Der Weihnachtsprinz - Manuela Mair - E-Book

Der Weihnachtsprinz E-Book

Manuela Mair

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Beschreibung

Kekse verkaufen am Weihnachtsmarkt? Nervige Standnachbarin? Pöbelnde Betrunkene? Alles kein Thema für Mel! Als dann aber Marty auftaucht und sich plötzlich wieder für sie interessiert, gerät ihre Welt ganz schön ins Wanken. Gut, dass sie ihre Freunde hat, oder nicht?

Mit drei leckeren Rezepten als Bonus!

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Manuela Mair

Der Weihnachtsprinz

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Weihnachten

 

Weihnachten. Scheiß Zeit. Überall genervte Menschen mit mürrischen Gesichtern. In jedem Geschäft wird man von abgelutschten Weihnachtsliedern gequält und zu allem Überfluss findet man dazwischen jede Menge verliebter Pärchen. Oder ich habe ein Radar dafür. Egal wo ich hinsehe – Knutschen hier, Händchenhalten da. Echt abartig.

Ja aus mir spricht der Neid. Jeder findet seinen Deckel, bloß meiner bleibt verschollen. Sogar meine beste Freundin Sunny hat ihren gefunden. Oder er sie? Auch egal. So sehr ich mir auch den blöden Deckel wünsche, so sehr nerven mich die Liebenden. Und Weihnachten. Fest der Liebe, ha! Es geht doch bloß um Konsum, Konjunktur und so tun als ob. Ich liebe meine Mutter, sie ist echt cool, aber an Weihnachten kaum zu ertragen. Da sitze ich zwischen ihr und Papa und lächle gestellt. Dabei bin ich sonst gerne bei den beiden. Warum muss an Weihnachten alles perfekt sein? Wer diktiert uns das? Die Bibel? Die Kirche? Die Gesellschaft? Keine Ahnung! Aber auch das nervt. Jeder soll lieb sein, ist ja Weihnachten. Warum nicht auch an allen anderen Tagen? Warum kann ich an Ostern durchdrehen, aber nicht an Weihnachten?

„Was kostet denn der Teller da?“ reißt mich eine alte Dame aus meinem inneren Monolog. Ich folge mit meinem Blick ihrem Fingerzeig und murre den Preis. Skeptisch sieht sie mich an. Ich weiß was ich jetzt zu tun hätte, aber die Alte bekommt keine Kekse zum Probieren.

„Das andere Mädchen hat mich probieren lassen“, versucht sie mich umzustimmen.

„Na dann wissen Sie ja, dass die Kekse lecker sind“, knurre ich und fixiere sie mit meinem bösen Blick. Wusst' ich's doch! Nur zum Schnorren hier, aber nicht mit mir. Sunny ist sowieso viel zu nett zu den Leuten. Ständig verschenkt sie ihr Weihnachtsgebäck, dabei habe ich die Preise gut durchkalkuliert. Gewinnbringend. Sonst könnte sie sich den ganzen Christkindlmarktwahnsinn auch sparen. Alleine die Kosten für den Stand sind horrend.

Die Alte trottet murmelnd ab. Ich muss Sunny unbedingt den Kopf waschen bevor sie wieder übernimmt. So kann sie nicht weiter machen, dabei sollte sie als Buchhalterin die Zahlen besser im Auge haben als ich.

„Hallo“, tönt es plötzlich in meinem Rücken und schon stellen sich die kleinen Härchen in meinem Nacken auf. Ich liebe tiefe Stimmen bei Männern.

„Hi“, drehe mich um, lächle breit und biete dem Mann ein paar Kekse an. Meistens sehen Kerle mit so toller Stimme echt mies aus, aber der hier ist schnuckelig. Nicht hübsch, aber attraktiv. Dreitagebart, dunkle Locken stehlen sich vorwitzig aus seiner Mütze und diese dunkelblauen Augen – sabber. Sein Lächeln ist hinreißend, obwohl seine Zähne nicht ganz gerade sind. Er bedankt sich, greift zu und nickt anerkennend als er kaut.

„Selbstgemacht?“

„Natürlich! Nach altem Familienrezept. Sie sollten die Vanillekipferl probieren. Der Himmel“, schwärme ich, denke dabei aber nur wenig an Kekse. Vielmehr frage ich mich, wie ich den Leckerbissen vor mir vernaschen kann. Nicht damenhaft, ich weiß, aber das kann ich irgendwann auch noch sein. Später, wenn ich alt und grau bin. Außerdem muss ich ja nicht keusch auf meinen Prinzen warten.

„Echt lecker“, bekundet der Unbekannte und greift nach einem Kokoskränzchen. Meine Lieblinge unter Sunnys Keksen. Die Frau kann absolut nicht kochen, aber backen kann sie erstklassig. Das ist auch der Grund warum ich mir am Weihnachtsmarkt die Füße in den Bauch stehe und ihre Naschereien an den Mann bringe. Ich glaube an sie und ihr Talent. Außerdem bezahlt sie mich dafür.

„Gibt’s denn auch gemischte Teller?“ will die Stimme wissen.

„Klar. Ich kann Ihnen ganz individuell einen zusammenstellen, oder Sie suchen sich einen von den fertigen Tellern aus.“

„Hm“, macht er und besieht sich die Pappteller vollgepackt mit Weihnachtsgebäck. Sein Brummen jagt mir eine Gänsehaut über den Körper und wenn ich könnte, würde ich mich wohlig räkeln wie ein Kätzchen.

„Ich hab’s mir anders überlegt. Ich nehme je einen Teller außer von den Linzer Augen, den Nusskrapferln und diesen Schokoteilen“, beginnt er begeistert und mustert die Schokoladekiperln misstrauisch.

„Gute Wahl“, attestiere ich und beginne die Kekse in die Tüte zu packen. Ich würde mir gerne einen Arschtritt verpassen und irgendetwas Witziges oder Geistreiches von mir geben, aber es geht nicht. Und auch wenn ich nicht damenhaft bin, heißt das nicht, dass ich auf plumpe Anmachen stehe.

„Das wären dann 24 Euro gerade aus“, sage ich und hieve die schwere Tasche über die Kekse hinweg. Unsere Finger berühren sich kurz, aber nichts passiert. Keine romantische Musik im Hintergrund, wir reißen nicht beide überrascht die Augen auf und es fliegen keine Funken. Schade eigentlich, in Filmen sieht das immer so klasse aus.

„Stimmt so“, lächelt er und winkt zum Abschied. Ich weiß genau, dass ich ihm sehnsüchtig hinterher starre, aber was soll's. Ich darf gucken wann und wo ich will, ich darf sogar mehr als das. Nur, dass ich lieber nicht dürfte. Seufzend schließe ich die Kasse und sehe mich nach potenziellen Kunden um. Noch ist nicht viel los. Erst gegen späten Nachmittag wird es voller werden. Wenn die ganzen Leute aus ihren Büros strömen und sich mit Punsch oder Glühwein wärmen und den Alltag ein bisschen aussperren.

 

Kurz nach sechs trudelt Sunny ein. Schon von weitem winkt sie wie eine Verrückte und bringt mich zum Grinsen. Ich liebe diese Frau. Ein bisschen irre, ein bisschen verklemmt, aber absolut authentisch. Wenn ihr nach heulen ist, heult sie und wenn sie glücklich ist, hält sie damit auch nicht hinterm Berg.

„Arschkalt“, begrüßt sie mich, als sie sich in den kleinen Stand zwängt und mich fest umarmt. Sunny darf das, bei ihr fühlt es sich immer richtig an.

„Dann freu dich auf die nächsten zweieinhalb Stunden“, grinse ich gehässig und mache mich von ihr los.

„Wer solche Freunde hat…“, verzieht sie das Gesicht und klatscht gleich darauf in die Hände. So signalisiert sie mir, dass sie bereit ist. Jeden verdammten Tag. Sunny liebt Rituale und sie liebt es immer neue zu erfinden. Dabei bin ich sicher, dass sie es nicht einmal bewusst macht.

„Hab ganz schön was verkauft, kannst also eine ruhige Kugel schieben. Wann kommt Ben mit dem Nachschub?“

„Er ist schon auf dem Weg zu mir und fährt dann gleich wieder her“, sagt sie abwesend und sieht sich die Einnahmen an.

„Hast du den Leuten gesagt das wären Hasch-Cookies?“

„Ich hab mit den meisten geschlafen“, bleibe ich absolut ernst. Es ist einfach zu köstlich das wachsende Entsetzen auf Sunnys Gesicht zu sehen. Dann lache ich los. Die Frau hat keine Probleme mit Drogen, aber Sex ist offenbar etwas ganz Schlimmes.

„Vielen Dank auch“, tue ich beleidigt und Häufe Kostproben auf ein Tablet.

„So war das doch gar nicht gemeint“, versucht sie mich zu beschwichtigen. Braucht sie aber nicht, ich kenne sie gut genug. Sie tut sich einfach schwer mit dem Thema und ich ziehe sie zu gerne damit auf.

„Ich weiß“, verdrehe ich die Augen, zwinkere ihr zu und stürze mich ins Getümmel, bevor Ben auftaucht. Ich mag ihn wirklich sehr, aber die beiden zusammen sind zu viel für mich. Richtig eklig, wenn man es genau nimmt. Ständig betatschen sie sich, oder sie küssen sich, oder ziehen sich mit den Augen aus, dabei sind sie schon fast ein Jahr zusammen. Da sollte man doch gar nicht mehr so verliebt sein. Zumal sich Sunny und Ben fast vierundzwanzig Stunden am Tag sehen. Sie arbeiten zusammen, verbringen ihre Nächte zusammen und fast ihre gesamte Freizeit. Mir wäre das definitiv zu viel. Ich hab ja auch noch ein eigenes Leben!

„Darf ich Ihnen ein paar Köstlichkeiten zu ihrem Glühwein anbieten“, mische ich mich geschickt in eine Gruppe gelangweilter Frauen. Sie schweigen sich seit bestimmt drei Minuten an, da kann man etwas Süßes gebrauchen. Verhalten probieren sie, jede eine andere Sorte und sind voll des Lobes. Trotzdem werden sie nicht kaufen, denn jede von den Vieren hat bloß daran geknabbert. Ich sehe ihre viel zu dürren Beine und bemerke meinen Fehler zu spät. Hungerhaken gehören bestimmt nicht zu unserer Zielgruppe. Ich sollte konzentrierter arbeiten. Ich zeige ihnen unseren Stand und sie versprechen nachher vorbei zu schauen. Ja, bestimmt.

Ich laufe tapfer weiter durch die immer dichter werdende Menge und biete Sunnys Kekse an. Ein paar kann ich schon bei unserem Stand erkennen und ich bin zufrieden. Ein wirklich guter Tag für einen Donnerstag. Normalerweise ist nicht so viel los, aber wahrscheinlich liegt es daran, dass Weihnachten immer näher rückt.

Ich steure eine Gruppe junger Männer an, bemerke gerade noch rechtzeitig, dass ich einen kenne und mache auf dem Absatz kehrt. Mein Herz rast und ich habe meine liebe Mühe mit dem Atmen.

Ich hätte es wissen müssen. Er arbeitet in dieser Straße und die Chancen ihn hier zu treffen standen mehr als gut. Ich ignoriere meine weichen Knie und flüchte zu Sunny. Ausnahmsweise benimmt sie sich, obwohl Ben neben ihr steht und auf Teufel komm raus mit den Hungerhaken von vorhin flirtet. Wie Sunny damit klarkommt ist mir ein Rätsel. Hektisch lege ich das Tablet ab, verschanze mich hinter unserem Stand und atme tief durch. Am liebsten würde ich mir eine runterhauen! Wie kann ich derart auf den Kerl abfahren. Noch immer. Wütend stampfe ich mit dem Fuß auf und brumme laut. Ich muss erwachsen mit der Sache umgehen, er ist bloß einer von Vielen. Punkt. Bei all den anderen war das ja auch kein Problem und bei ihm wusste ich doch von vornherein, dass es bloß ein bisschen Spaß war.

„Hey Marty!“ höre ich Ben rufen und flüsternd lasse ich ein paar Flüche los. Wohin sollte sich Bens Busenfreund denn sonst hinbegeben? Ich Idiotin! Ich sollte die Schultern straffen, nach vorne gehen und überlegen Lächeln.

„Da! Siehst du? Ich hab überhaupt kein Problem damit, mit dir ins Bett zu gehen und bloß eine Kerbe an deinem Bettpfosten zu sein. Wir hatten Sex und kommen wunderbar miteinander klar.“ Das alles sollte ich sagen und tun, aber lieber verstecke ich mich hier, bis die Luft wieder rein ist. Tatsache ist, dass ich mich ganz fürchterlich in Martin verknallt habe und auch das hält ziemlich genau ein Jahr an. Ich dachte wirklich, dass das wieder weggehen würde, wie sonst auch. Tut es aber nicht. Weiß Gott warum. Dabei hat er mir unmissverständlich klar gemacht, dass er nichts Festes will und das wollte ich auch nicht. Jedenfalls nicht bis zu unserem dritten Date. Es war nicht mal etwas Besonderes und irgendwie doch. Eine Nacht, die mir jetzt noch wohlige Schauer durch den Körper jagt. Ich war mir sicher, dass da mehr war – Marty nicht. Seither gehe ich ihm so gut wie möglich aus dem Weg. Gestaltet sich manchmal zwar etwas schwierig, weil ich Sunnys beste Freundin bin und er Bens bester Freund, aber es klappt meistens.

„Hey“, zischt jemand und packt mich am Unterarm. Erschrocken fahre ich zusammen und sehe in das dämlich grinsende Gesicht von Kev. Zornig befreie ich mich aus seinem Griff und funkle ihn böse an.

„Versteckst du dich schon wieder?“

„Wie?“

Kevin verdreht die Augen und grinst mich wissend an. Ja, er weiß es auch. Sunny, Kev und ich sind ein eingeschworenes Dreiergespann und nichts bleibt lange vor den anderen verborgen.

„Verschwinde einfach“, flüstere ich und schiebe meine Hände in die Jackentasche. Marty kann ja nicht ewig bleiben.

„Und dich hier im Dunkel ganz alleine lassen? Denk nur, da könnten Diebe vorbei kommen.“

„Haha.“

Kev lehnt sich lässig an die Rückwand des Standes und starrt ins nirgendwo.

„Jetzt käme es richtig gut, wenn ich eine Zigarette hätte“, sinniert der Spinner, „Du weißt schon, wie früher in den Filmen Typ einsamer Wolf.“

„Die hätten aber nur heiße Mädchen abbekommen, wenn sie sie nicht aus Ehrgefühl abgelehnt hätten.“

„Pah! Ehrgefühl! Die waren alle schwul und ritten einsam in den Sonnenuntergang, um daheim ihren Liebsten flachzulegen.“

„Wie in Brokeback Mountain?“

„Pft. Das waren keine richtigen Kerle, Schätzchen, aber scharf. Jedenfalls Heath Ledger.“

„Ich steh ja mehr auf dunkle Typen“, seufze ich und lehne mich neben ihn.

„So kommen wir uns wenigstens nicht in die Quere“, lächelt Kev mich verschwörerisch an und ich erwidere es. Und ich weiß ich wiederhole mich, aber ich liebe meine zwei besten Freunde wirklich sehr.