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Manuela Mair

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Beschreibung

Das Leben könnte so einfach sein, findet Sunny. Wäre da nicht ihre Mutter, die sie ständig unter die Haube bringen will, oder ihr Chef - Weiberheld und neuerdings ziemlich attraktiv. Als dann noch der gutaussehende Alex in ihr Leben tritt scheint das Chaos perfekt. Gut, dass ihre Freunde ihr zur Seite stehen, oder nicht?

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Manuela Mair

Voll Daneben

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

1

 

„Langsam wird‘s Zeit, dass ich jemanden für die Büroarbeit finde. Mir hängt sie zum Hals raus“, stöhnte Ben, als ich gerade von der Toilette zurückkam.

„Noch keine Bewerbungen eingetroffen?“, mischte ich mich ein.

„Doch aber nur Nieten. Entweder sie können nichts oder ich kann nicht mit ihnen.“

„Warum fragst du nicht Sandra“, hatte Kevin eine seiner glorreichen Ideen.

„Mich?“, wurde ich fast hysterisch. „Kommt nicht in Frage.“

„Warum denn nicht? Du jammerst ständig, dass dir dein Job keinen Spaß macht und Ben sucht eine kompetente, junge, witzige und hübsche Bürokraft. Passt perfekt“, verteidigte Kev seinen Vorschlag.

„Tut mir leid, Ben, wenn ich das so sagen muss, aber mit einem wie dir könnte ich nie zusammenarbeiten“, erklärte ich selbstbewusst.

„Wie einen mit mir? Was soll das denn jetzt bedeuten.“

„Du hast doch nur deine Weiber im Kopf. Abgesehen davon, denke ich nicht, dass ich mit einem Macho als Chef zurecht käme.“

„Ich bin kein Macho“, verteidigte sich Ben ganz entrüstet.

„Nein? Was dann? Du solltest dich mal sehen, wie du mit den Mädels umgehst.“

„Ach was,“ winkte er ab, „frag die doch mal, die brauchen das.“

„Das denkst du also? Sie sind alle ganz scharf darauf, mit dir oder deinen Kumpels ins Bett zu gehen, in eurem Ranking bewertet und abserviert zu werden?“, steigerte ich mich hitzig in das Gespräch.

Ben nickte überzeugt und Kevin pflichtete ihm bei: „Das ist wirklich so. Tatsache. So wahr ich hier sitze.“

„Für dich würde ich nicht arbeiten. Niemals“, unterstrich ich nochmals meine Meinung und schloss eine weitere Diskussion aus.

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Keine vier Wochen später ging der Laden, in dem ich arbeitete, in Konkurs und ich verlor meinen Job. Da stand ich nun, ohne große Aussicht mein Gehalt zu bekommen. Die Miete für meine Wohnung war fällig und der Kühlschrank wollte auch wieder mal gefüllt werden. Ich heulte mich bei meiner Freundin Mel aus. Geduldig wie immer hörte sie sich mein Klagen an.

„Hör mal“, begann sie mich zu trösten, zumindest dachte ich das, „du hast mir vor ein paar Tagen erzählt, dass dir Kevs Bruder einen Job angeboten hat.“

„Ja, aber da werde ich nicht fragen. Ich hab ihm gesagt, ich würde niemals für ihn arbeiten und das kann ich auch nicht. Stell dir mal vor, ich müsste es den ganzen Tag mit diesen dummen Tussis aushalten, mit denen er sich ständig umgibt. Und dann noch seine Ansichten über Frauen... das geht mir total gegen den Strich.“

„Aber du könntest die Miete bezahlen und abgesehen davon hätte ich nichts dagegen, als Eintrag auf seiner Liste zu enden.“

Ungläubig starrte ich Mel an.

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“

„Warum nicht? Er ist scharf, ich bin alleinstehend und ich wüsste ja, worauf ich mich da einlasse.“

Langsam begann ich zu verstehen, was mir die Brüder vor Kurzem klar machen wollten.

„Du findest es nicht verwerflich, wie er mit den Mädels umgeht?“

„Ach Sunny, manchmal bist du schon mehr als ein Moralapostel. Die Mädels wissen doch mittlerweile alle, wie der Hase bei Ben und seinen Jungs läuft. Und du weißt, dass Ben kein schlechter Mensch ist.“

Vielleicht hatte Mel ja Recht und ich brauchte nur einen anderen Blickwinkel. Oder ich war einfach nur zu spießig?

„Okay. Einen Versuch ist es wert. Ich werde das Angebot, sofern es noch steht, annehmen“, sprang ich über meinen eigenen Schatten.

„Das, meine liebe Sunny, ist die richtige Entscheidung“, grinste Mel.

 

Ich suchte meine Bewerbungsunterlagen zusammen, überarbeitete sie und warf mich in Schale – wenn schon förmlich, dann aber richtig. Zufrieden mit meiner Vorbereitung und meinem Aussehen ging ich zu Bens Laden. Auf dem Weg dorthin rief mich Kev an.

„Hi, du fleißige Biene. Was machst du gerade?“

„Ich bin auf dem Weg zu deinem Bruder und versuche einen Job zu kriegen.“

„Du verarscht mich“, lachte er lauthals auf.

„Nein. Mein voller Ernst.“

„Wie jetzt?“

„Die Kurzfassung: Mein Chef ist pleite. Ich hab keinen Job. Die Miete ist zu bezahlen und Mel hat mich davon überzeugt, dass ich mich bewerben soll.“

Er lachte schallend.

„Ja, ja unsere Mel", wollte er schon zu einer seiner ausschweifenden Reden ausholen, die ich aber gleich im Keim erstickte.

„Ich muss Schluss machen, bin gleich da“, verabschiedete ich mich von ihm.

„Viel Glück.“

Ich bedankte mich, legte auf und atmete nochmal tief durch, bevor es losging. Als ich die Ladentür öffnete, klingelte eine kleine Glocke um meinen Besuch anzukündigen.

„Komme gleich“, rief Ben aus einem Hinterzimmer.

Plötzlich rutschte mir mein Herz in die Hose und ich fragte mich, was ich hier eigentlich machte. Aber noch bevor ich zu einer Antwort kam oder die Flucht ergreifen konnte, stand Ben schon vor mir.

„Sunny“, freute er sich, „was kann ich für dich tun?“

Ich kramte schweigend die Bewerbungsmappe aus meiner Tasche und hielt sie ihm hin. Er lächelte spöttisch.

„Ist es das, wofür ich es halte?“

„Wofür hältst du es denn?“, fragte ich ein wenig schnippisch.

„Du willst dich bewerben?“

Ich nickte. Selten war mir eine Situation so peinlich, wie diese. Hatte ich doch noch immer meine hochtrabenden Worte im Ohr – niemals würde ich für dich arbeiten... Niemals!

„Dann komm mal mit ins Büro“, sein Ton war nun sehr geschäftsmäßig. Gott, wie ich ihn hasste. Natürlich hasste ich ihn nicht wirklich. Ich fand ihn sogar ganz toll, mit Ausnahme von seiner Einstellung zum weiblichen Geschlecht. Ich mochte ihn nur auf einer anderen Ebene als die Frauen, die ihn ständig umschwirrten.

Er bot mir einen Stuhl an und ich setzte mich widerwillig. Ben blätterte meine Unterlagen durch.

„Du hast also schon in einer Buchhandlung gearbeitet?“

Diese Frage war völlig überflüssig, schließlich war ich seit dem ersten Schultag mit seinem Bruder Kev befreundet und da ich auch Ben mittlerweile zu meinem Freundeskreis zählte, kannte er die Antwort genau.

„Ja, da hab ich meine Lehre absolviert.“

„Als Buchhändler?“, grinste er frech.

„Nein, in der Buchhaltung. Ich bin Bürokauffrau“, presste ich verärgert hervor. So ein Blödmann!

„Und was hast du dann gemacht?“

„Den gleichen Job in anderen Firmen.“

„Und warum hast du so oft die Stelle gewechselt?“

„Das weißt du alles.“ Nun war ich schon richtig zornig.

„Ich wollte nur mal sehen, wie lange du durchhältst“, lachte Ben.

„Schönen Dank auch. Krieg ich nun den Job?“

„Willst du ihn denn?“

„Ich brauch ihn.“

„Ach, sieh an. Wie kommt’s?“

„Die Firma ist pleite.“

„Weißt du was ich am meisten liebe?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Wenn Frauen mich brauchen“, grinste er dreckig.

Ich setzte mein strahlendes Lächeln auf: „Mein lieber Freund, ich brauche nicht dich, sondern diesen Job“, entgegnete ich in souveräner Manier.

„Ach Sunny, irgendwann wird sich das auch noch ändern“, stichelte er weiter. Das war die Art Konversation, die wir schon immer führten.

Ich griff nach dem Foto bei meinen Unterlagen.

„Steck es dir in die Brieftasche, denn ich möchte, dass du es jeden Tag siehst und dir dabei folgender Satz durch den Kopf geht: Die Frau krieg ich nie!“

Ich strahlte ihn zuckersüß an und Ben lachte.

„Ich denke, wir werden viel Spaß miteinander haben.“

 

Die Tage und Wochen vergingen wie im Flug und ich hatte mich schnell eingearbeitet. An die zahlreichen Mädchen hatte ich mich gewöhnt, auch wenn es mir immer noch nicht gefiel, und auch an Bens Freunde, die einmal die Woche vorbeikamen. Alles in allem war es ein toller Job. Ich hatte eine Menge Spaß.

„Na, mein Sonnenschein, wie geht’s uns diese Woche?“, begrüßte mich Frank, einer von Bens Freunden, und hielt mir wie jeden Montag eine Tasse Kaffee unter die Nase.

„Du bist montags mein Lichtblick.“

„Lass das bloß nicht Ben hören“, zwinkerte er mir zu, „sonst wird er noch eifersüchtig.“

„Ach, woher denn. Der wär doch froh, wenn du eine wie mich zum Ranking anschleppen würdest“, lachte ich.

„Nanana, verkauf dich nicht unter Wert.“

„Seien wir ehrlich, Frank, eure ‚Beute’ sieht doch ein klein bisschen anders aus als ich.“

„Das heißt aber nicht, dass du nicht klasse bist.“

„Wir werden uns jetzt auf keinen Fall weiter darüber unterhalten“, beendete ich das Gespräch, das mir ein wenig zu verbindlich geworden war.

Ich konnte nicht mit Komplimenten umgehen und fühlte mich jedes Mal unbehaglich, wenn ich welche erhielt, was ohnehin selten vorkam. Aber gab es überhaupt eine richtige Reaktion auf Komplimente, ich hatte keine Ahnung.

„Dein Wunsch ist mir Befehl“, riss mich Frank aus meinen Überlegungen. „Und weil wir grad beim Thema sind, dein Tipp?“

„So ungern mir das jetzt über die Lippen kommt, aber ich denke, Ben hat die Nase vorn.“

„Nicht schon wieder“, murrte Frank.

„Ist nur geraten. Kann mich ja auch irren.“

„Du bist aber verdammt gut im Raten. Zwei von zwei. Das sind hundert Prozent. Wie machst du das? Schummelst du?“

„Du weißt, das würde ich niemals machen. Um es mit Bens Worten auszudrücken, ich bin eine Gerechtigkeitsfanatikerin und mein Gewissen lässt so was nicht zu.“

„Aber wie schaffst du das dann, Sunny?“

„Keine Ahnung. Ich kann´s einfach.“

„Du bist unheimlich, aber ich sag dir was. Wenn du heute wieder richtig liegst, dann geben wir dir einen aus.“

„Einverstanden.“

 

Kurze Zeit später standen die Jungs scherzend in meinem Büro.

„Ich verbeuge mich vor dir. Hattrick“, lachte Frank.

„Ich bin wahnsinnig gut“, lobte ich mich selbst.

„Hopp, hopp jetzt. Sonst gibt’s keinen Glühwein.“

„Will ich denn den?“

„Ich hab so das Gefühl, dass du den willst.“

„Bist du auch gut im Raten?“, wollte ich wissen.

„Nein. Ben meinte, du liebst das Zeug“, gab Frank ganz ehrlich zu.

Lachend zogen wir zum Weihnachtsmarkt, wo ich einen Becher Glühwein bestellte.

„Nur einen?“, sagte Steve bestürzt. „Geben Sie Ihr sechs Glühwein, bitte“, korrigierte er meine Bestellung.

„Ihr seid ja wahnsinnig, wie soll ich das trinken“, gab ich mich entrüstet.

„Wieso? Ich hab gesagt, wir geben dir einen aus. Wir sind sechs und jeder zahlt einen“, erklärte Frank ganz ernst.

„Hätte ich das nicht kommen sehen müssen?“, ergab ich mich mit einem Seufzen.

„Ach, die schaffst du locker“, munterten die Jungs mich auf. Ich löffelte die Suppe, die ich mir nicht eingebrockt hatte, tapfer aus. Abgesehen davon, dass mir ganz schön heiß und schwindlig war, ging es mir gut.

„So, Jungs ich geh jetzt meinen Rausch ausschlafen und nie, wirklich niemals wieder, werde ich euch meinen Tipp für Ranking nennen. Das hier“, ich hielt die letzte Tasse hoch, „war mir Lehre genug.“

Die Freunde bogen sich vor lauter Lachen.

„Und wer darf dich jetzt nach Hause begleiten“, fragte Freddie scherzend.

„Du ganz bestimmt nicht. Alter Schwerenöter. Gute Nacht, Jungs. Amüsiert euch noch schön auf meine Kosten.“

„Warte, ich komm mit“, meinte Ben und ich hakte mich bei ihm unter.

„Du denkst doch an das Foto?“, warnte ich ihn schwach.

„Schon gut. Von mir geht keine Gefahr aus.“

„Lass mich raten, das sagst du allen.“

„Und ich dachte, du wolltest nicht mehr raten.“

Schweigend liefen wir nebeneinander her. Ben schloss, ganz Gentleman, meine Wohnungstür auf und reichte mir die Schlüssel.

„Danke und bis morgen“, brachte ich gerade noch so heraus. Als ich mich an ihm vorbeischieben wollte, hielt er mich fest, drehte mich herum und küsste mich. Nicht hart und fordernd, wie ich es von ihm erwartet hätte, sondern zärtlich, fast behutsam. Und während ich noch wie in Zeitlupe meinen Gedanken nachhing, wurde mir bewusst, dass er mich wirklich küsste. Ich war erstaunt oder eher entsetzt und bevor ich mich wehren konnte, ließ Ben mich los. Offensichtlich starrte ich ihn genauso entsetzt an, wie ich mich fühlte, denn er sagte nur „Tut mir leid“ und weg war er. So schnell, dass ich nicht einmal etwas antworten konnte. Verwirrt ließ ich mich in mein Bett fallen und fiel in einen unruhigen Schlaf.

 

Am nächsten Morgen riss mich mein geliebter Handywecker, der mich nie im Stich ließ, aus dem Schlaf. Hundemüde schlich ich ins Bad.

„Du siehst richtig, richtig fertig aus“, berichtete mein Spiegelbild.

Angestrengt dachte ich an gestern Abend. Irgendetwas war doch passiert. Ich ließ alles noch einmal an mir vorüberziehen und das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, war, dass Ben mich nach Hause gebracht hatte.

Sex, schoss es mir durch den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Das würde man nicht vergessen. Oder doch? Panik machte sich in mir breit. Ich könnte Ben nicht mehr in die Augen sehen, genau so wenig wie meinen Freunden und seinen Jungs. Gut, denen vielleicht schon. Die würden es sowieso nie erfahren, Ben würde diesen Ausrutscher sicher für sich behalten. Mit dem Aussehen dieser Mädchen konnte ich wirklich nicht mithalten. Fest stand nur eins, ich musste mir Klarheit über das Geschehen verschaffen und ich war überzeugt, dafür würde mir noch eine Raffinesse einfallen.

 

„Morgen, Chef“, rief ich durch den Laden, als ich ankam und erntete ein schlecht gelauntes Grummeln.

Ben stand in der Küche und machte Kaffee, alles wie immer. Gut. Ich ließ mich auf einen der Stühle nieder und jetzt musste ich nur noch geschickt erfragen, was am vergangenen Abend passiert war.

„Wir hatten gestern keinen Sex, oder?“

Zugegeben nicht sehr diplomatisch und von Raffinesse keine Rede, aber das war noch nie meine Stärke gewesen. Ben, der gerade seinen ersten Schluck Kaffee zu sich nehmen wollte, prustete ihn in die Spüle. Er wischte sich, nicht besonders gründlich, mit einem Handtuch über den Mund und sah mich ungläubig an.

„Na?“, forderte ich ein bisschen schroff eine Antwort.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“

Zog er mich auf oder war er tatsächlich gekränkt. Forschend sah ich ihn an.

„Du kannst dich an nichts erinnern?“

„Doch ich weiß noch, dass du mich nach Hause gebracht hast.“

War er erleichtert oder bildete ich mir das nur ein?

„Okay“, seufzte er, „so was ist mir zwar noch nie passiert... aber du hast mich noch rein gebeten und mich dann verführt.“

„Nein!“, entfuhr es mir. Erschrocken hielt ich die Hand vor den Mund. Ben nickte.

„Aber… ich meine… wie konnte ich nur… dich?“

Noch ein Nicken. Die kleinen Lachfältchen um seine Augen verrieten ihn.

„Du nimmst mich gerade ziemlich auf den Arm, was?“

Er lachte, dass es ihn regelrecht schüttelte und sein Gesicht eine für diese Tageszeit ungewöhnlich rote Farbe annahm.

„Das ist so was von gemein“, schrie ich ihn an, konnte aber mein Lachen selbst nicht mehr halten, wahrscheinlich vor Erleichterung.

„Tut mir echt leid. Ich konnte nicht anders“, kriegte Benjamin sich langsam wieder ein.

„Schon gut. Ich bin nur froh, dass nix passiert ist.“

Wir saßen noch eine Weile da und lachten miteinander, bis es Zeit war, an die Arbeit zu gehen. Der Vormittag zog sich schier unendlich in die Länge. Immer wieder dachte ich darüber nach, wie es wäre, mit Ben zu schlafen. Nicht, dass ich das gewollt hätte, aber eine gewisse Neugierde konnte ich selbst vor mir nicht verbergen. Ich malte mir alle möglichen Szenarien aus, bis Kev ins Büro gestürmt kam.

„Hallo, Urlauber“, freute ich mich, ihn zu sehen und wir knuddelten erst mal zur Begrüßung.

„Sunny, du wirst nicht glauben, wie toll mein Urlaub war.“

„Versuch´s mal!“

„Ich kam nachts an, konnte aber nicht schlafen, so aufgedreht war ich. Also geh ich an die Hotelbar und wen seh' ich?“

„Keine Ahnung. Cameron Diaz?“

„Besser. Streng dich an!“

„George Clooney.“

„Du errätst es ja doch nie. Bernhard Hauser.“

„Der Bernie aus unserer alten Clique?“

„Genau der und rate mal, was mit ihm ist?“

„Er ist schwul?“

„Japp.“

„Sicher?“

„Ganz sicher, Schätzchen“, zwinkerte Kev.

„Ich fass es nicht. Du und Bernie, ein Paar?“

„Liebe auf den, keine Ahnung, wievielten Blick. Er ist nächste Woche in der Stadt. Ich freue mich ja so, ich kann’s dir gar nicht sagen“, verfiel er richtig ins Schwärmen, bis er plötzlich stutzte: „Moment mal.“

„Ist dein Bett zu klein?“

„Nein, das mein ich nicht. Irgendetwas ist anders an dir. Was ist es?“

Unverhohlen musterte er mich.

„Die Haare?“, half ich aus.

„Nein.“

„Klamotten?“, versuchte ich es weiter und sah kurz zu Ben in den Verkaufsraum.

„Oh, nein. Das glaub ich nicht“, tat er entsetzt.

„Was?“

„Du hast dich in ihn verliebt. Wer hätte das gedacht?“

„In wen soll ich mich verliebt haben?“

Langsam wurde dieses Spielchen mühselig.

„Ben!“, rief er.

„Scht“, wies ich ihn zurecht, „du spinnst doch.“

„Schätzchen, abgesehen davon, dass ich dich kenne und du vermutlich schon ein Weilchen da drin hängst, hast du den gewissen Blick. Du siehst ständig zu ihm hin…“

„Mach ich nicht.“

„Doch.“

„Gut, hab ich, aber nur weil ich wissen wollte, ob ich ihm helfen soll.“

„Du hast gelächelt“, flötete Kev zuckersüß.

„Ganz egal, was du auch sagst. Ich bin nicht verliebt und schon gar nicht in Ben. Basta.“

„Wollen wir wetten?“

„Nein.“

„Aha.“

„Nix, aha und wenn du mir sonst nichts zu sagen hast, ich hab zu arbeiten.“

„Hab ich aber. Ich will nur absolut sicher gehen. Malst du dir aus, ihn zu küssen?“

„Nein.“ Zumindest nicht hauptsächlich.

„Du hast keine Schmetterlinge im Bauch, wenn er dich berührt?“

„Nein.“ Heute hatte er mich noch nicht berührt.

„Gut, Schätzchen. Es besteht noch Hoffnung“, stellt er fachmännisch fest und weg war er. Typisch für Kev, mitten im Gespräch abzuhauen. Vor allem nach einer solchen Unterstellung. Ich meine, verliebt in Ben, den größten Herzensbrecher weit und breit? So ein Quatsch!

 

Der restliche Tag verlief ruhig, wenn ich auch immer wieder damit zu tun hatte, dass ich mich in meinen Gedanken verlor. Abends brachte mir Ben die Kasse, um sie in den Tresor zu sperren. Unsere Finger streiften sich. Nichts, gar nichts löste das in mir aus. Ich wollte in meinem Innersten schon zu jubeln beginnen, als ich plötzlich dieses Kribbeln im Bauch spürte. Zuerst nur ganz leicht, aber dann immer stärker.

„Du bist verliebt“, flüsterte eine innere Stimme, die ich aber geflissentlich überhörte.

„Alles klar bei dir?“, fragte mich Ben, dem meine kurze gedankliche Abwesenheit aufgefallen war.

„Ja. Es war nur ein anstrengender Tag heute. Ich werde unseren Kaffeeklatsch sausen lassen.“

„Okay, dann sehen wir uns morgen.“

Ich nickte lächelnd, nahm meine Sachen und flüchtete nach Hause.

 

2

 

Die Tage verstrichen langsam und mein Geburtstag stand bevor, aber von Partylaune keine Spur. Eigentlich hatte ich zu gar nichts Lust, aber die größte Überwindung kostete es mich zur Arbeit zu gehen und Ben zu begegnen. Allerdings ließen meine Freunde bei den Vorbereitungen für meinen Geburtstag nicht locker, das einzige, das ich mir im Moment vorstellen konnte, war ein einfacher Kinoabend.

„Und wer kommt mit?“, fragte Kev, als er mit Mel auf meiner Couch saß, um meine „Party“ vorzubereiten.

„Na, ihr beide und Bernie.“

„Und Ben?“, hakte Mel nach.

„Nein. Der hat keine Zeit.“

„Hast du ihn denn gefragt?“, bohrte sie weiter.

„Nein, hab ich nicht“, stöhnte ich genervt.

„Also kommt er mit. Er war immer dabei“, beschloss sie.

„Nein. Er kommt nicht mit“, beharrte ich, „Mein Geburtstag ist Montag und da hat er nie Zeit, weil er sich mit den Jungs trifft.“

„Du hast ihn nicht gefragt“, stellte Mel fest.

Kev schien sich bei unserer Unterhaltung köstlich zu amüsieren, er hatte sich entspannt zurück gelehnt um unserem Schlagabtausch zu folgen.

„Nein. Nicht nötig. Er kommt nicht mit“, beharrte ich auf meiner Entscheidung.

„Ich dachte, sie wäre in deinen Bruder verliebt?“, wandte sich Mel an Kev.

„So ist es auch.“

„Nein, so ist es nicht“, verteidigte ich mich.

„Was denn nun?“, wollte sie eine Erklärung für das Durcheinander und Kev gab sie ihr nur allzu bereitwillig.

„Also Mel, das ist so. Sunny ist in Ben verliebt. Und weil sie davon überzeugt ist, dass Ben keine gute Partie ist, verdrängt sie es einfach und geht ihm aus dem Weg. Was sich ziemlich schwierig gestaltet, weil sie ja für ihn arbeitet.“

„So ein Blödsinn. Warum sollte Ben keine gute Partie sein. Ich würde mir alle fünf Finger abschlecken, wenn ich an ihrer Stelle wäre“, mit Kopfschütteln unterstrich Mel ihr Unverständnis.

„Zu eurer Information, ich bin anwesend“, stöhnte ich genervt.

„Also, warum versuchst du's nicht mal mit Ben?“, wollte Mel jetzt ausnahmsweise sogar mal von mir selbst wissen.

„Weil er jedem Rock nachsteigt, der nicht bei drei auf den Bäumen ist.“

„Aber…“

„Nein“, unterbrach ich Mel, „wir werden uns jetzt nicht weiter darüber unterhalten.“

Schlecht gelaunt ging ich in die Küche, um nach Süßigkeiten zu suchen, von denen ich mir jetzt Hilfe in dieser Situation erwartete.

„Die solltest du ganz schnell wieder weg packen“, empfahl mir Kev streng, der jetzt hinter mir in der Küche stand.

„Ach? Kann ich jetzt auch nicht mehr entscheiden, was ich esse?“

„Na, deine Problemzonen werden davon bestimmt nicht weniger.“

„Nein, aber meinen Endorphinen gefällt’s.“

„Wir müssen dich irgendwie ablenken“, mischte sich Mel ein.

„Was könnten wir anstellen, dass es dir wieder besser geht?“

„Ich weiß es. Wir holen uns ein paar Schnulzenfilme und Unmengen an Alkohol“, zauberte Mel begeistert eine Lösung aus dem Ärmel.

„Nein, das würde nur funktionieren, wenn sie abserviert worden wäre“, wusste Kev Bescheid, um gleich darauf die nächste Idee zur Ablenkung hervorzubringen.

„Wie wär’s, wenn wir ausgehen und uns einfach einen Typen anlachen?“

„Keine Lust.“

„Was dann?“

„Ich geh joggen.“

Meine Freunde schauten sich erstaunt an, was mich sofort zur Verteidigung animierte:

„Was? Das hab ich früher auch getan, wenn es mir dreckig ging.“

„Und deiner Figur würde es auch nicht schaden“, merkte Kev an.

„Am meisten liebe ich deine Ehrlichkeit.“

„Also, das hätten wir geklärt. Gleich morgen gehst du Laufen und deine Laune wird sich bessern. Und was ist jetzt mit Ben?“

„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Er wird nicht kommen. Und ihr haut jetzt ab, sonst flipp ich heut noch aus.“

„Danke für deine Gastfreundschaft.“

„Gern geschehen.“

 

Morgens um halb sechs stand ich unten auf der Straße um mit meinem sportlichen Ablenkungsmanöver zu beginnen. So früh würde mich keiner sehen, sollte es mit dem Joggen in die Hose gehen, dafür war ich auch extra früh schlafen gegangen. Ich sah auf meine Pulsuhr und lief langsam, sehr langsam los. Schließlich war ich schon viele Jahre nicht mehr sportlich aktiv gewesen, aber es fühlte sich sofort gut an, trotz der winterlichen Kälte. Konzentriert achtete ich auf meine Atmung und Schrittfolge, aber mein Kopf war frei von irgendwelchen störenden Gedanken.

Nach einer guten halben Stunde beschloss ich umzukehren, ich wollte es ja nicht gleich übertreiben .

Zufrieden trottete ich gemächlich dahin, als er plötzlich vor mir stand – ein ausgewachsener Bernhardiner versperrte mir den Weg und zwang mich, abrupt stehen zu bleiben. Starr vor Angst stand ich vor dem riesigen Tier und war unfähig auch nur einen Schritt zu wagen. Wo war denn sein Besitzer? Man lässt seinen Hund doch in einer Stadt nicht alleine herum laufen!

Langsam suchte ich mit meinem Blick die Gegend nach Hilfe ab, es musste doch jemand in der Nähe sein, der mich aus dieser misslichen Situation befreien konnte.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich das freudige Schwanzwedeln des Hundes. Ich machte einen vorsichtigen Schritt zurück und kam mir furchtbar blöd vor. Die Bestie folgte mir, war nun noch näher. Ich holte gerade Luft, um nach Hilfe zu schreien, als ich einen Läufer näher kommen sah. Er rief den Hund.

„Bobby!“

Wer nennt so ein Monstrum Bobby? Leider interessierte sich der riesige Hund mit dem niedlichen Namen nicht für sein Herrchen, sondern taxierte nur mich und machte sogar noch einen Schritt in meine Richtung. Ich stand wie angewurzelt und betrachtete seine Zunge, die ihm aus dem Maul hing und an der Sabber in glänzenden Bahnen auf den Boden tropfte. Eklig! Ich riskierte es, ihn ein paar Sekunden aus den Augen zu lassen, um nach seinem Besitzer zu sehen, dessen Rufe zwar lauter wurden, der aber immer noch zu weit weg war, um mich zu retten. Meine sekundenlange Unaufmerksamkeit nutzend, sprang mich der Koloss an und warf mich zu Boden. Ich bekam beinahe einen Herzstillstand, hörte mich selbst schreien und versuchte den Köter von mir zu stoßen, was aber ob seiner gewaltigen Masse aussichtslos war.

Selenruhig leckte er mir über das Gesicht. Ich konnte spüren, wie sich die Fieberblasen bildeten. Doch dann war der Köter ganz plötzlich weg. Vorsichtig rappelte ich mich auf und wischte mit dem Ärmel über mein Gesicht. Ich hörte, wie die fremde Männerstimme den Hund schimpfte. Na klasse, was war der Kerl doch bescheuert. Er maulte unaufhörlich auf den Köter ein. So breit wie ich dastand, die Hände in die Hüfte gestemmt, war mir mein ganzer Unmut schon anzusehen. Trotz meiner ein Meter fünfundsiebzig, musste ich zu dem Mann aufsehen, aber ich war so zornig, dass ich ihn gleich anschnauzte:

„Sie hätten ihn einfach an die Leine nehmen können, anstatt ihn jetzt zur Sau zu machen!“

Mit meinem bösen Blick kam ich mir unbesiegbar vor. Lächerlich in Anbetracht dessen, dass mich sein dämlicher Bernhardiner grad umgehauen hatte. Endlich hatte ich seine Aufmerksamkeit. Sein Blick ebenso grimmig wie meiner. Abschätzig musterte er mich und schien sich zu besinnen.

„Sie haben Recht. Es tut mir so leid. Bobby ist sonst nicht so. Er tut niemanden etwas.“

„Ja, bis ihm mal einer nicht passt. Wir haben in der Stadt eine Leinenpflicht. Nur ein Idiot lässt sein Tier hier frei herum rennen. Mal abgesehen davon, dass er eine mögliche Gefahr für Passanten darstellt, was denken Sie passiert, wenn er auf die Straße rennt?“

„Sie haben Recht. Absolut und es tut mir aufrichtig leid.“

Hielt mich der Kerl für total bescheuert?

„Sparen Sie sich die Heuchelei. Morgen laufen Sie doch sowieso wieder ohne Leine. Aber mir soll's recht sein, dann hab ich auch mein Handy dabei!“

Solche Leute waren unverbesserlich, der würde doch nichts ändern. Ich warf ihm noch einen finsteren Blick zu und joggte über die Straße. Keine Lust mich noch länger in der Nähe dieses Untiers zu befinden.

Irgendwas brüllte mir der Fremde hinterher, aber ich hörte nicht hin. Zu sehr war ich mit meiner Wut beschäftigt. Wie verantwortungslos konnte man überhaupt sein? Morgen würde ich die gleiche Strecke noch einmal wagen. Sicher lief der Idiot wieder mit seinem Hund hier lang. Dann würde ich einen Anruf bei der Polizei machen und die Sache war gegessen. Wozu gab es denn überhaupt Gesetze?

 

„Morgen, Chef!“

Dieses Ritual hatte ich inzwischen wirklich lieben gelernt. Ich lauschte auf eine Antwort. Gegrunzt dieses Mal. Leise kichernd steuerte ich die Küche an. Solche kleinen Alltagsgeschichten gaben mir ein Gefühl der Sicherheit. Alles war in bester Ordnung und würde es auch bleiben. Andere mochten über mich lachen, aber darauf pfiff ich. Heißt es nicht auch in der Erziehung, Rituale sind wichtig? Eben! Warum nicht auch für Erwachsene.

Meine Tasse schwarzes Gold stand bereits dampfend auf dem kleinen Tisch. Der Duft des Kaffees erfüllte den kleinen, schmalen Raum. Die Küche war im Grunde nicht mehr, als eine größere Kochnische. Die Enge war für mich kein Problem. Nicht, solange ich den Raum mit jemanden teilte, den ich mochte.

Ich ließ mich Ben gegenüber nieder und schloss meine kalten Hände um den warmen Becher. Wie jeden Tag sah ich ihm zu, wie er wach wurde. Erst ließ er den Kopf über seine Tasse hängen, seine ganze Gestalt schien in sich zusammen gesunken zu sein. Nach dem vierten Schluck richtete er für gewöhnlich das Wort an mich.

„Guten Morgen“, für mehr reichte es nicht. Erst zwei weitere Schlucke später war er Herr über sein Sprachzentrum.

„Kevin hat sich gestern Abend gemeldet“, begann er und zündete sich eine Zigarette an. Nicht ohne mir auch eine anzubieten. Und ja, ich frönte auch diesen Morgen dem Genuss des blauen Rauches. Ich redete mir ein, dass die ein oder zwei Zigaretten am Tag egal wären. Ich wusste es besser, verdrängte es nur geschickt.

„Er meinte, ihr würdet ins Kino gehen.“

Oh, Oh. Das war nicht gut, gar nicht gut. Weshalb konnte dieser kleine Gnom nicht einmal die Klappe halten.

„Ja. Montag.“

Nun war ich es, die mit Worten geizte. Vielleicht hatte er meinen Geburtstag vergessen. Vielleicht wollte er einfach nur ein wenig plaudern.

„Ich hab mich gefragt, wann du mich einlädst?“

Schlecht. Ganz, ganz schlecht. Wie kam ich da nur wieder raus? Bitte, lieber Gott, lass mich dieses eine Mal richtig gut lügen. Ich tu's ja auch fast nie.

„Ich wollte dich nicht vor die Wahl stellen.“

Ben starrte mich irritiert an.

„Die Jungs oder mein Abend“, wurde ich deutlicher.

Ich fand meinen Auftritt wirklich gelungen. Selbst Ben schien mir zu glauben, wenn auch ein bisschen widerwillig. Solche Dinge hörten sich nicht nach mir an.

„Es ist dein Geburtstag.“

Zugegeben was meinen Geburtstag und die dazugehörige Feier angeht, war ich egoistisch. Ich wollte immer alle meine Lieben versammelt haben.

„Ich weiß.“

„Da gibt’s nichts zu überlegen.“

Lieber Gott, du hast nicht zugehört. Ich wollte nicht, dass er mitkommt. Es reichte doch schon, dass ich jetzt Herzklopfen hatte. Bei Ben. Ich meine, wie absurd ist das denn? Ben! Pah!

„Schön“, gequält lächelte ich, „dann hätten wir das ja auch geklärt.“

Ich räusperte mich, suchte in meiner Kaffeetasse nach einem Weg, um endlich verschwinden zu können und ärgerte mich über mich selbst. Warum nur musste Kev mit meinem Verliebtsein Recht behalten? Ich hasste, dass es so war.

„Alles okay?“

„Wie? Ähm…ja…doch. Es ist einfach nur das Alter.“

Ein gekünsteltes Lachen folgte. Ben zog die linke Augenbraue in die Höhe. Sah er immer schon so sexy aus?

„Weißt du, ich komme langsam in ein Alter, da freut frau sich nicht mehr auf ihren Geburtstag. Tick Tack. Du weißt schon.“

Das war es. Das musste es sein! Meine biologische Uhr schlug mir ein Schnippchen. Ich musste nicht um meinen Verstand bangen, nein, ein paar läppische Hormone waren schuld. Das würde vergehen. Was war ich erleichtert über diese Erkenntnis.

„Was ist aus eurer Geburtstagswoche geworden?“

„Nächstes Jahr wieder. Wenn diese ganze Hormongeschichte vorbei ist“, verleumdete ich dieses mir besonders wichtige Ritual, bei dem der Geburtstag äußerst ausgiebig gefeiert wird.