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Lächeln, mit dem Fächer wedeln und darauf warten, dass ein Gentleman sie erwählt? Nicht mit Lucy Berwin! Der vermögenden Debütantin geht nach Monaten des passiven Wartens die Geduld aus. Als sie Zeugin wird, wie der Mann, den sie aus der Ferne liebt, Opfer eines Komplottes wird, geht sie aufs Ganze und schmiedet einen waghalsigen Plan. Wird Lucy damit ihren Lord gewinnen oder werden ihre Taten sie ruinieren?
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Covergestaltung: “Sophia Silver Coverdesign”
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Korrektorat: Sabine Klug
Herausgeberin:
Veronika Prankl
Auenstraße 201
85354 Freising
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Mein Lord gehört zu mir
Enterprising Ladies 3
Felicity D’Or
Kapitel 1
London, März 1817
Es gab nur einen Grund, warum sie dieses Theater immer noch mitmachte.
Als Bühne des Dramas fungierte jegliche offizielle Veranstaltung der Saison, dem Londoner Heiratsmarkt für die besseren Kreise. Die handelnden Personen waren allesamt kostümiert und hatten ihre Rollen brav einstudiert.
Es war so vorhersehbar, wenn auch nicht so lustig wie ein Weihnachtsspiel.
Von Debütantinnen wurde erwartet, dass sie sich bescheiden und naiv gaben, um auf keinen Fall den Eindruck von Eigenständigkeit oder Intelligenz zu erwecken. Den jungen Damen wurde sogar vorgeschrieben, wie ihre Kleider auszusehen hatten: Lediglich Pastellfarben waren neben jungfräulichem Weiß erlaubt. Ihre verheirateten Aufpasserinnen dagegen prunkten mit Turbanen und Federn in kräftigen Farben. Schließlich hatten diese das Projekt Ehe bereits erfolgreich absolviert. Die Aufgabe der potenziellen Gatten lag darin, die Damen pflichtschuldigst durch allerlei Schreittänze zu geleiten und sich dabei von der besten Seite zu zeigen.
Ehrlichkeit oder Authentizität waren nirgendwo gefragt.
Letzten Endes entschieden aber dann, wenn es galt, eine Ehe zu schließen, gar nicht einmal die oben genannten Anstrengungen. Viel stärker wogen Status, Vermögen und gewinnbringende Beziehungen.
Lucy Berwin hatte es gründlich satt.
Wenn da nicht dieser eine Grund gewesen wäre, der sie hier hielt.
Und, wenn man davon absah, dass ihre Freundin Annabell sie brauchte. Die Tochter eines Earls absolvierte vorschriftsmäßig diese Saison, war aber genauso wenig mit dem Herzen dabei wie Lucy selbst.
„Seid vorsichtig, was ihr euch wünscht!“, hatte Miss Strawfield, ihre Lehrerin im noblen Mädchenpensionat in Bath, immer gepredigt. Zu oft hatten die jungen Damen sich ihre Zukunft in blumigen Farben ausgemalt. In ihre schmalen Betten gekuschelt, hatten sie von rauschenden Ballnächten und durchtanzten Schuhen geträumt, waren jede ihre eigene Ballkönigin gewesen, der die Galane zu Füßen lagen.
Die Wahrheit von Miss Strawfields Aussage hatte Lucy am eigenen Leib erfahren. Was hatte sie auf ihre Schwester eingeredet und darum gekämpft, eine der berühmten Londoner Ballsaisons zu besuchen!
Eine einzige dieser Veranstaltungen hatte gereicht, sie zu ernüchtern.
Nachdem Lucy sich auf ihrem allerersten Ball unsterblich verliebt hatte, war ihr die Faszination für die Londoner Saison, diesen Heiratsmarkt der Reichen und Blaublütigen, schnell abhandengekommen.
Von außen sah alles ganz zauberhaft aus: die verschwenderisch geschmückten Ballsäle, die wogenden Seidenroben und die Musik. Doch im Inneren war es faulig und verdorben. Unter den Damen herrschten Standesdünkel, Neid und Missgunst. Die Herren waren gelangweilt oder auf der Suche nach reicher Beute. Von unschuldigem Vergnügen oder gar echtem Kennen- und Liebenlernen war das weit entfernt. Im besten Falle schloss man beim Tanz unter den strengen Augen der Matronen eine wirtschaftlich oder politisch vorteilhafte Allianz.
Doch selbst das war für Lucy nicht möglich. Sie hatte ihr Herz verschenkt und würde sich nicht mit dem Zweitbesten zufriedengeben.
Dennoch fand sie sich schon das zweite Mal inmitten einer Saison wieder. Gerüstet mit Unmengen von pastellfarbigen Kleidern, geschult in vornehmer Ausdrucksweise und erprobt im Tanzen, Flirten und Abwehren unerwünschter Heiratsanträge.
Wo sonst sollte sie ihn treffen? Wie sonst sollte sie ihn auf sich aufmerksam machen? Also warf sie sich jeden Abend wieder in Schale und hatte mit der Zeit die Ausschnitte ihrer Kleider etwas wagemutiger werden lassen, in der Hoffnung auf eine Chance, ihn von ihren Reizen zu überzeugen. Irgendwann müsste er doch mal zu einem gesellschaftlichen Anlass erscheinen! Für diesen Tag wollte Lucy bereit sein.
Doch die letzten beiden Wochen hatte sich der Mann ihrer Träume nie auf einer Soiree oder einem Ball, den sie besucht hatte, sehen lassen. Bald müsste sie sich etwas anderes einfallen lassen. Warum nur durfte sie als Frau nichts als rumstehen und warten, dass der Mann sie ansprach oder besuchte? Die Schicklichkeit gebot, dass er sie kontaktierte, dass der Mann um einen Tanz bat und dass er dann seiner Erwählten einen Vormittagsbesuch abstattete. Die junge Dame hatte dazu nur hübsch auszusehen und zu lächeln. Eventuell durfte sie Tee eingießen. Diese passive Rolle zehrte wahrhaft an Lucys Nerven.
„Lucy!“, zischte ihre Freundin und Schwägerin Annabell und riss sie aus ihren Gedanken. Ah ja, schon wieder so ein Junge mit Dackelblick. Sie zwang sich, den Jüngling, der sie anbetend fixierte und dessen Frage sie offensichtlich überhört hatte, freundlich anzulächeln, und vergab pflichtschuldigst einen Tanz auf ihrer Tanzkarte.
„Wo bist du nur mit deinen Gedanken, Lucy?“, tadelte sie die Freundin, nachdem der junge Herr sich entfernt hatte.
„Annie, warum machen wir das hier?“ Lucy wollte sich nicht mehr verstellen und in ihrem Fall war es ja zwecklos, da sie an keinem der Galane, die ihnen laufend vorgestellt wurden, Interesse hatte.
Annabell, die über den Winter Gewicht verloren hatte und nun mit ihrer blassen Haut und dem roten Haar beinahe ätherisch wirkte, ließ ihr maskenhaftes Lächeln keine Sekunde fallen. „Wir suchen einen Ehemann und dies ist die Art, wie ihn Ladys, wie wir, kennenlernen können.“
„Ich weiß genau, Annie, dass derjenige, den du willst …“, widersprach Lucy mit einem Anflug von Zynismus.
„Wollte, Lucy! Vergangenheit!“, unterbrach Lady Annabell sie. „Ich werde den Mann meiner Träume erst noch kennenlernen. Er kann es ja nicht gewesen sein. Sonst wäre er nicht ohne ein Wort verschwunden!“
Lucy wunderte diese Antwort nicht. Die süße Annabell war härter geworden, seit der Verwalter ihres Bruders kurz vor Weihnachten verreiste, um seither nicht wiederzukehren. Zugegeben, ihre Freundin wirkte dadurch sogar etwas gereifter. Der leise Schatten der Traurigkeit, der sich manchmal über ihr Gesicht legte, schien die Verehrer auf eine geheimnisvolle Art und Weise sogar anzuziehen. Insgeheim bewunderte sie Annabell, die sich mit einer beinahe geschäftsmäßigen Effizienz in die Saison stürzte, um sich den perfekten Ehemann zu angeln. Sie zweifelte nicht daran, dass sie ihn finden würde – im Gegensatz zu ihr selbst.
Lucy hatte sich auf den ersten Blick in einen Mann verliebt, der sie seit mehr als einem Jahr wie eine Art kleine Schwester behandelte. Dabei galt sie als eine der begehrtesten heiratsfähigen Damen des Landes! Nur er schien sie nicht als solche wahrzunehmen.
Äußerlich war Lucy die ideale Debütantin: Blonde Locken umrahmten ein symmetrisches Gesicht, das von großen, himmelblauen Augen und einem rosigen, vollen Mund dominiert wurde. Sie war weder zu klein noch zu groß und ihr Körper wies an den richtigen Stellen Rundungen auf. Die Schneiderinnen in Madame Antonins Laden liebten es, sie einzukleiden. An ihr sah blassrosa Seide ebenso zauberhaft aus wie gelber Musselin oder zartblauer Jacquonnet. Schleifen und Bänder, wie sie die Mode vorsah, unterstrichen ihr puppenhaftes Aussehen. Kurz gesagt, Kleider, welche die meisten jungen Damen herausgeputzt wie Zirkuspferde wirken ließen, sahen an Lucy Berwin perfekt aus.
Dazu kamen ihre Mitgift und die Heirat ihrer älteren Schwester mit einem Earl, was die Kaufmannstochter plötzlich sogar als standesgemäß gelten ließ. Für diese Saison hatte sie sogar eine der begehrten Einladungen zum exklusivsten aller Clubs – Almacks – erhalten! Ihre Ausbildung im Mädchenpensionat in Bath hatte Lucy zudem perfekte Manieren verschafft. Sie hatte die Wahl zwischen den Sprösslingen des Adels, die eine Braut suchten. Ganz zu schweigen von denjenigen, die jede nehmen würden, wenn sie nur mit einer stattlichen Summe Geld ausgestattet war. Diese Gruppe hatte Lucy nur allzu schnell zu erkennen gelernt und sie setzte alles daran, ihr aus dem Weg zu gehen.
Unter den akzeptablen Kandidaten waren zweifellos auch nette Herren dabei. Nur leider konnte niemand von ihnen dem einen Gentleman das Wasser reichen, der ihr Herz erobert hatte. Und das war kein manierlicher Jüngling, sondern ein echter Mann.
Lucy seufzte innerlich. Was sollte sie nur tun, damit er sie als Frau wahrnahm und nicht länger so brüderlich behandelte? Wenn er nur einmal auf einem Ball auftauchen würde! Dann könnte sie mit ihm tanzen und flirten, ihm zeigen was für eine Frau sie war!
Langsam schob sie sich mit Annabell durch die Menge, nickte hier und da jemandem zu und lächelte.
Und lächelte.
Dieses Lächeln, das kaum mehr als ein hochgezogener Mundwinkel war, sagte alles und nichts aus.
Vor dem Buffet mit den Erfrischungen blieben die beiden jungen Damen stehen und ließen sich von der Limonade geben.
„Ich wünschte, es gäbe etwas Stärkeres!“, sagte Annabell, nachdem sie einen Schluck des Getränkes genommen hatte.
„Ich wünschte, ich wäre bei Bess und Damien. Mit ihnen ist es so viel amüsanter!“ Bess, Lucys Schwester und Annabells Schwägerin, erwartete in den nächsten Wochen ihr erstes Kind, weshalb der Earl und die Countess of Stratham auf ihrem Landsitz geblieben waren. Die beiden Mädchen waren mit Annabells Mutter, der Gräfinnenwitwe, zur diesjährigen Saison gereist. „Außerdem sollten wir, als seine Tanten, bei der Geburt des Kindes dabei sein.“
„Lucy, es wird noch einige Wochen dauern, bis es so weit ist. Wir werden schon rechtzeitig Bescheid erhalten. Mama wird es sich schließlich nicht nehmen lassen, ihr erstes Enkelkind willkommen zu heißen!“
„Wie, die beiden Blumen des Abends, die gefeierten Debütantinnen Londons, wären lieber auf dem Lande als hier inmitten des pulsierenden Lebens der Hauptstadt?“, ließ sich hinter ihnen plötzlich eine männliche Stimme vernehmen.
„Mylord! Wie schön, Sie zu sehen“, begrüßte Annabell den hochgewachsenen blonden Herrn. Lucy knickste und murmelte ebenfalls einen Gruß. Nervös stellte sie ihr Glas beiseite, damit Richard Dorring, Viscount Dorring, nicht merkte, wie sehr sie plötzlich zitterte.
Mit ihm hatte sie in diesem Moment schon gar nicht mehr gerechnet. Normalerweise ließ sich der skandalumwitterte Viscount nicht auf großen gesellschaftlichen Ereignissen sehen. Doch heute war er hier aufgetaucht.
Er sah famos aus in dem anthrazitfarbenen Abendanzug. Sein blondes Haar bildete einen Kontrast zu dem dunklen, schmucklosen Stoff der Jacke. Der Viscount war eher beeindruckend als gut aussehend. Durch seine sehnige, hochgewachsene Gestalt überragte er die meisten anderen Männer. Aber es war seine Ausstrahlung, die ihn hervorstechen ließ. Niemand käme auf den Gedanken, diesen Mann für einen verweichlichten Aristokraten zu halten. Unter seiner gelangweilten Miene verbarg sich eine scharfe Intelligenz, wie Lucy sehr genau wusste.
Sie wusste auch, dass sie diese Chance ergreifen musste, um ihn für sich zu gewinnen. Schnell versuchte sie, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Hatte es sich also doch gelohnt, all die langweiligen Bälle zu besuchen?
Endlich war er hier!
Das war die Chance, auf die sie gewartet hatte. Jetzt musste sie ihn nur noch zu einem Tanz bewegen. Doch wie? Als Dame war sie zum Warten verurteilt, bis sie aufgefordert wurde.
„Wieso seid ihr beiden nicht umgeben von Galanen auf der Tanzfläche?“ Neugierig griff sich Dorring Annabells Tanzkarte. Da er ein Freund der Familie war, hielt sich der Viscount nicht lange mit Etikette auf. „Das sieht aber doch tadellos aus. Nur Colton solltest du auf Abstand halten, Mädchen. Der Kerl ist immer noch der mittelalterlichen Meinung, dass Baden krank macht.“ Grinsend tippte er sich an die Nase. „Aber für den Cotillon müsste es zu ertragen sein.“
Daraufhin widmete er sich Lucys Karte. Als er sie ergriff, fühlte sie einen Augenblick die Berührung seiner Finger an ihrer Hand. Obwohl sie beide Handschuhe trugen, zuckte Lucy zurück. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Wie jedes Mal in seiner Anwesenheit fühlte sie sich wie gelähmt. Dabei sollte sie doch all ihre Verführungskünste auspacken, damit er endlich erkannte, welche Frau in ihr steckte.
Noch immer lächelte er sie an. „Haben Sie einen Favoriten, Miss Lucy?“
Er erwartete eine Antwort. Und Lucy beschloss, aufs Ganze zu gehen. Sie würde es nicht ertragen, ihn weiter aus der Ferne anzubeten oder, noch schlimmer, sich an einen anderen zu binden. Nicht, ohne wirklich alles versucht zu haben!
„Nun, ich habe noch einen Walzer frei, Mylord. Ich reserviere Ihnen gerne den Tanz.“ Zufrieden bemerkte sie den kurzen Moment des Erstaunens in seinem ansonsten so undurchlässigen Gesicht. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sie mit ihm tanzen wollte, geschweige denn mit einer derart direkten Ansprache. Sie kämpfte gegen das Gefühl der Peinlichkeit an, das anfing, sich in ihr auszubreiten, als der Viscount nicht sogleich antwortete.
„Aber natürlich. Mit Vergnügen!“, erlöste er sie schließlich und Lucy wandte alle Kraft auf, um die Freudenschreie, die in ihr aufstiegen, zu unterdrücken.
Dorring empfahl sich mit einem Nicken, nachdem er seinen Namen neben den Walzer auf ihre Karte gekritzelt hatte, und überließ die Mädchen ihren nächsten Partnern.
Lucy ließ die folgenden Tänze über sich ergehen, wie auf jedem anderen Ball auch, den sie in den letzten eineinhalb Jahren besucht hatte. Das beherrschte sie im Schlaf. Sie lächelte unverbindlich, machte Konversation über das Wetter und über die laufende Saison, während sie gekonnt den tapsigen Füßen ihrer Partner auswich. Dorring hatte recht gehabt – Lord Colton war aus der Nähe in der Tat nur sehr schwer zu ertragen, doch auch das ging vorüber. Die Vorfreude ließ sie wie auf Wolken schweben, bis es Zeit wurde für den Walzer.
Mit jeder Sekunde, die sie ihrem Tanz mit dem Viscount näherbrachte, wurde Lucy aufgeregter.
So nah war sie ihm seit damals nie mehr gekommen. Wenn überhaupt, trafen sie sich auf Stratham Abbey im Kreise ihrer Familie. Dorring war der älteste Freund ihres Schwagers und so fand er sich durchaus zu sozialen Anlässen dort ein. Doch er kam stets, um Damien zu besuchen, nicht um die Damen des Hauses zu unterhalten. Annabell kannte er, seit sie ein Baby gewesen war, und diese liebte ihn auch wie eine Art zweiten großen Bruder.
Lucy dagegen ging es anders. Ihr war von ihrer ersten Begegnung an klar gewesen, dass es für sie nur diesen Mann geben konnte. Mehr als geneigtes Interesse, da sie nun auch zu Strathams Familie gehörte, hatte Dorring allerdings noch nie für sie gezeigt. Meist verschwand er mit Damien, der jede Gelegenheit nutzte, um in Gesellschaft eines Gleichgesinnten Zeit zu verbringen.
Beim Gedanken an ihren Schwager und sein Haus voller Frauen stahl sich ein Lächeln auf Lucys Lippen. Damien war großartig, aber manchmal empfand sie beinahe etwas wie Mitgefühl, wenn er mal wieder mit Modefragen oder den Haustieren seiner Schwester beschäftigt wurde. Da half es auch nichts, dass ihre Schwester Bess nicht die typische Aristokratengattin war. Lucy konnte sich nicht vorstellen, ohne ihre Freundin Annabell oder ihre Schwester zu sein. Ihr Schwager hingegen musste den größten Teil des Jahres ohne männliche Gesellschaft auskommen. Daher waren der Earl und sein Freund, wenn dieser zu Besuch war, meist damit beschäftigt auszureiten, oder sie zogen sich in den Billardraum zurück, um dort ihren männlichen Vergnügungen zu frönen. Was auch immer das war.
Getanzt hatten sie und Dorring noch nie miteinander.
Ebenso wenig hatten sie den Vorfall auf Lucys erstem Ball vor mehr als einem Jahr je wieder angesprochen. Dorring hatte sie aus einer überaus misslichen Lage befreit. Ohne sein beherztes und diskretes Eingreifen wäre ihr Ruf ruiniert gewesen – wenn nicht Schlimmeres! Er war ihr Ritter in schimmernder Rüstung! Aber da war noch viel mehr an ihm, das Lucy faszinierte. In ihren Augen war er perfekt, auch wenn böse Zungen behaupteten, er sei ein Wüstling und Lebemann. Das konnte sie von dem Mann, den sie als treuen Freund der Familie kannte und der immer ein freundliches Wort für Annabell und sie hatte, nicht glauben. Da sie am eigenen Leibe erfahren hatte, wie bösartig das Gerede der Leute sein konnte, hörte sie grundsätzlich nicht darauf.
Als der Viscount sie schließlich zum Walzer führte, war Lucy erhitzt und aufgeregt. Wie oft hatte sie sich vorgestellt, dass er sie über das Parkett wirbelte. Der Gedanke, seinen Blick und seine Hände auf ihrem Körper zu spüren, hatte sie auf eine schrecklich schöne Art und Weise reagieren lassen. In ihrem Bett tagträumend hatte sie sich vorgestellt, wie sie in seinen Armen lag, an seine Gestalt gedrückt, und hatte Bedürfnisse verspürt, die sie verwirrten und gleichzeitig fiebrig erregten. Allein der Gedanke an Dorring ließ ihren Körper schon erglühen, doch nun würde sie tatsächlich in seinen Armen Walzer tanzen.
Kribbelnde Aufregung erfasste sie, während sie Aufstellung auf dem Parkett nahmen.
Als er an sie herantrat, roch sie schwach seinen Duft. Nie würde sie diesen vergessen. Gab es das wirklich, dass man einen anderen Menschen an dessen Geruch erkannte und dass dieser Duft einen ganz schwindlig werden lassen konnte? Sein Arm legte sich um ihren Rücken und sie fühlte seine Hand an ihrem Schulterblatt. Der Walzer war der intimste Tanz, den sie kannte. Es gab keine bessere Gelegenheit für eine junge Frau, einem Mann näherzukommen, als diese.
Hier war sie, ihre Chance, Viscount Dorring zu zeigen, dass sie mehr war als ein kleines Mädchen, das gerettet werden musste!
Lucy wusste, dass sie an diesem Abend besonders hübsch aussah. Mit einem vor dem Frisierspiegel geübten Wimpernschlag hob sie den Kopf und lächelte ihren Partner an. „Ist Ihnen bewusst, dass wir bisher noch nie miteinander getanzt haben, Mylord?“
Seine Miene wirkte undurchdringlich, während sein Körper sie voller Sicherheit und Stärke über das Parkett wirbelte. „Ich tanze nicht sehr häufig“, antwortete er schließlich kurz angebunden.
Fasziniert beobachtete sie sein Gesicht über dem akkurat gebundenen Halstuch. Er schien es zu vermeiden, sie anzusehen. Lucy würde sich davon nicht beeindrucken lassen. „Das ist mir aufgefallen.“
„Sie achten auf mein Erscheinen in der Gesellschaft, Miss Lucy?“ Das Erstaunen über ihre Aussage hatte ihn wohl zu dieser Frage verleitet. Jetzt ruhten seine blauen Augen direkt auf ihren. Waren auf sie konzentriert, während ihre Körper scheinbar mühelos über die Tanzfläche wirbelten. Zufrieden bohrte Lucy weiter. „Was führt Sie heute Abend hierher?“
Er manövrierte sie an einem Paar vorbei, das ihnen bedenklich nahegekommen war. Wobei es schon einen wahrhaft herausragenden Tänzer brauchte, wie ihn, um bei einem derartigen Gedränge sicher durch die Tanzenden zu gleiten. Lucy fühlte sich grandios. Es war wie ein Traum, an seinen Körper geschmiegt durch die Menge zu schweben.
Sein Gesicht verdüsterte sich einen Moment, als erinnerte er sich an etwas Unangenehmes, bevor er wieder die lächelnde Maske des galanten Aristokraten aufsetzte und ihr antwortete. „Ab und an müssen auch so ungesellige Trampel wie ich in der Öffentlichkeit erscheinen, um nicht ganz vergessen zu werden.“
„Ich würde Sie niemals vergessen, Mylord!“ Lucy reckte sich noch ein wenig. Das zartgelbe Kleid betonte ihre Kurven mit einer Schleife unterhalb ihrer Brust. Die langen Seidenbänder flatterten bei jeder Drehung um ihre Figur. Mehr als ein Herr hatte an diesem Abend schon ihr Dekolleté bewundert und musste von ihr durch einen dezenten Stupser mit dem Fächer gerügt werden. In diesem Fall jedoch ließ sie ihre Vorzüge ganz bewusst wirken. Ihr Blick glitt zu seinem Halstuch. Es war deutlich zu erkennen, wie er schluckte, bevor er seinen Blick wieder ihren Augen zuwandte.
Wo ihre himmelblau wie der Frühling leuchteten, hatten seine einen dunkleren Farbton angenommen. Es war ein Blau, das eher der See an einem stürmischen Tag glich. Mit verborgenen Tiefen und dunklen Strömungen. In diesem Moment fühlte sie sich wie ein Schiff, das den Winden ausgeliefert war und doch gleichzeitig wild vor Abenteuerlust auf den Stromschnellen tanzte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie suchte nach Worten, doch fand keine, die das ausdrückten, was sie fühlte. Diese Verbindung, die wunderschön und schrecklich zugleich war. Sie war sich sicher, dass dieser Sturm sie verschlingen könnte, und würde sich ihm doch jederzeit ausliefern.
Ein Rempler von einem anderen Tanzpaar schreckte Lucy auf und ihre Blicke trennten sich. Kurz ergriff Dorring sie fester, drückte sie fast schon an sich, damit sie nicht das Gleichgewicht verloren. Für einen Augenblick klammerte sie sich an seinem muskulösen Oberkörper fest und seine langen Beine streiften ihren Körper. Nie war sie sich ihrer selbst so deutlich bewusst gewesen. Ihr Körper erschauerte wohlig. Seine Arme hielten sie noch fester und sie vermeinte, ein Knurren aus seiner Kehle vernommen zu haben. Einen Moment lang genoss sie das Gefühl, von seinem Körper umfangen zu sein, bevor Dorring wieder die korrekte Haltung einnahm.
Mühsam versuchte Lucy, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen und gleichzeitig den nächsten Schritt zu planen. Dorring hatte kurz Luft geholt und dann mit zusammengepressten Lippen weitergetanzt. Täuschte sie sich oder hatte die Berührung ihrer Körper ihn genauso aufgewühlt wie sie?
Die letzten Klänge der Musik verhallten und der Viscount führte sie zu Annabell und deren Mutter zurück. Der Tanz war viel zu schnell vorübergegangen!
Lucy schenkte dem Viscount ein letztes strahlendes Lächeln, während er sich knapp verbeugte und sich in Richtung Kartenzimmer davonmachte. Sie wäre ihm am liebsten hinterhergelaufen, doch war das zum einen nicht schicklich und zum anderen wartete bereits ihr nächster Tanzpartner. Mühsam riss sie sich am Riemen, um dem jungen Herrn gegenüber nicht unhöflich zu erscheinen.
Es dauerte, bis sie etwas Luft fand, um durchzuatmen. Annabell wurde von einem Galan zum Imbiss geführt. Ganz offensichtlich gehörte der Herr zur engeren Auswahl. Da würde sie nur stören. Lucy schlich ihren Verehrern mit einer gemurmelten Entschuldigung davon und zog sich in den Ruheraum der Damen zurück, um sich zu erfrischen.
Zwei ältere Damen ließen sich dort Luft zufächeln und ihre Frisuren richten. Lucy wählte einen Sessel vor dem Fenster und winkte der bereitstehenden Zofe ab. Sie wollte nur einen Moment der Ruhe genießen und ihre Gedanken und Gefühle sortieren. Doch die beiden anderen Damen unterhielten sich lauthals.
„Hast du gesehen, Jane, Dorring ist tatsächlich aufgetaucht! Ich habe meiner Nichte verboten, mit ihm zu tanzen.“
„Aber warum denn, Augusta? Er ist doch ein guter Fang, seit er den Titel geerbt hat.“ Die andere Dame wirkte erstaunt und hielt kurz dabei inne, sich die Nase zu pudern.
„Aber natürlich hast du noch nichts von seinem Lebenswandel gehört, Jane. Ihr seid ja erst seit letzter Woche in der Stadt.“ Die besondere Art von Erregung, die nur ein saftiges Gerücht mit sich brachte, stand der Dame deutlich ins Gesicht geschrieben.
Lucy war verwundert aufgeschreckt, als sie Dorrings Namen vernommen hatte, und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie lauschte. Leider konnte sie nicht mehr aufschnappen, da die beiden nun zu skandalösem Flüstern übergegangen waren.
Die Gerüchte, die über Dorring umgingen, ärgerten sie. Angeblich sei er ein Wüstling und Lebemann. Lucy glaubte kein Wort davon. Nicht einmal hatte sie erlebt, dass Dorring sich Damen gegenüber nicht korrekt verhalten hätte. Dabei hätte sie gar nichts dagegen, von ihm in einen dunklen Winkel gezogen zu werden, um dort unschickliche Küsse auszutauschen.
Warum man dieses Zimmer einen Ruheraum nannte, erschloss sich Lucy nicht, schließlich herrschte dort ein stetes Kommen und Gehen von schnatternden Frauen. Wollte sie ihre Gedanken sortieren, so würde sie sich einen anderen Ort suchen müssen. Nachdem sie ihr Kleid geprüft und eine vorwitzige Locke an ihren Platz verwiesen hatte, verließ Lucy das Zimmer, ohne zu erfahren, was genau die beiden Tratschliesen besprachen. Sie gab nichts auf das Gerede der Menschen, seit sie selbst einmal das Opfer bösen Klatsches gewesen war.
Als sie das letzte Mal auf einem Ball alleine einen verlassenen Flur betreten hatte, rettete Dorring sie vor dem Ruin beziehungsweise einer unerwünschten Ehe. Dennoch übte der Weg fort vom geschäftigen Ballsaal gerade einen viel größeren Reiz auf sie aus, als dorthin zurückzukehren zu den immer gleichen Menschen und immer gleichen Konversationen. Sie war so müde.
Mit einem Blick zur Seite sah sie, dass sie unbeobachtet war, und bog in den verlassenen Flur ab. Vorsichtig probierte sie die Tür eines Zimmers, das sie als Musikzimmer der Gastgeber kannte. Der Raum lag still und dunkel vor ihr. „Nur einen Moment ausruhen und mich sammeln“, sagte Lucy sich und ließ sich auf einem tiefen, von Vorhängen umgebenen Fenstersitz nieder. Unter ihr lag die schwach beleuchtete Straße. Ab und zu öffnete sich das Portal an der Vorderseite des herrschaftlichen Hauses, wo die ersten Gäste ihre Kutschen vorfahren ließen, um nach Hause oder auf die nächste Veranstaltung zu fahren.
Noch immer fühlte sie dieses Hochgefühl, das der Walzer mit Dorring in ihrer Brust hinterlassen hatte. In seinen Armen zu tanzen war tatsächlich noch schöner gewesen, als sie es sich in ihren Träumen das gesamte letzte Jahr über ausgemalt hatte. Sie hatte seine große, schlanke Gestalt schon immer bewundert und auch vermutet, dass der Viscount dennoch ein kräftiger Mann war. Jetzt hatte sie das Spiel seiner Muskeln gefühlt! Und das hatte ein unglaubliches Kribbeln in ihrem eigenen Körper hervorgerufen. War das der Grund, warum man junge Damen zum Tanzen schickte, um potenzielle Ehemänner kennenzulernen? Weil man es fühlte, wenn man in den Armen des Richtigen lag?
Sie war sich sicher, dass Dorring der Richtige für sie war. Doch würde diese Tatsache etwas nützen, wenn nur sie diese tiefe Überzeugung empfand? Lucy fuhr mit einem Finger über ihr Dekolleté den Bauch hinab und strich die Seidenbänder glatt. Diese Schleife so zu platzieren war ein meisterlicher Schachzug gewesen.
Sie unterdrückte einen Seufzer. Was hatte ihr dieser Tanz wirklich gebracht? Ja, Dorring hatte unzweifelhaft auf sie reagiert – aber das hieß schließlich noch gar nichts. Soviel sie wusste, plante er nicht, zu heiraten. Sie dagegen musste heiraten. Etwas anderes kam nicht infrage, wollte sie nicht ihre gesamte Familie in einen Skandal hineinziehen oder als alte Jungfer Bess und Damien zur Last fallen. Und was sollte sie auch sonst tun? Sie war keine Unternehmerin, wie ihre Schwester, oder ein Finanzgenie, wie deren Freundin Lady Regina. Sie war nur ein Mädchen mit einer adäquaten, also nutzlosen, Erziehung. Sie hatte Französisch gelernt, Tanzen und wie man einen Ball plant. Sie wusste, wo an einer Tafel ein Bischof zu platzieren war, und konnte circa dreißig Minuten am Stück über das Wetter Konversation machen. Frauen wie sie wurden für die Ehe ausgebildet. Aber niemand hatte ihnen erklärt, was zu tun wäre, wenn sie nicht heirateten.
Lucy schüttelte den Kopf und besann sich wieder auf ihre Strategie, um den Mann zu gewinnen, mit dem sie sich eine Ehe vorstellen konnte. Sie müsste einen Weg finden, Dorring öfter zu sehen. Doch wie sollte sie das anstellen, wenn er kaum in Gesellschaft erschien, musikalische Abende mied wie die Pest und auch keine Picknicks besuchte? Selbst auf Stratham Abbey traf sie ihn nie alleine an.
Doch aufzugeben kam ebenfalls nicht infrage. Es half nichts, ein Plan musste her!
Kapitel 2
„Es war ein Fehler, diesen Ball zu besuchen“, schoss es Richard Dorring durch den Kopf.
Er drängte sich durch die Menge aus schwitzenden Leibern in Richtung Kartenraum. Am liebsten hätte er allerdings diese vermaledeite Veranstaltung verlassen, um eine Runde bei Tom Barnaby zu boxen. Ein paar Schläge einzustecken wäre deutlich angenehmer, als hier zu sein. Ein paar Schläge auszuteilen würde zumindest kurzzeitig die Aggression, die sich in seinem Inneren sammelte, mindern.
Doch es half nichts. Irgendwie musste er versuchen, den Gerüchten, die seine Tante über ihn in die Welt gesetzt hatte, etwas entgegenzusetzen. Wenn das für ihn bedeutete, sich zu gesellschaftlichen Anlässen zu zeigen und die Spielchen des Tons mitzumachen, dann würde er genau das tun. Zu viel hing davon ab, dass er sein Handelsunternehmen hier in England etablierte. Also würde er versuchen, die Gelegenheit zu nutzen, noch ein paar Mitglieder des House of Lords ins Gespräch zu ziehen, um weitere Befürworter für diese lästige, aber leider notwendige Handelslizenz zu erhalten.
Endlich wurde das Gedränge leichter. Dorring fand sich in einem angrenzenden Salon wieder, wo Tische für die Kartenspieler bereitstanden. Die meisten Plätze waren bereits besetzt. An einigen Tischen sah er, dass die Einsätze hoch waren. Er glaubte sogar, das Glitzern von Schmuck zu erkennen. Es war Dorring zutiefst zuwider, wie die Aristokraten ihr Hab und Gut als Einsatz bei einem Spiel nur zur Zerstreuung einsetzten. Als ob mit ihrem Reichtum und dem Land nicht auch die Verantwortung dafür auf sie übertragen wurde.
Doch um sein Ziel zu erreichen, war es notwendig, sich anzupassen und die Leute nicht durch revolutionäres Gedankengut zu verschrecken. Sein Stand war schwer genug, seit seine Tante diese Schmutzkampagne gegen ihn führte. Er warf noch mal einen Blick durch die zweiflügelige Tür zur Halle. Das Flattern eines gelben Bandes huschte am Ende seines Blickfeldes und durch sein Bewusstsein.
Das war der andere Grund, warum er nicht hier sein sollte.
Ein Mann wie er hatte kein Recht, an ein Mädchen wie Lucy Berwin zu denken. Ihr stand die ganze Welt der Oberschicht offen, während er mit einem Skandal kämpfte, wodurch nicht nur sein Ruf, sondern auch sein Vermögen auf der Kippe stand. Sie war überall beliebt, weil sie nicht nur wunderschön, sondern auch klug und freundlich war. Die Herren auf Brautschau waren aus gutem Grunde hinter ihr her. Die Schwägerin von Dorrings bestem Freund war ein ausgezeichneter Fang und würde jedem Gentleman eine hervorragende Gemahlin abgeben. Jedem außer ihm.
Was sollte sie mit einem Mann, der eine Handelskompanie mit Indien aufbaute, weil er das Land liebte – nicht, weil er es ausbeuten wollte. Ein Mann, der mit dieser Gesellschaft, in deren Mittelpunkt sie stand, so große Probleme hatte. Außerdem war sie so etwas wie die kleine Schwester seines besten Freundes. Ein falscher Schritt und das Verhältnis zwischen ihm und Damien wäre zerstört. Es war schwierig genug gewesen, ihr in den vergangenen Monaten aus dem Weg zu gehen, wenn er seinen Freund besuchte. Es schien ihr selbst nicht bewusst zu sein, wie hinreißend sie war. Diese Augen blickten mit einer Unschuld in die Welt, die ihr sinnlicher Körper Lügen zu strafen schien.
Dass er sich hatte hinreißen lassen, sie und Annabell heute Abend anzusprechen, war ein Fehler gewesen. Wäre er direkt in das Kartenzimmer gegangen, so hätte ihn die Versuchung, mit ihr zu sprechen, nicht gepackt. Dann hätte er nicht gesehen, wie sich die Seide des gelben Kleides an ihre Rundungen schmiegte, wäre er nicht durch das Blau ihrer Augen verführt worden, mit ihr zu tanzen. Den darauffolgenden Walzer hätte sie mit einem anderen Herrn getanzt.
Bei dem Gedanken, dass ein anderer sie im Arm hielt, ballte er die Fäuste. Er durfte sich gar nicht erst vorstellen, dass Lucys weicher, weiblicher Körper sich an einen anderen Mann drücken könnte. Sie hatte sich so unglaublich gut angefühlt. Ihre Rundungen hatten sich perfekt an ihn geschmiegt. Als wäre sie nur für ihn gemacht. Gedanken, was er mit diesem Körper alles anstellen wollte, hatten ihn dort auf der Tanzfläche überflutet. So sehr, dass es ihn selbst erschreckt hatte. Hoffentlich hatte Lucy nichts davon bemerkt. Sie war ein so unschuldiges junges Ding!
Er atmete tief aus und hoffte, dass sich seine Erregung nicht zu deutlich unter dem Abendanzug abzeichnete. Diese absurden Kniehosen konnten einen Mann schon mal in die Bredouille bringen. Da lobte er sich die weiten Gewänder der Inder. Nicht nur schnürten sie ihre Kehlen nicht ein, bis man kaum mehr zu atmen vermochte, nein, die Inder wussten auch bequemes Sitzen und Stehen zu schätzen. In diesem Moment hätte er alles gegeben für ein seidenes Paar Hosen und eine bequeme Tunika darüber.
Wie sie über ihn lachen würden, die feinen Herrschaften der guten Gesellschaft. Und wie er sie dafür hasste!
„Dorring! Stehen Sie nur herum oder spielen Sie eine Runde Whist mit uns?“ Der Herzog von Davenham winkte ihm von einem der Tische zu, an dem noch ein Platz frei war.
Großartig! Der Viscount zwang Gedanken an zauberhafte Debütantinnen und indische Seidenroben in den Hintergrund, um sich wieder auf den ursprünglichen Zweck seines Besuches zu konzentrieren. Erleichtert begrüßte er den alten Herzog, der zu seinen raren Freunden gehörte. Dieser war einer der wenigen, der den Gerüchten keinen Glauben schenkte und zu ihm hielt. Wohl weil der alte Herzog selbst den größten Teil seines Lebens im Ausland verbracht hatte, hoben sich seine Ansichten wohltuend vom Rest der Gesellschaft ab. Er war es auch gewesen, der Dorring geraten hatte, die Gesellschaft nicht zu meiden, sondern zu zeigen, dass er nichts zu verbergen hatte. Die Mitspieler des Herzogs würden gegen einen Gast des alten Herrn nichts einwenden, egal, wie sie über ihn dachten. Dorring erkannte sie als Parlamentsmitglieder, die ihm von Nutzen sein könnten.
Nach ein paar Runden Spiel war der Viscount zuversichtlich, Fortschritte gemacht zu haben. Die eisigen Mienen der beiden Herren waren sichtlich aufgetaut und sie hatten sogar das Thema seiner Handelsunternehmungen kurz angeschnitten. Als Davenham sich schließlich entschuldigte, beschloss auch Dorring, den Abend zu beenden.
Noch war der Ballsaal voll. Die meisten Gäste würden erst im Morgengrauen in ihre Stadthäuser und Domizile zurückkehren, um dann bis spät in den Tag zu schlafen, bevor sie sich für die nächsten Gesellschaften bereit machten. Diese Art zu leben war dem Viscount immer schon suspekt gewesen. Im Gegenzug hatte ihn die Familie seines Onkels, bei der er aufgewachsen war, für unnatürlich befunden. Weder der Onkel noch die Tante verstanden, dass er in seinem Leben etwas gestalten wollte. Als Zweitgeborener standen ihm der Klerus oder eine Offizierslaufbahn offen. Beides interessierte ihn nicht. Als er für die East India Company nach Asien aufbrach, scherte es daher niemanden in seiner Ziehfamilie. Sie waren vielmehr froh, ihn endlich losgeworden zu sein. Zumal ja nicht abzusehen gewesen war, dass sein älterer Bruder und Erbe der Viscountcy sich zum Dienst am Vaterland melden und in Waterloo auf dem Schlachtfeld fallen würde. Gerald hatte sich besser mit dem Leben im Haus des alten Viscount Dorring abfinden können als er. Doch nun war sein Bruder tot und Richard hatte alles geerbt. Ob er es wollte oder nicht.
Wenn man vom Teufel spricht! Auf dem Weg zur Halle sah er plötzlich seine Cousine und ihre Busenfreundin Charlotte Billingsham auf sich zukommen. Oh nein! Diese beiden dummen und gehässigen Ziegen konnte er gerade gar nicht brauchen. Er hoffte, dass sie ihn nicht bemerkt hatten, als er sich kurzerhand wieder in den Ballsaal begab und sich dort zu den Terrassentüren durcharbeitete. Dann würde es also der Hinterausgang tun müssen.
Wenn es nach seiner Tante ging, sollte er Cousine Mathilda heiraten. Damit könnten die zwei Frauen ihren Status beibehalten und weiter in ihrem Herrenhaus, das nun Richard gehörte, wohnen bleiben. Sein Onkel hatte kein nennenswertes Wittum für seine Gattin vorgesehen, da Mathilda ja mit Gerald verlobt gewesen war. Pech für die Damen, dass Onkel Henry an einer Lungenentzündung beinahe zeitgleich mit Richards Bruder verstorben war und diesem Umstand keine Abhilfe mehr geschaffen hatte. Für die Damen Dorring war es selbstverständlich, dass Richard nicht nur die Ländereien, sondern auch die Braut seines Bruders erbte.
Der Gedanke entlockte ihm ein verächtliches Schnauben. Weder Tante Martha noch Mathilda konnten ihn leiden. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit! Er begriff beim besten Willen nicht, wie sie sich vorstellten, dass eine derartige Ehe funktionieren sollte.
Endlich! Er trat auf die nur spärlich beleuchtete Terrasse hinaus. Jetzt, im März, war es noch zu kalt, um sich draußen länger aufzuhalten, sodass keine anderen Gäste zu sehen waren. Er kannte dieses Haus nicht, weshalb sich Richard erst einmal mit einem Blick Richtung Garten orientierte. Es war ein ziemlich großes Anwesen und die Stallungen waren von hier aus nicht zu erkennen. Er würde also versuchen, seitlich am Haus zum Vordereingang zu gehen, und sich dort seine Kutsche bringen lassen.
Tief sog er die frische Nachtluft in die Lungen. Es tat gut, die Anspannung des Abends herauszulassen. Bilder von himmelblauen Augen, gelben Bändern und rosigen Lippen versuchten, sich in seine Gedanken zu schleichen. Nein! Zukünftig würde er sich von den Tanzenden und den Debütantinnen auf Veranstaltungen fernhalten. Lucy Berwin würde einen rechtschaffenen, jungen Adelsspross heiraten und mit diesem ein glückliches Leben inmitten der Gesellschaft führen. Damit wollte er nichts zu tun haben. Seine Aufgabe war es, seine Handelsunternehmung in Indien auszubauen. Da gab es für eine behütete englische Debütantin keinen Platz!
Er verbannte die Bilder aus seinem Kopf und wandte sich der Treppe in den Garten zu, als jemand die Terrasse betrat. Dorring beschleunigte seine Schritte, weil er nicht in der Stimmung war, Konversation zu machen. Höchstwahrscheinlich handelte es sich sowieso um ein verliebtes Pärchen, das fernab von den prüfenden Augen der Gesellschaft ein paar unschuldige Küsse stehlen wollte.
„Cousin Richard!“, unterbrach eine weibliche Stimme seine Flucht. Warum nur hatte er sich so viel Zeit gelassen, statt sofort zu verschwinden, schalt er sich innerlich.
„Cousine!“ Er drehte sich mit eisiger Miene um. Was genau an dem Wort „Nein“ verstand dieses Mädchen nicht?
Lächelnd kam sie auf ihn zu. Instinktiv verglich er ihr aufgesetztes Grinsen mit dem offenen Lachen von Lucy Berwin.
„Du solltest nicht alleine hier draußen sein, Mathilda.“
Ihre Augenbrauen hoben sich spöttisch. „Ach ja? Du aber auch nicht, Richard.“
Das entlockte ihm ein abfälliges Lachen! „Ich bin auf dem Weg nach Hause und du bist nicht meine Verantwortung.“ Er zuckte die Schultern und wollte sich wegdrehen, doch Mathilda griff mit ihrer rechten Hand nach seinem Arm.
„Einen Moment noch, Cousin! Ich möchte mit dir sprechen!“
„Mathilda, du kennst meine Ansichten zu den Plänen deiner Mutter! Was willst du noch? Du möchtest doch nicht im Ernst einen Ehemann, der sich in keiner Weise für dich interessiert?“ Ungerührt schüttelte er ihre Hand von seinem Ärmel. „Warum gehst du nicht wieder hinein und versuchst, einen der heiratswilligen Galane von deinen Qualitäten als Ehefrau zu überzeugen? Ich bin nicht interessiert!“
Das Lächeln war bei diesen deutlichen Worten aus dem Gesicht von Miss Mathilda Dorring verschwunden. Nun war ein harter Zug um ihre schmalen Lippen zu erkennen. „Was ich möchte? Ich möchte, was mir zusteht: Viscountess Dorring zu sein, wie ich es gewesen wäre, wenn dein Bruder sich nicht in Waterloo hätte erschießen lassen!“
„Lass Gerald aus dem Spiel!“, entgegnete ihr Richard wütend. „So, wie du von ihm sprichst, kann ich mir langsam vorstellen, warum er das Schlachtfeld der Viscountcy vorgezogen hat!“
Statt sich aufgrund seiner harschen Worte endlich zurückzuziehen, kam Mathilda noch näher. „Ich will, was mir zusteht! Mein Zuhause! Was kann ich dafür, dass unser Hab und Gut an einen Mann vererbt werden muss?“
Das wiederum konnte er zwar nachvollziehen, jedoch nicht ändern. Die Erbgesetze waren nun einmal so gestaltet, dass nur der nächste männliche Verwandte Adelsgüter erbte. Dorring versuchte, sie wegzuschieben, indem er ihre Oberarme umfasste. „Mathilda, ich habe euch bereits angeboten, Unterhalt zu bezahlen und weiterhin für dein Debüt aufzukommen! Warum wollt ihr denn unbedingt diese Ehe? Such dir einen Gatten, mit dem du dein Leben verbringen möchtest. Du magst mich doch genauso wenig wie ich dich!“ Sie musste doch endlich mal Vernunft annehmen.
Die junge Frau wand sich unter seinem Griff und warf einen Blick zu den Türen. „Unterhalt! Wie arme Verwandte! Nein!“ Ihre Augen waren zu Schlitzen gezogen. „Nein, ich will den Titel und das Haus, in dem ich aufgewachsen bin!“
Plötzlich ließ ihre Anspannung nach und Dorring gab sie frei, um in der nächsten Sekunde ungläubig mit anzusehen, wie sie ihr Oberteil packte und kräftig daran riss. Sie fing an zu schluchzen und ließ sich gegen seinen vor Überraschung erstarrten Körper sinken. Noch während er versuchte, sie aufzurichten, registrierte er den Lichtschein, der durch die in diesem Moment geöffnete Tür fiel.
Die Leute sahen nicht das triumphierende Glitzern in Mathildas Augen. Sie würden auch seinen Protest nicht hören.
Dorring verstand glasklar, was das bedeutete. Seine Cousine hatte ihn hereingelegt!
Er müsste Mathilda heiraten oder einen Riesenskandal riskieren, der ihn völlig entehrt dastehen lassen würde. Darauf bliebe ihm nur, das Land zu verlassen und damit alle Hoffnungen zu zerstören, welche seine Leute in ihn gesetzt hatten.
„Viscount Dorring! Was machen Sie da mit meiner Tochter?“, ertönte eine Richard nur zu gut bekannte Stimme.
Natürlich. Seine Tante spielte die Empörte. Neben ihr erkannte er die Billingshams, die schadenfroh grinsten. Er war aber auch ein Esel, verfluchte er sich innerlich. Sich von Mathilda auf einer verlassenen Terrasse in ein Gespräch verwickeln zu lassen! Dennoch, mit dieser Art von Niedertracht hatte er nicht gerechnet.
Dafür würde sie bezahlen. Diese Ehe würde die Hölle werden für sie. Falls diese beiden Frauen, die leider den gleichen Namen trugen wie er, dachten, sie könnten ihn an der Nase herumführen, so sollten sie sich noch wundern!
Immer mehr Menschen wollten sehen, was der Aufruhr bedeutete, und drängten auf die Terrasse.
Richard richtete sich auf, befreite sich von Mathildas Händen und zog seine Jacke aus. Sein Blick war angewidert, als er sie seiner Cousine reichte. „Hier, zieh dir was über!“ Mit diesen Worten bedeutete er seiner Tante und Mathilda, ihm zu folgen, und schritt mit eisiger Miene durch den Ballsaal. Er hatte keinen Blick für die Menschen, die sich neugierig umdrehten. Der Horizont war einem roten Schleier aus Wut gewichen. Wut über seine Verwandten, aber hauptsächlich über sich und seine Dummheit.
Nur einmal, in der Halle, als er die Kutsche zu bringen anordnete, durchbrach etwas seinen Zorn.
Gelbe Seide und himmelblaue Augen. Er sah das Entsetzen in Lucy Berwins Gesicht, wie sie die Hand vor den Mund schlug und wie eine einzige Träne sich aus ihren wunderschönen Augen löste.
Nichts hatte er jemals mehr gewollt, als diese Träne wegzuwischen.
Er schüttelte den Kopf. Lucy sollte nicht an ihn denken, sondern sich darum kümmern, einen guten Mann zu finden.
Es war besser so.
Kapitel 3
Sie war zu spät gekommen! Wieso war sie nicht schneller gewesen?
Dort in dem dunklen Musikzimmer hatte Lucy sich erschrocken, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und zwei Gestalten den Raum betraten. Sie hatte kaum geatmet und sich bewegungslos in ihre Nische gedrückt. Schon einmal war sie alleine auf einem Ball angetroffen worden und beinahe wäre sie dadurch ruiniert gewesen. Dieses schreckliche Erlebnis würde sie nie vergessen. Daher war ihr nur zu klar, wie verletzlich ihre gegenwärtige Position sie machte.
Zuerst hatte sich Erleichterung in ihr ausgebreitet, als sie im Lichtschein des Flurs die Silhouette zweier Damen erkannte. Damen stellten immerhin keinen Erbinnen nach, um diese in die Ehe zu zwingen. Doch das hatte sich schnell geändert.
„Charlotte! Hast du gesehen? Er ist hier!“, hatte die erste Lady entzückt gerufen.
„Und dieses Mal wird er dir nicht entkommen!“, hatte die zweite hinzugefügt.
Von allen Personen, die sie hier entdecken könnten, waren eben die beiden gehässigsten Menschen ihres Bekanntenkreises eingetreten. Lucy schlug das Herz bis zum Hals. Mathilda Dorring, die Cousine des Viscounts, und Lucys ehemalige Nachbarin Charlotte Billingsham hatten schon im Pensionat in Bath auf sie herabgesehen und sie gepiesackt, weil sie im Gegensatz zu ihnen selbst nicht adlig war, sondern aus einer Kaufmannsfamilie stammte. Wo immer die zwei jungen Damen auftauchten, versuchte Lucy, ihnen aus dem Weg zu gehen, da sie keine Lust hatte auf die gehässigen Sticheleien.
Daher war sie regungslos im Schatten der dicken Vorhänge sitzen geblieben und hatte jedes Wort des Plans, den die beiden ausheckten, mitangehört.
Mathilda hatte auf Charlotte eingeredet. „Ich bin so aufgeregt. Was soll ich nur tun?“
„Ganz einfach! Wie deine Mutter vorgeschlagen hat, wirst du ihn irgendwo alleine erwischen, und ich sorge dafür, dass ihr entdeckt werdet“, erklärte Charlotte.
Dieses Aas! Nur zu gut erinnerte sich Lucy daran, wie die Billingshams versucht hatten, Bess und sie in den Schmutz zu ziehen. Gott gnade ihrem nächsten Opfer!
„Aber wie soll ich das machen? Mein Cousin geht uns doch immer aus dem Weg!“, hatte Mathilda da gerufen.
Sie sprachen über Richard Dorring! Beinahe hätte Lucy sich durch einen Schrei verraten. In letzter Sekunde hatte sie den Laut heruntergeschluckt.
„Dir fällt schon was ein. Merk dir nur, dass du ihn in eine möglichst kompromittierende Lage bringst.“
„Ich weiß nicht, Charlotte!“, hatte Mathilda gezögert. Lucy hatte mit angehaltenem Atem und bebendem Herzen gelauscht. Sie hatte Mühe gehabt zu glauben, was sie hörte.
„Elmsford steht dir zu, Mathilda! Du wirst dir das nicht nehmen lassen, oder?“, hatte Charlotte insistiert. „Also“, war sie fortgefahren, nachdem Mathilda nicht widersprach, „ich werde schnellstmöglich mit Zeugen kommen. Für alles andere musst du Sorge tragen, Mathilda, und dann werden Dorring und Elmsford dir gehören! So, wie es sein sollte!“
„Bist du dir wirklich sicher, Charlotte? Was, wenn er sich nicht darauf einlässt? Dann bin ich ruiniert!“
„Viscount Dorring ist trotz seiner abscheulichen, fremdländischen Gebräuche ein Gentleman von Ehre“, versetzte Miss Billingsham. „Er wird tun, was nötig ist, um seinen Ruf nicht zu verlieren! Er kann es sich nicht leisten, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden. Also wird er ihre Regeln befolgen. Deine Mutter hat doch genau erklärt, was zu tun ist.“
Mathilda schien dennoch nicht überzeugt. „Aber an einen Mann gebunden zu sein, der mich verabscheut, das kommt mir doch unangenehm vor.“
„Mama sagt, dass es darauf bei einer Ehe nicht ankommt. Niemand erwartet von Eheleuten, dass sie sich mögen. Der Erbe der Viscountcy ist dir versprochen und du nimmst dir lediglich, was dir zusteht. Das ist nur recht so.“
Das hatte die junge Miss Dorring wohl überzeugt. „Wenn wir erst verheiratet sind, wird er sowieso wieder nach Indien verschwinden, hat Mama gesagt.