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Nacht für Nacht liegen ihnen die Frauen zu Füßen! Die Candy Kings sind der heißeste Men-Strip Act von Las Vegas. Doch was passiert, wenn sie sich verlieben? Was in Vegas passiert, bleibt auch da. Das dachte zumindest Chris immer. Bis sie ihrem neuen Mitarbeiter an der Universität von Montreal gegenübersteht. Jenem Stripper, mit dem sie in Vegas eine unvergessliche Nacht verbracht hatte. Ein Mann, der sie offensichtlich genauso wenig hatte vergessen können wie sie ihn. Was ein One-Night-Stand sein sollte, nimmt mehr und mehr Platz in Chris’ Leben ein. Zerrissen zwischen ihrer Karriere und dem Bedürfnis nach einer festen Beziehung, riskiert Chris Scott zu verlieren, kaum dass sie sich auf ihn eingelassen hat.
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Impressum
Copyright © 2019 Felicity D‘Or
Alle Rechte vorbehalten.
Coverdesign: Giusy Ame / Magicalcover.de
Bildquelle: Depositphoto
Lektorat und Korrektorat: Margaux Navara
Herausgeberin:
Veronika Prankl
Auenstraße 201
85354 Freising
Sämtliche Texte und das Cover dieses Buches sind urheberrechtlich geschützt. Eine Nutzung oder Weitergabe ohne Genehmigung des jeweiligen Urhebers oder Rechteinhabers ist nicht zulässig und daher strafbar.
Dieses Buch ist ein fiktives Werk. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen real existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Candy Kings:
Scott & Christine
Kapitel 1
Las Vegas, Ende August
Als er die Garderobe betrat, regte sich dort nichts. Noch herrschte Ruhe an diesem mit Testosteron gesättigten Ort. Ein schwacher Duft nach Reinigungsmittel lag in der Luft. In ein paar Stunden würde hier der Geruch von Schweiß, Duschgel und Männerdeodorant alles überlagern. Sobald die Jungs, high und aufgedreht von ihrer Show, hier übernahmen. Doch noch herrschte Ruhe.
Scott betätigte den Lichtschalter und stellte die Sporttasche vor seinem Spind ab. Das Bild, das die Kollegen dort angebracht hatten, brachte ihn, wie so oft, zum Schmunzeln. Sie hatten auf ein Foto seines bis auf einen Tanga unbekleideten Körpers das bekannte, zungenbleckende Porträt Albert Einsteins geklebt. Die Ränder der Collage hatten sich mit der Zeit leicht gerollt und ein kleiner Riss zog sich am Klebeband auf Höhe seiner Waden durch das Papier. Scott fuhr mit dem Finger am Bild entlang und überlegte, es abzureißen. Bald würde ein anderer diesen Spind übernehmen.
Bevor er melancholisch werden konnte, riss jemand die Tür auf. „Hey, Denning! Bereit für deine Abschiedsvorstellung?“
„So was von bereit, Bobby! Hi, Mickey!“ Er begrüßte seine beiden Kollegen und begann sich umzuziehen, während sich die Garderobe füllte. Alles war wie immer. Warum sollte dieser Abend auch anders sein? Die Candy Kings änderten ja nicht ihr Programm, nur weil einer die Truppe verließ. Die Show kannten alle in– und auswendig. Die Bewegungen saßen und jeder wusste genau, wann er was zu tun hatte.
Scott sah sich in der geräumigen Garderobe um, die durch einen offenen Durchgang mit den Duschen verbunden war. Nachdenklich schlüpfte er in bequeme Sportshorts, durchquerte den Raum und nickte dem Rest der Gruppe zu. Lediglich für ihn würde sich alles ändern: Heute war er noch ein Mitglied dieser eingeschworenen Truppe – morgen würde er nach Reno aufbrechen, um nicht mehr zurückzukommen.
Neben der Umkleide befand sich ein kleines Studio, das die Candy Kings zum Aufwärmen nutzten. Während er anfing, seine Muskeln zu lockern, trat Bobby an die Musikanlage. Scott wappnete sich innerlich und zählte bis drei. Wie jeden Abend, den sie hier Dienst hatten, erklang Joe Cocker aus den Lautsprechern. Ursprünglich ein Witz, hatte sich „You can leave your hat on“ zum inoffiziellen Song der Gruppe gemausert. Sie fanden es witzig: Stripper, die zum Aufwärmen den wohl ausgelutschtesten Strip–Song aller Zeiten hörten.
Und wie immer stürmte Gray in den Raum und wackelte lasziv mit seinen Hüften. „Seht, worauf die Weiber abfahren – mit oder ohne Hut!“
Scott grinste. Gray schaffte es immer, ihn zum Lachen zu bringen. Der Kerl war der ungekrönte König der Candy Kings. Er war eine echte Rampensau, liebte das Leben als Stripper – pardon, als Performance Artist – und pflegte sein Image als Weiberheld. Die Frauen waren verrückt nach seiner Surferboy-Attitude. Wenn die wüssten, dass Gray ein Bankierssohn aus Wisconsin war, wären sie wohl alle enttäuscht.
Routiniert vollführten die Männer ihr Warm-up und schlüpften schließlich in ihre Kostüme. Sie arbeiteten in dieser Konstellation schon lange zusammen. Mickey war vor knapp einem Jahr als letzter neu zu ihrem Team gestoßen. Und nun würde demnächst ein Ersatz für Scott folgen. Als er vor drei Jahren diesen Job angenommen hatte, hätte er nicht gedacht, mit so viel Spaß dabei zu sein oder seine Kollegen so schätzen zu lernen. Obwohl er so gut wie nie mit ihnen nach der Show durch die Clubs zog, hatten sie viel Zeit gemeinsam verbracht: Training, Proben und Fotoshootings. Das schweißte zusammen.
Sie liefen durch den schmalen Korridor von der Garderobe zur Bühne und stellten sich auf ihre Position. Hinter dem weinroten Vorhang stehend, so kurz vor dem Auftritt, verspürte Scott immer eine seltsame Ruhe. Er genoss es, Teil dieser Gruppe zu sein, konzentrierte sich auf die Show und das Publikum. Der Moderator des Abends, Hanson, heizte den Ladys draußen vor der Bühne ein. In Kürze würde die Musik erschallen und der Vorhang sich öffnen.
Mit einem Mal wurde Scott überdeutlich klar, dass für ihn ein neuer Lebensabschnitt anbrach. Dass dies nicht nur eine Abschiedsvorstellung, sondern ein echter Abschied war. Die letzten Wochen waren so voller Ereignisse gewesen, dass er gar nicht dazu gekommen war, darüber nachzudenken, was dies für ihn bedeutete. Er hatte sein Zeugnis überreicht bekommen, Bewerbungen versendet und Sachen gepackt. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Erst jetzt und hier, während dieser spannungsgeladenen Sekunden, bevor die Bahnen aus dunkelrotem Samt zur Seite gezogen wurden, wurde ihm klar, dass er nach diesem Abend kein Candy King mehr wäre.
Als die bekannten Töne erklangen und der Vorhang sich hob, sprang Scott routiniert in den Lichtkegel und beschloss, nochmal alles zu geben.
Kapitel 2
„Hey, lass das!“ Christine schob die Hand ihrer Schwester Jessica zur Seite. „Du hast meine Frisur kaputt gemacht!“ Frustriert betrachtete sie im Spiegel des Hotelzimmers das, was von dem sorgfältig hochgesteckten Haarknoten noch übrig war. Sie pustete eine dunkelblonde Strähne aus den Augen.
Das grinsende Gesicht von Jess tauchte hinter ihr auf. „Du willst doch nicht etwa in deinem üblichen Labordomina–Look auf meinen Junggesellinnenabschied mitkommen?“ Sie riss theatralisch die Augen auf und zeigte auf die graue Bluse und die schwarze Stoffhose ihrer großen Schwester. „Vor lauter Angst würden alle Kerle einen Riesenbogen um dich machen!“
„Haha!“ Chris drehte sich zu Jess. „So schlimm ist mein Look nun auch wieder nicht. Ich leite ein Team, da muss ich seriös wirken“, rechtfertigte sie sich für ihre schlichten und praktischen Klamotten. Unter einem Kittel schicke Sachen zu tragen, lohnte sich nun wirklich nicht. „Außerdem bin ich heute die Älteste der Gruppe und es ist meine Aufgabe, für Vernunft zu sorgen. Und überhaupt – welche Kerle?“
„Tsts!“ Jess schüttelte den Kopf. „Du bist so ein Nerd! Aber ich liebe dich trotzdem. Und jetzt Schluss, keine Ausreden mehr! Wir sind hier, um Spaß zu haben, und wir sind alle alt genug, um ohne Wachhund auszukommen.“ Bevor Chris etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: „Das gilt auch für dich, Schwesterherz! Komm schon! Amüsiere dich mal heute Nacht! Ich dachte, du würdest dich auf diesen Trip freuen?“
Das tat Chris. Tatsächlich.
Sie hatte extra Urlaub genommen für die Hochzeitsvorbereitungen ihrer kleinen Schwester. Sie hatte mehr als genug Urlaubstage gesammelt, da sie im letzten Jahr wirklich sehr viel gearbeitet hatte. Ihr Chef, Prof. Ballard, würde demnächst in Ruhestand gehen und sie hoffte, seine Stelle im Institut für Lebensmittelchemie und Sensorik übernehmen zu können. Ja, Christine war ein Nerd. Sie lebte für die Wissenschaft und liebte die Arbeit im Labor und ihre Forschung zum Geschmackssinn des Menschen.
„Du denkst schon wieder an deinen Job!“, drang Jessicas vorwurfsvolle Stimme zu ihr.
„Oh, Süße! Es tut mir leid!“ Chris war ehrlich zerknirscht. Sie musste die Arbeit für die nächsten Tage ruhen lassen. Nicht nur ihrer Schwester zuliebe – es würde auch ihr selbst guttun, mal auszuspannen. „Du hast völlig recht. Ich werde mich mit euch amüsieren. So richtig! Ehrenwort! Ich bin es nur nicht mehr gewohnt, auf die Piste zu gehen. Aber ihr werdet mich schon mitziehen, nicht wahr?“ Der Job hatte die nächsten zwei Wochen Pause und sie würde sich endlich mal um ihr Privatleben kümmern!
„Worauf du Gift nehmen kannst! Jetzt zieh dir was Hübsches an, oder willst du Sin City im Hosenanzug unsicher machen?“ Jess machte sich an Chris Koffer zu schaffen und wühlte durch die Klamotten. Plötzlich stieß sie einen anerkennenden Pfiff aus. „Holy F...! Ich nehme alles zurück! Das ist ja mal ein heißer Fummel! Du wirst verschärft aussehen in dem Fetzen. Da müssen wir Chicks uns anstrengen, wenn wir mit dir mithalten wollen“. Sie hielt ein smaragdgrünes Kleid hoch. Es hatte einen tiefen Wasserfallausschnitt und war rückenfrei.
Chris trat zu ihrer Schwester und strich über den weich fallenden Stoff. „Ich weiß nicht, das war ein Spontankauf. Wahrscheinlich wirke ich lächerlich in dem Ding.“
„Quatsch! Du wirst hinreißend aussehen“. Jessica sah auf die Uhr an ihrem Arm und wurde blass. „Ach herrje, ich muss mich beeilen.“ Sie stürzte zur Tür, um über den Flur in ihr eigenes Hotelzimmer zu gehen und sich zu stylen. „Wir treffen uns in genau einer Stunde in der Lobby! Und dann kann es losgehen! Yeah!“, rief sie über ihre Schulter während sie in ihrem Zimmer verschwand.
Mit einem Lächeln schloss Chris die Tür zum Flur. Sie lehnte sich mit dem Rücken daran und ließ ihren Blick auf das Kleid fallen, das Jess auf das Bett gelegt hatte. Sie hatte es vor drei Jahren in London gekauft, aber nie getragen. Zu viele Erinnerungen hingen daran. Ihr Herz zog sich zusammen. Sie hatte nie jemandem erzählt, warum sie die Beziehung zu André Cameron abgebrochen hatte. Ihre Familie wusste zwar, dass sie damals in Oxford einen Freund gehabt hatte, aber Chris hatte bereits Schluss gemacht, als ihre Eltern und Jess sie dort besuchen kamen. Kurz darauf hatte sie die neue Stelle in Montreal bei Professor Ballard angetreten. Ihre Familie war einfach nur glücklich gewesen, dass sie nicht länger in Europa blieb und, wenn schon nicht in Portland, doch immerhin wieder auf dem gleichen Kontinent lebte.
Sie konnte nicht sagen, warum sie gerade dieses Kleid auf die Reise mitgenommen hatte. Irgendwie war es da gehangen in ihrem Schrank, als sie in höchster Eile den Koffer gepackt hatte. Wie immer hatte sie sich nur schwer vom Labor loseisen können, jetzt, da ihre Mitarbeiterin Maria schwanger war und Berufsverbot hatte. Aber sie wollte tatsächlich gerne mit Jess den Junggesellinnenabend und in zwei Wochen die Hochzeit feiern. Also hatte sie alles, das irgendwie in Frage kam, in den Koffer geworfen, um rechtzeitig ihren Flug zu erreichen.
Christine fühlte sich geehrt, dass ihre kleine Schwester sie als Trauzeugin ausgewählt hatte und nicht eine ihrer Freundinnen. Es bedeutete ihr wirklich viel. Und Jess hatte, obwohl sie mit ihren vierundzwanzig Jahren ganze acht Jahre jünger war als Chris, auch recht damit, dass sie viel zu lange ihr Privatleben auf die Hinterbank geschoben hatte. Also würde sie heute mit den Mädels einen draufmachen, anstelle deren Mutter zu spielen.
Als sie pünktlich um neunzehn Uhr die Lobby betrat, staunten die anderen fünf Frauen nicht schlecht. So hatten sie Chris noch nie gesehen. Obwohl sie sich auf den hochhackigen Sandalen und in dem freizügigen Kleid etwas unsicher fühlte, schritt Chris tapfer auf die Gruppe zu. Gejohle und nach oben gereckte Daumen empfingen sie.
„Hey! Christine, hast du im Labor einen Sex–Appeal–Verstärker entwickelt? Nicht, dass ich so was brauchen würde!“
„AJ!“, grinste sie das kleine, dunkelhaarige Energiebündel an, bevor sie ihr die Arme um den Hals warf. Chris kannte Jessicas beste Freundin praktisch seit dem ersten Schultag der beiden jüngeren Mädchen. Nur zu oft hatte sie auf Jess und AJ aufgepasst oder ihnen beim Lernen geholfen. Und sie hatte es gerne gemacht – auch wenn die beiden manchmal ganz schön umtriebig gewesen waren. Es war auch Chris gewesen, die ihnen den ersten Lippenstift geschenkt hatte und der die beiden von ihren ersten Küssen berichtet hatten. „Dafür braucht es keine Wissenschaft, Süße! Nur ein neues Kleid und gute Gesellschaft.“
„Du siehst echt cool aus, Chris!“ AJ schob sie bewundernd von sich weg und musterte sie. „Ü30 steht Dir!“
„Immer noch die gleiche freche Göre wie auf der High-School!“, versetzte Chris, bevor sie lachend den Rest der ausgelassenen Meute begrüßte. Außer Jess, AJ und ihr selbst, waren noch Sandra, Eyleen und Pip dabei. Jess kannte die drei vom College und Chris hatte schon viel von ihnen gehört.
„Ready to rumble, Ladies?“ Jess, die ein weißes Kleid im Carmen–Stil trug, hakte sich bei ihrer Schwester unter, nachdem sie die Freundinnen vorgestellt hatte.
„Einen Moment noch!“ Chris zog hinter ihrem Rücken eine Tüte hervor. „Eine Kleinigkeit fehlt noch!“ Mit diesen Worten setzte sie Jess ein unglaublich kitschiges Diadem, das mit bunten Glassteinen verziert war und an dem ein weißer Schleier befestigt war, auf den Kopf. Jess trug ihr hellbraunes Haar in einem Bob und das Diadem erschlug ihre elfenhafte Gestalt beinahe. „So, jetzt lassen wir dich los auf eine unvergessliche Nacht!“
„Hier kommt die Braut!“, riefen die fünf Brautjungfern und verließen mit Jess in ihrer Mitte das Hotel.
„Wenn ich noch mehr Margaritas trinke, werde ich nicht mehr in der Lage sein, die Show zu genießen! Gönnt mir eine Pause!“, stöhnte Chris ein paar Stunden später. Sie hatten ein großartiges mexikanisches Dinner hinter sich, das sie mit mehreren Pitchers voller Margaritas begleitet hatten.
„Das wäre wirklich schade!“, pflichtete Pip ihr bei. Die rothaarige Halbirin hatte sich als ziemlich trinkfest erwiesen. Ein echtes Partygirl. „Die Jungs vondenCandy Kingssind eine Sünde wert.“
„Oh mein Gott, du hast sie schon mal gesehen?“, Eyleen verschluckte sich fast vor Aufregung. Die Men–Strip–Show, für die sie Karten gebucht hatten, war zurzeit die angesagteste Revue dieser Art auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent.
Pip nickte wissend in die Runde. „Oh, ja, Ladies! Ich war bei einer Vorstellung ihrer letzten Tournee. Diese Jungs haben echt was drauf! Ich kann euch sagen – es wird hot and sticky!“ Sie machte eine Revolvergeste mit Daumen und Zeigefinger und pustete drüber, bevor sie den Finger ableckte.
Die Show fand in einem der größten Hotels von Las Vegas statt. Die Frauen von Jessicas Junggesellinnenabschied waren alle zum ersten Mal in Sin City und fest entschlossen, eine aufregende Nacht zu erleben. Unter entsprechend vielen Ohs und Ahs liefen sie den Strip zum Ort des abendlichen Höhepunktes entlang. Alles leuchtete und glitzerte und natürlich musste ein Gruppenfoto vor der Fontäne des Bellagios geschossen werden.
Völlig erschlagen von all dem BlingBling betraten sie schließlich den großen Showroom des Hotels mit Casino und Entertainmentbereich, der eigens für die Candy Kings genutzt wurde, und ließen sich zu ihrem Tisch geleiten.
Pips Versprechungen wurden sogar noch übertroffen. Zumindest was Christines Erwartungen betraf. Sie war zum ersten Mal bei einer solchen Vorstellung. Die Karten hatten sie schon vor Wochen gebucht und auf diese Weise hervorragende Plätze ergattert, um die Herren aus nächster Nähe betrachten zu können. Der ganze Saal war mit edel anmutendem dunklen Mobiliar ausgestattet und mit gestreiften Candy-Stangen dekoriert. Auch auf den Tischen standen welche. Nichts wirkte billig – ganz im Gegenteil. Man könnte sich genausogut in einem Theater oder einem noblen Varieté befinden.
„Das ist hier aber doch keine dieser Strip–Shows, wo das Publikum mitmachen muss, oder?“, erkundigte sich Chris dennoch misstrauisch. Ihr soziales Leben mochte zwar derzeit auf Sparflamme laufen, aber ganz weltfremd war sie nicht. Möglicherweise sollte sie sich an den hinteren Bereich des Tisches setzen?
„Darling!“, hakte sich Pip unter. „Wenn einer dieser Jungs dich auf die Bühne holt, dann genieße es! Solche Bodys bekommt man nicht an jeder Ecke zu sehen.“
„Alles klar! Aber sollte nicht die Braut im Zweifelsfall in die Arme der Tänzer getrieben werden? Darum sind wir doch hier.“ Ominös grinsend wackelte Chris mit den Augenbrauen.
„Chris! Nein! Ich will keinen anderen Mann als meinen Brian anfassen.“ Jess lächelte den anderen verklärt zu und setzte sich. „Ich gucke nur und lasse den Single-Damen den Vortritt!“ Die Jüngere der beiden Schwestern hatte ihren Zukünftigen auf dem College kennengelernt. Sie waren seit damals zusammen und hatten nur noch Jessicas Abschluss in Erziehungswissenschaften abgewartet, bevor sie zum Altar treten wollten.
Manchmal ertappte sich Chris dabei, dass sie Jess beneidete. Sie und Brian waren sich so sicher, so auf einer Wellenlänge. Seelenverwandte eben.
„Heute gibt es kein Pardon für dich, Jess!“, widersprach Eyleen und winkte drohend mit einer Zuckerstange. „Aber mach dir keine Sorgen: What happens in Vegas …“
„…stays in Vegas!“. Ein Chor beendete diesen Satz und Jessica ergab sich lachend in ihr Schicksal. Sie alberten immer noch herum, als die Beleuchtung sich verdunkelte und Musik erklang.
Sie kamen von überall her in den Saal. Die laute Musik heizte die Atmosphäre auf. Kreischende Frauen – und einige wenige nicht minder johlende Jungs – sprangen auf und empfingen die Tänzer.
Die Show war unterhaltsam und die Männer wirklich toll anzusehen. Chris amüsierte sich besser, als sie gedacht hatte. Zu Beginn trugen die Tänzer Hosenträger und schwarze Anzughosen sowie Melone auf dem Kopf. Statt eines Gehstockes, wie Fred Astaire, hatten sie überdimensionale Zuckerstangen dabei, die sie gekonnt durch die Luft wirbelten oder für akrobatische Tricks nutzten. Jeder Tanz war sexy und witzig zugleich. Pip hatte recht gehabt – wann bekam man schon mal so etwas geboten? Ihre Befürchtung, das Ganze könnte arg plump und vulgär werden, hatte sich nicht bewahrheitet. Das Ambiente war traumhaft und die Tänzer waren nicht nur optische Leckerbissen, sondern hatten auch artistisch einiges drauf.
Lange behielten die Jungs ihre Klamotten allerdings nicht an. Chris schlug sich eine Hand vor den Mund und beobachtete mit großen Augen, wie die Männer ihre Körper entblätterten. Kreischen und Johlen begleitete die in den Saal segelnden Shirts. Ein entzweigerissenes T–Shirt flog auch auf ihren Tisch zu, wo Eyleen es auffing und triumphierend in die Luft reckte.
Immer wieder sprangen die Tänzer von der Bühne oder wählten eine Zuschauerin aus, um mitzumachen. Die schnelle, laute Musik, die das Programm untermalte, ließ Stimmung wie auf einem Rockkonzert aufkommen. Die Gruppe lachte und johlte ausgelassen mit.
Beeindruckt sah Chris zu, wie die Männer Salti schlugen, als sich einer aus der Gruppe auf der Bühne löste und zu ihrem Tisch herantrat. Sein verwegenes Grinsen wurde nur noch von seinen blauen Augen übertroffen.
Chris beobachtete erstarrt, wie er auf den Tisch sprang und dort katzenhaft seine athletische Figur in einen Handstand brachte. Die anderen johlten und schrien, doch sie konnte ihren Blick nicht von dem faszinierenden Spiel seiner Muskeln abwenden. Wie in Zeitlupe erfasste sie sein Sixpack. Die Muskeln liefen in Richtung seiner tief sitzenden Jeans in einem perfekten V zu. Chris schluckte, zwang sich, ihm nicht auch noch auf den Schritt zu starren, und ließ ihre Augen langsam zu seinem Gesicht wandern. Sie konnte sehen, wie er unter der Anstrengung atmete und dass ein feiner Schweißfilm seine glatte Haut überzog. Hielt sie die Luft an? Er war ihr so verdammt nahe. Schließlich traf ihr Blick auf seinen und sie fühlte sich, als würde ein Elektroschock durch sie hindurchfahren.
Die ganze Zeit über hielt er eine Zuckerstange quer im Mund. Wie machte er das nur, dass er trotz der akrobatischen Einlage und der Süßigkeit im Mund noch einladend grinste?
Sie sah sich hektisch um. An den anderen Tischen hatten die übrigen Tänzer das Gleiche gemacht und es beugte sich jeweils eine Dame vor, um die Süßigkeit in Empfang zu nehmen.
Mit dem Mund!
„Na los! Mach schon!“ Jess, die neben Chris saß, schubste sie leicht nach vorne.
Das hätte es nicht mal gebraucht. Chris war viel zu fasziniert von den blauen Augen des Tänzers. Wie in Zeitlupe beugte sie sich vor und brachte ihren Mund seitlich neben seinen an die rot–weiße Stange. Zwei Millimeter weiter rechts und sie hätte seine Lippen berührt. Nach einer gefühlten Ewigkeit fasste sie schließlich die Süßigkeit mit einer kurzen Bewegung ihrer Lippen und zog sich zurück.
Mit einem Zwinkern in ihre Richtung sprang der Stripper auf den Boden und lief wieder auf die Bühne. Der Moment war vorbei und die Mädels kreischten.
Christine nahm die Zuckerstange aus dem Mund und unterdrückte das Bedürfnis darüber zu lecken, um zu erfahren, ob sie noch nach ihm schmeckte.
„Mund zu! Oder willst du Fliegen fangen?“ Pip stieß ihr spielerisch den Ellenbogen in die Seite und Chris schüttelte sich. Sie nahm ein–, zweimal Anlauf, etwas zu sagen, doch sie konnte ihren Blick nicht von diesem Prachtexemplar abwenden. Sein Hintern war genauso perfekt wie seine Vorderansicht, so knackig, wie er da in dieser Jeans steckte.
„Erde an Christine!“ Die ganze Runde lachte.
„Das, das müsste verboten sein!“, stotterte sie schließlich und riss sich von dem Anblick des Tänzers los. „So sexy darf ein Mensch doch gar nicht sein!“ Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Gin Tonic. „Boah! Mr. Magic Eyes. Habt ihr seine Augen gesehen?“ Dort auf der Bühne waren sieben Prachtexemplare der Gattung Mann, aber er wäre ihr Favorit, wenn sie die Wahl hätte. Wegen dieser unglaublichen blauen Augen.
„Also ich hab‘ nicht gerade auf seine Augen geachtet“, grinste Jess süffisant.
Die anderen Mädels kreischten vor Vergnügen. Dass gerade Chris durch den Anblick eines gestählten Männerkörpers sprachlos war, wo sie doch sonst immer auf vernünftige große Schwester machte, war zu komisch. Sie konnte es ja selbst nicht glauben. Es war schließlich der Job der Jungs, den Zuschauerinnen was zum Träumen zu bieten. Und hier saß sie, gestandene Wissenschaftlerin, völlig geflasht von einem sexy Lächeln und einem trainierten Körper. Nur, dieser eine Moment, als er ihr direkt in die Augen gesehen hatte, der war surreal gewesen. Irgendwie … anders.
„Muss wohl an den Margaritas und den Gin Tonics liegen“, sagte sie sich und lehnte sich zurück. Der blauäugige Tänzer kam während der Show nicht mehr in ihre Nähe, so dass sich ihr hektisch klopfendes Herz langsam wieder beruhigte.
Einmal wurde Jess, da sie durch ihren Schleier natürlich auffiel, auf die Bühne geholt. Die Braut ließ sich lachend von vier Männern umtanzen und schließlich mit einem kleinen Schreckensschrei hochheben. Auf starken Schultern wurde sie mit hochrotem Kopf wieder an ihren Platz zurückgebracht.
Das große Finale tanzten die Stripper zu Pour some sugar on me und taten das tatsächlich: Sie liefen, nur in Shorts bekleidet, durch die Reihen der Zuschauerinnen und so manche Dame ließ es sich nicht nehmen, mit Finger oder Lippen Zucker von diesen Six Packs zu lecken. Es war unglaublich, wie aufgeheizt die Stimmung war. Chris zwang sich dazu, nicht ständig „ihrem“ Tänzer nachzusehen. Trotzdem schlich sich ihr Blick immer wieder in seine Richtung. Sie schluckte, als sie sah, wie eine großbusige Frau Zucker von seiner Brust leckte. Nein, das wollte sie nicht sehen. Mit einem unmerklichen Kopfschütteln wandte sie sich wieder ihrem Drink zu.
So viel Spaß sie auch gehabt hatten, es war alles nur Show. Nicht mehr – nicht weniger. Kein Grund, einen der Männer anzuschmachten.
„Gott, waren das heiße Typen!“ Aufgeregt zog die Frauenclique, nachdem die Vorstellung geendet hatte, weiter. Beim Verlassen des Saales hielt Jess allerdings ihre Freundinnen am Merchandise Stand der Candy Kings an. Chris hätte die anderen beinahe umgerannt, als sie so abrupt vor dem Verkaufsstand stehen blieben.
„Na, wie sieht es aus? Möchte eine von euch eine leckere Zuckerstange kaufen?“ Sie leckte sich die Lippen. Langsam aber sicher machte der Alkohol sich bemerkbar.
„Och, nee, lieber ein T-Shirt!“, rief Pip.
„Ja! Lasst uns ein T-Shirt kaufen als Souvenir!“ Diese Idee gefiel allen. Die Shirts waren witzig: Auf einer kitschigen goldenen Krone saß ein nackter Mann – die Kronjuwelen durch einen Rubin verdeckt – und der Schriftzug Candy Kings war in rot-weißer Zuckerstangenoptik darüber gedruckt.
Kichernd bezahlten sie und veranlassten, dass ihre Beute in ihr Hotel geschickt wurde. In den kleinen Abendhandtaschen hatte so etwas nicht Platz. Lediglich die süße Stange, die sie Mr. Magic Eyes abgenommen hatte, hatte Chris in einem unbemerkten Moment gerade so in ihr Täschchen gezwängt. Dieses Souvenir würde sie nicht wieder hergeben.
Kapitel 3
„Heute kommst du uns nicht davon, Denning“, rief Gray Scott zu, als er nach der Vorstellung triefnass aus der Dusche trat.
Scott war schon geduscht und griff eben nach seinem T–Shirt, das auf der bereits gepackten Tasche lag. „Leute, ich, …“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
Das wehmütige Ziehen in seiner Brust, das er verspürt hatte, als die Show zu Ende war und sie die Bühne verließen, kam mit Vehemenz zurück. Nein, er würde es nicht vermissen, sich vor Publikum auszuziehen. Das nicht gerade. Soviel Spaß es auch gemacht hatte, der Reiz war nach so langer Zeit längst verflogen. Doch die Candy Kings waren nicht nur der Job gewesen, der ihm sein Studium ermöglicht hatte. Als er jetzt aufsah, erkannte er, dass sie sehr viel mehr als das für ihn darstellten, nicht nur angenehm verdientes Geld.
Jetzt standen seine Kollegen und Kumpel im Kreis um ihn herum und sahen ihn vorwurfsvoll an.
„Was?“ Scott fuhr sich mit der Hand durch sein noch feuchtes braunes Haar. Tatsächlich hatte er völlig verdrängt, dass er auch die Jungs verlassen würde. Sie hatten so viel Zeit zusammen beim Training verbracht, Strategien ausgetauscht, wie man sich besonders hartnäckiger Fans entledigen konnte und viele, viele Abende gemeinsam die Bühne hier gerockt. Obwohl er in seiner Tasche einen nagelneuen PhD-Titel vorweisen konnte, wurde ihm mit einem Stich bewusst, dass ihm die Truppe der Candy Kings tatsächlich fehlen würde.
„Du hast doch nicht allen Ernstes gedacht, wir würden dich einfach so ziehen lassen?“ Gray zog eine Augenbraue hoch.
„Sorry, nein, ich hab‘ nur die letzten Tage so viel um die Ohren gehabt,“ versuchte Scott, sich zu entschuldigen.
„Das haben wir gemerkt!“ Mehr vorwurfsvolle Blicke.
„Und jetzt machen wir einen drauf! Deine Abschiedsvorstellung muss gefeiert werden, Professor!“, rief Bobby. Professorwar Scotts interner Spitzname. Er war eine Ausnahme hier, weil er eine Wissenschaftskarriere anstrebte.
„Na komm schon.“ Ungeniert ließ Gray das Handtuch fallen und spazierte splitterfasernackt durch die Garderobe. Prüde war in diesem Job niemand, aber Gray war schon ein spezieller Gockel! „So wie ich dich kenne, Kumpel, hast du deinen Abschluss noch überhaupt nicht gefeiert.“
Scotts Schweigen war den Jungs Antwort genug. Natürlich hatte er nicht gefeiert. Wie auch, oder mit wem? Seine Familie würde er erst morgen sehen und an der Uni hatte er nur sehr wenig Kontakte, weil er seine Freizeit mit Arbeit bei den Kings verbrachte.
„Also los dann! Wenn wir jetzt mit dir keinen draufmachen, wirst du alleine in deinem Zimmer sitzen und dich still und heimlich von deinem Dasein als studierender Stripper verabschieden.“ Gray hatte sich mittlerweile in Jeans gezwängt und ließ sein definiertes Sixpack spielen. Der eitle Kerl! Innerlich grinste Scott.
„Außerdem hast du drei Jahre lang so gut wie nie von den Vorteilen unseres Stripperstatus gekostet, da wird ein Paukenschlag zum Abschied fällig!“ Die anderen Jungs fielen johlend ein und bildeten einen Kreis aus perfekten Bauchmuskeln. Wer bereits ein Shirt angezogen hatte, schob es hoch, um die Wellenbewegung mitzumachen. Jeder, der hier auftrat, verfügte über einen Prachtkörper. Die meisten verbrachten ihre Tage beim Training im Fitnessraum. Scott war einer der wenigen, die tagsüber kaum Zeit hatten, auszuschlafen oder zu trainieren. Ein Glück, dass er über hervorragende Gene verfügte, die es ihm erlaubten, auch mal Fünf gerade sein zu lassen.
Scott wusste, worauf Gray anspielte. Die Jungs, die diesen Job hauptberuflich machten, ließen meist nichts anbrennen. Es war schon fast zu leicht, hier in Vegas Mädels aufzureißen. Doch er hatte nie an den Streif– und Beutezügen teilgenommen, da er jede freie Minute in sein Studium gesteckt hatte. Nebenher noch seinen Körper fit für die Auftritte zu halten und die Choreos einzustudieren, war schwierig genug gewesen.
Er sah in die Runde. Mickey, der Kleine, wie sie ihn nannten, grinste frech. Er war der „Süße“ der Truppe. Jack hatte die Arme vor seiner beeindruckenden Brust verschränkt. Mit seinen Tattoos und dem Dreitagebart wirkte der schweigsame Riese ziemlich grimmig. Aber er war ein guter Kerl, der schon des Öfteren für Scott eingesprungen war, wenn dieser eine Prüfung hatte, oder Überstunden an der Uni machen musste. Robert, genannt Bobby, stand neben Sergei, der mit seinem Gehalt darauf sparte, eine Werkstatt zu eröffnen. Sie waren ein eingespieltes Team gewesen und gute Freunde.
Scott würde in Kürze wegziehen aus dem Südwesten – die Jobs, auf die er sich mit seinem nagelneuen Titel beworben hatte, lagen alle im Norden oder an der Ostküste.
Es war tatsächlich ein Abschied. Ihm wurde klar, dass er mitnichten nur deshalb als Stripper getanzt hatte, weil er das Geld brauchte. Es hatte Spaß gemacht, auf der Bühne zu stehen, und er hatte die Kameradschaft unter den Jungs genossen. Sie hatten ihn immer unterstützt, waren stolz auf seine Leistungen an der Uni. Bessere Freunde konnte man sich nicht wünschen.
„Mann, du bist der Erste, und wahrscheinlich auch der Einzige von uns für einige Zeit, der einen Doktortitel hat! Das muss gefeiert werden! Eine wilde Nacht im Club, um den letzten Auftritt von Candy King Scott gebührend zu feiern! Go for it!“
In die Runde grinsend strich Scott über sein graues Shirt und ließ lasziv die Hüften kreisen. „Was meint ihr? Wird das so gehen, Mädels?“
„Wir werden sehen, ob du mit uns mithalten kannst, Professor!“, rief Jack und klopfte Scott auf die Schulter.
Die Gruppe um Jessica und ihre Brautjungfern beschloss, nach der Show der Candy Kings noch tanzen zu gehen. Das Hotel, in dem die Vorstellung stattgefunden hatte, verfügte über mehrere Bars und Clubs, so dass sie entschieden, gleich hierzubleiben.
Selbstverständlich besprachen sie die Show mit ihren Protagonisten bis ins letzte Detail. Chris beteiligte sich nur wenig an dem aufgeregten und etwas beschickerten Geplapper. Sie hatte die Vorstellung zwar genossen, war aber nicht der Typ Frau, die hinterher darüber diskutierte, welcher der Tänzer den knackigsten Hintern hatte, oder wer im String das größte Paket aufzeigte. Außerdem hatte sie sowieso schon zu viele Gedanken an den sexy Stripper mit den schönen Augen verschwendet.
„Komm schon, Chris! Welcher der Jungs war dein Favorit? Wen von diesen heißen Kerlen würdest du nicht von der Bettkante stoßen?“ Pip kannte da weniger Skrupel. Sie hatte die ganze Vorstellung über gejohlt und war immer bei den Ersten gewesen, die „Ausziehen“ gebrüllt hatten.
„Ich gebe ja zu, dass die Typen cool waren, aber mehr?“, antwortete Chris ausweichend. „Erstens sind das Stripper, die dafür bezahlt werden, Mädels heiß zu machen …“
„Na und?“ Pip rollte mit den Augen. „Was ist schon dabei? Wär doch schade, wenn wir die Jungs um ihren verdienten Lohn bringen!“
Chris schüttelte lachend ihr langes Haar. „Und zweitens dürften die alle ein paar Jährchen jünger sein als ich. Hübsch anzuschauen – aber mehr? Darüber denke ich nicht mal nach!“
„Ist doch nur Spaß, Schwesterherz!“, fiel Jess ein. „Hey! Die haben mich getragen! Das war so irre!“ Die Braut konnte es immer noch nicht fassen, dass sie plötzlich auf der Showbühne gestanden hatte.
„Macht Brian das auch?“, neckte Chris ihre kleine Schwester und wechselte damit das Thema. Vor dem Club hatte sich eine Schlange gebildet, in die sie sich einreihten.
„Und ob! Ich bestehe darauf, über die Schwelle unseres Hauses getragen zu werden.“ Sie umarmte die Ältere. „Ich freue mich so darauf, mit Brian verheiratet zu sein. Ich wünschte, du würdest auch deine zweite Hälfte finden, Chris.“
„Ach Darling, so etwas wie mit euch beiden ist nun mal nicht allen Menschen vergönnt. Ich bin viel zu eigenbrötlerisch für eine solche Beziehung. Nerd eben!“
„Quatsch! Auch für eine Nerdine und Labormaus wie dich findet sich der Richtige!“
„Nerdine ist nicht mal ein Wort!“, erwiderte Chris lachend.
„Ich habe es gesagt, also muss es ein Wort sein“, widersprach ihre Schwester.
Chris wurde zum Glück einer Antwort enthoben, da sie nun endlich reingewunken wurden. Sie war schon lange nicht mehr tanzen gewesen. In England hatte sie nach sehr kurzer Zeit André kennengelernt, der mehr für gediegenere Vergnügungen wie edle Restaurants oder Opernbesuche zu begeistern war. Nicht, dass ihr das nicht gefallen hätte; ganz im Gegenteil, sie war geschmeichelt gewesen, dass ein so distinguierter Mann und brillanter Wissenschaftler sie an seinem Leben teilhaben ließ. Andrés Betrug hatte in ihr allerdings jeden Wunsch zerstört, sich weiter mit dem Thema Partnerschaft zu beschäftigen.
Stattdessen hatte sie sich zurück in Nordamerika in ihren neuen Job gestürzt. Erst jetzt wurde ihr langsam klar, dass sie auch keine anderen Freizeitaktivitäten aufgenommen hatte. Wenn sie ihre Forschung im Labor beendete, dann war sie meist so müde, dass es nur noch für ein Take–away reichte. Anschließend fielen ihr die Augen nach ein paar Seiten direkt über einem Buch zu. Wenn sie an den Wochenenden nicht ebenfalls arbeitete, dann holte sie Schlaf nach oder las ausnahmsweise mal ein Buch zu Ende. Ihr soziales Leben war derzeit wirklich so eintönig wie die Maisfelder Nebraskas! Konnte man die Joggingrunde, zu der sie sich zweimal pro Woche zwang, eventuell noch als Freizeit zählen? Nein, verwarf sie den Gedanken. Das tat sie lediglich, um gesund und fit zu bleiben, nicht weil es ihr Freude bereitete, durch die Gegend zu laufen.
Als der Türsteher die Gruppe hineinwinkte, beschloss Chris, dass sich etwas ändern musste in ihrem Leben. Als Erstes würde sie diesen Abend genießen. Dann sich in Montreal ein paar Freundinnen suchen. Sie war schließlich erst zweiunddreißig, nicht zweiundachtzig. Und sie würde öfter mal ein Wochenende mit Jessica verbringen. Außerdem stand die Entscheidung über die Besetzung von Ballards Lehrstuhl kurz bevor. Hatte sie erst mal ihr Ziel erreicht, dann würde vieles leichter werden.
Der Club war, wie alles in Las Vegas, überdimensional, glitzernd, voller bunter Lichter und gefüllt mit Partywütigen jeglicher Couleur. Hier konnte man sich eine Auszeit vom Alltag nehmen. Und genau das hatte Chris jetzt vor.
Sie tanzte, als hinge ihr Leben davon ab. Ließ sich vom Beat der Musik mitreißen und kümmerte sich nicht darum, wie sie aussah, ob ihre Frisur noch saß, oder ob man möglicherweise sah, dass sie schwitzte. Es tat so gut, alles rauszulassen und sich einfach zum Rhythmus zu bewegen. Gemeinsam rockte sie mit Jess und ihren Freundinnen die Tanzfläche. Eine Pause legten sie nur ein, um an der Bar einen Drink zu holen.
Kapitel 4
Sie war ihm sofort aufgefallen, als sie den hoteleigenen Club betraten: Die sexy Frau mit dem smaragdgrünen Kleid, an deren Tisch er vorhin getanzt hatte. Natürlich erinnerte man sich in seinem Job nicht an jede, der man eine Zuckerstange übergeben hatte, aber sie hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, den sie jetzt noch bestätigte. Das Kleid war sensationell und umspielte ihre Rundungen sehr einladend. Sie war keine dieser superdürren Frauen, sondern hatte an den richtigen Stellen Kurven. Es umgab sie eine sehr selbstbewusste Aura. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie reifer wirkte, als die anderen Mädels an ihrem Tisch.
Eigentlich hatte er die Braut der Gruppe im Visier gehabt, als er für die Handstandnummer zu Tisch drei lief, aber die Frau in Grün war irgendwie herausgestochen. Und, da es sein letzter Auftritt war, hatte er beschlossen, die Zuckerstange derjenigen Frau zu geben, die ihm am besten gefiel. Sie hatte zuerst überrascht gewirkt, aber sich dann schnell auf das Spiel eingelassen. Ihr Blick hatte ihn gefesselt.
Wem gefiel es nicht, die bewundernden Augen des Publikums auf dem Körper zu spüren? Auch wenn er diesen Job des Geldes wegen angenommen hatte, so waren die Auftritte doch immer ein Kick gewesen. Der Applaus und die offene Bewunderung ließen Scotts Adrenalinspiegel zu Anfang jedes Mal aufs Neue hochschnellen. Mit der Zeit hatte das nachgelassen. Wie seltsam, dass er ausgerechnet an seinem letzten Abend eine Frau im Publikum gesehen hatte, die ihm im Kopf geblieben war.
Als sie sich im Club zu der wie üblich reservierten Sitzecke begaben, wurden die Männer sofort von einer Horde Fans begrüßt. Grays Fanclub wartete dort bereits auf sie. Was der Junge nur an diesen Frauen fand? Sie himmelten ihn an – oder vielmehr das Bild, das sie von ihm hatten. Den sexy und draufgängerischen Stripper. Scott selbst wollte keine Frau, die nur das in ihm sah. Ein weiterer Grund, neben seinem Studium, warum er sich so selten an den Clubabenden beteiligt hatte.
„Oh, ihr habt heute Scott für uns mitgebracht!“, hatte eine Blondierte mit Bauchnabelpiercing geraunt. Sie drückte sich lasziv an seinen Körper. Scott wusste nicht wohin mit seinen Händen und wurde durch ihr klebrig–süßes Parfum beinahe betäubt. So wenig Probleme er bei der Show mit Körperkontakt hatte, so sehr störte es ihn, wenn privat Grenzen nicht respektiert wurden. Diese Groupies schienen alle Männer der Candy Kings für Toyboys zu halten.
„Ähm. Hi!“, sagte er schließlich und schob sie ein Stück von sich. Dann ließ er sich blitzschnell auf die Bank fallen und drehte ihr den Rücken zu, um angestrengt die Getränkekarte zu studieren.
„Sue steht auf dich, Professor“, grinste ihn Bobby an, der neben ihm sass.
„Aber ich nicht auf sie!“, entgegnete Scott.
„Sie soll ziemlich gut blasen.“
„Verdammt, Bobby! Ich will kein billiges Flittchen, das für jeden die Beine breitmacht.“
Sein Kumpel zuckte mit den Schultern. „Wär‘ ein schneller Fick gewesen. Wollte dir nur helfen.“
„Danke! Aber ich kann mir meine Frauen selbst suchen.“ Wollte er wirklich einen One-Night-Stand? Dann hätte er mit Sue sicher gleich loslegen können. Aber nein. Scott schüttelte den Kopf. Sex ja, doch ein bisschen Klasse sollte sie schon haben. Ansonsten könnte er sich auch einen runterholen. Es war ihm unverständlich, wie Gray so leben konnte. Der war schon wieder von drei Groupies zugleich umgeben.
„Was findet er nur an denen?“, murmelte er vor sich hin.
Bobby lachte. „Sie vergöttern ihn. Das streichelt seinem Ego, während ihre Hände andere Körperteile streicheln.“
„Diese Mädels ritzen sich für jeden von uns eine Kerbe ins Bett! Ich habe keine Lust, eine Trophäe zu sein!“
„Bist du aber, mein Lieber. Vor allem, weil sie so selten die Möglichkeit haben, dich abzuschleppen.“
Langsam fragte sich Scott, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, hierher mitzukommen. Sue grinste ihn immer noch an. Schnell drehte er sich wieder zu Bobby. „Was ist mit dir?“ Er hoffte, der Kollege würde das Mädel möglicherweise für sich nehmen.
Doch der schüttelte den Kopf. „Ich steh nicht auf Matratzen!“
„Aber mir preist du sie an?“ Lachend schüttelte er den Kopf.
„Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte, es sind auch andere Frauen hier. Ich mag es, mir meine Mädchen selbst auszusuchen. Die Groupies wissen, dass sie nicht mein Fall sind. Zu leicht zu haben.“
Ach, so war das. Bobby war ein Jäger. Warum auch nicht.
Scott hatte die letzten Jahre zwar nicht direkt im Zölibat verbracht, aber jedes Mal, wenn etwas ernster zu werden schien, funkte entweder sein Nebenjob dazwischen, oder die Tatsache, dass er für eine richtige Beziehung eigentlich keine Zeit hatte. Na klar, welche Frau mit Selbstachtung wollte schon mit einem Mann zusammen sein, der Abend für Abend seinen Körper zur Schau stellte, aber keine Zeit für sie hatte?
Scott ließ seinen Blick nochmal zur Tanzfläche gleiten. Da war sie mit ihren Freundinnen. Die Frau von Tisch drei. Ja, es waren noch andere Frauen im Club, außer den Groupies der Candy Kings. Die Gruppe tanzte sexy und aufreizend, aber dennoch merkte man, dass sie nicht hier waren, um sich jemand für die Nacht aufzureißen. Es machte Scott Spaß, dieser ehrlich ausgelassenen Runde zuzusehen. Er lehnte sich zurück und überlegte, was genau ihm an der Frau aus dem Publikum so gefiel.
Sie war anders. Irgendetwas faszinierte ihn an ihr.
Aus dem Augenwinkel sah er Sue wieder in seine Richtung steuern, so dass er schleunigst die Flucht ergriff und sich zu den Toiletten absetzte. Als er zurückkam, checkte Scott zuerst den opulenten Clubraum. Drüben bei den Jungs befand sich das Groupie immer noch und sah suchend auf die Tanzfläche. Bobby war nicht mehr zu sehen und die anderen Candy Kings hatten wortwörtlich alle Hände voll zu tun.
Die Lady in Grün allerdings stand gerade mit einer Freundin an der Bar.
Alles klar! Das war ein Wink des Schicksals. Er würde sie ansprechen. Heute war sein letzter Abend hier und er würde all die Dinge tun, die er sich bisher verkniffen hatte. Was konnte schon passieren?
Lachend und außer Atem bestellte Chris den x-ten Gin Tonic des Abends.
„Der geht auf mich!“, ließ sich eine sonore Männerstimme neben ihr vernehmen.
Das war so nicht geplant. Sie hatte keine Lust, sich mit dummen Anbaggersprüchen zu plagen. Chris wollte einfach nur tanzen und Spaß haben. Typisch! Männer konnten eine Frau nicht in Ruhe lassen, wenn diese ohne sie zufrieden wirkte.
Genervt drehte sie sich um, eine scharfe Entgegnung auf den Lippen. Die Worte erstarben in ihrer Kehle und verpufften, als wären sie nie da gewesen. Mr Magic Eyes höchstpersönlich grinste sie an, schob ein paar Scheine über den Tresen und prostete ihr mit seinem Bier zu.
Sie erwachte erst aus ihrer Schockstarre, als ein Ellenbogen, vermutlich wieder Pip, sie rammte und eine Stimme „Zuckerstangenalarm“ in ihr Ohr raunte. Chris schluckte und griff nach ihrem Glas. Ein kurzer Blick zur Seite bestätigte, dass Pip sich davongemacht hatte und der Mann neben ihr tatsächlich sie meinte. Es war kaum zu glauben. Er, Mr Magic Eyes, einer dieser Wahnsinnstypen, denen sich jedes paarungswillige Weibchen im Umkreis von fünfzig Meilen an den Hals warf, spendierte ihr einen Drink und flirtete mit ihr!
Mit einem sanften Klirren stieß sie ihr Cocktailglas gegen seine Flasche. Chris nutzte die Zeit, während sie tranken, um sich etwas zu überlegen, das sie zu ihm sagen konnte, aber ihr wollte partout nichts einfallen. Machte man einem Mann Komplimente? Das lief doch normalerweise andersrum. Der herbe Geschmack des Gins lief durch ihre Kehle, überlagert vom süßen Tonic Water mit seinen Bitterstoffen. Vielleicht würde es sie beruhigen, wenn sie den Geschmack analysierte? Das war schließlich ihr Beruf. Tief sog sie die Luft ein, um auch die Duftstoffe des Getränkes zu absorbieren.
Eigentor!
Sie roch ihn – ein Zitrusduschgel, Limette und Sandelholz, wenn sie nicht irrte, überlagert vom Hopfen des Bieres, das er in der Hand hielt. Natürlich folgte der Gedanke, wie Mr Magic Eyes denn wohl schmecken würde, auf dem Fuße. „Du bist …“, stotterte sie schließlich.
„ …Scott! Freut mich dich kennenzulernen, …?“ Er hatte Grübchen! Grübchen und um die himmelblauen Augen ganz kleine Lachfältchen!
„Ähm, Chris. Mein Name ist Christine“, antwortete sie automatisch, ohne sich von seinem Blick zu lösen.
„Ihr verabschiedet eine Braut?“, fragte er nach einer kurzen Pause mit einer Bewegung seines Kopfes in Richtung der Gruppe ihrer tanzenden Freundinnen.
„Meine kleine Schwester!“ Sie war erleichtert. Hierüber konnte Chris gefahrlos sprechen. „Sie wird in zwei Wochen ihre große Liebe heiraten.“
„Wow! Das ist schön!“ Er wirkte ehrlich interessiert, wie er sie so fixierte. Das tat ihrem verkümmerten weiblichen Ego gut, oh, so gut! Der Alkohol des Abends trug sein Übriges dazu bei, dass Chris sich nicht so viele Gedanken machte und sich auf das Gespräch einließ.
„Und du? Hast jetzt Feierabend?“, erkundigte sie sich vorsichtig. Irgendwie wollte sie seinen Job nicht direkt ansprechen.
„Das kann man so sagen. Die Jungs haben mich heute mitgeschleppt.“ Er deutete zu der Gruppe, die in einer Sitznische von weiblichen Fans belagert wurden.
„Oh! Da ist ja mächtig was los bei euch.“ Sie umklammerte ihr Glas. Wieso sprach er sie an, wenn da drüben eine ganze Horde williger Frauen bereitstand?
„Das sind hauptsächlich Grays Groupies“, winkte Scott ab. „Komm!“, ergriff er ihre Hand, „Lass uns tanzen!“
In genau diesem Moment beschloss Chris, dass es egal war, ob er jeden Abend eine andere abschleppte, oder dass sein Körper Abend für Abend von kreischenden Frauen mit Blicken gefickt wurde. Jetzt war er hier bei ihr und wollte mit ihr tanzen, also würde sie das tun. Sie würde heute Nacht Spaß haben.
Schmunzelnd hatte er wahrgenommen, wie sie erschrak, als sie sich ihm zudrehte und ihn erkannte. Sie war wirklich eine Schönheit, aber offensichtlich auch angeschickert und arg von seiner vorherigen Vorstellung beeindruckt, obwohl sie versuchte ihn nicht darauf anzusprechen. Gut – sie erinnerte sich an ihn. Schlecht – sie erinnerte sich an den Stripper. Da lag es wohl an ihm, ihr zu zeigen, dass er mehr war als nur irgendein Typ, der sich vor Publikum entblätterte. Bevor die Konversation peinlich werden konnte, lud er sie ein, mit ihm zu tanzen.
Das Tanzen war definitiv ein Vorteil des Jobs – sie mussten ihre Körper beherrschen und auf die Musik eingehen, wenn sie auf der Bühne erfolgreich sein wollten. Hier zwischen den ganzen Feiernden zog Scott Chris zu sich und ließ sich mit ihr zu Latinklängen tragen. Zuerst war sie noch etwas zaghaft, aber dann wurde sie forscher. Nahm seine Moves auf und scheute auch vor Körperkontakt nicht zurück. Sie war etwas kleiner als er, und musste immer ein wenig zu ihm aufblicken. Beim zweiten Song grinste sie glücklich.
„Das macht Spaß mit dir“, sprach Scott in ihr Ohr, während er ihren Rücken an seine Brust drückte und einen Arm seitlich an ihrem Körper entlanggleiten ließ. Er nahm es als Zustimmung, dass sie ihren Hintern fester an ihm rieb. Verdammt, wenn sie so weitermachte, würde sie in den nächsten Sekunden merken, wie hart er war – nur von einem Tanz!
Sie bewegten sich im Takt der Musik. Bässe peitschten Rhythmus durch sie hindurch, während Gitarrenmelodien ein Gefühl von Exotik, Freiheit und Sommernächten suggerierten.