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Eigentlich haben Vampire keine Angst vor den Schrecken, die die Nacht durchflattern. Aber seit dem Angriff eines dunklen Zauberers sind Merit und Ethan etwas schreckhaft geworden. Da werden auf Chicagos Friedhöfen Gräber geplündert. Ist ihr mächtiger Feind zurückgekehrt? Als dann aber ein Geist, der es auf Vampire abgesehen hat, Cadogan heimsucht, muss Merit erkennen, dass sie es mit einer ganz anderen Art von Monster zu tun bekommt: Ein gräulicher Schurke, direkt aus den düstersten Legenden entsprungen, geht um. Es liegt nun bei den Vampiren, den Blutrausch zu stoppen ...
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Seitenzahl: 131
CHLOE NEILL
Chicagoland Vampires
Ein Biss für alle Ewigkeit
Ins Deutsche übertragenvon Marcel Aubron-Bülles
Eigentlich haben Vampire keine Angst vor den Schrecken, die die Nacht durchflattern. Aber seit dem Angriff eines dunklen Zauberers sind Merit und Ethan etwas schreckhaft geworden. Da werden auf Chicagos Friedhöfen Gräber geplündert. Ist ihr mächtiger Feind zurückgekehrt? Als dann aber ein Geist, der es auf Vampire abgesehen hat, Cadogan heimsucht, muss Merit erkennen, dass sie es mit einer ganz anderen Art von Monster zu tun bekommt: Ein gräulicher Schurke, direkt aus den düstersten Legenden entsprungen, geht um. Es liegt nun bei den Vampiren, den Blutrausch zu stoppen …
Jetzo gähnt Gewölb’ und Grab,
Und, entschlüpft den kalten Mauern,
Sieht man Geister auf und ab,
Sieht am Kirchhofszaun sie lauern.
– William Shakespeare, Ein Sommernachtstraum
»Es gibt keine süßere Qual, keine exquisitere Strafe als die Brautparty.«
Der so schmerzlich leidende Vampir, dessen gemeißelte Züge und atemberaubender Körper selbst Apoll vor Neid erblassen ließen, stand neben mir am Eingang einer Villa in Oak Park, Illinois.
Das Haus gehörte meinen Eltern. Der Vampir würde in zwei Monaten mir gehören.
Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und das dazu passende, perfekte weiße Hemd. Den obersten Knopf hatte er geöffnet, um den Blick auf den Silbertropfen freizugeben, der in der Halskuhle ruhte. Sein leuchtend goldenes Haar fiel ihm bis auf die Schultern, und seine Augen strahlten grün wie makellose Smaragde.
»Du herrschst über ein Vampirhaus«, ermahnte ich Ethan. »Du hast gegen Monster, Hexenmeister und üble Politiker gekämpft. Du wirst es schon schaffen, ein paar Stunden lang Geschenke entgegenzunehmen und an Partyspielchen teilnehmen zu müssen.«
Das Entsetzen in seinem Blick war unbezahlbar. Nicht, dass mir der Gedanke besonders gefiel, diese Veranstaltung im Haus meiner Eltern abzuhalten. Jeder Besuch rief in mir das bedrückende Gefühl hervor, in einen Körper eingeschnürt zu sein, über den ich nicht frei und allein verfügte. Das Erfreuliche in diesem Fall war aber, dass es sich diesmal um geteiltes Leid handelte. Ethan war mein Komplize, ob er wollte oder nicht.
Er kniff die Augen zusammen. »Du hast nichts von Partyspielchen erwähnt.«
»Das war doch selbstverständlich«, sagte ich. »Das gehört zu jeder Brautparty dazu. Sei bloß froh, dass dies die einzige Brautparty ist, an der du jemals teilnehmen wirst.«
Unsere Verlobungszeit würde recht kurz ausfallen – vom ersten zum zweiten Ring waren es gerade mal vier Monate –, und von der eigentlichen Zeremonie trennten uns nur noch knapp zwei Monate. Da Ethan auf einer atemberaubenden Hochzeit bestanden hatte, bei der seine zukünftige Braut angemessen gefeiert würde – und wie wollte ich dem schon widersprechen? –, bedeutete die kurze Verlobungszeit, dass alles, was vorher zu planen und zu tun war, recht komprimiert stattfinden musste. Das war einer der Gründe, warum wir uns für eine einzige Brautparty entschieden hatten, nicht für die oftmals ungezwungenen, dafür aber häufigeren Feierlichkeiten unter Freunden.
Ethan hob eine atemberaubende Augenbraue und ließ selbstzufrieden den Blick über mein locker fallendes schwarzes Kleid gleiten, das zusammen mit flachen schwarzen Stiefeln und einem Collier ein bezauberndes Ensemble ergab. Meine dunklen Haare fielen mir sanft bis auf die Schultern. »Dafür schuldest du mir was.« Er beugte sich vor und hauchte mir seine nächsten Worte ins Ohr. »Und ich treibe meine Schulden immer ein.«
Mir wurde schlagartig heiß, was er offensichtlich beabsichtigt hatte. »Du wirst nach der Party ausreichend Gelegenheit haben, den Schuldeneintreiber zu spielen.« Ich rauschte an ihm vorbei, öffnete die Tür und grinste ihn an. »Immerhin sind wir unsterblich.«
Das moderne Zuhause meiner Eltern – ein Betonkubus, der sich zwischen Frank Lloyd Wright-Kopien drängte – war mit weißen und silbernen Luftschlangen und Papierlaternen dekoriert worden, die auf unerwartete Weise tatsächlich zu unserer Brautparty passten. Vielleicht würde es ja doch nicht so schlimm werden.
Meine Mutter, Meredith Merit, und meine Schwester, Charlotte Corkburger, hatten die Party organisiert. Ich hatte ihnen meine Freundesliste gegeben, und sie hatten die restlichen Gäste höchstpersönlich eingeladen, mittels einer komplizierten Berechnung, die mir zwar nicht näher erklärt worden war, aber für die ein Whiteboard, Filzstifte und genügend Symbole nötig waren, um ein ganzes Zauberbuch zu füllen.
»Auf die Party!« Meine Mutter kam mit zwei Champagnerflöten in der Hand auf uns zu. Charlotte stand vor einer langen Tafel, auf der sich Silbergeschirr und ein mehrstöckiges Essensangebot stapelten. Wir hatten beide die dunklen Augen unseres Vaters geerbt, aber ihre waren grün und meine blau. Sie drehte sich um und winkte uns zu, und ich erwiderte ihren Gruß.
»Danke, Mom«, sagte ich, nahm das Glas entgegen und bemerkte, dass die karmesinrote Flüssigkeit darin nicht wie Champagner aussah.
»Lebenssaft-Cocktail!«, erklärte meine Mutter fröhlich.
Ethan nahm einen Schluck und nickte, als ob ihn der Geschmack positiv überraschte. »Sehr lecker«, sagte er. »Und das Haus sieht bezaubernd aus.« Er schenkte ihr sein Meister-Lächeln, das vielen Menschen und Übernatürlichen weiche Knie verursachte.
»Es hat einen solchen Spaß gemacht, mit dem Partyplaner zu arbeiten«, sagte meine Mutter und legte sich freudestrahlend die Hand auf die Brust.
»Eine schöne Veranstaltung auf die Beine zu stellen lohnt sich immer«, sagte Ethan und warf mir einen Blick zu. »Tatsächlich habe ich eine unserer Vampirinnen darum gebeten, als Veranstaltungskoordinatorin für unser Haus zu fungieren.«
»Das war keine Bitte«, grummelte ich. »Das war eine Strafe.«
»Tatsächlich?« Er bedachte mich mit einem ganz unschuldigen Blick. »Ich habe das anders in Erinnerung.«
Ich schüttelte nur den Kopf.
»Nun, wie auch immer, du wirst heute Abend Spaß haben.«
Das musste sich erst noch zeigen, aber ich würde mich sehr bemühen. Ich sah mich um und ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Ich entdeckte weder meinen Bruder Robert noch meinen Vater. »Robert und Dad sind nicht da?«
Meine Mutter versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber sie zuckte kurz zusammen. Sie setzte ein schwaches Lächeln auf, das noch weniger überzeugte, und machte eine verlegene Geste. »Sie schließen den Vertrag zu einer weiteren Immobilie in New York ab. Du weißt doch, wie sie sind.«
Vielleicht gab es tatsächlich einen Vertragsabschluss. Vielleicht war mein Vater aber einfach immer noch mein Vater, und mein Bruder war immer noch mein Bruder. Mein Vater wusste nicht, wie er mit mir umgehen sollte. Mein Bruder war immer noch wütend auf mich, weil er glaubte, ich hätte Merit Properties jede Chance darauf genommen, jemals wieder Geschäfte mit Sorcha und Adrien Reed tätigen zu können. Sorcha war eine Hexenmeisterin, die geplant hatte, alle Übernatürlichen ihrer Kontrolle zu unterwerfen, doch das hatten wir gerade noch verhindern können; Adrien war ihr Ehemann, ein mächtiger Unternehmer, den sie eigenhändig getötet hatte. Es war ihr eigenes Handeln, das zu ihrem Untergang geführt hatte – dem magischen wie dem finanziellen. Doch da ich eine Übernatürliche war, schrieb Robert mir die Schuld zu.
»Sie sind, wie sie sind«, sagte ich und versuchte es mit einem Lächeln, das auch nicht besser war als ihres. Doch ich bemühte mich dennoch, denn in dieser Nacht ging es um Ethan und Liebe und dieses Fest. Es ging nicht um meinen Bruder mit seinem kleingeistigen, unangebrachten Trotz.
Als Ethan in diesem Augenblick seine Hand auf meinen Rücken legte, um mich daran zu erinnern, dass er immer an meiner Seite war, egal, mit welchen Probleme wir konfrontiert wurden, fühlte ich mich besser. Wir waren, wie wir waren.
Meine Mutter hakte sich bei Ethan unter. »Ich muss dich so vielen Leuten vorstellen! Sie sterben geradezu vor Neugier, wenn du mir dieses Wortspiel verzeihst.«
»Es ist eins meiner liebsten«, meinte Ethan und lächelte. »Ich freue mich schon darauf, Merits Familie besser kennenzulernen. Sie haben immer so viele spannende Geschichten zu erzählen.«
Ich spürte, wie ich erbleichte. Vielleicht war diese Brautparty doch keine so gute Idee gewesen. »Lass uns bitte bei der jüngeren Vergangenheit bleiben.« Doch Ethan lächelte einfach weiter.
»Die jüngere Vergangenheit kenne ich doch«, sagte er. »Ich möchte mehr über den Rest erfahren.«
»Wir sind gleich wieder da!«, rief meine Mutter noch, als sie ihn schon in Richtung ihrer plaudernden Freundinnen führte.
Ich blieb allerdings nicht lange allein.
»Merit!«
Ich drehte mich um und entdeckte meine blauhaarige beste Freundin – eine blasse, zierliche und klassische Schönheit –, die sich ihren Weg durch die Menge bahnte. Mallory Bell wurde von ihrem Ehemann Catcher begleitet. Er war größer, muskulös, mit ebenso blasser Haut und kurzgeschnittenen Haaren, was seine leuchtend grünen Augen nur noch hervorhob.
»Alles Gute zu deiner Party«, sagte Mallory und umarmte mich herzlich. »Hier sieht es richtig hübsch aus – für einen Betonklotz.«
»Das fasst es ziemlich gut zusammen«, sagte ich.
Sie schnappte sich ein Glas, das eine Servicekraft auf einem Silbertablett vorbeitrug und das eine süße rosafarbene Flüssigkeit enthielt. »Hm, Mango und Drachenfrucht. Das solltest du mal probieren.«
Ich hielt meinen Blutcocktail hoch und grinste. »Mache ich, wenn du das hier probierst.«
»Kenne ich schon.«
Ich musterte sie neugierig. »Wirklich?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Du hattest doch Lebenssaft zuhause.«
Vor meinem Umzug ins Haus Cadogan hatte ich in Mallorys Haus in Wicker Park gewohnt. Es waren nicht nur meine Pflichten als Hüterin gewesen, die mich dazu bewogen hatten umzuziehen, sondern auch ihre und Catchers Einstellung zu wilden Liebesspielen in allen Räumen ebendieses Hauses. Ich hatte für den Rest meines Lebens genug nackten Hexenmeisterhintern gesehen.
»Ich habe mir mal nachts einen Schluck gegönnt.« Sie rümpfte die Nase. »Es schmeckte nicht besonders gut.«
Ich war eine Vampirin, und selbst ich hätte Blut nicht als besonders wohlschmeckend bezeichnet. Auch wenn uns das Marketingteam bei Lebenssaft vom Gegenteil zu überzeugen versuchte, so ging es doch überhaupt nicht um den Geschmack. Es hatte nur mit dem Bedürfnis, dem Trost und der Befriedigung zu tun. Den Menschen mochte diese Gepflogenheit widerlich erscheinen, aber es gab nichts, was den Appetit eines Vampirs so sehr stillte wie Blut.
»Jedem das Seine«, sagte Catcher und sah sich um. »Wo ist denn dein Verlobter?«
Ich zeigte ihm, wo Ethan mit meinem Großvater, dem übernatürlichen Ombudsmann Chicagos sprach, der zugleich Catchers Arbeitgeber war.
Der Ombudsmann wirkte ganz natürlich mit seinem schmalen Ring silbernen Haars, in seinem Karohemd, einer einfachen Hose und bequemen Schuhen. Ich liebte meinen Großvater aus vielen Gründen, und dass dieser Polizist sich zum Ermittler aller übernatürlichen Dinge gemausert hatte, war nur einer davon.
Meine Mutter stand neben ihm und bildete in ihrem Etuikleid mit den Chanel-Pumps und den Diamantohrsteckern das perfekte Gegenstück.
»Ethan sieht in diesem schwarzen Anzug ziemlich gut aus«, sagte Mallory und zwinkerte mir zu. Das brachte ihr einen leicht angesäuerten Blick ihres Ehemanns ein. »Aber du bist und bleibst der einzige Kontrollfreak für mich«, sagte sie und legte ihm die Hand auf die Brust.
Jedem das Seine, auch in der Liebe.
Wir unterhielten uns mit Verwandten, die wir jahrelang nicht gesehen hatte – und einigen, bei denen ich ziemlich sicher war, dass ich sie noch nie gesehen hatte. Wir machten Fotos, aßen Appetithäppchen und schüttelten die Hände von Cousins dritten Grades. Aber Gott sei Dank, es gab keine Partyspielchen. Meine Mutter und Charlotte hatten es offensichtlich aufgegeben, sich etwas ausdenken zu wollen, was zu einem vierhundert Jahre alten Vampir und seiner weibliche Begleitung passte.
Ethan und ich mischten uns unter die Leute, sprachen mit Mallory und Catcher, mit Margot, der Küchenchefin des Hauses (die das Catering für unsere Hochzeit übernommen hatte), mit der Hauswächterin Lindsey – meiner engsten vampirischen Freundin – und mit Luc, dem Hauptmann der Wache des Hauses und Lindseys Beau.
Malik, Ethans Stellvertreter, hatte angeboten, im Haus Cadogan zu bleiben und sich dort um alles zu kümmern, während wir feierten. Wir hatten ihm versprochen, dass er ein Stück Kuchen bekommen würde, waren aber nicht ganz sicher, ob der Begriff ›Kuchen‹ auf das zutreffen würde, was meine Mutter bestellt hatte. Es handelte sich weniger um Backwerk als um eine essbare Skulptur – ein riesiges, dreidimensionales, leicht wabbelndes Herz, das aus einem Dutzend Gelatineschichten geformt und mit Roter Bete gefärbt worden war. Meine Mutter liebte die moderne, gewagte Küche genauso, wie sie moderne, gewagte Architektur liebte.
Als wir dieses Gebilde betrachteten, sagte Ethan nur: Auf dem Rückweg gehen wir noch bei Portillo’s vorbei. Das sollte Malik eher schmecken.
Dem konnte ich kaum widersprechen. Portillo’s hatte die besten Kuchen-Shakes in Chicago.
Wir hatten nicht um Geschenke gebeten, sondern um Spenden an gemeinnützige Einrichtungen, wenn ein Gast von einem Geschenk nicht absehen wollte. Trotzdem tauchten vor uns zahlreiche liebevoll eingepackte Geschenke auf, die nicht nur zwei schicke Toaster enthielten, sondern auch teure Handtücher und ein Dutzend Champagnerflöten aus exquisitem Kristallglas. Unsere Cousins dritten Grades waren sehr großzügig, auch wenn es völlig unnötig war.
Ich bin mir sicher, dass es mehrere Obdachlosenunterkünfte in der Stadt gibt, die sie gerne annehmen, sagte Ethan, als er Toaster Nummer drei auspackte.
Ein hervorragender Plan, erwiderte ich und schenkte der kleinen, hutzeligen Frau, die ihn uns geschenkt hatte, ein Lächeln. Sie war meine Großtante väterlicherseits – die Schwester der Mutter meines Vaters – und schien selbst praktisch unsterblich zu sein. »Vielen Dank, Tante Sarah. Was für ein aufmerksames Geschenk«, sagte ich, während meine Mutter den Toaster auf den wachsenden Stapel stellte.
Als das letzte Geschenk überreicht war und wir den zwei Dutzend Schenkenden für ihre Großzügigkeit gedankt hatten, kehrte Großtante Sarah noch einmal zu uns zurück.
»Bei mir in der Gegend wohnen ein Haufen arbeitsscheuer, nichtsnutziger Vampire«, verkündete sie.
Wir starrten sie an.
Meine Mutter, deren Lächeln sich nicht verändert hatte, hakte sich bei Sarah unter. »Sarah, ich bin mir sicher, dass man so etwas auf einer Feier nicht sagen sollte.«
Und auch sonst nicht, fügte ich schweigend hinzu. Doch es war deutlich, dass Sarah sich nicht den Mund verbieten lassen würde.
»Sind die ganze Nacht wach und schlafen den ganzen Tag über. Das sind doch bloß Schmarotzer, die sich am System bereichern. Die liegen doch nur dem Staat auf der Tasche.«
Da Sarah von den Einkünften ihres letzthin verblichenen Ehemanns lebte und nicht einen einzigen Tag in ihrem Leben gearbeitet hatte, zweifelte ich sehr daran, dass sie es sich erlauben durfte, unsere Arbeitseinstellung in Frage zu stellen.
»Sarah«, wiederholte meine Mutter, diesmal jedoch entschlossener, und versuchte sie wegzuzerren. »Du bist wirklich ein wenig unhöflich.«
Nicht nur ein wenig, dachte ich, und warf Ethan einen kurzen Blick zu. Ich sah, wie er schwer mit sich rang, um dieser ignoranten Frau keine scharfen Worte an den Kopf zu werfen. Er hielt sich aus Rücksicht auf mich zurück, auf diesen Abend. Glücklicherweise hatte ich keine solchen Hemmungen.
»Ich bin mir nicht sicher, warum du hier bist«, sagte ich, als sich Sarah auch weiterhin weigerte zu gehen und mir trotzig das Kinn entgegenreckte. »Es ist offensichtlich, dass du uns keinerlei Wertschätzung entgegenbringst, und dennoch hast du die Einladung meiner Mutter und ihre Gastfreundschaft angenommen. Du hast ihr Haus betreten, deine Vorurteile und deinen Hass mitgebracht, nur um in ihrem Heim solche Bemerkungen von dir zu geben. Das ist nicht nur unhöflich, das ist eine Frechheit.«
In der Stille, die auf meine Worte folgte, klappte Sarahs Kinnlade herunter. Sie war offensichtlich nicht daran gewöhnt, Widerspruch zu ernten. Tja, schade für sie, denn ich war noch nicht fertig.
»Es gehört zum Allgemeinwissen, das du offensichtlich gerne ignorierst, dass Vampire allergisch auf Sonnenlicht reagieren. Sie sind nachtaktiv, und ihr Dasein lässt sich nicht darauf reduzieren, was du siehst oder nicht siehst. Und um deinen zweiten Vorwurf zu entkräften, Vampire haben keinen Anspruch auf Gelder vom Staat, denn wir sind keine Menschen. Es ist also absolut unmöglich, dass deine Nachbarn irgendjemandem ›auf der Tasche liegen‹.«
Sarahs Wangen röteten sich merklich. Sie wollte mir antworten, doch ich hob sofort einen Finger. »Du hast deinen Teil sagen dürfen, jetzt sage ich meinen. Wenn du schon Vorurteile hast und gehässige Bemerkungen von dir gibst, dann solltest du wenigstens dazu stehen. Rede dich nicht mit falschen Informationen heraus.«