen Tag.“
„Ja, ich weiß, aber es steckt noch mehr dahinter. Tony fühlte sich sehr schlecht wegen der ganzen Sache, und dass wir alle zusammenarbeiten müssen, macht es nicht leichter. Ich habe die Schulbehörde um meine Versetzung gebeten, aber als Tony davon hörte, kam er zu mir und sagte, dass er sich so schuldig fühle, weil ich wegen ihm wegziehen wolle.“
„Das sollte er auch.“
„Obwohl ich wusste, dass es ein Fehler war, habe ich den Antrag zurückgezogen.“ Lesley wusste nicht, was sie dazu veranlasst haben könnte, mit einem Fremden über die Details ihrer aufgelösten Verlobung zu sprechen. Aber es tat gut. Es nahm etwas von diesem Kummer, der ständig an ihr nagte.
Lesley senkte den Blick und holte tief Luft. „Hören Sie, es tut mir leid, dass ich Sie damit belästigt habe“, sagte sie dann.
„Aber nein, Sie mussten darüber reden. Und ich bin geschmeichelt, dass ich derjenige war, der Ihnen zuhören durfte. Sind Sie seitdem mit anderen Männern ausgegangen?“
„Nein.“ Lesley nahm ein Stückchen Apfelkuchen auf die Gabel. „Wenn es um Beziehungen geht, bin ich ziemlich zynisch geworden. Ich bin fast davon überzeugt, dass Liebe und Ehe keine Anstrengungen wert sind, obwohl ich zugegebenermaßen eines Tages gern Kinder hätte“, fügte sie gedankenvoll hinzu.
„Zynisch, hm? Heißt das, dass Sie nie mehr ausgehen wollen?“
„Ich habe es für eine Weile nicht getan und habe es auch in absehbarer Zeit nicht vor. Ich bin im Moment auf Männer nicht besonders gut zu sprechen. Auf dem Weg zum Supermarkt habe ich die lächerlichste Anzeige gesehen, die mir seit langem auf einer Plakatwand aufgefallen ist. Irgendein Mann versucht, auf diese Weise eine Frau zu finden. Statt Mitleid mit diesem Mann zu haben, musste ich nur lachen.“
„Mitleid mit diesem Mann?“, fragte Chase. Er hatte bereits seinen Apfelkuchen gegessen und trank nun einen Schluck von dem dampfenden Kaffee.
„Denken Sie doch einmal nach. Was für ein Mann würde auf diese Weise eine Frau suchen? Nur einer, der alt und hässlich und verzweifelt ist, stimmt’s?“
„Wieso glauben Sie das?“
„Wenn er keine Frau auf normalem Weg finden kann, muss etwas mit ihm nicht stimmen. Wenn das kein Grund für Mitleid ist, was denn sonst?“
„Glauben Sie, dass die Frauen, die darauf antworten, ebenfalls alt und hässlich sind?“, fragte Chase mit gerunzelter Stirn.
„Himmel, das weiß ich nicht, und ich verstehe auch nicht sehr viel von Männern. Tony war der einzige Mann, den ich je heiraten wollte, und nun … Sie wissen ja bereits, was dann geschehen ist.“
„Mit anderen Worten, Sie würden nie auf den Gedanken kommen, sich mit einem Mann verabreden zu wollen, der durch eine Anzeige eine Frau sucht.“
„Nie“, rief sie mit Nachdruck aus. „Aber ich nehme an, dass er viele Anrufe bekommen wird.“
„Der Mann ist wahrscheinlich einsam und sehnt sich nach ein bisschen weiblicher Gesellschaft“, bemerkte Chase.
„Genau“, stimmte sie zu. „Man sollte meinen, dass das mein Mitgefühl hätte wecken sollen, stattdessen habe ich gelacht.“
„Glauben Sie, dass andere Frauen auch darüber lachen werden?“
Lesley zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Vielleicht.“ Frauen wie sie selbst vielleicht, die von der Liebe und vom Leben enttäuscht worden waren.
„Wie lange werden Sie in der Stadt bleiben?“, fragte sie, um der Unterhaltung eine andere Richtung zu geben.
„Knapp drei Wochen. Länger halte ich das Stadtleben nicht aus. Der Lärm und die Hektik gehen mir auf die Nerven.“
„Waren Sie bereits einmal in Seattle?“
„Ich komme jedes Jahr um die gleiche Zeit hierher. Normalerweise fahre ich an den nordwestlichen Pazifik, aber ich war auch mal in San Franzisco. Am Ende meines Urlaubs freue ich mich stets darauf, wieder nach Alaska zurückkehren zu können.“
„Alaska soll wunderschön sein“, sagte Lesley.
„Über dem Land liegt ein solcher Frieden, eine so unberührte Schönheit, dass ich davon immer wieder tief ergriffen werde. Ich habe mein ganzes Leben dort verbracht, aber es berührt mich immer noch.“
Lesley war fasziniert von seinen Worten und der stillen Freude, die aus ihnen herausklang. „Aus welcher Stadt kommen Sie?“
„Twin Creeks, es ist eine kleine Stadt. Ich bezweifle, dass Sie jemals davon gehört haben. Die Winter sind eisig, und es gibt kaum Ablenkungen. Mitte Dezember kann man das Tageslicht in Minuten statt in Stunden zählen. Aber um diese Zeit des Jahres ist es fast die ganze Nacht hindurch hell.“
„Abgesehen von Ihrer Arbeit, womit beschäftigen Sie sich während der einsamen Winterzeit?“ Sie war erstaunt, dass jemand freiwillig unter so harten Bedingungen leben wollte.
„Mit Lesen und Studieren. Hin und wieder schreibe ich auch.“
„Das hört sich so friedvoll an.“
„Das ist es auch“, versicherte er. „Oft bei weitem zu friedvoll.“
Das war wahrscheinlich der Grund, warum er jedes Jahr nach Seattle kam, dachte Lesley. Wahrscheinlich stürzte er sich hier ins Vergnügen, ließ keine Veranstaltung und keine Party aus. Doch er wirkte auf sie nicht wie ein Mann, der sich auf Partys wohl fühlen würde. Wahrscheinlich war seine Vorstellung von Vergnügen, ein Bier zu trinken, während er ein heißes Bad nahm, dachte Lesley und musste unwillkürlich lächeln.
„Irgendetwas scheint Sie zu amüsieren …“
Lesley fühlte sich sofort schuldig. Chase war ein Gentleman, ein sanfter Riese, der ihr geholfen hatte, während alle anderen ihre Schreie geflissentlich überhört hatten. Sie sollte nicht so über ihn denken.
„Nochmals vielen Dank“, sagte Lesley und griff zur Rechnung, die die Kellnerin inzwischen gebracht hatte.
„Nein“, protestierte Chase und nahm ihr den Zettel aus der Hand. „Ich habe Ihnen für Ihre Gesellschaft zu danken.“
„Bitte, lassen Sie mich wenigstens den Kaffee und den Kuchen bezahlen. Es ist das Mindeste, was ich für Ihre Hilfe tun kann.“
Er zögerte, nickte dann und gab ihr die Rechnung zurück. „Unter einer Bedingung.“
Lesley ging von Chase begleitet zur Kasse und zahlte schnell, bevor er es sich wieder anders überlegen konnte. „Und die wäre?“, fragte sie schließlich, nachdem sie das Wechselgeld entgegengenommen hatte.
„Dass Sie mit mir zu Abend essen.“
Ihre erste Reaktion war, die Einladung abzulehnen. Sie war nicht an Verabredungen interessiert, war es schon seit Monaten nicht. Das hatte sie ihm bereits hinreichend erklärt. Sie war noch nicht bereit, sich auf eine Beziehung einzulassen, auch nicht mit einem Touristen, der in Kürze für immer aus ihrem Leben verschwinden würde. Außerdem war er ein Fremder. Außer seinem Namen und ein paar anderen Details wusste sie nichts von ihm.
Er musste die Zweifel in ihren Augen gesehen haben.
„Sie wählen den Ort und die Zeit aus, und ich werde Sie dort treffen“, schlug er vor. „Es ist klug von Ihnen, so vorsichtig zu sein.“
Sie zögerte immer noch.
„Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie nicht enttäuschen werde, so wie Todd es getan hat.“
„Tony“, verbesserte sie schnell. Es amüsierte und frustrierte sie, wie schnell sie bereit war, Tony zu verteidigen.
„Ein Abendessen“, fügte Chase hinzu. „Das ist alles, worum ich Sie bitte.“
Lesley seufzte und fühlte, wie ihr Widerstand dahinschmolz. Wenn sie sein Angebot ablehnte, wäre die Alternative, vor dem Doris-Day-Film im Jogginganzug Eis zu essen.
„In Ordnung“, hörte sie sich mit einer Bestimmtheit sagen, die sie nicht fühlte. „Um sechs Uhr bei ‚Salty‘ am Rodondo.“
„Ich werde einen Tisch reservieren lassen.“
„Nein“, sagte sie schnell. „Ich habe meine Meinung geändert … Wir werden nicht ins ‚Salty‘ gehen.“ Das war Tonys und ihr Restaurant gewesen. „Wie wäre es, wenn wir uns um sechs Uhr am Aquarium treffen und uns an der Küste ein kleines Restaurant aussuchen?“
Sein Lächeln reichte bis zu seinen Augen, als er nickte. „Ich werde dort sein.“
Chase Goodman trat aus der Dusche und griff nach dem dicken, flauschigen Hotelbadetuch. Er schaltete den Fernseher ein, und während er sich in der offenen Tür zum Zimmer sich die Haare trocken rubbelte, lauschte er den Nachrichten.
Dann zog er eine hellgraue Hose und dazu ein hellblaues Hemd an und hoffte, dass Lesley von ihm nicht das Tragen einer Krawatte erwartete. Hellgraue Hosen und ein gut geschnittenes Hemd aus erstklassiger Qualität waren das Beste, was er ihr bieten konnte. Mit einer Krawatte kam er sich wie verkleidet vor. Normalerweise machte er sich nichts daraus, was eine Frau über ihn dachte, aber diesmal war es anders. Lesley gefiel ihm.
Das war das Problem. Er mochte sie. Das eigenartige Gefühl in seiner Magengegend war nicht verschwunden, seit sie auseinander gegangen waren. Es war die Art von Gefühl, das einen Mann überkam, wenn er spürte, dass etwas passieren würde, etwas sehr Bedeutsames. Etwas sehr Schönes.
Es gefiel ihm, dass sie groß war und ihre Größe akzeptierte. Kleine, zierliche Frauen waren hübsch anzuschauen, aber er hatte lieber eine Frau, bei der er keine Angst zu haben brauchte, dass er ihr wehtat, wenn er sie anfasste. Seine eigene Größe schüchterte viele Frauen ein, nicht so Lesley. Sie hatte Mumm. Nicht jede Frau war so mutig, einem Handtaschendieb hinterherzulaufen.
Lesley war weder atemberaubend schön, noch hatte sie regelmäßige Gesichtszüge. Ihr Gesicht war etwas zu eckig und das Haar ein gewöhnliches Aschblond, nicht braun und nicht wirklich blond. Aber es erinnerte ihn an die Farbe der Mitternachtssonne in der Dämmerung.
Ihre Augen gefielen ihm ebenfalls. Sie waren dunkelbraun, fast so dunkel wie seine, die die Farbe von Mahagoni hatten.
Lesley wirkte auf ihn ungemein anziehend, und die Stärke dieser Anziehung überraschte und verwirrte ihn. Er war nach Seattle gekommen, um sich eine Frau zu suchen, und direkter, als eine Plakatwand für diesen Zweck zu mieten, hätte man nicht vorgehen können.
Er wünschte sich, die Bekanntschaft mit Lesley zu vertiefen, aber er machte sich Sorgen. Lesley war verletzt worden, und die Wunden waren noch nicht verheilt. Wenn er sich lediglich auf sie konzentrieren würde, sie umwerben und sie schließlich davon überzeugen würde, ihn zu heiraten, könnte er nie sicher sein, dass er die Situation, in der sie sich befand, nicht ausgenutzt hätte. Schlimmer noch, sie könnte denken, dass er es tatsächlich getan habe. Doch auch diese Gedanken konnten nicht die Vorfreude auf den heutigen Abend dämpfen. Ein Abend mit ihr. Das war alles, was er sich wünschte. Dieser eine Abend. Dann könnte er sie und die Situation sicher besser beurteilen. Dieser eine Abend. Dann wüsste er bestimmt, was er tun müsste.
Chase setzte sich auf den Bettrand, stellte mit der Fernbedienung den Fernseher lauter und hoffte, der Nachrichtensprecher würde seine Gedanken von der jungen Frau, die ihn wie magisch anzuziehen schien, ablenken. Es war lange her, dass jemand so starke Emotionen in ihm hervorgerufen hatte.
Um zehn vor sechs Uhr stand Lesley vor dem Aquarium. Sie blickte alle fünf Minuten auf ihre Uhr, bis sie Chase mit schnellen Schritten auf sich zukommen sah. Als er sie bemerkte, hob er eine Hand und winkte ihr zu.
Eine Welle der Erleichterung durchströmte Lesley. Die Zweifel, die sie bis zu diesem Moment gehabt hatte, verschwanden, und das schmerzhaft leere Gefühl, das sie den ganzen Tag gespürt hatte, wurde erträglicher.
„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, erklärte er, nachdem er die viel befahrene Kreuzung überquert hatte. „Ich hatte große Mühe, einen Parkplatz zu finden.“
„Ist schon gut“, sagte Lesley, und das war es auch, schließlich war er gekommen, und das war die Hauptsache.
„Sie sehen gut aus“, sagte er mit tiefer verführerischer Stimme.
„Danke, Sie auch.“
„Haben Sie Hunger?“
„Ein bisschen. Wie ist es mit Ihnen?“ Zu dieser frühen Abendstunde waren viele Leute unterwegs, und mit schweigsamem Einverständnis gingen sie auf eine kleine Fontäne zu und setzten sich dort auf eine Parkbank.
„Was ist das?“, fragte er und wies auf ein lang gezogenes Gebäude, das hinter den Souvenirläden gelegen war.
„Das ‚Washington State Ferry Terminal‘. Wir haben das größte Fährensystem der ganzen Welt. Ich fahre oft mit einer Fähre zu einer Insel hinüber. Es ist etwas Besonderes, über das Meer zu fahren, den Wind und die Gischt auf seinem Gesicht zu spüren.“
„Würden Sie mich einmal mitnehmen?“, fragte Chase. „Ich würde das gern mit Ihnen gemeinsam erleben.“
„Gern“, sagte sie.
Unzählige Male war sie in den vergangenen Tagen mit einer Fähre gefahren, hatte eine Tasse Kaffee getrunken und aufs Wasser hinausgestarrt. Sie wusste nicht, warum das so war, aber das Meer übte eine beruhigende Wirkung auf sie aus. Diese Aufenthalte auf dem Wasser hatten ihr mehr geholfen als alles andere.
Sie schlenderten eine Weile am Pier entlang, gingen hin und wieder in eines der Geschäfte, die Andenken für Touristen verkauften, und unterhielten sich. Es war schon lange her, dass Lesley so gelacht hatte und dass sie sich so gut gefühlt hatte.
Sie aßen in einem italienischen Restaurant zu Abend. Das Essen und die Atmosphäre waren wundervoll, aber Lesley hatte auch nichts anderes erwartet.
Als sie danach wieder am Pier entlangspazierten und am Fährterminal vorbeikamen, hielt Chase Lesley an. „Wie wäre es jetzt mit einer Fahrt auf der Fähre?“, schlug er vor.
„Warum nicht?“ Lesley wäre bereit gewesen, alles mit ihm zu unternehmen, so lange nur dieser Abend nicht enden würde. Sie wollte nicht so früh von Chase Abschied nehmen. Sie hatte noch so viele Fragen an ihn über Alaska.
Der Zufall wollte es, dass die Wilson-Fähre startbereit am Kai lag, und sie stiegen ein. Während Lesley einen Tisch suchte, holte Chase ihnen zwei Kaffee. Er setzte sich ihr gegenüber und reichte ihr einen der Pappbecher.
„Wollen Sie mir nicht ein wenig über Alaska erzählen?“, fragte sie und lehnte sich zurück.
„Das möchte ich sehr gern“, antwortete er. „Wussten Sie, dass in Alaska der westlichste und östlichste Teil des Landes liegen?“
„Nein“, gab Lesley zu und überlegte, wie so etwas möglich sein könne. Sie nahm an, dass es etwas mit den vorgelagerten Inseln zu tun hatte, die fast die asiatische Küste erreichten.
„Unsere Berge sind einmalig. Siebzehn der zwanzig höchsten Berge der Vereinigten Staaten befinden sich in Alaska.“
„Ich bin gern in den Bergen. Wenn wir unseren Kaffee ausgetrunken haben, lassen Sie uns hinaus aufs Deck gehen. Ich möchte Ihnen die Olympics zeigen. Sie sind mit ihren zerklüfteten Gipfeln wunderschön, besonders zu dieser Zeit des Abends, wenn die Sonne untergeht.“
Sie gingen auf das windige Deck und stellten sich an die Reling. Die Sonne berührte gerade die schneebedeckten Gipfel, und über den Horizont zog sich ein pink- und goldfarbener Himmel.
„Es ist ein wunderbarer Abend“, flüsterte Lesley und lehnte sich gegen die Reling. Der Geruch des Meeres war frisch und belebend. Der Wind wehte heftig und zerrte an ihrer Kleidung und ihrem Haar.
Chase stellte sich hinter sie, legte die Arme um ihre Schultern und das Kinn auf ihren Kopf, um die heftigsten Böen von ihr abzuhalten.
Lesley fühlte sich in seinen Armen warm und beschützt. Ein wundervolles Gefühl des Friedens durchströmte sie. Dieser Fremde hatte ihr in wenigen Stunden mehr geholfen als all die Weisheiten und Ratschläge ihrer Familie und Freunde in Monaten.
„Lassen Sie endlich zu, dass er aus Ihrem Leben verschwindet“, flüsterte Chase an ihrem Ohr.
Mehr als tausendmal hatte Lesley genau das versucht. Öfter als sie zählen konnte … öfter als sie sich daran zu erinnern wünschte. Aber ihr ganzes Leben, ja, sogar ihre Zukunft war auf Tony eingestellt gewesen. Alles hatte sich stets um ihn gedreht. Sie konnte noch nicht einmal in ihre Wohnung gehen, ohne mit der dreijährigen Verlobungszeit mit Tony konfrontiert zu werden.
Die Bücherregale in ihrem Wohnzimmer hatten sie gemeinsam gekauft, ebenso das Sofa und die Sessel und viele andere Dinge in der Wohnung. Selbst ihre Kleidung hatte sie stets in Gedanken an ihn eingekauft. Das Kleid, das sie heute Abend trug, hatte sie für einen besonderen Abend, den sie beide verbrachten, ausgesucht.
„Ich würde jetzt gern wieder hineingehen“, erklärte sie steif. „Es wird langsam kühl.“
Lesley spürte, wie widerwillig Chase sie losließ. Unter anderen Umständen hätte sie sich darüber sicherlich gefreut. Aber im Augenblick quälte sie wieder der Schmerz, den sie seit ihrer Trennung von Tony fast ständig empfand. Sie war einfach zu keinem anderen Gefühl fähig.
„Es tut mir leid“, sagte sie, als sie zu ihren Sitzen zurückkehrten.
„Das braucht es nicht“, erwiderte Chase sanft. „Ich hätte Sie nicht drängen sollen.“
Lesley suchte nach Worten, um ihren Schmerz auszudrücken, aber sie fand keine. Sie fühlte sich unendlich einsam.
Als die Fähre in Winslow anlegte, stiegen sie mit den anderen Passagieren aus und warteten am Terminal, bis sie wieder an Bord gehen konnten, um nach Seattle zurückzukehren. Keiner von ihnen schien in der Stimmung zu sein, viel zu reden. Aber es war ein friedvolles Schweigen, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. Lesley sah keinen Sinn darin, es mit unbedeutenden Worten aufzufüllen, und Chase schien es genauso zu ergehen.
Als die Fähre wieder in Seattle anlegte, war die Sonne bereits untergegangen. Chase hielt ihre Hand, als sie wieder auf den Pier traten. Seine Gefühle waren in Aufruhr. Er hätte Lesley nie bitten sollen, den Mann, den sie liebte, zu vergessen. Er hatte kein Recht gehabt, sie derart zu bedrängen.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie, als er mit ihr den Pier hinunterschlenderte, der selbst zu diesen Abendstunden noch gut besucht war. Der Geruch von gebratenem Fisch und dem Meer erfüllte die Luft.
„Dort hinunter“, erklärte er und wies auf einen einsamen Kai.
„Aber dort ist keine Menschenseele.“ Es war ein Zeichen ihres Vertrauens, dass sie nicht gezögert hatte.
„Ich weiß, dass ich Sie gleich küssen werde, Lesley, und ich ziehe es vor, wenn uns nicht halb Seattle dabei zuschaut.“
„Sie scheinen sehr von sich überzeugt zu sein“, stellte Lesley fest, mehr amüsiert als verärgert.
„Vielleicht.“
Er gab ihr keine Gelegenheit, noch weiter mit ihm zu debattieren, sondern zog sie an der Hand mit sich, bis sie dort angelangt waren, wo es außer ihnen beiden niemanden gab. Schweigend drehte er Lesley zu sich um, so dass sie ihn ansehen musste. Dann nahm er ihre Hände und legte ihre Arme um seinen Nacken. Nur für einen winzigen Augenblick spürte er einen leichten Widerstand.
Er schlang seine Arme um ihre Taille und zog Lesley an sich. Chase seufzte, als er ihren schlanken Körper an seinem fühlte. Und auch Lesley gab einen kleinen Laut von sich. Es war ein leises Seufzen, so als wenn sie nicht wüsste, ob das, was sie jetzt tat, richtig sei.
Er atmete ihren Duft ein und fühlte ihre weichen Brüste an seiner harten Brust. Es war ein so wunderbar sinnlicher Moment!
Für eine Weile hielten sie sich einfach nur umschlungen. Chase hatte noch nie zuvor eine Frau wie Lesley in den Armen gehalten. Es war nicht sein Verlangen, das ihn veranlasst hatte, sie in die Arme zu nehmen. Es war etwas viel Stärkeres, das er nicht in Worte fassen konnte … etwas, das tiefer ging.
Er sehnte sich danach, Lesley zu beschützen, zu verhindern, dass ihr noch mehr Schmerzen zugefügt wurden, und zur gleichen Zeit wünschte er sich, dass er in der Lage wäre, ihre Einsamkeit und Verzweiflung zu vertreiben.
Denn obwohl Lesley nicht weinte, wusste er um die vielen Tränen, die ungeweint geblieben waren.
Chase überlegte. Sollte er sie als Nächstes küssen, wie er bereits angekündigt hatte, oder sie noch eine Weile in den Armen halten und sie dann loslassen?
Aber er brachte es einfach nicht über sich, sie ungeküsst wieder gehen zu lassen. Nicht, wo sie ihm so nahe war.
Er senkte den Kopf, zögernd und so langsam, dass Lesley genügend Gelegenheit hatte, sich von ihm zurückzuziehen. Sein Herz klopfte heftig, als sie die Augen schloss und ihm die Lippen darbot.
Chase sehnte sich nach diesem Kuss mehr als nach allem anderen in der Welt. Dieses drängende Verlangen jagte ihm fast Angst ein, und er berührte nur zart ihre Lippen mit seinem Mund. Es war ein leichter Kuss. Ein Kuss, den eine Frau einem Mann gibt, wenn sie ihn herausfordern will, oder ein Mann einer Frau, wenn er eigentlich keine Lust hat, sie zu küssen.
Oder wenn er Angst hat, dass er die Frau durch einen Kuss noch stärker begehren wird.
Eigentlich hätte Chase wissen müssen, dass er weder sich noch Lesley damit befriedigen würde. Er versuchte es noch einmal. Diesmal knabberte er leicht an ihrer Unterlippe.
Das war ebenfalls noch nicht genug. Im Gegenteil, dieser Kuss weckte nur noch die Sehnsucht nach mehr.
Beim dritten Mal vertiefte er den Kuss, und als ihre Zungen sich berührten, wurde Chase klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hatte dieses seltsame Gefühl von schicksalhafter Begegnung.
Er wurde von Empfindungen überflutet, und sein Seufzen wurde durch ein Stöhnen abgelöst. Kein tiefes sinnliches Stöhnen, sondern eines des plötzlichen Erkennens. Er hatte das Gefühl, als springe er von einem Felsen ins Dunkle, ohne zu wissen, wo er landen würde.
Auch Lesley stöhnte und schlang die Arme noch fester um ihn. Sie musste das Gleiche wie er empfinden.
Ihre Lippen lösten sich schließlich voneinander, als wenn sie gespürt hätten, dass sie ihre Grenzen erreicht hatten, und dass keiner von ihnen mit dem fertig werden würde, was unbestreitbar käme, wenn sie jetzt weitermachten.
„Ich …“ Chase hatte die Stirn gegen ihre gelegt und fand keine Worte, die seine Gefühle ausdrücken könnten.
Lesley schloss die Augen, und er wurde von der Sehnsucht überwältigt, sie wieder zu küssen.
„Ich möchte dich gern wiedersehen“, sagte Chase mit rauer Stimme.
„In Ordnung“, antwortete sie atemlos.
„Gehen wir ins Kino?“ Das war das Erste, was ihm in den Sinn kam, obwohl es nicht besonders einfallsreich war.
„Wann?“
„Morgen.“ Länger als ein paar Stunden auf das nächste Wiedersehen zu warten hätte seine Geduld zu sehr auf die Probe gestellt.
„In Ordnung. Um welche Zeit?“
Er wusste es nicht. Es wäre wohl zu unverschämt gewesen, ihr gleich den Morgen vorzuschlagen, aber länger als bis zum Mittag würde er unmöglich warten können.
„Ich werde dir meine Telefonnummer geben“, sagte sie.
„Ich werde dich gleich morgen früh anrufen.“
„Ja“, stimmte sie zu.
„Ich bringe dich jetzt zum Wagen.“
Er wagte es nicht, ihre Hand zu halten oder sie sonst zu berühren. Nie zuvor hatte eine Frau ihn so aus der Fassung gebracht. Eine leichte Berührung ihrer Lippen hatte genügt, um ihn seine ganze Selbstbeherrschung vergessen zu lassen.
Sie brauchten nicht weit zu gehen. Lesley hatte ihren Wagen auf dem Parkplatz gegenüber vom Aquarium abgestellt. Nachdem sie ihm ihre Nummer gegeben hatte und eingestiegen war, blieb er neben der Fahrertür stehen.
„Danke“, flüsterte sie, ohne ihn anzusehen. „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich diesen Tag überstanden hätte.“
Er hätte ihr am liebsten widersprochen. Sie war stark, sehr viel stärker, als sie selbst glaubte.
„Ich bin froh, dass ich helfen konnte“, erwiderte er schließlich. Am liebsten hätte er ihr gesagt, was für ein Narr Tony sei, sie gehen zu lassen, aber das wollte sie sicher nicht hören. Das waren die Worte, die sie zweifellos von ihren Freunden und ihrer Familie mehr als genug vernommen hatte.
„Ich werde auf deinen Anruf warten“, sagte sie mit noch immer leiser Stimme. „Nochmals vielen Dank für alles.“ Sie startete den Motor, und Chase trat zur Seite, als sie aus der Parklücke fuhr.
Er ging erst zu seinem Jeep, als die Schlusslichter von ihrem Wagen in der Nacht verschwunden waren.
Chase’ Telefon klingelte am nächsten Morgen bereits um acht Uhr. Er war schon seit einiger Zeit auf, hatte gefrühstückt und in aller Ruhe die Morgenzeitung gelesen. Seit Jahren stand er sehr früh auf, nie nach sechs Uhr.
Während er zum Telefon eilte, überlegte er kurz, wer es sein könnte. Lesley war es nicht, denn er hatte ihr gegenüber den Namen seines Hotels nicht erwähnt. Trotzdem hoffte er, ihre Stimme zu hören, als er den Hörer abnahm.
„Hallo“, sagte er.
„Mr Goodman, hier ist der Telefonservice.“ Die Frau am anderen Ende der Leitung hörte sich ungeduldig und entnervt an.
„Hat jemand wegen meiner Anzeige auf der Plakatwand angerufen?“, fragte Chase, dem die Anzeigentafel wieder einfiel. Er hatte sie fast vergessen.
„Jemand?“, rief die Frau entrüstet aus. „Wir hatten in den vergangenen vierundzwanzig Stunden fast fünfhundert Anrufe, und es scheint immer noch nicht enden zu wollen. Hinzu kommen Anfragen zweier Fernsehsender, der Seattle Times und von vier Radiosendern.“
„Fünfhundert Anrufe.“ Chase war schockiert. Nie hätte er sich träumen lassen, dass seine Anzeige eine solch überwältigende Resonanz hervorrufen könnte.
„Unsere Telefonisten sind mit Anrufen bombardiert worden, Mr Goodman.“
„Wie kann ich nur so viele Anfragen beantworten?“ Allein der Gedanke, mit diesen vielen Frauen in Kontakt zu treten, jagte ihm einen kalten Schauder über den Rücken.
„Ich schlage vor, dass Sie eine Sekretärin einstellen. Niemand von uns hätte geglaubt, dass sich so viele Bewerberinnen melden würden.“
„Glauben Sie, ich wäre auf die Idee gekommen?“ Chase konnte es selbst nicht fassen. „Ich werde gleich morgen jemanden einstellen.“
„Wir würden es zu schätzen wissen, wenn Sie sofort bei uns vorbeikämen, um die aufgelisteten Gespräche abzuholen.“
„Ich mache mich schon auf den Weg“, versprach Chase.
Fünfhundert Antworten, dachte er, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. Das war unglaublich. Absurd. Unfassbar. Er hätte nie angenommen, dass so viele Frauen auf die Anzeige reagieren würden. Und die Anrufe hatten immer noch nicht aufgehört.
Er wollte gerade nach seinem Wagenschlüssel greifen, als es klopfte. Er öffnete die Tür, und vor ihm stand eine Reporterin mit einem Kameramann an ihrer Seite.
„Sind Sie Chase Goodman?“, fragte die Frau. Sie war schlank und hübsch. Er erkannte sie sofort wieder. Sie war TV-Reporterin eines Lokalsenders. Gerade gestern hatte er sie in den Nachrichten gesehen.
„Ich bin Chase Goodman“, antwortete er und sah den Kameramann misstrauisch an. „Was kann ich für Sie tun?“
„Sind Sie der Chase Goodman, der im ‚Denny Way‘ eine Plakatwand gemietet hat?“
„Ja.“
Sie lächelte wieder. „Ich bin Becky Bright vom KYGN-Fernsehen, und das ist Steve Dalton, mein Kameramann. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle? Ich verspreche Ihnen, wir werden nicht viel Ihrer Zeit in Anspruch nehmen.“
Chase hatte eigentlich nichts dagegen einzuwenden, nur der Gedanke, gefilmt zu werden, gefiel ihm nicht. „Meinetwegen“, sagte er schließlich nach einigem Zögern.
„Großartig.“ Die Reporterin ging ins Hotelzimmer, zog einen Stuhl heran und bat Chase, sich hinzusetzen. Er folgte ihrer Bitte, und die Kamera richtete sich sofort auf ihn. Das grelle Licht stach ihm in die Augen.
„Entschuldigen Sie“, erklärte Becky. „Ich hätte Sie vor dem hellen Licht warnen sollen. Mr Goodman, bitte erzählen Sie mir, was Sie veranlasst hat, mittels einer Plakatwand nach einer Frau zu suchen.“
Chase hielt die Hand über die Augen, um sich vor dem grellen Kameralicht zu schützen. „Äh … ich bin aus Alaska.“
„Alaska“, wiederholte sie und griff nach seinem Arm, um ihm die Hand aus dem Gesicht zu ziehen.
„Ich werde mich nur wenige Wochen in der Stadt aufhalten, und ich wollte das Beste daraus machen“, fuhr er fort und blinzelte in die Kamera. „Ich suche nach einer Frau und wollte sie ohne große Umschweife treffen. Sie sollte von vornherein über meine Absichten informiert sein.“
„Hat bereits jemand auf ihre Anzeige reagiert?“
„Oh ja, mehr als genug. Über fünfhundert.“
„Sie scheinen erstaunt darüber zu sein.“
„Und wie! Ich rechnete mit vielleicht einem Dutzend Frauen, die bereit wären, hinaus nach Prudhoe Bay zu ziehen.“
„Die Frauen, die Sie kennen lernen möchten, wissen das?“
„Ja. Jeder Frau wurde genau erklärt, was sie nach einer Heirat zu erwarten hätte, und nur die wurden notiert, die sich mit den Konditionen einverstanden erklärten.“
„Wie wollen Sie mehr als fünfhundert Frauen interviewen?“
Chase rieb sich das Kinn. Die Situation schien ihm aus der Hand zu gleiten. „Ich hoffe, so bald wie möglich eine Sekretärin einstellen zu können.“
„Wenn Sie den Frauen, die angerufen haben, jetzt etwas mitteilen könnten, was würden Sie sagen?“
Chase war noch nie ein geschickter Redner gewesen, besonders nicht, wenn er von einer ungeheuer schnell redenden Journalistin und einem Kameramann, der wahrscheinlich die Absicht hatte, ihn erblinden zu lassen, in die Enge getrieben wurde.
„Werden Sie die Interviews selbst machen?“
So weit hatte Chase noch gar nicht gedacht. Seine ursprüngliche Idee war gewesen, jede Bewerberin zu einem Abendessen einzuladen, um sie in einer netten, ungezwungenen Umgebung kennen zu lernen. Das hatte sich aber mittlerweile alles geändert. „Ich nehme an, dass ich Sie persönlich treffen werde“, antwortete er widerwillig.
Becky stand auf, und sofort stellte der Mann seine Kamera ab. „Es hat mich gefreut, Sie kennen gelernt zu haben, Mr Goodman. Wir werden diesen Beitrag in den Mittagsnachrichten und in den Siebzehnuhrnachrichten senden, falls Sie daran interessiert sind, sich im Fernsehen zu sehen.“
„So bald?“
„Vielleicht bringen wir noch einen Folgebeitrag, wenn Sie Ihre Braut gefunden haben, aber darüber muss ich noch mit meinem Produzenten sprechen. Wir würden gern die Exklusivrechte haben. Wäre Ihnen das recht?“
„Äh … sicher.“
„Großartig.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Fernsehlächeln.
„Eins hätte ich noch gern gewusst, bevor Sie gehen“, sagte Chase. „Woher wussten Sie, wo Sie mich finden können?“ Genau um das zu vermeiden, hatte er den Telefondienst in Anspruch genommen.
„Das war leicht“, erklärte Becky. „Ich habe die Firma, bei der Sie die Plakatwand gemietet haben, angerufen, und die gaben mir die Auskunft.“
Chase öffnete den beiden die Tür und kam sich wie ein Idiot vor. Er hätte nie in dieses Interview einwilligen sollen. Sie hatten ihn überrumpelt, bevor er sich darüber klar geworden war, worauf er sich einließ. Dieser Fernsehbeitrag würde ihm nur noch mehr Anrufe einhandeln, und davon hatte er bereits genug.
Chase ließ sich auf dem Bettrand nieder. Er hatte versucht, ehrlich und fair zu sein. Er wünschte sich eine Frau, denn er brauchte die Wärme und Zärtlichkeit einer Frau in seinem Leben. Dreiunddreißig Jahre hatte er sich damit zufrieden gegeben, allein zu leben, da er warten wollte, bis er einer Frau ein angenehmes Leben bieten könnte. Und dieses erste Ziel hatte er erreicht.
Lesley.
Die Erinnerung an sie löste einen Adrenalinstoß aus. Sorgenvoll fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Er hatte ihr bereits am ersten Nachmittag erzählen wollen, dass er der Mann war, der mittels der Plakatwand eine Frau zum Heiraten suchte. Aber als sie ihm ihre Meinung über diese Anzeige und den Mann, der dahinter steckte, sagte, hatte er nicht mehr den Mut besessen, es ihr zu gestehen.
Er griff zum Telefon und hatte bereits die ersten vier Ziffern ihrer Nummer gewählt, als er den Hörer rasch wieder auflegte. Es war nicht gut, ihr das am Telefon zu gestehen. So etwas musste man von Angesicht zu Angesicht sagen. Es war immer noch früh am Morgen. Er würde noch eine Weile warten und dann mit ihr Kontakt aufnehmen. Er hoffte nur, dass sie nicht die Mittagsnachrichten sehen würde, denn dann liefe er Gefahr, sie zu verlieren.
Lesley war seit langem nicht mehr so zufrieden und gut gelaunt aufgewacht. Sie hatte die ganze Nacht durchgeschlafen, und die dunklen Wolken, die während der letzten Monate fast ständig über ihrem Kopf schwebten, waren verschwunden. Ihr Herz war leichter, ihr Kopf klarer und ihr Geist beschwingter.
Sie hatte sich nicht in Chase verliebt. Oh nein, davon konnte keine Rede sein. Aber er hatte ihr geholfen, die dunklen Wolken, die über ihr gehangen hatten, zur Seite zu schieben. Durch ihn hatte sie wieder den Weg zum Licht gefunden. Mit Chase hatte sie wieder zu lachen begonnen, und schon allein dafür war sie ihm dankbar.
Sie duschte, und nachdem sie ihr Haar zu einem dicken Zopf geflochten hatte, machte sie sich einen Kaffee. Während sie die Morgenzeitung las, entschloss sie sich, Schokoladensplitterkekse zu backen. Eric und Kevin, die beiden Jungen ihrer Nachbarin, und ihre Freundin Daisy würden begeistert sein.
Chase würde sie vielleicht auch mögen.
Chase.
Sie lächelte, als sie die Kaffeetasse zum Mund führte. Es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Sie würde diese Kekse für ihn backen. Später würde sie ihm einen Ausflug nach Paradise auf Mount Rainier vorschlagen.
Es stimmte zwar, dass Eric und Kevin sich über die Kekse freuen würden, aber es war Chase, den sie beeindrucken wollte. Es war Chase, von dem sie endlich etwas zu hören hoffte. Chase, der an diesem Morgen ihre ganzen Gedanken beherrschte.
Die Kekse kühlten bereits aus, als Lesley sich ein Sandwich machte und das Fernsehen einstellte, um sich die Mittagsnachrichten anzusehen. Sie goss gerade Limonade in ein Glas, als die Reklametafel auf dem Bildschirm erschien, die ihr gestern in der Stadt aufgefallen war.
Ihr Interesse war geweckt, und sie nahm wieder auf der Couch Platz. Becky Bright, die Journalistin, erschien im Bild. „Ich sprach heute Morgen mit dem Mann, der auf so ungewöhnliche Art und Weise eine Frau sucht. Chase Goodman hat sich einverstanden erklärt, sich interviewen zu lassen und …“
Chase Goodman.
Außer seinem Namen verstand Lesley kein weiteres Wort mehr. Chase’ Gesicht erschien auf dem Bildschirm, er blinzelte in die Kamera und erklärte, dass ihm in Seattle nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehe und dass er so direkt sein wolle, wie er könne.
Von wegen direkt! Er hatte sie in die Irre geführt. Er hatte sie in seinen Armen gehalten und geküsst und … Gedemütigt schlug Lesley die Hände vor das Gesicht. Sie hatte so verzweifelt an Chase glauben wollen, aber er war wie alle anderen Männer, die sie kannte. Er war genau wie ihr Vater, der sie zutiefst enttäuscht hatte, genau wie Tony, der ihr das Herz gebrochen hatte. Nie mehr würde sie zulassen, dass jemand sie so verletzte. Nie mehr würde sie ihrem eigenen Urteil trauen. Nie mehr.
„Die nächste Kandidatin wartet“, erklärte Sandra Ziegler, die attraktive Mittvierzigerin, die Chase am Morgen als Sekretärin eingestellt hatte. Er hatte bereits den ganzen Nachmittag Frauen interviewt.
Die erste Frau hatte er sympathisch gefunden. Sie war einige Jahre älter als er, arbeitete als Sekretärin für eine große Firma, schien umgänglich, recht gebildet und gewandt zu sein. Als Chase sie fragte, warum sie ihr altes Leben aufgeben und mit ihm nach Alaska ziehen wolle, antwortete sie, dass sie den Alltag gründlich satt habe und das Leben einmal von einer anderen Seite kennen lernen wolle. Sie war bereits zwei Mal geschieden, hatte aber keine Kinder. Bereits nach zehn Minuten wusste Chase, dass diese Frau nicht die Richtige für ihn wäre. Er fühlte sich in ihrer Nähe nicht annähernd so wohl, wie er es in Lesleys Gegenwart getan hatte.
Seine zweite Interviewpartnerin war gerade arbeitslos und suchte eine Anstellung. Das Erste, was sie fragte, war, ob er mit ihr schlafen wolle, schließlich kaufe man ihrer Meinung nach nicht die Katze im Sack. Als sie dann auch noch begann, ihre Bluse aufzuknöpfen, warf Chase sie wütend hinaus.
Er war sich nicht sicher gewesen, was er zu erwarten habe, als er die Plakatwand für seinen Zweck gemietet hatte, aber ganz sicher hatte er so etwas nicht gewollt. Er hielt Ausschau nach einer Frau, die warmherzig und großzügig war … einer Frau mit Zivilcourage und Geist … einer Frau, die Tiefgang und Sensibilität besaß. Einer Frau wie … Lesley.
Er rieb sich den Nacken, schloss die Augen und seufzte.
Er hatte versucht, Lesley anzurufen, aber sie war nicht zu Hause gewesen. Er hatte keine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen, weil er das grundsätzlich nur in Notfällen tat.
Um vier Uhr nachmittags hatte Chase bereits mit so vielen Frauen gesprochen, dass er ihre Namen, Gesichter und Lebensgeschichten durcheinander bekam. Nicht eine Einzige hatte seine Neugierde geweckt. Jede einzelne Frau verglich er unwillkürlich mit Lesley. Im Vergleich zu ihr wirkten alle Frauen langweilig, oberflächlich oder sogar frivol.
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und wusste, dass er keine weiteren Frauen mehr interviewen würde. In der Suite, die er im Hotel für die Interviews gemietet hatte, saßen noch unzählige Kandidatinnen. Also ging Chase entschlossen hinaus, vertröstete die heiratswilligen Frauen auf den nächsten Tag und schickte sie nach Hause.
„Ich hätte etwas Derartiges nie für möglich gehalten“, bemerkte Sandra und strich sich müde das Haar aus dem Gesicht. „Sie hätten einige Ihrer Junggesellenfreunde mitbringen sollen.“
Chase schloss die Augen und seufzte. „Wie viele Frauen habe ich interviewt?“
„Zwanzig.“
„Das ist alles?“ Er spürte, wie Panik in ihm hochstieg. Er hatte fast den ganzen Tag damit vertan, lediglich zwanzig Frauen zu interviewen?
„Sie wollen also tatsächlich für heute Schluss machen?“, fragte Sandra.
Chase nickte. Er brauchte Luft zum Atmen und Zeit zum Nachdenken. Aber dann wurde ihm klar, was er wirklich brauchte … Lesley. Den ganzen Tag hatte er nicht aufgehört, an sie zu denken. Er konnte weder den Kuss noch die Wärme ihres Körpers vergessen.
Er war bereits halb aus der Tür, als Sandras Stimme ihn zurückhielt. „Sie wollen doch nicht etwa schon gehen?“
„Und Sie wollen damit sagen, ich kann nicht?“
„Nun, das steht mir nicht zu. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass noch einige wichtige Telefonanrufe zu beantworten sind.“
„Von wem?“
„Ein Radiosender und eine Fernsehanstalt.“
„Vergessen Sie die. Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist noch mehr Publicity.“