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An einem Donnerstag gerät Laras Leben aus den Fugen. Hat sie sich nur gegen einen aufdringlichen Widerling verteidigt? Oder ist sie selbst zur Täterin geworden? Im Lauf der Tage verschwimmen Realität und Traum, Wirklichkeit und Erdachtes. Lara scheint sich zu verlieren und findet sich doch selbst wieder. Die Polizei heftet sich an ihre Fersen. Wird Lara dem Druck standhalten? Ist sie zu sehr damit beschäftigt, nicht vom Weg abzukommen, auf dem sie auf überraschende Wendungen ihres Geschicks reagieren muss? Manchmal scheint Lara nur noch reagieren zu können. Doch wenn es darauf ankommt, kann sie sich durchaus zur Wehr setzen
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Seitenzahl: 178
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Am Donnerstag wurde Lara verhaftet.
Gerade hatte sie mit ihrer Mutter telefoniert.
Dies und jenes war zum Thema gemacht worden.
Belanglosigkeiten, Banalitäten, ein Blitzlichtgewitter an Erlebnissen, die ebenso schnell vergessen, wie für einen Moment als überwältigend empfunden werden.
Gelächter, das die Pausen überspielt.
Worte, die aufsprudeln und dann versiegen in Sätzen, die sich selbst verlieren.
Besonders gut begonnen hatte der Tag nicht.
Lara hatte verschlafen, war deswegen ohne Kaffee ins Büro geeilt, erntete genervte Blicke ihres Chefs und mitleidige Augenaufschläge von Köpfen, die an ihr vorüberglitten.
Sie konnte förmlich die Gedanken der Vorübergehenden hören:
«Na, kurz vor dem Burnout?
Wie viele Gläser hatte sie wohl?
Pünktlichkeit war noch nie ihre Stärke.
Trotz ihres Alters sieht sie immer noch sexy aus.
Wenn man ihre Familie kennt…»
Schritte waren keine wahrzunehmen, denn die edlen Teppichböden schluckten jedes überflüssige Geräusch.
Man bewegte sich stets vorwärts, als verfolge man ein Ziel, und doch gewann man den Eindruck, als trete man auf der Stelle.
Als liefe man immer tiefer in eine Höhle hinein.
In ein Gewirr aus Gängen und Tunneln, in denen man hoffte, irgendwann in einen hohen Raum zu gelangen, der Geborgenheit und Vertrautheit versprühte.
Vielleicht auch einen Moment der Ehrfurcht entfachte.
Nicht das kleinste Detail passte nicht ins Gesamtbild.
Ab und an ein pflegeleichter Gummibaum.
Eine dezente Vase auf einem Tischchen.
Ein aufwendiger Schaukasten, in dem bescheiden auf die Vorzüge der Firma hingewiesen wurde.
Eine Atmosphäre, in der man sich auf das Wesentliche konzentrieren konnte und in der die Aussenwelt nicht mehr existierte.
Es war eine andere Welt, die man betrat, in der das Leben, das draussen brodelte und pulsierte, wie auf Knopfdruck abgeschaltet wurde.
Ob sie hier alt werden wollte?
Als Teil von etwas Grossem, von einer Firmenphilosophie, die die Welt in Bewegung hielt, in der sie selbst jedoch jederzeit verzichtbar war?
Sicherheiten gab es hier keine.
Verantwortung trug man zuerst für sich selbst.
Solche Absicherungen brauchte sie im Moment nicht.
Aber wer weiss, was in drei Monaten sein würde.
Alles ist im Fluss.
Kurz vor der Tür ihres Büros musste Lara lächeln.
Sie dachte an die Katze, die ihr Herz gewonnen hatte, obwohl sie es nicht darauf anlegte.
Wenn sie da einige Männer vor ihrem inneren Auge vorüberziehen liess mit ihren einstudierten Versuchen, bei ihr zu landen.
Wenn Plan A nicht funktioniert, kommt Plan B zum Zug.
Durchschaubare Darbietungen.
Bald einmal waren die Variationen erschöpft.
Sie bemühte sich oft redlich, interessiert zu wirken.
Aber was bewirkte das schon?
Im besten Fall ein Strohfeuer. Bald nur noch Asche.
Wissen diese Kerle, dass sich Tiere oft deutlich mehr Mühe geben?
Bei einigen Vogelarten, da balzen und bauen die Männchen, was das Zeug hält.
Und wenn sie scheitern, werden sie erfinderisch und kreativ.
Beeindruckende, vergängliche Liebeskunst.
Gestern Abend näherte sich ihr ein Kerl, dessen Kopf durch das äusserst grosszügig aufgetragene Haargel das Licht der abgedimmten Barlampe reflektierte.
Wie er sich über einen Tresen zu ihr herüber beugte und sie grossspurig anlächelte, als sei sie kein Mensch, sondern so etwas wie ein Preis.
Zum Weinen.
Der Preis ist heiss.
Trotzdem lächelte sie.
Verkrampft. Angestrengt. Ein wenig mitleidig.
Er schwankte vor trunkenem Glück und wollte ihr irgendetwas Abgedroschenes ins Ohr flüstern.
Die Katze hingegen spielt keine Spielchen.
Sie ist ganz sie selbst.
Sie hat Charakter.
Die Katze hatte sich für sie entschieden, ohne einen Zweck zu verfolgen.
Mit einem Blick war klar: Du und ich. Fertig.
König und Kind zugleich.
Der Kerl über dem Tresen beugte sich immer weiter zu ihr hinüber.
Seine Duftwolke aus billigem Parfum und kaltem Schweiss lähmte ihre Atemwege.
Unwillkürlich fragte sie sich:
Wer ist dieser Mensch überhaupt?
Ich kenne keine einzige Sekunde seines Lebens.
Dennoch masst er sich an, mit einem Lächeln, das wohl demjenigen eines heldenhaften Eroberers gleichen soll, sein Gesicht wenige Zentimeter vor meinem in Stellung zu bringen. Ekel durchflutete ihren Körper.
Nein.
Sofort weg mit ihm.
Augenblicklich.
Sicher war sich Lara nicht mehr.
Sie hatte blitzartige Reflexe.
Dessen war sie sich bewusst.
Sie konnte Gegenstände, die im Begriff waren, zu Boden zu fallen, in der Luft aufschnappen.
Harpunenartig schnellten ihre Hände nach vorne, besonders dann, wenn solche Rettungsaktionen in Momenten stattfanden, in denen sie mit ihrem Rücken oder ihrer Schulter etwas in Bewegung oder ins Rutschen brachte.
Obwohl sie nicht sah, was hinter ihr passierte, konnte sie spüren, was sich gerade abspielte.
Als habe sie Augen, die dort hinsehen konnten, wo Menschen gerne über jemanden tuschelten und munkelten.
Letzte Woche hatte sie eine Vernissage eines befreundeten Künstlers besucht.
Ein Herr war mit einem Tablett herumstolziert.
Mit einem Frack bekleidet, einem Pinguin nicht unähnlich.
Sie war leicht ins Straucheln geraten und hatte ein Sektglas, das der Pinguin gekonnt auf einem Tablett durch die Menschen hindurch balancierte, touchiert.
Das Glas kippte und begann zu fallen.
Obwohl sie gerade nach rechts schwankte, griff Lara dennoch geistesgegenwärtig nach links und hielt das Glas in der Hand.
Der Inhalt landete zwar auf ihrem linken Schuh, aber das Glas nahm keinen Schaden.
Sie hörte sich denken:
«Schade um den edlen Tropfen.»
Das Glas jedoch blieb ganz.
Scherben bringen Glück?
Von wegen!
Ungewollte Aufmerksamkeit wäre die Folge des Scherbensalats.
Wenn es dumm liefe, gäbe es Verletzungen, damit verbunden die Suche nach Verbandszeug.
Ein Stimmungskiller.
Lara fühlte Glück.
Sie badete im Moment.
Schnell war sie mit ihren Armen, ihren Händen.
Blitzschnell, als laufe in solchen Momenten ein Programm in ihr ab, das sie ruhig und überlegt bleiben liess.
Die Gesichter rundherum starrten sie an wie starre Masken.
Aber das war ihr egal.
Sie wusste, dass sie darin gut war.
Treffsicher.
Eine Waffe, die man nicht unterschätzen sollte.
Er hätte sie nicht mehr abwehren können.
Dazu wäre die Nähe zwischen ihm und ihr zu gross gewesen.
Sicher war sich Lara nicht mehr.
Überhaupt nicht.
Erinnerungen haben eine kurze Halbwertszeit.
Hatte sie ihm ihre Finger in sein grinsendes Gesicht gestossen?
In die Augen womöglich?
Hatte sie gekratzt, bis Blut hervorsickerte?
Hatte er geschrien vor Schmerz?
War er über den Barhocker nach hinten gefallen, verzweifelt nach Halt suchend?
Mit beiden Armen rudernd, seltsame Laute von sich gebend?
Hatte sie einen Knall gehört von einem Kopf, der auf einer Tischplatte aufschlug?
War durch die Erschütterung das bereit gestellte Gedeck vom Tisch gerutscht und am Boden zerschellt?
War Blut aus einer Wunde geflossen?
Hatte sie sich zu ihm hinunter gebeugt?
Ihn gefragt, wie es ihm gehe?
War sie davongerannt?
Ziellos und kopflos?
Lara wusste es nicht mehr.
Als habe sie einen Moment lang den Bezug zur Realität verloren.
Aber zu welcher Realität?
Wusste sie überhaupt noch, welche die richtige war?
Da war nichts mehr in ihrem Gehirn gespeichert, was ihr bei diesen drängenden Fragen hätte helfen können.
Obwohl Lara meinte, der Boden unter ihren Füssen schwanke, öffnete sie dennoch schwungvoll die Tür zu ihrem Büro.
Das war eine weitere Stärke von ihr:
Haltung bewahren.
Das Äussere nicht zum Spiegelbild ihres Seelenlebens werden lassen.
Signalisieren, dass es gut geht.
Fit und dynamisch wirken.
Voller Leben.
Unerschüttert. Unerschütterlich.
Ein wenig gekünstelt vielleicht.
Ein bisschen unecht.
Manchmal etwas anstrengend, niemanden hinter die Fassade blicken zu lassen.
Aber was soll’s?
In ihrem Beruf musste Lara auftreten, als gehöre ihr die Welt.
Und sie musste diese Welt sogar anderen Menschen verkaufen.
Träume wahr werden lassen.
Mit Sehnsüchten spielen.
Wünsche wecken, die nicht dagewesen waren, und das Gefühl vermitteln, im Leben deswegen eine schmerzvolle Leerstelle zu haben.
Lara setzte sich hinter ihren Bürotisch.
Vor ihr sass eine Frau, die auf ihrem Mobiltelefon herumdrückte, als hinge ihr Leben davon ab.
Schnelle Finger hatte sie.
Finger, die über die Tastatur tanzten.
Kleine Schweissperlen hatten sich auf der Stirn der Frau gebildet.
Das gefiel Lara.
Jeden Tag so leben, als wäre es dein letzter.
Die Frau murmelte ein hastig
genuscheltes «Entschuldigung.»
Sie sei gleich soweit.
Lara hatte Zeit, die Frau zu mustern.
Markenkleider.
Teures Parfum.
Perfekt sitzendes Kleid.
Eine Bluse, die bis oben hin zugeknöpft war.
Streng nach hinten, zu einem Zopf zusammengebundene Haare.
Der Blick der Frau war stechend.
Wirr, aber nicht verwirrt.
Zwischendurch blinzelte sie, Wasser schoss ihr in die Augen, der Blick wurde leer, als schaue die Frau in unendliche Weiten.
Weinte sie?
Bekam ihr die Zimmerluft nicht?
Was kein Wunder wäre, denn die Heizung lief auf Hochtouren.
Selbst Lara hatte in kürzester Zeit einen trockenen Hals.
Sie bot der Frau an, das Fenster zu öffnen.
Sie lehnte dankend ab.
Jeder Mensch habe halt seine Schwachstelle.
Das Gespräch verlief gut.
Die Frau kam direkt auf den Punkt.
Ohne Vorgeplänkel oder einen Austausch von Nettigkeiten.
Keine Wettervorhersagephilosophie.
Zeit ist schliesslich Geld.
Nach einer guten Stunde war der Deal abgeschlossen.
Die Frau war gegangen.
Nur ihr intensives Parfum hing noch in der Luft.
Lara öffnete das Fenster.
Der Strassenlärm drang zu ihr herauf.
Von Ferne weinte ein Kind.
Sie meinte, jemanden auf einem Cello spielen zu hören.
Ein Mofa ratterte.
War da das «Tock-Tock» eines Blindenstocks zu vernehmen, mit dem sich jemand an einer Mauer entlangtastet?
Quengelte da ein Kind, das um ein Eis bettelte?
Ein «Nein» wurde zur Antwort gegeben.
Aber das Kind blieb hartnäckig.
Unbeirrt.
Glaubte an seine Chance.
Eine starke Kraft.
Daran, dass taube Ohren aufgetan werden.
Das andere Kind habe schliesslich auch eines bekommen.
Schlussendlich wird wohl die Gerechtigkeit siegen.
Lara stand auf und beschloss, sich in das Getümmel zu stürzen.
Sie grüsste die vorbeilaufenden Köpfe in den Gängen knapp.
Manche grüssten zurück, andere gingen wortlos an ihr vorüber.
Warum auch immer.
Vielleicht waren sie in den eigenen Gedanken gefangen.
Oder legten keinen Wert auf einen oberflächlichen Kontakt.
Wenn schon, dann richtig.
Ganz oder gar nicht.
Für eine solche Haltung kann man durchaus Verständnis aufbringen.
Sie drückte den Knopf, der von innen die Eingangstür öffnete.
Frische Luft. Sie atmete tief ein und beschleunigte ihren Schritt.
Nach einigen Minuten stand Lara vor ihrem Lieblingscafé.
Sie bestellte sich einen Espresso und ein süsses Gebäck.
Ihr Magen rebellierte, weil sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.
Lara schaute beim Trinken tief in ihre Tasse hinein und beobachtete, wie der Inhalt aus ihr langsam verschwand.
Faszinierend.
Wie vergänglich war doch die Welt!
Als sie aufblickte, traute sie ihren Augen nicht.
Draussen vor dem Café befand sich ein kleiner Platz.
So weit, so gut.
Aber etwas passte nicht ins Bild.
Sie versuchte zu vergleichen:
Vorher – und jetzt.
Wo war der Fehler?
Dann sah sie es und zuckte zusammen.
Eine Gestalt näherte sich in rasantem Tempo, flog förmlich durch die Menschen, in halsbrecherischem Zick-Zack, touchierte jedoch niemanden.
Ein Mann mit einem zerrissenen Shirt und einer klaffenden Wunde am linken Unterschenkel rannte direkt in ihre Richtung.
Sein Haar war verfilzt und hing ihm wild über die Augen.
Sein Mund bewegte sich, als würde er etwas mitteilen wollen.
Doch es war nichts zu hören.
Ein Schrei, der unterging in der Stille.
Dazu winkte er wie wild mit beiden Armen.
Lara stiess einen spitzen Schrei aus.
Ein grotesker Anblick.
In wenigen Augenblicken würde der Mann in die Glasscheibe hineindonnern, wenn er nicht vorher abbremste.
Lara deutete aufgeregt nach draussen und rief der Frau zu, die direkt hinter der Scheibe sass, sie solle sich in Sicherheit begeben.
Doch die Frau starrte sie nur entgeistert an.
Bevor der Mann krachend mit der Scheibe kollidieren konnte, war er aus ihrem Blickfeld verschwunden.
Lara stand auf, um zu schauen, ob er am Boden lag.
Nichts. Der Mann war verschwunden.
Die Stille wich dem Gemisch aus Geräuschen, Lauten und Tönen.
Lara zahlte und verliess hastig das Café.
Einen Schritt vor den anderen.
Doch Haltung zu bewahren, gelang ihr nur begrenzt, was ihr in diesem Moment egal war, sie jedoch zugleich ärgerte.
Auf dem Heimweg beruhigte sie sich langsam.
Obwohl sie sich fragte, ob etwas mit ihr nicht stimmte, merkte sie, wie sie ihre Kontrolle über sich zurückgewann.
Den verletzten Mann hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
Dessen war sie sich absolut sicher.
Je länger sie spazierte, umso sicherer war sie, dass sie einen Tagtraum gehabt haben musste.
Eine Art Reflex auf das Erlebte.
Als sei ihr Gehirn an die Grenze seiner Auslastung gelangt.
Lara schloss ihre Wohnungstür auf.
Sie setzte sich auf einen Sessel und beschloss, einige Minuten nichts zu tun.
Untätigkeit war zwar nicht ihre Lieblingsbeschäftigung.
Aber in diesem Moment lauschte sie gespannt in die Stille hinein.
Würde sie noch einmal etwas sehen?
Hier in der Wohnung?
Wäre es dann möglich abzuschätzen, ob es eine Fantasie von ihr selbst war, etwas, das nur sie sehen konnte oder etwas, das zwar da war, aber die anderen nicht sehen wollten?
Wenn nichts passierte, so war sich Lara sicher, musste es sich um ein einmaliges Ereignis handeln.
Ein Hirngespinst.
Eine Einbildung.
Nachdem Lara das Telefongespräch mit ihrer Mutter beendet hatte, klingelte es an der Haustür.
Der Austausch von Nettigkeiten hatte ihren Puls auf normale Geschwindigkeit gebracht.
Sie war ganz sie selbst, und sie richtete sich zu ihrer vollen Grösse auf.
Zwei Polizisten fragten, ob sie hereinkommen dürften.
Sie hätten ein paar Fragen.
Zuerst erschien es hier, als seien sie nur zufällig bei ihr.
Als machten sie eine Umfrage zur Zufriedenheit ihrer Kundschaft.
Und sie war eine der Auserwählten.
Mit der Zeit wurden die Fragen konkreter.
Was sich denn in der Bar zugetragen habe, wollten die Polizisten wissen.
Lara antwortete wahrheitsgetreu, sie wisse es nicht.
Sie habe so etwas wie einen Filmriss.
Nach einer halben Stunde wurde sie mit den Worten, die Indizien gegen sie hätten sich in der Zwischenzeit erhärtet, zum vor dem Haus geparkten Polizeiauto geführt.
Ohne Vorwarnung.
Auf der Fahrt versuchte sie sich verzweifelt an die Ereignisse des vergangenen Abends zu erinnern.
Es wurde langsam dunkel.
Die Menschen huschten wie Schatten an ihr vorbei.
Sie bat einen Polizisten darum, das Fenster einen Spalt zu öffnen.
Dieser willigte ein.
Schon seit einiger Zeit wusste Lara nicht mehr, wo sie war.
Autolärm. Ein Tunnel. Gefühlte hundert Ampeln. Bremsen. Anfahren.
Links. Rechts. Immer wieder.
Langsam fragte sich Lara, ob sie die Stadt verlassen hatten.
Hie und da hörte sie von draussen, wie jemand in sein Mobiltelefon sprach.
Eine tiefere, heisere Stimme sagte ganz in der Nähe laut:
«Hallo. Ich bin gleich da. Hast du den toten Fisch schon aufgetaut?»
Seltsam.
Aber vielleicht ein Codewort zwischen vertrauten Menschen.
Möglicherweise ein Scherz.
Sie hing ihren Gedanken nach.
Lara drehte ihren Kopf, sah aber nichts ausser Dunkelheit.
Sie fröstelte.
War da ein Wald?
Sah sie leuchtende Augen, die zwischen den Stämmen der Bäume hin und her tanzten?
War da ein Lachen zu hören?
Sie konnte nicht sagen, ob es die Stimme eines Kindes oder eines Erwachsenen war.
Menschen lachen oft anders, als sie sprechen.
Lara schaute genauer in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.