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Lara kann sich durchsetzen, beruflich wie privat. Nur ihr Kaffeeheld lässt sie jeden Morgen ein bisschen nervös und unsicher werden. Zarte Bande entwickeln sich, bis Lara erfährt, wer ihr Kaffeeheld wirklich ist.
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„Kaffee, Kaffee, Kaffee“, murmle ich beschwörend vor mich hin und drehe die Heizung im Auto höher. Die Idioten, die vor mir die Straße entlangschleichen denken wohl, es wäre schon Winter und sie auf einer Schneefahrbahn unterwegs. Dabei macht sich nur morgens der Herbst mit deutlich niedrigen Temperaturen bemerkbar.
Nervös sehe ich auf die Uhr am Armaturenbrett, kurz vor acht. Wenn ich nicht bald schneller vorankomme, kann ich mir meinen Kaffee abschminken. Dabei brauche ich ihn gerade heute so dringend. Weniger als Aufwachmittel, als vielmehr um mich zu beruhigen. Kaffee hat viele gute Eigenschaften. Er ist Aufputschmittel, Freundezusammenbringer und auch tröstlich. Mit einem warmen Becher Kaffee in der Hand sieht das schlimmste Hindernis für mich gar nicht mehr so groß aus. Ja, halten Sie mich ruhig für sonderbar. Sie sind nicht die Ersten. Da ist zum Beispiel mein jüngerer Bruder, der nicht verstehen kann, dass ich lieber in einem männerdominierten Beruf arbeite, als mir einen Mann zu suchen und häuslich zu werden. Oder meine Eltern, die sich schon seit Jahren fragen, ob ich lesbisch bin, weil ich nie einen Freund mitbringe. Ich erspare es Ihnen und mir noch weiter zurück zu gehen. Die meisten sind sich einig, dass ich nicht ganz richtig ticke.
Shake it off, um es in Taylor Swifts Worten zu sagen.
Trotzdem hat jemand im Universum ein Einsehen und beschert mir einen Parkplatz genau vor meinem Lieblingscafé, dem Coffee King. Nomen est Omen. Hier gibt es den besten Kaffee der Stadt und den besten Service. Jeden Morgen treibt es mich hierher, selbst an den Wochenenden wo ich genug Zeit hätte, mir selbst Kaffee zu machen. Vielleicht trägt ein klein wenig der süße Typ bei, der mir jeden Morgen meinen Kaffee zubereitet und selbst dann freundlich ist, wenn ich es gar nicht verdient habe. Ich kann ganz schön mürrisch sein, wenn es die Umstände so einrichten. Heute ist es nicht so schlimm, obwohl ich mich in etwa einer halben Stunde wieder totärgern werde.
„Wunderschönen guten Morgen. Einen Cappuccino zum Mitnehmen?“ lächelt er breit, als ich an der Reihe bin. Meine Laune hebt sich erstaunlich und schon jetzt erscheint mir mein Horrortermin gar nicht mehr so schlimm. Ich beobachte meinen heimlichen Helden, wie er den Kaffee zubereitet. Flinke, schlanke Hände und dabei immer ein feines Lächeln auf den Lippen. Ob er immer so viel Spaß bei der Arbeit hat? Ich jedenfalls nicht. Innerlich seufzend zähle ich das Kleingeld ab.
„Etwas Süßes für die Nerven“, ist mein Held freundlich und hält mir kleine Naschereien zum Probieren hin. Dankbar lächle ich, schüttle aber den Kopf. Ich krieg keinen Bissen hinunter vor meinem ersten Kaffee.
„Das nächste Mal vielleicht“, lehne ich ab, bezahle, nehme meinen Becher und verschwinde. Die Zeit drängt.
„Wie sieht‘s bei dir aus, Stefanie?“
Heimlich balle ich meine Hände zu Fäusten. Stefanie hat in unserer Branche nichts zu suchen. Sie kann sich nicht durchsetzen und jammert ständig darüber, anstatt sich Ratschläge zu Herzen zu nehmen.
„Nicht gut. Die nehmen mich nicht ernst, obwohl es bereits einen Unfall gegeben hat“, beginnt die Laier von vorne.
„Dann mach die Baustelle dicht“, entfährt es mir und ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange. Alle starren mich an. Die meisten Kollegen amüsiert, Stefanie versucht mich mit Blicken zu töten und Bernd, unser Chef, trägt wie immer seine ausdruckslose Maske.
„Und wie soll ich das vor dem Bauherren und dem Architekten rechtfertigen?“, quietscht sie.
„Rechtfertigen müssen sich die Firmen. Du hast doch wohl die ÖBA und den Bauherren über die Missstände informiert?“
Stefanie sieht auf den Tisch, anstatt mir zu antworten. Wie konnte Bernd die nur einstellen? Total inkompetent. Abgesehen von ihren riesigen Brüsten und den perfekten Beinen.
„Dann übernimm du das Projekt“, bestimmt Bernd.
„Ich hab schon sechs Baustellen über, wie stellst du dir das vor?“, will ich empört wissen.
„Es scheint bei deinen keine Probleme zu geben, da kannst du dich um diesen Fall kümmern.“ Bernd sieht mich mit diesem Ich-bin-der-Chef-Blick an und ich gebe klein bei. So kann ich wenigstens den Namen unserer Firma reinwaschen.
„Danke“, grinst Thomas, als er mein Büro betritt.
„Wofür?“
„Wir haben gewettet, wann du in die Luft gehst“, lacht er und lässt sich auf den Besucherstuhl fallen. Meine Arbeitskollegen wetten einfach auf alles.
„Und wie habe ich abgeschnitten?“
„Du hast die ersten beiden Termine gesprengt. Ich wusste du hältst durch.“
„Du musst echt aufhören Jochen und Karim abzuzocken“, grinse ich. Thomas ist mein Lieblingskollege. Als ich hier anfing, gab es nur Bernd und ihn. Es hat nicht lange gedauert beide von meinen beruflichen Fähigkeiten zu überzeugen. Seither sind wir ein eingeschworenes Team.
„Die lernen es nie. Was gedenkst du wegen dieser Baustelle in Absam zu unternehmen?“
„Weiß ich noch nicht. Ich fahre morgen hin und schau mir die Sache mal an. Wer Probleme macht, fliegt.“
„Hab gehört die haben ziemlichen Zeitdruck.“
„Umso besser, dann werden sie sich wohl doch benehmen. Ich bin ja kein weinerliches Mädchen, dem man einfach übers Maul fahren kann“, werde ich gemein.
„Stimmt. Du bist eher eine Amazone“, grinst Tom und steht auf.
„Viel Glück morgen“, wünscht er und lässt mich endlich arbeiten. Glück alleine wird nicht reichen, erst muss ich mich durch Steffis Unterlagen arbeiten.
„Sie sehen heute viel fröhlicher aus“, meint mein Kaffeeheld, während er mir meinen Cappuccino zubereitet.
„Ist auch ein wirklich fabelhafter Tag“, lächle ich breit. Ich freu mich tatsächlich auf die Problembaustelle und bin gleichzeitig sicher, dass sie bald keine Probleme mehr machen wird.
„Steht Ihnen viel besser, wenn ich das sagen darf.“
Jeder Tag könnte so beginnen. „Dürfen Sie und danke. Auch für den Kaffee.“ Ich winke und trolle mich. Der Verkehr ist um die Zeit höllisch und um ehrlich zu sein, kann ich es kaum erwarten mir Steffis Problemfall anzusehen.
Ein Baustellenbesuch beginnt jedes Mal mit dem gleichen Ritual. Schuhe wechseln, Helm aufsetzen, Klemmbrett und Kugelschreiber schnappen und meine Schlagfertigkeit auspacken. Schon vom Parkplatz aus kann ich sehen, dass sich die Zimmerer ohne Sicherung auf dem Holzgebäude bewegen. Notiert. Ich schlendere über die Baustelle und begegne dem Polier.
„Wer sind Sie denn?“, fragt er barsch.
„Die Sicherheitskoordinatorin, Lara Bertel“, stelle ich mich vor und tippe mir an den Helm. Nicht um ihn zu grüßen, sondern um ihn auf das Fehlen des seinen hinzuweisen.
„Walther Dichtel, die Letzte hat auch nicht lange ausgehalten“, grinst er amüsiert und streckt mir seine Hand hin. Ich weiß, wie wichtig jetzt ein fester Händedruck ist.
„Die letzte war nicht ich. Ich schlage vor du setzt jetzt deinen Helm auf und bist deinen Männern ein Vorbild“, sage ich viel freundlicher als ich mich fühle. Was ich so gelesen habe, wird das hier ein Heidenspaß. Zumindest für mich, um mich mal richtig auszutoben.
„Mach ich“, grinst er und ich weiß, er lügt. Macht nichts, den hol ich mir später.
Die Baustelle ist eine einzige Katastrophe, zumindest was die Sicherheit angeht. Kaum Absturzsicherungen, niemand trägt einen Helm, von Sicherheitsschuhen ganz zu schweigen. Was zur Hölle hat Steffi hier die letzten Wochen gemacht?
Auf meinem Rundgang treffe ich auf den Bauleiter. Ich stelle mich kurz vor und erzähle ihm ein Märchen, weshalb jetzt ich anstelle von Steffi hier bin.
„Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ihre Firma hätte besser einen Mann schicken sollen“, ist Herr Markovic direkt. Ich mag das.
„Unsereins ist auf Baustellen so oder so nicht gerne gesehen und mit den Männern komme ich schon klar.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr“, seufzt er und fragt nach den Mängeln. Grob gebe ich ihm einen Überblick und verspreche ihm nachher ein Protokoll zu schicken. Bestimmt wird es nicht so weinerlich klingen, wie die von Steffi. Sie hat sich laufend über den rauen Umgangston beschwert oder darüber, dass sie niemand ernst genommen hat. Selber schuld.
Ich setze meine Runde fort, mache mir Notizen, stelle mich den jeweiligen Gewerken vor und sage ihnen was ich bis nächste Woche von ihnen erwarte. Sie belächeln mich, aber das Lachen wird ihnen schon vergehen. Darauf können sie Gift nehmen.
„Wie lief‘s?“, will Bernd von mir wissen, als ich zurück bin.
„Katastrophe, ist alles was ich dazu sage“, seufze ich und setze mich ungefragt.
„Sie ist neu in der Branche“, verteidigt er seine Lieblingsmitarbeiterin.
„Sie ist zu weich für den Job. Zu weinerlich. Zu mädchenhaft.“
„Eifersüchtig?“, stichelt Bernd und grinst dämlich.
„Auf die Titten vielleicht, aber sonst bin ich lieber wie ich bin.“
„Und genau deshalb bist du schon so lange bei mir. Schick mir das Protokoll rüber, sobald du damit fertig bist.“
„Wird gemacht und überleg dir das mit Steffi noch einmal. Von mir aus stell sie als Sekretärin ein, aber die hat auf dem Bau nichts zu suchen“, beschwöre ich Bernd einmal mehr. Er ist kein schlechter Kerl, er ist nur ein bisschen besessen von hübschen Frauen.
„Sie hat die Prüfung, als Sekretärin wird sie wohl nicht arbeiten“, zuckt er die Schultern.
„Eine Prüfung macht noch keinen Sicherheitskoordinator aus ihr.“
„Sie bleibt“, beschließt er.
„Deine Sache, aber juble mir nicht noch einmal ihren Scheiß unter.“
„Du hast dich quasi freiwillig dafür gemeldet“, grinst Bernd gerissen.
„Das nächste Mal kündige ich.“
„Ich werde dran denken. Abmarsch.“ Ich nicke und ziehe mich in mein Büro zurück. Ich mag die Abwechslung in meinem Job, auch wenn es nicht mein Traumberuf ist. Denn eigentlich habe ich immer von einer Bauleiterstelle bei einem Architekten geträumt. Nicht meine fehlende Kompetenz war vor etwa zehn Jahren mein Problem gewesen, sondern, dass ich eine Frau bin. Heute gibt es mehr Frauen in dieser Branche, allerdings sind die Vorurteile nicht weniger geworden. Damals war ich froh, dass Bernd mich eingestellt hat und bin es noch. Ist es bloß Dankbarkeit, dass ich noch hier bin? Kurz bin ich versucht in mich zu gehen, besinne mich aber und mache mich an die Arbeit. Bald ist Wochenende und das genieße ich lieber ohne daran zu denken, was ich Montag noch alles nachholen muss.
Freitagabend lasse ich mich regelmäßig bei meinen Eltern sehen. Mum kocht und Dad fragt mich nach einem Freund. Die Blicke, die die beiden tauschen, wenn ich verneine, entgehen mir nicht. Kümmert mich aber auch nur wenig. Wenn sie nicht verstehen wollen, dass ich keinen Freund brauche, ist es ihre Sache. Kostet nur Nerven ihnen meinen Standpunkt klar zu machen und endet regelmäßig in Streit. Dabei sorgt mein Bruder ohnehin für jede Menge Enkelkinder. Zwei haben sie schon und das Dritte ist unterwegs. Wenn ich auch noch welche bekomme, hätten sie ja überhaupt keine Zeit mehr.
Ich lausche ihren Berichten, was sich während der Woche alles getan hat und verabschiede mich dann nach Hause. Eine heiße Badewanne, Musik und ich entspanne.
Meine Wochenenden verlaufen mehr oder weniger gleich. Freitag bin ich bei meinen Eltern und den Abend hab ich für mich, Samstag treffe ich mich mit meinen Freundinnen und Sonntagnachmittag steht ein Besuch bei meinem Bruder an.
So schön die Freizeit auch ist, freue ich mich jedes Mal, wenn ich Montag wieder arbeiten kann. Es ist gar nicht leicht, die Zeit zwischen meinen Fixpunkten sinnvoll zu nutzen. Meistens grüble ich am Ende doch wieder über die Arbeit nach.
„Morgen“, murmle ich, als ich an Karims Büro vorbeikomme und bekomme keine Antwort. Karim ist vor neun nicht ansprechbar. Anders als Jochen, der nur darauf wartet, dass Tom, Bernd oder ich endlich auftauchen, um uns von seinen Frauen am Wochenende zu erzählen. Heute Morgen hat Jochen ein williges Opfer gefunden, Steffi kichert hinter vorgehaltener Hand und verschüttet beinahe ihren Tee. Schulterzuckend verkrümle ich mich ins Büro und mache mich an die Arbeit.
Montage können echt scheußlich sein. Jedenfalls wenn man Freitag noch jede Menge E-Mails verschickt hat. Ständig klingelt mein Telefon und mein Postfach quillt über. Jeder will sich rechtfertigen und schiebt die Schuld auf andere. Kindergarten. An Tagen wie diesen, denke ich ernsthaft darüber nach, den Job zu schmeißen und eine Ausbildung zur Pädagogin zu beginnen. Dabei arbeite ich mit Erwachsenen, dem Alter nach. Ihr Gehabe ist einfach nur lächerlich.
„Zeit für ein Päuschen“, reißt Tom mich aus meinem Trott und dieses Mal bin ich wirklich dankbar.
„Gerne, ich muss endlich mal mit normalen Erwachsenen reden.“
Grinsend tätschelt Tom meine Schulter, als ich an ihm vorbei gehe. Es geht keinem von uns anders.
„Wie war dein Wochenende?“, will Tom wissen und nimmt sich die Tasse, die ich ihm eingeschenkt habe.
„Wie immer. Freitag bei meinen Eltern, Samstag mit den Mädels unterwegs und Sonntag bei meinem Bruder.“
„Jemanden kennengelernt?“
„Nichts Erwähnenswertes. Wie geht’s deiner Frau?“
„Kugelrund und nur noch am Jammern“, seufzt er und ich grinse. Hochschwangerer werden gern einmal weinerlich, sagt jedenfalls meine Schwägerin. Sie nicht, sie ist die geborene Mutter.
„Wenn du Glück hast, kommt er schon vor dem Termin“, muntere ich ihn auf.
„Oder sie“, verbessert mich Tom, „aber ich glaube Sarah gefällt es viel zu gut von mir umsorgt zu werden, als dass sie den kleinen Wurm endlich raus lässt.“
Ich muss mir das Lachen verkneifen, weil Tom dermaßen ernst ist. „Es geht alles vorbei. Frag meinen Bruder.“
„Der muss ein Heiliger sein.“
„Weit davon entfernt. Willst du mal raus? Dann entführ ich dich auf ein Bier.“
„Lieber nicht, ich nutze die Nächte um zu schlafen, so lange ich noch kann.“
„Du kleiner Optimist“, grinse ich und tätschle seine Schulter.
„Der Markovic will dich sprechen, Lara. Ich stell‘s durch“, brüllt Stefanie genervt durch die Büroräume. Thomas kichert und schulterzuckend stehe ich auf.
„Ich liebe Zickenkrieg“, säuselt Thomas noch ehe ich zu weit weg bin. Mein Nicken sieht er sicher noch und ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Irgendwie mag ich es auch, Stefanie eins auszuwischen.
Die Woche verläuft ruhig und genau nach Plan. Und so sieht mich mein Kaffeeheld auch Freitagmorgen gut gelaunt in seinem Laden. Da ich heute ein bisschen später dran bin, ist das Café schon ziemlich leer. Die meisten seiner Kunden sitzen bestimmt schon in ihren Büros. Bei mir steht heute die neue Baustelle auf dem Programm und ich bin gespannt, wer sich jetzt schon an die Regeln hält.
„Guten Morgen“, begrüßt mich mein Held breit lächelnd und ich erwidere es. Kann gar nicht anders, seine gute Laune ist ansteckend. Dann wandert sein Blick auf die Uhr.
„Sie sind später dran heute“, stellt er fest, fragt aber nicht nach.
„Ja, ich dachte, ich lasse es heute ruhiger angehen“, erkläre ich trotzdem.
„Klingt nach einer stressigen Woche“, stellt er eine weitere Frage, die keine echte ist. Aber ich genieße den Plausch, der sich sonst nur selten ausgeht.
„Arbeitsintensiv, aber kein Stress. Anders als bei Ihnen, nehme ich an?“
„Je mehr Kunden, desto besser für mich“, lächelt er, drückt den Deckel auf den Becher und stellt ihn mir hin.
„Ein Optimist, also. Wissen Sie was, zur Feier des Tages, nehme ich auch noch eine Nussschnecke mit.“
„Sehr gerne. Was gibt es denn zu feiern?“
„Keine Ahnung, eine erfolgreiche Woche. Die nette Unterhaltung. Ich bin noch unschlüssig.“
„Dann schenke ich Ihnen die Nussschnecke, damit die Entscheidung etwas leichter fällt“, zwinkert er und weigert sich, mein Geld dafür anzunehmen.
„Danke“, sage ich. „Und einen schönen Tag.“
„Den wünsche ich Ihnen auch.“
Ich frage mich, ob es jemanden auffallen würde, wenn ich generell eine halbe Stunde später ins Büro kommen würde. So hätte ich ein paar Minuten mehr mit meinem Kaffeehelden. Grinsend schüttle ich den Kopf und steige in mein Auto. Über Frühlingsgefühle im Spätsommer kann ich mir nachher auch noch Gedanken machen. Jetzt haben andere Dinge Vorrang. Auf in den Kampf.
Ich komme denkbar ungünstig an, denn kaum jemand ist auf der Baustelle zu sehen. Es ist kurz nach neun und ich vermute, die Arbeiter genießen ihre erste Pause. Trotzdem entschließe ich mich für einen Rundgang und ziehe mich um.
Kaum habe ich die Baustelle betreten, treffe ich auf den Bauleiter. Ohne Helm.
„Guten Morgen Herr Markovic“, grüße ich zuckersüß und ertappt zuckt er zusammen, ehe er sich zu mir dreht.
„Guten Morgen Frau Bertel“, lächelt er gewinnend und streckt mir seine Hand entgegen. Aber so leicht kommt er aus der Sache nicht raus.
„Ich hätte einen Helm in meinem Auto“, biete ich an.
„Ähm, ich habe meinen auch im Auto“, sagt er, macht aber keine Anstalten ihn zu holen.
„So lange der Kran steht, herrscht Helmpflicht.“
„Natürlich, aber im Moment arbeitet ja niemand.“
„Die Sache ist die, Herr Markovic, wenn nicht einmal der Bauleiter einen Helm trägt, gibt das ein sehr schlechtes Bild.“
„Ja, aber …“
„Sie müssen sich nicht erklären. Sie haben das Hausrecht. Sagen muss ich es trotzdem“, unterbreche ich ihn, bleibe aber höflich. Seufzend gibt er nach und verlässt die Baustelle. Ich freue mich diebisch. Eins zu null für mich.
Auch die nächsten Punkte meiner Liste kann ich abhaken. Offenbar hat Stefanie hier überhaupt nichts getan, sonst wäre es bestimmt besser gelaufen. Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt.
„Ah, die Frau von der Sicherheit“, kommt mir der Polier entgegen. Ohne Helm und ohne richtiges Schuhwerk. Ein harter Brocken, wie ich es geahnt habe.
„Der Herr Polier. Liegt dein Helm auch im Wagen?“, frage ich ein bisschen bissig.
„Nein, im Baucontainer“, schnauzt er und baut sich vor mir auf. Beeindruckt mich kein Stück.
„Dann solltest du ihn holen und aufsetzen.“ Das Kichern der drei Männer, die rechts von uns stehen, nehme ich nur nebenbei wahr. Aber mir ist klar, dass ich jetzt nicht ohne Kräftemessen aus der Nummer rauskomme. Und wahrscheinlich wird auch der Polier nicht nachgeben.
„Wozu denn? Der Kran ist nicht im Einsatz.“
„Das spielt keine Rolle, so lange er hier steht, habt ihr eure Helme zu tragen. Deine Männer schaffen es ja auch einen aufzusetzen“, deute ich mit dem Kopf auf unsere Zuschauer.
„Die gehören nicht zu mir“, schnauzt er. „Das sind die Zimmerer.“
„Dann nimm sie dir als Vorbild.“
„Wo kämen wir denn da hin“, lacht er.
„Wie ich das sehe, gibt es nur zwei Möglichkeiten“, rede ich langsam, als würde ich mit einem Kind sprechen. „Entweder du trägst den Helm, oder ich schmeiße dich von der Baustelle.“ Er lacht lauter und sein Körper wird kräftig geschüttelt.
„Ohne uns steht die Baustelle. Ich muss den Keller noch fertig machen, sonst können die Zimmerer am Montag die Wände nicht draufstellen. Du kannst mich nicht von der Baustelle werfen.“
„Sicher?“, grinse ich überlegen. Ich kann und ich werde. Auch wenn das heißt, mit einem ziemlich angepissten Bauleiter reden zu müssen.
„Machst du nie“, ist er sicher.
„Schon passiert. Ich verweise dich von der Baustelle, so lange du dich weigerst die Sicherheitsvorschriften zu beachten.“
„Meine Männer sind dann auch alle weg“, droht er.
„Du hast bestimmt einen Stellvertreter, der sie koordinieren kann.“ Ich sehe ihn nicht an, sondern spreche mit ihm, während ich mir den Verweis notiere.
„Das kannst du nicht machen!“, wird er wütend.
„Hab ich schon. Du kannst deinen Helm holen, ihn aufsetzen und alles ist wieder gut. Aber so lange du dich weigerst, besteht der Verweis. Würdest du also bitte die Baustelle verlassen.“
Schnaubend wendet er sich ab und ich bin sicher ein paar Schimpfwörter gehört zu haben, als er abdampft und seine Männer ruft. Auch die drei Zuschauer sind verstummt. Jetzt wissen sie, wer die größeren Eier hat und Baustellen sind schlimmer als Kaffeekränzchen. So schnell wird sich keiner mehr gegen meine Anweisungen sperren.
„Frau Bertel!“, ruft der Bauleiter keine zehn Minuten später und kommt eilig auf mich zu. Ich bleibe stehen und warte auf ihn.
„Stimmt das?“, will er wissen, noch bevor er bei mir angekommen ist.
„Was denn?“, stelle ich mich dumm.
„Dass Sie den Polier der Baustelle verwiesen haben“, schnauft er. Sein Kopf ist hochrot und ich wette, ich habe einiges dazu beigetragen.
„Das stimmt, ja.“
„Wissen Sie denn nicht, unter welchem Zeitdruck wir stehen?“
„Das weiß ich, aber Sie werden mir bestimmt zustimmen, dass wir deshalb die Sicherheit nicht schleifen lassen können.“
„Bloß weil er den Helm nicht aufsetzen wollte“, wird der Bauleiter lauter.
„Vorschriften sind Vorschriften. Sie müssen sich ja auch an Normen halten, nicht wahr?“
„Das ist nichts weiter als Schikane“, wirft er mir vor.
„Ich bin für die Sicherheit verantwortlich, an mich wendet man sich, wenn etwas passiert und ich halte meinen Kopf sicher nicht dafür hin“, sage ich ruhig. Innerlich verspüre ich große Genugtuung. Es tut mir zwar leid, dass der Bau nun in Verzug kommt, aber ich habe die Konsequenzen schriftlich, als auch mündlich angekündigt.
„Das wird Folgen haben“, droht er mir. „Der Bauherr legt viel Wert darauf, dass der Zeitplan eingehalten wird. Wie soll ich ihm erklären, dass sie die Baustelle einstellen?“
„Das tue ich nicht, Herr Markovic, ich habe lediglich den Polier verwiesen. Soll die Baufirma eben einen anderen schicken. Aber ich muss Ihnen Ihren Job bestimmt nicht erklären, das wissen Sie doch sicher auch.“
„Überdenken Sie Ihre Entscheidung noch einmal, Frau Bertel“, knurrt er und ich schüttle den Kopf. So lange mein Kopf rollt, wenn etwas passiert, wird sich an die Regeln gehalten. Ganz egal wer dieser Bauherr ist, oder wie viel Geld und Macht er hat. Ich mache meinen Job ordentlich. Markovic sagt mir, dass ich diese Entscheidung bereuen werde und lässt mich stehen. Höchste Zeit Bernd anzurufen. Besser er weiß worum es geht, wenn Markovic sich über mich beklagt.