Chefarzt Dr. Holl 1969 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1969 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Der vierjährige Leon ist ein aufgeweckter Junge, der mit seinem kindlichen Charme jeden um den Finger wickelt. Eines Tages wird er von heftigen Zahnschmerzen geplagt. Als auch noch hohes Fieber hinzukommt, bringt ihn sein Vater vorsichtshalber in die Berling-Klinik.
Dort verschlechtert sich der Zustand des Jungen rapide. Die Ärzte versuchen alles in ihrer Macht Stehende, aber keine Behandlung bringt die erlösende Wende. Stirbt ihnen das Kind unter den Händen weg?
Die Eltern sind außer sich vor Sorge. Doch statt sich gegenseitig Halt und Trost zu spenden, machen sie sich gegenseitig Vorwürfe. Und schließlich bringen die Untersuchungen in der Klinik etwas zutage, das die Ehe in ihren Grundfesten erschüttert ...


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Inhalt

Cover

Angst vor der Zahnfee

Vorschau

Impressum

Angst vor der Zahnfee

Ein Milchzahn kostete Leon fast das Leben

Von Katrin Kastell

Der vierjährige Leon ist ein aufgeweckter Junge, der mit seinem kindlichen Charme jeden um den Finger wickelt. Eines Tages wird er von heftigen Zahnschmerzen geplagt. Als auch noch hohes Fieber hinzukommt, bringt ihn sein Vater vorsichtshalber in die Berling-Klinik.

Dort verschlechtert sich der Zustand des Jungen weiter rapide. Die Ärzte versuchen alles in ihrer Macht Stehende, aber keine Behandlung bringt die erlösende Wende. Stirbt ihnen das Kind unter den Händen weg?

Die Eltern sind außer sich vor Sorge. Doch statt sich gegenseitig Halt und Trost zu spenden, machen sie sich gegenseitig Vorwürfe. Und schließlich bringen die Untersuchungen in der Klinik etwas zutage, das die Ehe in ihren Grundfesten erschüttert ...

Umringt von vielen Müttern, stand Andreas Schempp auch an diesem herrlichen Nachmittag vor dem Kindergarten und wartete darauf, dass eine Erzieherin die Türen aufschloss. Die Sonne schien warm auf den eingezäunten Vorplatz.

»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum die Leute so verrückt auf den Sommer sind«, schnaufte eine Mutter neben ihm und fuhr sich mit dem Handrücken über die glänzende Stirn. »Von mir aus könnte das ganze Jahr über Winter sein. Oder wenigstens Herbst.«

»Sie wollen Tabea wirklich jeden Tag in einen Schneeanzug stecken? Stunden damit verbringen, Mützen oder einen verlorenen Handschuh zu suchen? Nasse Schuhe trocknen und laufende Nasen putzen?«

»Eins zu null für Sie.« Liane Burger lachte. »Ich werde noch einmal darüber nachdenken.«

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Die Erzieherin öffnete die Tür und ließ die Eltern in den Flur des Kindergartens.

Der Lärm war ohrenbetäubend. Überall wuselten Kinder herum. Sie lachten und kreischten, schubsten und stritten sich. Endlich entdeckte Andreas den Haarschopf seines Sohnes. Leon stand mit seinem besten Freund Anton in einer Ecke und redete wild gestikulierend auf ihn ein.

»Hier steckst du, Sportsfreund!«

Leon drehte sich um. Beim Anblick seines Vaters strahlte sein kleines Gesicht auf.

»Papa, Papa, Anton glaubt mir nicht, dass Luftballons singen können.«

»Wenn er dich zu Hause besuchen kommt, können wir es ihm beweisen.«

»Heute Nachmittag?«

»Gerne morgen. Heute müssen wir neue Schuhe für dich kaufen.« Andreas brachte seinen Sohn an seinen Platz und wartete, bis Leon die Hausschuhe gegen die Sandalen getauscht hatte.

Auf dem Nachhauseweg führten die beiden ein Männergespräch.

»Na, war der Ausflug in den Wildpark schön?«

»Es war toll, Papa. Die Rehe haben mir aus der Hand gefressen, und da ist ein sooo großes Meerschweinchengehege.« Leon streckte die Arme so weit auseinander, wie er nur konnte. »Die sind so süß und quieken die ganze Zeit. Bekomme ich auch ein Meerschweinchen?«

Andreas wusste: Allein bei dieser Frage würde seine Frau explodieren.

»Erstens glaube ich, dass ein Meerschweinchen allein sehr unglücklich bei uns wäre. Genau wie du braucht es Freunde und eine Familie«, gab er zu bedenken. »Außerdem ist eine Wohnung ein schlechter Platz für so ein Tierchen. Die Mitarbeiter des Wildparks haben doch bestimmt erklärt, wie sie gehalten werden müssen.«

»Sie brauchen ein großes Gehege mit viel Freilauf und Häuschen und Höhlen, in denen sie sich verstecken können«, erklärte Leon mit wichtiger Miene.

»Siehst du.« Andreas wollte fortfahren, als Leons Gedanken schon weitergesprungen waren.

»Der Spielplatz im Wildpark ist so cool. Der hat sogar eine Tunnelrutsche.« Wie ein Flummi sprang der kleine Kerl an der Hand seines Papas. »Und Bagger, mit denen man Sand baggern kann. Und einen Brunnen mit einer Wasserstraße. Können wir da nochmal hinfahren? Bitte, bitte!«

Andreas lachte. Die Begeisterung seines kleinen Sohnes entschädigte ihn für alles, was er auf sich genommen hatte, um für Leon da zu sein. Wieder einmal konnte er kaum glauben, wie sehr er diesen kleinen Jungen liebte und wie wertvoll die Zeit mit ihm war. Ein Gefühl der Zufriedenheit breitete sich in ihm aus, unendliche Dankbarkeit für diese kleinen Momente mit Leon. Auch wenn es am Anfang schwierig gewesen war, würde er jetzt niemals mehr mit seiner Frau tauschen wollen.

Nach dem erfolgreichen Schuhkauf servierte Andi seinem Sohn zu Hause eine kleine Mahlzeit. Gemeinsam saßen sie am Tisch auf dem Balkon und ließen sich Obstsalat mit Joghurt schmecken. Plötzlich verzog Leon das Gesicht.

»Aua!«

»Was ist los?«

»Mein Zahn tut weh.« Leon riss den Mund auf und deutete mit dem Finger auf einen Backenzahn. »Schon den ganzen Tag. Immer wieder.«

Andreas schaltete die Taschenlampe seines Handys ein und hieß Leon, den Mund zu öffnen.

»Ich kann nichts erkennen.«

»Aber es tut trotzdem weh!«

»Das glaube ich dir ja.« Andi steckte das Handy wieder weg. »Ich rufe gleich bei Doktor Kollmann an. Er soll sich die Sache mal ansehen.«

Leons Augen strahlten auf.

»Darf ich mir dann wieder ein Geschenk aus der Überraschungsbox aussuchen.«

»Ganz bestimmt«, versicherte der besorgte Vater, suchte in seinem Mobiltelefon nach der Nummer des Zahnarztes und vereinbarte einen Termin.

***

»Feierabend!«

Die Sonne verschwand hinter den Hausdächern der Stadt. Schlagartig wurde es dunkler im Zimmer. Luisa Schempp saß in ihrem Büro am Schreibtisch, der Bildschirm ihres Computers beleuchtete den Raum. Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht, Tabellenkalkulationen zu studieren, Meetings mit Kooperationspartnern abzuhalten, Verträge auszuhandeln und E-Mails zu beantworten. Jetzt war sie rechtschaffen müde. Doch selbst als sie ihren Computer herunterfuhr und sich die geröteten Augen rieb, wusste sie, dass ihr Tag noch lange nicht zu Ende war.

Als Geschäftsführerin leitete sie eine erfolgreiche Marketingfirma. Ihre Karriere hatte Luisa in jahrelanger, mühevoller Arbeit aufgebaut. Die Auftragslage war gut, doch die Konkurrenz schlief nicht. Um den Erfolg zu bewahren, war ihre Aufmerksamkeit rund um die Uhr gefordert.

Doch zunächst musste sich Luisa auf den Heimweg konzentrieren. Am Ende des Tages nach Hause zu fahren, strapazierte ihre Geduld noch viel mehr, als sich morgens auf den Weg in die Innenstadt zu machen. Zu beiden Tageszeiten herrschte dichter Verkehr auf Münchens Straßen, doch der allabendliche Stau erschien ihr viel schlimmer. Das mochte an der Anspannung liegen, die sich tagsüber aufbaute und meist erst tief in der Nacht wich, wenn sie neben ihrem Mann im Bett lag und auf seine tiefen Atemzüge lauschte.

In Schneckentempo kroch sie über den Mittleren Ring und verschliss die Kupplung ihres Wagens.

»Morgen nehme ich wirklich die U-Bahn«, schwor sie sich, wohlwissend, dass sie diesen Vorsatz am nächsten Morgen wieder über Bord werfen würde.

Der einzige Grund, warum Luisa sich dem täglichen Verschleiß ihrer Kupplung und ihrer geistigen Gesundheit aussetzte, war ihr Sohn Leon. Deshalb versuchte sie, das Büro um spätestens achtzehn Uhr zu verlassen, genau im dichtesten Feierabendverkehr.

Ihr früher Aufbruch blieb nicht unbemerkt. Vor allem ihre Partner schickten ihr missbilligende Blicke hinterher, wenn sie das Büro verließ. Jedes Mal musste Luisa dem Drang widerstehen, allen in Erinnerung zu rufen, dass sie den Laptop später am Abend wieder aufklappte, um von zu Hause aus zu arbeiten.

Nach etwas mehr als einer Stunde parkte sie den Wagen endlich auf dem reservierten Parkplatz vor dem Jugendstil-Altbau, in dem ihre Wohnung lag. Als sie den Flur entlang Richtung Küche ging, knarrte das Parkett unter ihren Füßen. Aus dem Wohnzimmer wehte das Lachen ihres vierjährigen Sohnes.

Unwillkürlich musste Luisa lächeln. Gab es ein schöneres Geräusch als dieses? Sie trat an die halb offenstehende Tür und warf einen Blick ins Zimmer. Ihre beiden Männer knieten auf dem Boden und schoben Spielzeugautos über den antiken Seidenteppich.

Das Schnauben seiner Mutter ließ Leon aufblicken.

»Mami!« Mit einem Satz sprang der Kleine auf die Füße und stürzte in Luisas Arme.

»Hallo, mein Schatz. Wie geht's dir?« Sie schob ihren Ärger beiseite und drückte ihre Nase in das weiche Haar, das nach Kindershampoo duftete.

»Wir waren mit dem Kindergarten heute im Wildpark. Die Rehe haben mir aus der Hand gefressen. Das hat sooo gekitzelt.« Wenn er nur daran dachte, musste Leon wieder kichern.

»Dann hattest du ja einen richtig aufregenden Tag«, meinte Luisa lächelnd und stellte ihn auf den Boden zurück.

Andreas hatte die Gelegenheit genutzt und die Spielzeugautos in die Kiste geräumt.

»Hallo!« Er gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Wie geht's dir?«

»Bis auf die Tatsache, dass ihr schon wieder auf dem Seidenteppich spielt, ganz gut«, zischte sie ihm ins Ohr.

Andreas rollte mit den Augen und wandte sich ab. In letzter Zeit stritten sie sich immer öfter über die Erziehung ihres Sohnes.

»Ich mache dir auch keine Vorschriften, wie du deinen Job machen sollst«, sagte er auf dem Weg in die Wohnküche so leise, dass Leon ihn nicht hören konnte. Schlimm genug, dass die Erwachsenen ständig Ärger hatten. Das musste der Junge nicht auch noch mitbekommen.

Der Abendbrottisch war bereits gedeckt. Es gab knuspriges Brot, eine große Schüssel randvoll mit buntem Salat und in Knoblauchöl gebackene Gemüsebratlinge.

»Ich habe die Paprikaschoten klein geschnitten.« Leon kletterte auf seinen Stuhl und reckte stolz die kleine Brust heraus. Plötzlich verzog er das Gesicht. »Aber ich kann heute gar nichts essen.«

»Warum denn nicht, mein Schatz?«

»Ich habe Zahnweh«, verkündete Leon mit gewichtiger Miene. »Übermorgen muss ich zu Doktor Kollmann.«

Luisa erschrak.

»Das ist ja gar nicht schön, Bärchen. Hast du nicht ordentlich Zähne geputzt? Oder gibt dir der Papa zu viele Süßigkeiten?«

Es fehlte nicht viel, und Andreas wäre aus der Haut gefahren. Nur Leon zuliebe riss er sich zusammen.

»Du weißt genau, dass das nicht stimmt«, erwiderte er betont liebenswürdig.

Luisa begnügte sich mit einem Stirnrunzeln und wechselte das Thema. Um wenigstens den Anschein einer glücklichen Familie zu wahren, erzählte sie im Plauderton von ihrem Tag.

Andis Blick dagegen ruhte auf seinem Sohn.

»Setz dich bitte gerade hin und nimm Messer und Gabel zum Essen«, ermahnte er Leon.

»Mein Zahn tut aber weh.«

»Dann kau auf der anderen Seite.«

»Ich will aber ganz schnell fertig sein, damit ich noch mit Mamas Handy spielen kann.« Leon spießte ein Stückchen Tomate auf die Gabel und schob sie in den Mund. »Satt!« Er strahlte von einem Ohr zum anderen. »Bekomme ich jetzt dein Handy?«

»Es steckt in meiner Jackentasche.« Lächelnd sah Luisa ihrem Sohn nach, wie er davonflitzte.

Andreas konnte sich gerade so lange beherrschen, bis die Zimmertür krachend ins Schloss gefallen war.

»Findest du das richtig?« Er machte keinen Hehl aus seinem Ärger. »Wir haben schon tausend Mal darüber diskutiert, dass Leon noch zu klein für diesen Technikkram ist. Trotzdem lässt du ihn immer wieder an dein Handy.«

»Oh bitte, Andi, nicht schon wieder diese Leier!«, stöhnte Luisa theatralisch auf. »Es wäre schön, wenn du dich ein einziges Mal in meine Lage versetzen würdest. Ich bin den ganzen Tag außer Haus und habe nichts von Leon. Und dann soll ich ihm abends auch noch einen Wunsch abschlagen? Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?«

»Du könntest zur Abwechslung mal ein Puzzle mit ihm machen oder Auto spielen. Davon hätte er mehr als von so einem dummen Handyspiel.«

»Der Seidenteppich wurde heute schon genug strapaziert.« Diesen Seitenhieb konnte sich Luisa nicht verkneifen. »Außerdem habe ich ein paar sehr gute Lernspiele auf dem Handy installiert. Denn ob du es wahrhaben willst oder nicht: Technik ist unsere Zukunft. Je eher die Kinder lernen, damit umzugehen, desto bessere Chancen haben sie später.«

Andreas stieß ein Seufzen aus. Auf der einen Seite wusste er, dass Luisa mit ihrer Behauptung nicht ganz unrecht hatte. Trotzdem sah er die Sache wesentlich kritischer als sie.

»Dazu hat er noch mehr als genug Zeit.« Er erhob sich vom Tisch und räumte die Teller zusammen. »Nur zu deiner Erinnerung: Leon ist erst vier Jahre alt.«

Wieder einmal wurde beiden bewusst, wie sehr ihre Ansichten über Erziehung auseinandergingen.

»Wenn ich eh nichts richtig mache, kann ich genauso gut noch etwas arbeiten«, stellte Luisa schließlich fest und erhob sich vom Tisch. »Ruf mich, wenn ich Leon seine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen soll.«

***

Nach und nach verebbte der Applaus.

»Was für ein mitreißender Vortrag!«, schwärmte Moni Wolfram. »Am liebsten würde ich jetzt gleich meine Joggingschuhe anziehen und eine Runde im Englischen Garten drehen.« Die Chefsekretärin stand neben Dr. Stefan Holl am Rand des kleinen Saals, in dem ein Vortrag über die Bedeutung von Bewegung und richtiger Ernährung bei anstrengenden Berufen stattgefunden hatte.

»Damit scheinen Sie nicht allein zu sein.« Beim Anblick seiner Belegschaft, die sich um den Referenten drängte, lächelte Dr. Holl zufrieden.

Als Leiter der Berling-Klinik lag ihm nicht nur die Gesundheit seiner Patienten am Herzen, er sorgte sich auch um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ohne das engagierte Pflegepersonal, die Ärztinnen und Ärzte, Labormitarbeiter, Reinigungskräfte und all die anderen Helfer wäre die Klinik nicht dieselbe gewesen. Der Erfolg und gute Ruf des Hauses war zum großen Teil ihr Verdienst. Damit ihm seine Mitarbeiter auch weiterhin treu und obendrein gesund blieben, ließ sich der Klinikleiter regelmäßig etwas einfallen.

Diesmal hatte er mit seiner Frau Julia die Idee zu einer Gesundheitswoche ausgetüftelt. Sieben Tage lang hatte es Veranstaltungen zum Thema gegeben wie einen Kochkurs für gesunde, schnelle Küche. Eine Physiotherapeutin hatte Übungen erklärt, die für Entspannung zwischendurch sorgen sollten. In den Arbeitspausen oder nach Dienstschluss waren Yoga-Stunden, geführte Meditationen und Massagen angeboten worden.

Mit dem Vortrag hatte die Woche schließlich ein Ende gefunden. Langsam leerte sich der Saal. Die Zuhörer strebten dem Ausgang entgegen. Unter ihnen waren auch der Kinderarzt Dr. Manuel Delius und der Oberarzt der Chirurgie, Jan Jordan.

»Schade, dass die Gesundheitswoche schon vorbei ist.« Dr. Jordan zwinkerte seinem Kollegen Delius zu. »An die Massagen in den Pausen könnte ich mich glatt gewöhnen.«

Der Kinderarzt lachte.

»Dachte ich es mir doch, dass du eher der gemütliche Typ bist.« Sein Blick verirrte sich zu Dr. Jordans Körpermitte.

Statt der blauen OP-Kleidung, die manche Körperstellen dezent kaschierte, trug der Oberarzt der Chirurgie an diesem Tag ein enges T-Shirt unter seinem weißen Kittel. Gut sichtbar wölbte sich ein Bäuchlein über dem Hosenbund.

»Was soll denn das heißen?« Blitzschnell zog Jan Jordan den Bauch ein.

»Du hast den Referenten doch gehört. Gerade das ist doch die Tücke an anstrengenden Berufen. Wir denken, wir hätten schon genug Bewegung. Aber das ist leider ein Trugschluss. Statt sich auf einer gemütlichen Liege durchkneten zu lassen, sollten wir unsere Pausen lieber für Joggingrunden im Englischen Garten nutzen und unseren Puls hochtreiben. Das ist nicht nur gesund, sondern verbraucht obendrein auch noch Kalorien und strafft die Muskeln.« Ein freches Grinsen spielte um Dr. Delius' Lippen. »Bist du nicht mit einem ehemaligen Model verheiratet?«

»Schon gut. Ich habe verstanden.« Dr. Jordan warf einen unauffälligen Blick in die spiegelnde Glastür. Sein Kollege hatte recht! »Wann legen wir los?«

»Echt jetzt? Du bist dabei?«

»Natürlich.«

Überrascht von seinem schnellen Erfolg, dachte Dr. Delius kurz nach.

»Wir könnten den Vorschlag des Referenten aufgreifen und eine Laufgruppe gründen. Abgesehen davon, dass Sport gemeinsam viel mehr Spaß macht, motivieren wir uns gegenseitig.« Die beiden Männer traten zu Dr. Holl, der inzwischen mit seinem Stellvertreter und besten Freund Daniel Falk zusammenstand. »Finden Sie nicht auch, Chef?«