Böse Kerle mag Man(n) eben - Manuela Mair - E-Book

Böse Kerle mag Man(n) eben E-Book

Manuela Mair

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Beschreibung

Kevin ist völlig zufrieden als Single und mit seinem eintönigen Leben, aber nach einem schmerzhaften Zwischenfall muss er aus seiner Wohnung fliehen. Ausgerechnet Fabian kommt ihm zu Hilfe und Kevin muss sich schon bald fragen, warum er ihn bisher eigentlich so blöd fand.

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Manuela Mair

Böse Kerle mag Man(n) eben

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

1

 

Aua.

Kater.

Blöde Silvesterparty.

Nein, die Party war super, nur mein übermäßiger Alkoholkonsum war blöd. Ich hätte einfach aufhören sollen. Stöhnend wälze ich mich aus dem Bett. Liegen bleiben hilft nicht, ein bisschen Sport hingegen schon. Gilt ein Spaziergang als Sport? Wohl eher nicht. Ich habe es auch nicht nötig viel für meine Figur zu tun. Großartige Gene. Ein Kater bleibt aber auch mir nicht erspart, wenn ich über die Stränge schlage.

Duschen, umziehen und meine Augenringe verstecke ich hinter einer Sonnenbrille. Glücklicherweise spielt das Wetter mit. Die Kälte ist allerdings beschissen, klar, es ist Winter, aber wenn es nach mir geht, könnte das ganze Jahr Sommer sein. Das ein oder andere Mal habe ich überlegt auszuwandern, aber ohne meine Mädels? Keine Chance. Die zwei Knallköpfe würden mir zu sehr fehlen. Sunny meine Chaotin, die immer irgendwie alles auf die Reihe kriegt, ganz ohne Plan und Mel die mürrische, kleine Maus mit dem großen Herz und beide mit einem Hang mich zu beschützen. Als hätte ich das nötig! Ich bin ein Mann, verdammt, ich brauche keinen Schutz.

Aber ich kann ihren Übereifer schon verstehen, nicht erst einmal habe ich Prügel bezogen und wurde im Anschluss von einem der beiden ins Krankenhaus kutschiert. Begleitet von ihrem Gezeter.

„Zeig die Schweine an“, ist so ein Standartsatz.

„Wehr dich doch mal“, ein anderer. Beides liegt mir fern. Ersteres weil ich weiß, dass es nichts bringt und letzteres, weil ich im Anschluss noch mehr einstecken muss. Die meisten lassen schnell von einem ab, wenn man sich still verhält. So wie die Katze die Maus liegen lässt, sobald sie sich nicht mehr bewegt.

Unterstützung finden die beiden bei meinem Bruder Ben. Ein klasse Typ, aber eben ein typischer großer Bruder. Und dann ist da noch meine Mum. Eine gelassene Frau, reich an Erfahrungen und genau das ist der Punkt. Sie hat zu viel erlebt, um sich keine Sorgen zu machen. Zum Glück haben meine Lieben im Moment ganz gut mit sich selbst zu tun und lassen mich ein wenig zu Atem kommen. Kommt mir sehr gelegen, denn endlich hab ich den Scheißkerl von Ex-Freund hinter mir gelassen und bin bereit wieder etwas Spaß zu haben. Und damit meine ich keine Beziehung. Definitiv nicht. Ich denke da an knackige Ärsche, große Schwänze und gutgebaute Männer. Ab auf die Piste! Sobald mein Kater wieder verschwunden ist.

 

Vorher muss ich aber noch zur Arbeit. Ein wirklich lukrativer Job, wenn auch nicht besonders angesehen. Ich arbeite in einem namhaften Schnellrestaurant, hauptsächlich nachts und an den Feiertagen. Für etwas Ernsthaftes fehlt mir der Ehrgeiz. Aber ich mache meinen Job gut, wenn man den Tafeln an der Wand glauben darf. Gleich dreimal war ich im vergangenen Jahr Mitarbeiter des Monats. Dumm bin ich nicht, nur faul und ein wenig pragmatisch. Meine Arbeit muss mir keinen Spaß machen, sie soll Geld bringen, um mein Überleben zu sichern. Spaß habe ich in meiner Freizeit. Diesbezüglich bin ich einfach gestrickt.

Um ein Uhr nachts schließen wir heute endgültig ab. Nichts los, die Leute liegen wohl alle noch von der Silvesternacht flach.

„Kommst du noch mit auf ein Bier“, ruft Shavleg. Er ist Russe und einer der wenigen männlichen Kollegen, die keine Angst haben, dass ich sie irgendwann vergewaltige.

„Heute nicht. Außer du kommst mit in den Schwulenclub“, grinse ich und erwartungsgemäß verzieht Shavleg das Gesicht. Er fühlt sich umgeben von heißen Kerlen nicht annähernd so wohl wie ich.

„Ich reiße mir lieber eine heiße Blondine auf. Viel Glück“, wünscht er und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. Unsere beiden Mitstreiter in dieser Schicht halten lieber Abstand, ich könnte mich ja doch entschließen alles flach zu legen, das einen Schwanz und zwei Beine hat.

So gelassen ich mit solchen Dingen umgehe, aber ganz kalt lässt es mich doch nicht. Ich bin weder ansteckend, noch kriminell. Eine Hete legt ja auch nicht jede Frau flach, die ihm über den Weg läuft. Allerdings lernen es manche eben nie und es ist nichts als verschwendete Energie, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Schulterzuckend verlasse ich das Restaurant. Nur schnell nach Hause, duschen, umziehen und dann wird gejagt.

 

Unser Club – der einzige in der Stadt – ist vielmehr eine größere Bar mit einem Hinterzimmer. Nichts im Vergleich zu den einschlägigen Clubs, die ich in Deutschland besucht hatte. Aber es reicht, um sich schnelle Befriedigung zu beschaffen. Der Jagdtrieb kommt wie immer zu kurz. Der Kreis der Gäste ist überschaubar, man kennt sich.

„Kevin“, krakelt Jan. Ein zu kurz geratener, androgyner junger Mann, der zu seiner Bürde des Schwulseins auch noch Deutscher ist. Ich bin zu zynisch für mein Alter, definitiv, aber ich kann nicht aus meiner Haut. Jan ist ein sympathischer Kerl und immer für ein Schäferstündchen zu haben. Ich mag ihn. In Tirol hat er es als Deutscher einfach doppelt schwer. Wir neigen dazu Auswärtige nicht zu mögen, eigentlich gar nichts, was wir nicht kennen. Dazu sind wir Tiroler sehr christlich geprägt, Schwule gehen also gar nicht. Es gibt sie, die Ausnahmen und es werden stetig mehr. So weit wie in den Großstädten sind wir aber noch lange nicht.

„Du siehst aus, als könntest du Gesellschaft brauchen“, stellt Jan auch gleich klar, als ich mich neben ihm an der Bar niederlasse.

„Eigentlich brauche ich einen Fick“, grinse ich ihn an und sehe wie er rot wird. Das ist süß an Jan. Er lässt sich von so ziemlich jedem flachlegen, aber direkt darauf ansprechen darf man ihn nicht. Außer man findet ihn dann umso niedlicher, was bei mir der Fall ist.

„Da denkt man, man ist erwachsen, aber ficken kann ich nicht sagen oder hören, ohne dass ich rot werde“, kichert er und rückt näher. Er riecht wie immer gut, fühlt sich auch so an. Dabei spielt die Beule in seiner Hose eine wichtige Rolle. Ich bestelle eine Cola, obwohl ich weiß, dass ich sie nicht mehr trinken werde.

„Aber es macht dich scharf“, lächle ich und streichle über seinen schlanken Oberschenkel. Seine Antwort ist ein weiteres Kichern.

„Es gefällt dir doch, wenn ich dir sage, dass ich meinen Schwanz in dir Versenken möchte?“

„Das tut es“, haucht er und sieht mich aus seinen großen, wasserblauen Augen erwartungsvoll an. Meine Hand kommt seinem Schwanz immer näher und Jan rutscht nervös auf dem Barhocker herum. Mich selbst lässt das kleine Spiel auch nicht kalt, mein Schwanz ist hart genug, um Jan Freude zu bereiten. Aber mich reizt der Kitzel des Wartens genauso. Jan zuzusehen, wie er immer geiler wird, ihn scharf zu machen ohne ihn an den pikanten Stellen zu berühren ist das perfekte Vorspiel für mich.

„Die Vorstellung meinen harten Prügel in deinen hübschen, kleinen Arsch zu rammen … mhm“, raune ich ihm ins Ohr, schließe die Augen und lege dann meinen Kopf in den Nacken.

„Dann tu es doch“, flüstert er und ich grinse. Ich warte immer, bis Jan den Startschuss gibt. Heute hat er es besonders eilig. Lachend stehe ich auf, ziehe ihn vom Barhocker und hinter mir her.

In dem kleinen Zimmer ist es düster, einzelne rote Lampen beleuchten den Raum nur schwach. Abgeteilt durch ein paar Gipswände, keine Türen. Gespannt wird heute nicht, niemand hier außer Jan und mir. Er folgt mir bis ans Ende des Gangs und schiebt sich noch vor mir in den winzigen Raum. Eifrig öffnet er die Hose, leckt sich über die Lippen und macht sich dann an meiner Jeans zu schaffen. Offenbar hat es der Kleine nötiger als ich. Dabei bekommt der süße Jan genug Aufmerksamkeit von den anderen Männern.

„Ich liebe deinen riesigen Penis“, schnurrt er, legt seine Hand fest um meinen Schwanz und pumpt mich, während er sich vor mich kniet. Als sein Kopf sich meinem besten Stück nähert, greife ich in sein Haar und halte ihn fest.

„Ich will deinen Arsch, keinen Blow Job“, sage ich barsch und Jan rückt etwas ab. Schuldbewusst sieht er zu mir hoch, während ich mir einen Gummi überziehe. Dann helfe ich ihm auf die Beine.

„Ich weiß, wie gut du bläst“, besänftige ich ihn, „aber ich brauche deine Enge.“

Ich ziehe Jan näher, unsere Schwänze berühren sich und ich streichle über seine Pobacken. Selten bin ich derart zärtlich mit einem schnellen Fick. Jan ist aber auch nicht irgendwer. Wir hatten schon ein paar Treffen hier und wie gesagt, ich mag ihn. Er soll auch Spaß dabei haben. Sanft aber bestimmt drehe ich ihn um und freiwillig beugt er sich nach vorne. Präsentiert mir seinen perfekten kleinen Hintern. Ich positioniere meinen Schwanz an seinem Eingang, greife um ihn herum und wichse seinen Ständer. Stöhnend wirft er den Kopf in den Nacken und ich dringe hart und schnell in ihn ein. Noch ein Stöhnen, lustvoll. Sein Muskel schließt sich fest um meinen Schwanz und ich stoße immer wieder in ihn. Meine Hand ahmt den Rhythmus meines Beckens nach. Wird langsamer und wieder schneller, bis ich den Wechsel selbst nicht mehr aushalte und immer heftiger in Jan stoße. Er feuert mich an, bettelt um mehr.

„Schneller“, keucht er und ich komme seiner Bitte nur zu gerne nach. Spüre bereits meinen Orgasmus, nur noch ein bisschen, bevor ich Erlösung finde. Jans Saft rinnt mir klebrig über die Finger und sein Muskel schließt sich fest um meinen Schwanz. Das gibt mir den Rest. Ein letzter Stoß und ich entlade mich in ihm. Halte ganz still, spüre die Gänsehaut, die jeden Orgasmus ausklingen lässt und ziehe mich dann aus ihm zurück.

„Dankeschön“, lächelt er kokett und reicht mir Papiertücher, um mich zu säubern.

„Ich habe zu danken“, grinse ich satt. Nachlässig wickle ich den Gummi in eines der Tücher und werfe das Paket in den Müll, genauso schlampig säubere ich meine Hand. Hose zu und weg.

„Bis demnächst“, sage ich, winke und verschwinde. Auf der Toilette wasche ich mir die Hände und trete den Heimweg an. Nicht zufrieden, aber befriedigt. Reicht vollkommen. Jedenfalls heute Nacht.

 

„Du musst wieder viel öfter kommen“, jammert Sunny tags darauf, als ich sie in Bens Laden besuche.

„So oft wie ich hier bin, könnte man meinen ich arbeite hier“, feixe ich und lasse mich auf dem halbhohen Aktenschrank nieder.

„Ich krieg dich gar nicht mehr zu Gesicht. Wo ist die Zeit hin, als ich abends nach Hause kam und du bereits auf der Couch saßt?“

„Den Part übernimmt Ben jetzt“, schmunzle ich, „ außerdem würde er mich hochkant rausschmeißen.“

„Bleib doch mal Ernst, Kev. Ich hab das Gefühl ich krieg dich und Mel überhaupt nicht mehr zu sehen.“

„Gibt’s Ärger im Paradies?“, necke ich sie. Sunny ist ein bisschen empfindlich manchmal und es macht höllisch Spaß sie zu triezen.

„Mach mal halblang. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, schnappt sie empört nach Luft.

„Wen rufst du als erstes an, wenn es mal nicht läuft?“

„Ich rufe dich auch an, wenn es läuft“, schmollt sie.

„Wie dem auch sei, was gibt’s Neues?“

„Nichts. Alles beim Alten.“

„Na dann kann ich ja wieder gehen“, bin ich gutgelaunt. Natürlich werde ich nicht einfach abhauen.

„Tu das“, motzt sie und dreht mir den Rücken zu. Ich springe von dem Schrank und umarme Sunny fest.

„Lass dich nicht immer so ärgern“, murmle ich und bekomme einen Hieb ab, den ich auch verdiene.

„Ich hasse deine Späße“, murrt sie, lächelt aber.

„Uns verbindet eben eine Hassliebe.“

„Mehr Hass als Liebe“, muss sie das letzte Wort haben. Ich lasse es ihr und zucke lächelnd mit den Schultern.

„Wie geht’s dir denn? Ein neuer Lover in Sicht?“ bohrt sie auch schon nach. Sieht so aus, als wäre ich gerade wieder auf ihrem Verkupplungsradar aufgetaucht.

„Nichts in Sicht und ich bin glücklich damit. Ein bisschen rumhuren und sich keine Sorgen machen.“

„Ben hat es auch nicht glücklich gemacht.“

„Das würde ich so nicht sagen“, lache ich und weiche ihrem nächsten Schlag gekonnt aus.

„Auf die Dauer meinte ich“, korrigiert sich Sunny und ich schüttle den Kopf.

„Bezahlt Ben dich neuerdings, um mir Löcher in den Bauch zu fragen und mich zu belehren?“

„Ben bezahlt mich während ich arbeite, jetzt habe ich Pause“, klärt sie mich grinsend auf.

„Du bist unmöglich, Weib“, schüttle ich den Kopf und blicke flehend an die Decke, „Lieber Gott, lass die Frauen in meinem Leben erträglicher werden.“

„Wir sind um dein Wohl besorgt“, klärt Sunny mich auf, „und Mel denkt auch, dass dir ein richtiger Kerl gut tun würde.“

„Mädels, ich bin der Kuppler. Ihr habt keine Ahnung davon.“

„Mel dachte an Fabi“, lässt Sunny nicht locker und für mich wird es Zeit zu gehen.

„Ich wiederhole mich: Ihr habt keine Ahnung.“ Ich drücke Sunny kurz und fliehe aus dem Laden. Ben winke ich nur, er hat noch immer Kundschaft.

„Puh“, murmle ich leise und mache mich auf den Weg zum Supermarkt. Was den beiden immer so einfällt.

 

2

 

Der Jänner geht vorüber und weicht dem Februar. Ereignislos war dieses erste Monat im Jahr. Wie die meisten anderen Monate auch. Mein Leben besteht nicht aus Höhen und Tiefen am laufenden Band. Meistens ist es ruhig, verläuft halbwegs geordnet. Ich arbeite, schlafe, esse, kümmere mich um meine Freunde und die Familie, gehe meinen Hobbies nach, gehe aus, vernasche Kerle und wieder von vorne. Wenn auch nicht immer in dieser Reihenfolge. Heute steht das Vernaschen auf dem Plan. Gerade sitze ich im Bus und fahre zum Club. Zwar ist während der Woche nie viel los, aber der ein oder andere willige Bottom wird schon zu finden sein.

Fehlanzeige. Als ich endlich im Warmen bin, zeigt sich schnell, dass mich keiner der Typen anspricht. Trotzdem bestelle ich bei Klaus ein Bier und beschließe zu warten. Zumindest ein bisschen. Schlimmstenfalls muss ich heute eben selbst Hand anlegen.

Einmal mehr frage ich mich, was mich hier noch hält. In einer Großstadt hat man mehr Möglichkeiten. Andererseits nur wegen der Bettgeschichten alle meine Lieben zurück lassen? Nein, kann ich nicht. An Enthaltsamkeit ist auch noch niemand gestorben. Soweit ich weiß.

Ich leere mein Glas, bezahle und mache mich auf den Heimweg. Kaum aus der Tür fallen mir die Glatzköpfe auf der anderen Straßenseite auf. Sie sehen nicht her und ich habe die Hoffnung noch schnell genug in der nächsten Seitenstraße zu verschwinden. Keinen Bock auf Prügel. Ich gehe schneller und greife zu meinem Handy. Klaus soll die Bullen rufen, bevor wirklich noch etwas passiert. Aber er nimmt nicht ab. Scheiße!

„Hey Schwuchtel“, höre ich es hinter mir. Ich sehe mich nicht um, werde aber schneller und biege ab. Mein Herz pocht laut in meiner Brust und die ersten Schweißperlen auf meiner Stirn sind zu spüren. Ich wähle die nächste Nummer, die in meinem Anrufprotokoll aufscheint.

„Hey Arschficker, wo willst du denn so eilig hin“, höhnt es vor mir aus der Gasse. Noch mehr von dem Pack. Ich werde langsamer und bleibe stehen. Das Handy noch in der Hand, das Display leuchtet.

„Na mein Hübscher, hast du schön gespielt?“, kommt es jetzt auch hinter mir. Ich drehe mich um, sehe zwei Typen auf mich zukommen. Scheiße verdammte. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass Sunny noch nicht abgenommen hat. Ich kann nur hoffen, dass sie es mitkriegt. Vielmehr Zeit bleibt mir nämlich nicht. Von beiden Seiten kommen die Glatzen auf mich zu und nett plaudern wollen die bestimmt nicht. Ihre Beschimpfungen prallen an mir ab, aber ihre Schläge tun verdammt weh. Ich weiß es, sind nicht meine ersten aggressiven Schwulenhasser.

„Hast du schön den Arsch hingehalten für die anderen Arschficker, hä?“

Besonders einfallsreich sind sie nicht, aber das müssen sie nicht. Sie haben schlagende Argumente. Ich sage nichts, bleibe ruhig und hoffe, die Bullen kommen früh genug.

„Warum sagst du denn nichts Popopirat?“, will einer wissen.

„Der ist bestimmt stumm“, lacht ein anderer.

„Die haben dem sicher die Stimmbänder rausgefickt“, ätzt der nächste. Ich spare es mir ihnen zu sagen, dass das anatomisch nicht möglich ist. Gibt nur mehr Schläge. Etwas das ich mir von den letzten Malen gemerkt habe.

„Willst du die Bullen rufen?“, fragt mich einer und schlägt leicht gegen meine Hand, die das Handy festhält. Ich sehe kurz drauf - Sunny hat abgenommen - und ich lasse es in der Jackentasche verschwinden. Lieber Gott, lass sie auflegen und die Bullen rufen, flehe ich im Stillen. Obwohl … bringt ja nichts, wenn sie nicht weiß wo ich bin.

„Verdammt schlau vor einem Schwulenclub auf die Opfer zu warten und sie dann in der Andechsstraße zu verprügeln“, sage ich laut und hoffe Sunny hat es verstanden.

„Es spricht“, lacht einer und ein anderer rempelt mich an. Wenn sie nur lange genug spielen ….

„Fresse halten“, zischt einer und der Kinnhaken folgt auf dem Fuß. Ich würde gerne sagen, dass ich tapfer stehen geblieben bin, aber das wäre gelogen. In Wahrheit falle ich und halte mir den Unterkiefer. Den Schrei allerdings unterdrücke ich. Jetzt kauere ich vor den Typen und wage es nicht sie anzusehen. Nur der kleinste Funke Trotz und die schlagen mich tot. Ich wäre nicht der erste.

„Dämlicher Arschficker bleib gefälligst stehen“, faucht der Nächste und tritt mir in den Bauch. Die Luft bleibt mir weg und ich falle zur Seite. Krümme mich zusammen und ringe um Atem. Zwinge mich dazu. Einatmen, ausatmen.

„Der hält ja gar nichts aus“, blafft ein anderer und tritt zu. Trotz meiner Kauerhaltung trifft er mich hart und quetscht mir erneut die Luft aus den Lungen. Ein stechender Schmerz in der Brust, der einfach nicht verebben will.

„Ein paar Schläge auf den Hinterkopf sollen gegen sein Leiden helfen“, spottet einer und noch bevor der Schmerz in meinem Kopf explodiert, falle ich in Ohnmacht.

 

Es ist dunkel als ich aufwache, aber ich liege bequem. Weich und warm. Ich blinzle und versuche scharf zu sehen. Funktioniert nur bedingt, aber ich bin definitiv im Krankhaus. Und bestimmt stehen mindestens drei meiner Beschützer vor der Türe und warten darauf, dass ich wach werde und sie zu mir dürfen. Das kann noch warten, wenn es nach mir geht. Ich kann ihre Laier jetzt schon hören.

„Gut, Sie sind wach, Herr Tschank“, reißt mich eine Krankenschwester ins Hier und Jetzt. Wenn sie weiter so laut spricht, wissen Sunny, Ben und Mel, dass ich wach bin.

„Mhm“, murmle ich und sehe die Dame an. Sie ist bereits ergraut und isst wohl gerne. Den kleinen Wohlstandsbauch kann sie nicht verstecken, aber sie ist mir sympathisch. Erinnert mich ein bisschen an Mum. Genau was ich jetzt brauche, nur ohne die Vorwürfe.

„Haben Sie schmerzen“, fragt sie und beugt sich etwas näher zu mir.

„Nein“, krächze ich und räuspere mich. Mein Hals ist total ausgetrocknet. Etwas zu trinken wäre schön und noch ehe ich die Schwester darum bitten kann, greift sie nach dem Glas Wasser am Beistelltisch. Langsam und vorsichtig rapple ich mich hoch. Ein leiser Schmerz in der Brust, sonst geht es eigentlich. Ich greife nach dem Glas und stürze es hinunter. Tut gut.

„Danke“, sage ich und klinge schon um einiges besser. „Wann kann ich denn nach Hause?“

Die Schwester lacht und tätschelt mir den Arm. „Heute bleiben Sie zur Beobachtung hier und morgen wird Doktor Thrier nochmal nach Ihnen sehen.“

„Dann ist niemand hier, der auf mich wartet?“

„Nein“, lächelt sie, „Ihren Bruder haben wir nach Hause geschickt.“

Keine Ahnung wie sie das macht, aber ich bin sicher sie weiß genau, dass mich das ungemein beruhigt. Wenigstens noch ein paar Stunden Ruhe. Die Schwester wünscht mir eine gute Nacht, bittet mich den roten Knopf zu drücken, wenn ich etwas brauche und verschwindet wieder.

 

„Herr Tschank, wie geht es Ihnen?“, rauscht der Arzt ins Zimmer, ganz vertieft in meine Akte. Er wirkt gestresst, ist er wahrscheinlich auch.

„Gut. Ich kann nach Hause“, erkläre ich ihm selbstsicher. Jetzt sieht er auf und lächelt mich an. Ein bezauberndes Lächeln, aber mein Schwulenradar schlägt nicht aus. Leider. Der Doktor scheint einige Jahre älter zu sein, aber die grauen Schläfen machen ihn attraktiv, genau wie die Lachfältchen. Von der Bettkante würde ich ihn bestimmt nicht schubsen.

„Diese Entscheidung müssen Sie schon mir überlassen. Können Sie sich erinnern wie es zu dem Unfall kam?“

„Zu dem Unfall?“, frage ich blöde nach und weiß nicht, was er von mir hören will. Unfall war das bestimmt keiner.

„Ja, hier steht Unfall.“

„Es war bestimmt kein Unfall“, knurre ich.

„Dann … sagen Sie mir was passiert ist“, sagt der Doktor, zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich.

„Es waren Skins oder Neonazis, was auch immer. Sie haben gegenüber den Schwulenbar gewartet.“

„Worauf?“, hakt er nach. Völlig wertungsfrei, aber bestimmt kann er sich zusammenreimen, worauf die gewartet haben.

„Auf ein Opfer“, sage ich dennoch. „Ich war zur falschen Zeit, am falschen Ort.“

„Kennen Sie diese Leute?“

Ich schüttle den Kopf und weiß, was als nächstes kommt. Hätte ich nur gesagt, dass es ein Unfall war und ich mich an nichts erinnern kann.

„Ich kann Ihnen nur raten zur Polizei zu gehen und dort Anzeige gegen unbekannt zu erstatten. Wir werden die erforderlichen medizinischen Daten natürlich weiterleiten.“

Ich weiß wie das läuft, ich erstatte Anzeige und nichts passiert, weil ich die Typen nicht kenne. Ich schüttle den Kopf und seufze.

„Herr Tschank, sie haben eine gebrochen Rippe, eine leichte Gehirnerschütterung, Prellungen und eine Platzwunde. Schlimm genug für eine Anzeige möchte ich meinen. Das nächste Mal kann es viel schlimmer sein.“

„Oder es gibt kein nächstes Mal“, brause ich auf. Was weiß der feine Herr Doktor denn schon davon.

„Es ist Ihre Entscheidung. Meine Meinung dazu kennen Sie. Wenn Sie wüssten, wer diese Männer waren, können wir auch vom Krankenhaus aus Anzeige erstatten. Dazu sind wir verpflichtet.“

„Ich hab keine Angst, dass die Schweine mir irgendwo auflauern, wenn ich zur Polizei gehe. Aber nichts wird passieren. Es ist sinnlos.“

„Es mag diesen Anschein haben, aber, Herr Tschank, erst wenn Sie nichts tun, dann ist es sinnlos.“

Ich zucke mit der Schulter. Er hat ja recht und trotzdem bleibe ich lieber in meiner kleinen Welt und biege sie mir, wie sie mir gerade passt. Der Arzt teilt mir mit, dass ich gehen kann und verabschiedet sich von mir. Also kommt jetzt die nächste Hürde. Ben anrufen und darauf hoffen, dass er alleine kommt.

 

Natürlich ist er nicht alleine. Sunny und Mel hat er im Schlepptau und alle drei sehen mich an, als ob ich gestorben wäre. Ja, ich habe Schmerzen, aber dank der Schmerzmittel sehr erträglich.

„Du siehst echt Scheiße aus“, murmelt Mel und scannt mich von oben bis unten. Sunny schließt mich sofort in die Arme und Ben sieht mich streng an.

„Ich weiß, ich weiß. Ich soll zu den Bullen. Ich soll eine Anzeige machen und endlich zur Vernunft kommen“, sage ich bevor es einer von ihnen tut. Sunny löst sich von mir.

„Genau“, nickt Ben bestätigend.

„Tue ich nicht. So wie die anderen Male. Danke fürs Abholen und nach Hause bringen. Danke, dass du gecheckt hast, dass ich in der Scheiße stecke“, wende ich mich an Sunny, „und danke, dass ihr darauf besteht, dass ich Ruhe brauche. Auch vor Standpauken.“

„Bestimmt nicht. Du könntest mit meinem Dad reden. Er geht mit dir zur Polizei, wenn du möchtest.“

„Nein, danke“, lehne ich ab und gehe los, bevor sie mich einfach zu den Bullen zerren.

„Fabi meint, er würde sie anzeigen.“

„Was interessiert mich Fabi? Ich habe ihn erst zwei Mal gesehen“, keife ich sofort los. Wollen die mich jetzt verkuppeln? Oder spielt es eine Rolle, dass Fabi schwul ist. Nicht für mich. Ich ziehe mein Ding durch, schon immer. Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich zu tun habe. Erstaunlicherweise bleiben sie still, werfen sich aber sehr eigenartige Blicke zu. Bin gespannt, was da noch auf mich zukommt. Nein, eigentlich nicht. Eigentlich hätte ich die nächsten paar Tage einfach nur gerne meine Ruhe. Nichts hören, nichts sehen und dann wieder weitermachen. Ganz einfach.

 

Nur nicht für Ben und die Mädels. Sunny löst Ben gerade ab, der bei mir zu Hause sitzt, um mir Gesellschaft zu leisten. Ich habe geschlafen. Meistens jedenfalls.

„Was ist das? Eine Art schräge Intervention?“, will ich von Sunny wissen, als sie sich zu mir auf die Couch setzt.

„Wir wollen dich nicht alleine lassen“, zuckt sie die Schultern und reißt sich die Fernbedienung unter den Nagel. Ich sehe mir bestimmt keinen blöden Schund wie „Shopping Queen“ an.

„Ich bin gern alleine“, brumme ich und versuche die Fernbedienung wieder in meine Gewalt zu bringen.

„Das solltest du jetzt aber nicht sein.“

„Sagt wer?“, stöhne ich ob der Schmerzen und beuge mich weiter zu ihr.

„Sagen wir. Du bist nicht fit und wir kümmern uns um dich.“

„Das habt ihr sonst auch nie.“

„Wir sind lernfähig“, keucht sie, entwindet sich mir und steht auf.

„Ich brauche RUHE“, beharre ich.

„Du musst vernünftig werden“, bleibt Sunny stur. „Rede mit meinem Dad oder geh alleine zur Polizei, aber tu etwas!“

„Das geht euch nichts an.“

„Und ob. Wir sorgen uns um dich. Du bist Familie, Kev.“

„Spiel jetzt nicht das Schwägerinnenass“, schnaube ich und verschränke die Arme vor der Brust.

„Das warst du auch vorher schon, Idiot! Und manchmal muss man jemanden zu seinem Glück zwingen“, ist Sunny stur und rückt auch die Fernbedienung nicht mehr raus. Schöne Scheiße.