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Felicity D'Or

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Beschreibung

„Wer auch immer behauptete, in alten Türmen hausten Gefahren, der kannte nicht die Risiken, die ein paar Tage mit Miss Harding in ihrem modernen, komfortablen Landhaus bargen.“ Was macht eine reiche, unabhängige Erbin im London des Jahres 1807, wenn sie dringend einen Ehemann braucht? Sie veranstaltet ein Casting auf ihrem herrlichen Landsitz an der Küste. Miss Elinor Harding möchte sich im Stand der Ehe so viel Selbständigkeit wie möglich bewahren. Da sie dringend heiraten muss, lädt sie Gentlemen zur Sommerfrische ein, um zu prüfen wer von ihnen als Ehemann infrage kommt. Wichtigstes Kriterium: der Herr soll lenkbar sein und sich auch nach der Hochzeit nicht in Elinors Leben einmischen. Zu dumm, dass der Duke of Lamberth nicht vorhat, seinen Erben an einen neureichen Emporkömmling zu verlieren. In der Absicht, Miss Harding das Spiel zu verderben, taucht er ungeladen auf der Gesellschaft auf. Der befehlsgewohnte Duke und die selbstbewusste Erbin treffen mit einer Wucht aufeinander, die die Funken fliegen und die Leiber in der Sommerhitze glühen lässt. Wird eine sinnliche Nacht ausreichen, Elinor davon zu überzeugen, dass keiner ihrer Kandidaten zu ihr passt, sondern nur ein dominanter Duke?

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Elinor und der Duke

 

Historischer Liebesroman von

 

Felicity D’Or

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright © 2021 Felicity D‘Or

Alle Rechte vorbehalten.

 

Covergestaltung:

Coverdesign: Giusy Ame / Magicalcover.de

Bildquelle: shutterstock

 

Lektorat: Margaux Navara Korrektorat: Sabine Klug

 

Illustrationen: depositphotos

 

Herausgeberin:

Veronika Prankl

Auenstraße 201

85354 Freising

[email protected]

 

Sämtliche Texte und das Cover dieses Buches sind urheberrechtlich geschützt. Eine Nutzung oder Weitergabe ohne Genehmigung des jeweiligen Urhebers oder Rechteinhabers ist nicht zulässig und daher strafbar.

 

Vorwort

 

Im Sommer 2021 hatte ich die spontane Idee, eine Sammlung von erotischen Kurzgeschichten zu schreiben. Der Sammelband mit vier Geschichten erschien im Juli 2021 unter dem Titel ‚Skandalöse Sommernächte‘.

Es erreichten mich daraufhin viele Rückmeldungen, dass die vierte Geschichte, über Elinor und Jack, eigentlich einen ganzen Roman verdiente. Jack wurde quasi über Nacht mein beliebtester Romanheld. Die Leser*innen verlangten nach mehr.

Da ich selbst auch der Meinung war, dass diese Geschichte mehr Ausführlichkeit, mehr Entwicklung und mehr heiße Sommeraction vertrug, habe ich mich an das Manuskript gesetzt. Es war gar nicht so leicht, aus 10000 Wörtern 60000 zu machen, aber mit der Zeit fanden sich Nebenhandlungen, Elinors Vorgeschichte und natürlich jede Menge explosive Zusammenkünfte der beiden Protagonisten zu einem runden Roman in voller Länge.

Das Ergebnis halten Sie in den Händen.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser*innen, ebenso viel Freude mit Elinor und ihrem Duke, wie ich sie an den beiden hatte.

Herzlichst, Ihre Felicity

 

 

 

Elinor und der Duke

 

Historischer Liebesroman von

 

Felicity D’Or

 

Inhaltsverzeichnis

 

Kapitel 1

Ein hoffnungsloser Fall 7

Kapitel 2

Der rechte Plan zur rechten Zeit 13

Kapitel 3

Mäuse lockt man mit Speck 20

Kapitel 4

Lasset die Spiele beginnen 25

Kapitel 5

Ehrengast 31

Kapitel 6

Gäste und Gastgeberin 36

Kapitel 7

Eine Dame zu wenig 41

Kapitel 8

Familienähnlichkeit 46

Kapitel 9

Auf dem Balkon 50

Kapitel 10

Ein Kuss vor dem Schlafengehen 57

Kapitel 11

Strandpartie 62

Kapitel 12

Ein neuer Gast 72

Kapitel 13

Familiengespräche 78

Kapitel 14

Alte Bekannte 85

Kapitel 15

Hitzewallungen 90

Kapitel 16

Altersweisheiten 96

Kapitel 17

Erfrischung 102

Kapitel 18

Der Duke trifft eine Entscheidung 108

Kapitel 19

Stelldichein im Garten 115

Kapitel 20

Der Pavillon 120

Kapitel 21

Vom Sturm getrieben 127

Kapitel 22

Nachwehen 131

Kapitel 23

Nach dem Gewitter 136

Kapitel 24

Brautwerbung 141

Kapitel 25

Wortduelle 148

Kapitel 26

Regentränen 152

Kapitel 27

Der Duke gibt nicht auf 156

Kapitel 28

Geschenke 161

Kapitel 29

Ein hartes Stück Arbeit 166

Kapitel 30

Hochzeitspläne 176

Epilog

Hochzeit auf Lamberth Castle 182

 

 

 

 

Prolog

 

 

 

 

Wie pervers konnte ein Mensch sein, dass er sich sogar freute, weil die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte, endlich wieder mit ihrem Gatten vereint war?

Jack Dewitt, seines Zeichens fünfter Duke of Lamberth, hatte längst aufgegeben, seine Gefühle für Amelia Pearson zu verstehen. Amelia und ihr Ehemann William gehörten zueinander, das wusste jeder. Außer Pearson selbst, diesem Idioten, der aufgrund eines Missverständnisses seine Frau und die Kinder verlassen hatte.

Anstatt endlich, nach Jahren des Leidens und Sehnens aus der Ferne, Amelia für sich zu nehmen, hatte Jack nun also zur Versöhnung des Paares beigetragen.

Der Duke of Lamberth stand auf der großen Freitreppe, die in den Garten des protzigen Stadthauses führte. Sie befanden sich auf der alljährlichen Sommernachtsmaskerade, die Lady Falstaff opulent und dekadent ausrichtete. Wie überall im Haus war auch hier alles üppig geschmückt. Laternen hingen in Bäumen, Fackeln säumten die Wege, und exotische Topfpflanzen verströmten ihren süßen Duft.

Der Duke hatte keine Augen für die verschwenderische Pracht, zerstörte den Blumenduft, indem er den Rauch seiner Zigarre ausstieß. Warum war er immer noch hier? Irgendetwas schien mit seinem Kopf nicht zu stimmen.

Amelia und William Pearson. Er hatte die beiden verschwinden sehen und sein perverses Wesen hatte es ihm nicht erlaubt, sofort den Ball zu verlassen. Sie feierten irgendwo in den verborgenen, dunklen Nischen dieses Lustgartens zweifellos eine zügellose Versöhnung, die Frau, die er seit Jahren anbetete, und ihr Ehemann.

Er sollte gehen. Hier gab es nichts mehr für ihn. Lamberth sah die maskierten Gäste um ihn herum. Wie sie lachten, so taten, als wären sie anonym, bloß weil sie eine Maske trugen. Seiner Erfahrung nach trugen Menschen immer Masken. Er selbst ja auch. Dafür musste er sich nicht verkleiden. Es war ihm gleich, ob er erkannt wurde.

„Lamberth, so ganz alleine?“, gurrte eine Dame, die über und über mit Pfauenfedern geschmückt war.

„Lady Cowley“, grüßte er sie und blies ihr Rauch ins Gesicht. „Nur die männlichen Pfauen tragen so viel Gefieder. Sie scheinen mit ihrem Kostüm geirrt zu haben. Aber stimmlich könnte es passen.“

„Sie sind ein ungehobelter Klotz, Lamberth. Wenn Sie es darauf anlegen, Leute zu beleidigen, so bleiben Sie doch zu Hause!“ Die keifende Dame machte kehrt und suchte ein anderes Opfer.

Was scherte es ihn? Der Grund, weshalb er überhaupt hier war, lag darin sicherzustellen, dass Amelia wieder glücklich war.

Träge paffte er vor sich hin, bis ihn Bewegung und das Schimmern eines silbernen Kleides aufschreckten. Amelia! Und ihr Gatte rannte hinter ihr her. Sie waren nicht lange fort gewesen. Nicht lange genug, um sich zu versöhnen ... und wie sie über den Rasen stürmten, schienen ihre Probleme noch nicht aus der Welt geräumt.

„Ah, da sind ja unsere Turteltäubchen!“, erklärte er scheinbar ungerührt.

William Pearson keuchte wild auf und unterbrach die verworrenen Gedankengänge des Dukes, sobald er ihn erblickte. „Du musstest deinen Liebhaber mitbringen, Amy?“

Hatten die beiden das noch immer nicht geklärt? Lamberth konnte es nicht fassen. Kopfschüttelnd sah er auf das Paar vor ihm.

„Wie bitte?“ Die zauberhafte Amelia ignorierte den Duke – nichts Neues seit fast zehn Jahren – und warf ihrem Gatten einen schockierten Blick zu. Es wäre lachhaft, wenn es nicht so schmerzhaft gewesen wäre. Amelia würde niemals einen anderen Mann anrühren. Schon gar nicht Jack.

Doch Pearson in seiner Eifersucht sah das nicht und ging mit erhobenen Fäusten auf Lamberth zu. Jack hatte es vermutlich verdient, sich mit Pearson zu prügeln, weil er vor ein paar Wochen durch eine unbedachte Äußerung den Mann glauben ließ, seine Frau würde eine Affäre mit ihm in Erwägung ziehen. Nicht einen Moment hatte der Duke gedacht, dass Pearson das wirklich annehmen würde. Und wenn, hätte Amelia alles mit zwei Sätzen klären können.

Das schlechte Gewissen in Lamberth regte sich. Natürlich hatte er gar nichts getan, die Lady nicht angefasst.

Pearson hatte falsche Schlüsse gezogen, aber Lamberth hatte ihn nicht sofort berichtigt.

Vermutlich sollte er dem Mann seine Wange hinhalten, aber es lag nicht in seiner Natur, zu tun, was er sollte. Jack drückte in aller Seelenruhe seine Zigarre auf der steinernen Brüstung aus. „Was reden Sie denn da, Pearson? Kümmern Sie sich lieber um Ihre Frau!“

William schob sich an Amelia vorbei und schien ihn gar nicht gehört zu haben. „Sie! Reicht es Ihnen nicht, mit dem Glück meiner Familie zu spielen, um zu bekommen, was Sie wollen? Müssen Sie es mir jetzt auch noch unter die Nase reiben? Ich habe Ihnen den Weg frei gemacht, aber Sie geben erst auf, wenn alles zerstört ist, was?“

Was für ein pathetischer Grünschnabel. Amelia hatte einen gleichaltrigen Mann geheiratet. Beide waren erst Mitte zwanzig. Im Vergleich zu diesen beiden kam sich Lamberth mit seinen fast vierzig Jahren wie ein Methusalem vor.

„William, wovon sprichst du? Und in Gottes Namen, sei leiser!“ Der Duke registrierte, wie Amelia den Arm ihres Gatten ergriff, den dieser erhoben hatte, um zum Schlag auszuholen. „Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, Lamberth!“

Um die Lippen des Dukes zuckte ein Lächeln. „Wissen Sie nicht, schöne Amelia? Sie sind in ihn gefahren, Sirene, die Sie sind.“

Amelia Pearson war der Inbegriff der holden Weiblichkeit. Haare wie gesponnenes Mondlicht, eine zarte, elfengleiche Figur und ein Gesicht wie eine Puppe. Sie hätte jeden haben können, inklusive ihn. Aber statt eines Dukes hatte sie ihre Jugendliebe Pearson gewählt, einen einfachen Squire.

„Ich bringe Sie um, ganz gleich, was die Konsequenzen sind, Lamberth! Amelia ist meine Frau und Sie werden sie nie wieder anrühren!“ William riss sich von ihr los. Sein Gesicht war wutverzerrt. Um sie herum blieben die anderen Gäste stehen. Trotz der Masken würde man sie nur zu schnell erkennen.

Zeit, das hier zu beenden, bevor ein waschechter Skandal daraus wurde.

„Mein lieber Pearson, ich fühle mich geschmeichelt und gebe gerne zu, dass ich den Reizen Ihrer Gattin gegenüber nicht unempfänglich bin.“ Er wehrte Williams Hand mit einem gekonnten Griff ab. Der Mann sollte sich glücklich schätzen mit seiner Frau, statt Händel zu suchen mit imaginären Kontrahenten. „Allerdings sollte ich Sie verprügeln dafür, dass Sie Mrs Pearson zutrauen, bei so etwas mitzumachen. Sie Glückspilz sind der einzige Mann, und werden es wohl in alle Ewigkeit sein, den die Lady auch nur ansieht!“ Mit einem Nicken und einem bedauernden Lächeln in ihre Richtung drehte sich der Duke um und ließ die fassungslosen Pearsons zurück, die sich einer wachsenden, wispernden Zuschauerschar gegenübersahen.

Kapitel 1 Ein hoffnungsloser Fall

Mittsommernachtsball, London 1807, 5 Minuten später

 

„Jack, du musst endlich damit aufhören!“

Zur Hölle mit aufdringlichen Schwestern! Jack Dewitt, fünfter Duke of Lamberth, ignorierte Lady Constance Dewitts aufgeregte Stimme und fokussierte sich auf sein Ziel, den Ball schnellstmöglich zu verlassen.

Diese Szene im Garten war unwürdig gewesen. Seiner Stellung und Amelias Familie gegenüber.

Vermutlich mochte er es, sich selbst Schmerz zuzufügen – sonst hätte er sich von diesem Ort, diesem Ball ferngehalten. Zumindest ab dem Moment, an dem er erfuhr, dass SIE anwesend sein würde. Aber nein, er hatte es nicht fertiggebracht abzusagen. Stattdessen hatte er die Frau, die einen anderen liebte, in Begleitung seiner eigenen Schwester in seiner Reisekutsche gefahren und in sein Stadthaus eingeladen. Damit sie sich ihren Gatten zurückholte.

„Jack! Verflixt noch mal!“ Eine Hand ergriff seinen Arm und klammerte sich fest.

„Constance! Lass mich in Frieden!“ Er drehte sich zu seiner Halbschwester und traf auf ihren besorgten Blick. Warum konnten es die Frauen nicht sein lassen, sich einzumischen? Er war fast vierzig Jahre alt, aber seine kleine Schwester, die er als Baby herumgetragen hatte, für deren Ausbildung er gesorgt hatte und die immer noch seinem Haushalt vorstand, sah ihn an, als wäre er ein Kleinkind, das des Trostes bedurfte.

Um sie herum drängten sich betrunkene Gäste und zügellose Paare. Constance setzte an zu sprechen, aber Jack schüttelte den Kopf. „Ich verschwinde von hier.“

Diese Art Vergnügung entsprach nicht Jacks Vorlieben. Nicht, dass er Wein und Frauen gegenüber abgeneigt wäre. Dieser Ball war zu künstlich, die Leute zu aufdringlich und zu verzweifelt in ihrem Streben nach Amüsement. Lady Falstaff scheute keinen Aufwand für ihren alljährlichen Mittsommernachtsball. Kein Wunder, die Frau hatte den alten Lord Falstaff wegen seines Geldes geehelicht und versuchte nun mit allen Mitteln, ihre Langeweile zu bekämpfen. Sie rühmte sich ihrer ausschweifenden Festivitäten, ihrer jungen Liebhaber und sonnte sich im Ruf einer Gastgeberin par excellence. Der Duke hatte nicht den Eindruck, dass es Lady Falstaff glücklich machte.

Er wusste wohl am besten, dass Reichtum allein kein erfüllendes Leben bedeutete.

Aber wer war er, über Glück zu philosophieren? Manche Dinge wurden nur durch Ablenkung erträglich.

Die Gäste dieses Balls scheuten sich vor gar nichts, da sie alle Masken trugen. Jetzt, nachdem das Fest seit einigen Stunden in Gang war, sah Jack im Schein der Leuchter zu viel nackte Haut für seinen Geschmack, die Leute lachten zu laut und tanzten zu ungeniert. Was zu Beginn zauberhaft exotisch gewirkt hatte, wurde zusehends vulgär. Über allem lag der stickige, exotische Duft, der die Dschungelatmosphäre unterstreichen sollte, aber Jack Kopfschmerzen verursachte. Vor seiner großen, breitschultrigen Gestalt wichen die Leute zurück. Vielleicht lag es an seiner finsteren Miene. Kaum jemand wagte es, ihn anzusprechen. Das war auch besser so.

Seine Schwester entzog sich mit einem schnellen Schritt den dreisten Fingern eines römischen Legionärs und folgte ihm in Richtung Flur. „Ich komme mit. Ich habe genug hiervon.“

Na wunderbar, jetzt musste er Constance nach Hause bringen. Aber sie alleine zurückzulassen, stand nicht zur Debatte. Zweifellos konnte sich Constance schützen, dafür hatte er gesorgt, aber wenn sie genug von diesem Ball hatte, so blieb ihm keine Ausrede. Außer ...

„Was ist mit deiner Freundin?“

Constance’ Augenrollen hätte ihr von ihrer früheren Gouvernante schlimme Schelte eingebracht, aber nicht von Jack.

Sie hatten das Foyer erreicht und er ließ seine Kutsche vorfahren. Endlich konnten sie die überfüllte Residenz verlassen. Jack sog die schwüle Nachtluft ein, bevor er eine Zigarre aus seiner Jackentasche holte.

Constance hielt sich zurück, bis sie in der luxuriösen Kutsche saßen. Auf der Hinfahrt waren sie noch zu dritt gewesen. Jetzt saß das Gespenst Amelias zwischen ihnen.

„Amelia wird von ihrem Ehemann nach Hause gebracht werden.“

Jack grunzte etwas. Nach Hause? Ihre Sachen befanden sich in seinem Stadthaus. Sie hatte wie so oft in den Jahren davor in seinem Haus genächtigt und gespeist und war in seinem Wagen zum Ball gefahren.

Und sie hatte sich zum wiederholten Mal für ihren Ehemann William entschieden.

„Jack, die halbe Gesellschaft hat mitangesehen, dass du dich beinahe mit William Pearson geprügelt hast!“

„Nun mach mal halblang. Er wollte mich schlagen. Ich kann nichts dafür! Er sollte dankbar sein, dass ich ihn nicht verprügelt habe!“ Jack verschränkte die Arme und sah in die nächtliche Straße hinaus. Da eine Dame anwesend war, musste er sich mit der Zigarre gedulden.

„Er hat behauptet, du wärst Amelias Liebhaber, und alle Umstehenden haben es gehört! Jack, es kann dir doch nicht gleichgültig sein? Amy ist nicht die Richtige für dich und ich weiß, dass du sie nie gegen ihren Willen zu etwas zwingen würdest! Am Ende fordert er dich noch zu einem Duell!“

„Halt dich aus meinem Liebesleben heraus!“, entgegnete er schärfer als beabsichtigt. Natürlich war Amelia Pearson nicht die richtige Frau für ihn. Schlicht und ergreifend, weil sie einen anderen liebte. Und selbst wenn es so ausgesehen haben mochte, als würde er versuchen, das zu ändern, entsprach das nicht der Wahrheit.

„Was hast du getan, Jack?“

„Was ich getan habe?“ Jetzt hatte er seine teure Zigarre zerbrochen, so fest verkrampften sich seine Finger. Was für ein fürchterlicher Abend. „Ich habe Amelia zu viel Geld für ein Fohlen bezahlt, damit ihre Blagen eine anständige Schulbildung erhalten. Das habe ich getan. Es ist nicht meine Schuld, wenn Pearson nicht mit seiner Frau spricht!“

„Grundgütiger! Das war der Handel? Es ging um ein Pferd?“ Constance selbst schien nur die Gerüchte zu kennen.

„Es kann sein, dass ich Pearson gegenüber erwähnt habe, dass ich mich mit seiner Frau geeinigt habe und er das falsch verstand“, setzte er grummelnd hinzu. Der Moment, als der Nebenbuhler zusammenzuckte und kreidebleich wurde, hatte ihm eine nicht unerhebliche Befriedigung verschafft. Woher hätte er wissen können, dass der dumme Kerl seine Frau daraufhin verließ?

Pearson hatte die falschen Schlüsse gezogen und seine Frau verlassen. Jack hatte ihn dafür verachtet, aber niemals ausgenutzt, dass Mrs Pearson alleine zurückblieb. Nein, er hatte sie sogar auf diesen Ball begleitet, damit sie sich mit ihrem William versöhnen konnte. Ein anderer Mann hätte einer Frau, die einen Duke zugunsten eines Squires abwies, eine Lektion verpasst.

„Jack, du weißt doch, dass die Leute das Schlimmste von dir glauben. Warum machst du so etwas?“

Da er kein Mann vieler Worte war und aufgrund seiner Größe und des schwarzen Haares auf viele Menschen bedrohlich wirkte, nahmen diese Personen gerne an, er sei ein Schurke wie aus dem Lehrbuch. Mehr als einmal hatte Jack diesen Eindruck ausgenutzt. Damit ihn die Leute in Frieden ließen. Er praktizierte einen grimmigen Blick speziell für Matronen, die sich gerne einmischten, und wusste genau, wie er lästige Bittsteller loswurde, die es auf sein Vermögen abgesehen hatten.

„Die Vorurteile der Gesellschaft sind mir egal.“

Aber er hatte sich nie einer Frau aufgedrängt.

Schon gar nicht Amelia, dieser zarten Elfe. Die beste Freundin seiner Schwester mit ihrem mondhellen Haar und der schlanken Gestalt, hell, wo Constance dunkel war, war mit fünfzehn Jahren plötzlich erblüht. Aus dem dünnen Mädchen war eine strahlende junge Frau geworden und Jack hatte beschlossen, dass sie die nächste Duchess of Lamberth werden sollte.

Nur hatte Amelia in ihrem ganzen Leben nie einen anderen Mann angesehen als William Pearson, ebenso blond und blauäugig wie sie und ebenso verliebt. Jack hatte trotzdem seine Fühler ausgestreckt, aber das Mitleid in den Augen von Amelias Mutter hatte ihn davon abgehalten, seine Werbung um die junge Frau zu verstärken. Er gratulierte dem Paar, stürzte sich in die Arbeit oder verbrachte Zeit in London mit dem Parlament und Regierungsangelegenheiten. Seine Mätressen wechselten und niemals wieder erwog er zu heiraten.

Er fand, dass er sich wie ein wahrer Gentleman benommen hatte und schien dennoch der Schurke zu sein. Also durfte er sich auch einmal wie der Schurke benehmen.

Dieses letzte Missverständnis hatte er nicht aufgeklärt. Aber wer hätte gedacht, dass das Traumpaar des Distrikts sich beinahe trennen würde, dass William Pearson für die vermeintliche Gunst des nachbarlichen Dukes sein Unglück in Brandy ertränken und Amelia still für ihre Kinder leiden würde?

„Ich habe deine Versöhnungsmission unterstützt. Die Maskerade ertragen. Es reicht. Schluss mit diesem Thema!“ Er würde den Pearsons zukünftig aus dem Weg gehen.

„Ich weiß, es geht mich nichts an, ...“ Jack zog die Augenbrauen hoch, und wie erwartet fuhr Constance trotzdem fort. „Du bist ein Mann in den besten Jahren und ich finde es unerträglich, dass du die letzte Dekade damit zugebracht hast, einer Frau nachzutrauern, die du nicht haben kannst!“

Pathetisch. Ja. Aber was sollte man machen, wenn keine andere an diese herankam?

„Du hast Amy auf einen Sockel gestellt, auf den sie nicht gehört, Jack! Sie ist auch nur ein Wesen aus Fleisch und Blut!“

„Es reicht jetzt, Constance!“ Jeder andere wäre bei diesem Tonfall zusammengezuckt und hätte es nicht gewagt, weiterzusprechen. Nicht so seine Schwester.

„Nein, das tut es nicht! Amy wäre eine fürchterliche Duchess. Binnen zwei Wochen hättest du genug von ihr. Sie interessiert sich nicht für Gesellschaften, mag es nicht, einen großen Haushalt zu führen, und ist genau dort am glücklichsten, wo Pearson sie wieder hinbringen wird: auf einem kleinen Landgut mit Pferdezucht.“

Er sagte nichts dazu. Jede Bemerkung würde Constance nur anstacheln. Innerlich hoffte er, sie erreichten bald ihr Ziel, damit er sich verabschieden konnte. Er wollte eine frische Zigarre anzünden, im Club eine Karaffe Brandy trinken und dann nach Zerstreuung suchen. Aber bei Constance brachten all seine grimmigen Blicke nichts. Nicht einmal von seinem Knurren ließ sie sich abbringen.

„Du bist ein Duke. Du solltest einen Erben haben, das große Haus mit Leben füllen.“

„Ich habe einen Erben. Freddie ist so ein freundlicher Kerl, er wird sicher bald heiraten und ein paar ebenso fröhliche, nette Kinder machen, wie er es selbst ist. Ist das nicht eine viel angenehmere Aussicht für das Herzogtum als meine Wenigkeit?“ Jack hatte oft genug erklärt, dass er nicht plane, in den Stand der Ehe zu treten. Damit war der ehrenwerte Frederick Burton ein hervorragender Fang auf dem Hochzeitsmarkt und der Duke musste sich nicht mehr mit den Debütantinnen abgeben. Für alle anderen Bedürfnisse gab es die Frauen bei Madame Hélène.

Sie hatten zum Glück endlich die Stadtresidenz erreicht, was ihm den Rest der Tirade ersparte.

„Gute Nacht!“

Constance stieg aus und sah ihn erwartungsvoll an.

„Ich fahre noch in den Club“, erklärte er, holte eine frische Zigarre hervor, biss ein Ende ab und beauftragte den Kutscher. Aber erst, nachdem er das Rauchwerk an einer der Lampen entzündet hatte.

„Du bist ein hoffnungsloser Fall, Jack!“, hörte er seine Schwester noch rufen. Da musste er ihr recht geben.

Der Herrenclub musste für alle Situationen herhalten, in denen Gentlemen nicht von Frauen belästigt werden wollten. Da unterschied Jack sich nicht von anderen Herren. Gott gnade den englischen Aristokraten, falls die Damen jemals diese Bastion überquerten. Jetzt, Ende Juni, war nicht mehr viel los in der Stadt und der vermutlich größte Teil seiner Bekannten verlustierte sich noch bei Lady Falstaffs Maskerade. Er trank einen Brandy und schlug ein Angebot zum Whist aus, bevor er beschloss, sich bei Madame Hélène verwöhnen zu lassen.

Seine letzte Mätresse hatte er um Weihnachten herum verabschiedet. Es war öde geworden, ihr künstliches Lächeln zu sehen, und ihr routiniertes Liebesspiel erregte ihn nicht wirklich. Wie auch? Lisette hätte alles gemacht, was er ihr auftrug, solange er bezahlte und ihr von Zeit zu Zeit ein teures Schmuckstück zukommen ließ. Ein Geschäft, das zusehends vorhersehbarer wurde.

„Ah, mein lieber Duke? Sie sind bei der Maskerade nischt fündisch geworden?“ Madame lachte ihr trillerndes Lächeln und setzte ihren falschen Akzent ein. „Isch abe einen wahren Leckerbissen für Sie! Eine rassige Schönheit mit Zigeunerblut. Gina!“

Hinter einem schweren Samtvorhang trat hüftschwingend eine leicht bekleidete, üppige junge Frau hervor. Goldkettchen klimperten an ihrem Körper, umschmeichelten den Nabel eines runden kleinen Bauches. Alles an dieser Frau schrie danach, Lust zu spenden.

Wenn Gina ihn nicht vergessen lassen konnte, dann war er in der Tat ein hoffnungsloser Fall.

Kapitel 2 Der rechte Plan zur rechten Zeit

 

Miss Elinor Harding hatte eine exakte Vorstellung von ihrem zukünftigen Ehemann: Schlicht und ergreifend existierte dieser Herr nicht.

Denn bisher hatte sie nicht einmal in Erwägung gezogen, zu heiraten.

Weshalb auch? Sie war reich, sie war nicht dumm und sie langweilte sich nicht. Zwischen ihrem Landhaus an der Küste und dem Haushalt in London, den sie für ihren Vater führte, gab es genügend, womit sie sich beschäftigen konnte.

„Miss Harding, ich beglückwünsche Sie zu diesem Blumenarrangement“, war daher nichts, das dem Gentleman, welcher an diesem Abend im Hause Harding eingeladen war, einen Vorteil brachte.

Elinor lächelte – nach mehr als einer Stunde nichtssagenden Geplauders über das Wetter, ihre Frisur und die Speisen war der Herr nun bei den Blumen angelangt. „Das Kompliment muss ich an meine Cousine weitergeben, Sir, sie kümmert sich um die Blumendekoration“, erklärte sie mit Blick auf Celia.

Zum wiederholten Male stockte die Konversation peinlich berührt. Elinor seufzte innerlich. Ihr Vater wollte unbedingt, dass sie einen Ehemann fand, weshalb er immer wieder Herren einlud, die er von seinem Club oder von den Geschäften her kannte. Dieser hier, Edward Carpenter, war ein aufstrebender Kaufmann, der als Gatte der Alleinerbin des reichen Mr Hardings ausgesorgt hätte. Er hatte Elinor einmal am Sonntag hinter der Kirche aufgelauert. Sie war ihm auf den Fuß getreten und blitzschnell auf die Straße, wo sie nicht alleine war, gelaufen. Leider hatte ihn das nicht genügend abgeschreckt und Mr Carpenter hatte eine Einladung zum Dinner ergattert.

Er sah nicht übel aus, nein, man konnte es bedeutsam schlechter treffen mit Ehemännern. Aber Elinor fand die Vorstellung, jeden Tag beim Frühstück schon nach einem gemeinsamen Thema suchen zu müssen, grauenvoll. Außerdem hatte sie ihm deutlich genug gezeigt, dass sie seine Avancen nicht guthieß. Doch er ließ nicht locker. Vorhin, als er ankam, hatte er unbemerkt von den anderen in ihr Ohr geflüstert, dass er die Jagd mochte. Zweifellos betrachtete er sie als seine Beute.

Dem würde sie es zeigen.

„Wissen Sie, Mr Carpenter, dass man aus Kampfer und Thymian den vortrefflichsten Hustensaft herstellen kann?“

Celia sah alarmiert von ihrem Dessert auf, Mr Harding sandte ihr einen verwirrten Blick. Ihr Galan bemühte sich um ein höfliches Lächeln. Gut, warum sollte es ihm besser ergehen als ihr? „Als unsere Haushälterin diesen schrecklichen Husten hatte – im letzten Winter, kurz nach Epiphanias – da half ihr das, erinnert ihr euch, Celia, Papa?“

Die beiden Angesprochenen starrten erstaunt vor sich hin – Mrs Goddard war nie krank – und Elinor fuhr fort. „Das war damals, als sie diese grässlichen Klumpen hustete. Sie hat so geröchelt, die Ärmste, konnte nächtelang nicht schlafen und all dieser Schleim! Ihr wisst, der gelbliche ...“

Mr Carpenter schob das Dessert von sich, aber sein Lächeln blieb festgefroren. Natürlich sagte er nichts zu diesem für ein Dinner völlig unpassenden Thema. Er gehörte zur Gruppe der Hartnäckigen. Elinor war so viel wert, dass Männer bereit waren, dafür auch sehr viel zu ertragen.

„Ich habe ihr also diesen Trank gebraut.“ Sie zählte etliche Kräuter auf, hob lateinische Namen hervor und zitierte willkürlich und wichtigtuerisch. „Die Botanik – ich interessiere mich sehr für Botanik, Mr Carpenter – die Botanik ist nämlich meine Leidenschaft!“ Celia räusperte sich und der Vater versuchte, ihren Monolog zu unterbrechen.

„Liebes, du langweilst unseren Gast.“

„Wie könnte das langweilig sein? Papa, habe ich es nicht wunderbar erreicht, die arme Mrs Goddard von ihrem Schleimhusten zu heilen?“

„Doch, sicher, das hast du, Liebes“, murmelte der liebende Vater, der sich fragte, wann seine Haushälterin jemals so elend gewesen war.

„Ich kann Ihnen zeigen, wie man den Trank braut, Mr Carpenter, und dann können Sie ihn probieren.“ Elinor sah ihn auffordernd an.

Der Gast verlor sein Lächeln und schreckte zurück. „Aber liebe Miss Harding, ich bin wohlauf. Ich versichere Ihnen, dass ich mich bester Gesundheit erfreue!“

„Jeder ist mal krank. Wir finden schon etwas, das ich behandeln kann. Haben Sie vielleicht mit Winden zu kämpfen? Oder falls Sie sich verletzen, da habe ich eine Salbe. Sie ist besonders wirksam in der Wundheilung, weil man zerstoßene Nacktschnecken dazugibt.“

Das war zu viel. Mr Harding erhob sich. „Ich glaube, es ist Zeit für den Tee, meine Herrschaften.“ Der alte Herr bot Mr Carpenter noch einen Sherry im Herrenzimmer an.

Celia begleitete Elinor in den Salon, wo der Tee serviert wurde. „Das hat der arme Mr Carpenter nicht verdient, Elinor.“

Elinor wusste selbst, dass diese Charade kindisch gewesen war. Aber dennoch. „Er? Habe ich nicht etwas Besseres verdient als diesen Kerl? Er will doch nur Papas Partner werden und sich mein Vermögen sichern.“ Sie setzte sich auf eines der hübschen neuen Sofas. „Wenn Papa nur endlich verstünde, dass ich nicht heiraten möchte.“

„Elinor, er will nur, dass du später nicht alleine bist.“ Celia, die deutlich älter war, sah das Thema ein wenig anders.

Elinor war zwanzig Jahre alt und es war ihr schleierhaft, weshalb Frauen eine Ehe in Erwägung zogen, wenn sie nicht finanziell darauf angewiesen waren. Sie war natürlich nicht so weltfremd, dass ihr entging, dass sie sich in einer ausnehmend glücklichen Lage befand. Weder brauchten die Hardings das Geld, noch waren sie auf der Suche nach lukrativen Beziehungen. Ihr Vater hatte sich sein Geschäft und sein Vermögen selbst aufgebaut, indem er seine Ersparnisse und die Mitgift der seligen Mrs Harding schlau nutzte. Sein Genie in Finanzanlagen war bekannt und Einkommen und Ansehen stiegen stetig. Wie das so ist mit Kapital, das sich immer weiter vermehrt, waren die Hardings in den letzten zwanzig Jahren immer reicher geworden. Und weil sie Kaufleute waren, mussten sie sich nicht sorgen um Erben und Geburtsrechte, wie es in der Aristokratie üblich war.

Elinor würde als einziges Kind einmal alles erben.

Und dem Herrn, dem die Ehre ihrer Hand widerfuhr, ein Vermögen einbringen.

Elinor konnte wählen. Sich einen Titel kaufen und einen bankrotten noblen Landsitz retten. Oder Macht steigern, indem sie einen anderen reichen Kaufmann ehelichte. Sie könnte einem aufstrebenden Politiker zu einem Vorsprung verhelfen, den ihm ihr Reichtum einbrachte.

Sie wollte nichts dergleichen.

Sie sah ja überhaupt nicht ein, sich so zu verschachern.

Also hatte sie alle bisherigen Bewerber abgelehnt oder vergrault.

Kurz darauf betrat Mr Harding den Salon. „Elinor, ich fürchte, Mr Carpenter war nicht sehr erbaut von deinem medizinischen Vortrag. Er hat sich entschuldigt und wird nicht wiederkommen. Zweifellos hast du genau das bezweckt mit deinem schrecklichen Benehmen.“ Er wischte sich mit dem Tuch über die Stirn und hustete selbst. „Ich hoffe nur, du musst deine Kenntnisse nicht bald an mir erproben. Ich lege mich zu Bett.“

„Ist dir nicht wohl, Papa?“ Elinor hatte sich erhoben und legte ihre Hand an seine Stirn. Ein wenig hatte sie schon ein schlechtes Gewissen, weil sie sich so unverzeihlich benommen hatte. „Du bist warm. Ich dachte, der Husten vom letzten Monat hätte sich gebessert? Und du weißt genau, dass ich keine Tinkturen selbst herstelle. Ich lasse Dr. Godwin rufen.“

„Nein, nein. Ich muss mich nur ausruhen, Liebes. Gute Nacht.“

Doch am nächsten Morgen war der Husten zurück und Elinor hätte alles gegeben, um ihrem Vater Erleichterung zu verschaffen. Rächte sich ihr Geflunker vom Vorabend auf diese Art? Wollte ihr das Schicksal ein Zeichen geben, dass es etwas anderes mit ihr vorhatte?

„Wie geht es ihm?“ Mit besorgter Miene eilte Elinor zu Doktor Godwin, der das Zimmer des Vaters eben verließ.

„Miss Elinor, er ist schwach geworden.“ Mitleid stand in den Augen des Arztes mit den buschigen Brauen. „Solange er sich keinen weiteren Infekt holt und sich ausruht, kann er noch eine Weile durchhalten.“

Elinor schloss die Augen. Eine Weile, was bedeutete das? Wochen oder gar Monate? Ein Jahr? Ihr Papa war immer für sie da gewesen. Nach dem Tod der Mutter hatten sie sich gegenseitig aufgefangen.

„Es muss doch etwas geben, das ich für ihn tun kann?“, flüsterte sie hoffnungsvoll.

„Seien Sie bei ihm. Machen Sie es ihm leicht.“

Ihr wurde eng ums Herz. Die einzige Sorge des Vaters galt ihr, die er alleine zurücklassen musste.

Der Arzt griff nach seiner Tasche und ließ sich vom Butler den Hut reichen. An der Haustür drehte er sich noch mal um. „Vielleicht hilft ihm Meeresklima. Sie haben doch ein Landhaus an der Küste, Miss Harding!“

Betreten sah Elinor zu, wie sich die schwere Eichentür hinter dem Arzt schloss. Dann schüttelte sie die Lethargie ab und schritt durch das Haus zum Apartment des Vaters.

Es gab nur eine Sache, die sich Mr Harding wünschte.

Stets hatte sie gedacht, schon einen Zweck zu finden, etwas, das sie mit ihrem Erbe anstellen konnte, außer noch reicher zu werden. Sie hatte darauf vertraut, dass die Zeit ihr zeigen würde, was das Schicksal mit ihr vorhatte. Eine Ehe basierend auf der Gier des Ehemanns stand nicht zur Debatte.

Doch nun musste sie einen Gatten finden. Schnellstens.

Sie sah auf das blasse, faltige Gesicht in dem übergroß wirkenden Bett hinab und seufzte, als sie sich daneben auf einem Stuhl niederließ und seine Hand ergriff.

Die Augenlider des alten Herrn flatterten und er erwiderte den Druck ihrer Finger.

„Papa, ...“ Sie räusperte sich. Ihr Hals war trocken. „Papa, was hältst du davon, nach Ayreton zu reisen und der Hitze der Stadt zu entfliehen? Du könntest im Westflügel ein Apartment beziehen, ebenerdig und mit Blick zu Mamas Rosen.“

Der Bankier schlug die Augen auf und lächelte. „Das würde mir sehr gefallen, Ellie, liebes Kind.“ Ihre Freude wurde getrübt, als er den ergrauten Kopf schüttelte. „Aber wie sollst du in Sussex einen Ehemann finden, Liebes? Ich fürchte, ...“

Mr Hardings einziger Wunsch war, seine Tochter in guten Händen zu wissen. Egal, was sie dazu sagte, er bestand darauf, dass er sie nicht alleine auf dieser Welt zurücklassen würde. So schön es wäre, ihn durch pure Sturheit zu halten, so wusste Elinor, dass der Tag kommen würde. Wollte sie ihren Vater in Frieden seine letzte Reise antreten lassen, musste sie ihm diesen Wunsch erfüllen.

„Mach dir keine Sorgen, ich werde ein paar Freunde und Gentlemen einladen, eine Hausparty veranstalten. Nichts Großes und du wirst im Westflügel deine Ruhe haben.“

Der alte Mann hustete röchelnd und Elinor hielt ihm nach dem Abebben des Anfalls ein Glas Wasser an die Lippen. Als er sich gefangen hatte, stimmte er dem Plan zu. Ob aus Müdigkeit oder Überzeugung, konnte sie nicht erkennen.

Ginge es nach Elinor, so bliebe sie unverheiratet. Wozu brauchte sie einen Ehemann? Sie konnte bei der Ehe nur verlieren, außer sie fände eine Liebe, wie ihre Eltern sie erlebt hatten. Bisher hatte sie niemals mehr als freundschaftliche Gefühle einem Mann gegenüber empfunden.

Doch all dies zählte nicht mehr, seit ihr Vater erkrankt war. In dieser einen Sache durfte sie Papa nicht enttäuschen.

Sie war bereit, ihm den Wunsch zu erfüllen, sie abgesichert zu sehen.

„Ellie, Liebes, du bist eine wunderbare Frau geworden. Hübsch und klug wie deine Mutter. Aber eine Frau braucht einen Mann, der sie schützt. Wenn ich nicht mehr da bin, dann wird ein Ehemann dafür sorgen, dass du nicht übervorteilt wirst.“ Wie oft hatte er das schon erklärt.

Sie teilte seine Meinung nicht – weder war sie hübsch, noch brauchte sie einen Mann, der auf sie achtgab – aber Elinor liebte ihren Papa. Sie konnte ihn nicht gehen lassen im Wissen, dass er sich um sie sorgte.

Der Gedanke einer Hausgesellschaft war spontan gewesen. Damit sie ans Meer fahren konnten. Das Landhaus in der Nähe von Bognor an der Küste von Sussex war herrlich, aber sie pflegten dort kaum gesellschaftlichen Umgang.

Wollte sie diesen Sommer heiraten, musste sie schleunigst planen und dafür sorgen, dass sich passende Kandidaten einfanden.

Miss Elinor Harding revidierte ihre Einstellung und die Vorstellung von ihrem zukünftigen Ehemann.

---ENDE DER LESEPROBE---