Craving Hawk - Nicole Jacquelyn - E-Book

Craving Hawk E-Book

Nicole Jacquelyn

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Beschreibung

Lockdown im Aces & Eights Motorrad Club. Heather Collins, genannt Hawk, genießt als Schwester einer Old Lady den Schutz des Clubs, wenn den Angehörigen der Mitglieder Gefahr drohen könnte. Daher ist Hawk für einige Wochen zusammen mit den Clubmitgliedern und deren Familien auf engstem Raum gefangen. Viele Leute kennt sie dort nicht und einer der Männer ist ihr so etwas wie ein Dorn im Auge. Tommy Hawthorne, Sohn des Vizepräsidenten und älterer Bruder ihres verstorbenen Freundes Mick. Denn er hat sich verändert. Früher war Tommy ein spaßliebender, frecher Kerl. Heute trägt er Wut auf die Welt mit sich, kann seine Aggressivität kaum in Schach halten und wird von Alpträumen geplagt. Für ihn war Heather schon während der Schulzeit das aufregendste Mädchen gewesen, egal welche Haarfarbe sie gerade hatte, oder wie viele Piercings sie sich ins Gesicht steckte. Leider hatte sie immer nur Augen für seinen kleinen Bruder Mick und später gingen sie getrennte Wege. Eine Sache hat sich allerdings nicht geändert. Er will sie immer noch.

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Seitenzahl: 334

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Craving Hawk

Next Generation Aces 3

Nicole Jacquelyn

© 2020 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© Umschlaggestaltung Andrea Gunschera

© Englische Originalausgabe

© Übersetzt von Sylvia Pranga

ISBN Taschenbuch: 9783864439209

ISBN eBook-mobi: 9783864439216

ISBN eBook-epub: 9783864439223

www.sieben-verlag.de

Für meine Familie, die mich kaum gesehen hat, während ich diesesBuch schrieb. Ich liebe euch.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Danksagung

Die Autorin

Prolog

Heather

An manchen Tagen fühlte es sich an, als würde die Highschool mir den Rest jeglicher Individualität aussaugen, den ich mir während der letzten sechzehn Jahre bewahrt hatte.

Zumindest sah ich noch wie ich aus. Die Hälfte meines Kopfes war rasiert, die andere Hälfte war lindgrün. Davor war sie taubenblau gewesen. Und davor platinfarben. Ich konnte mich nie entscheiden, welche Farbe mir am besten gefiel. Und warum sollte ich auch? In der Abteilung für Schönheitsprodukte gab es Millionen von Farben, die nur darauf warteten, geöffnet zu werden. Ich trug, was ich wollte, verwendete Make-up, wie es mir gefiel und mir war im Allgemeinen alles scheißegal.

Doch in letzter Zeit fing ich an zu denken, dass es einfacher wäre, wenn ich dazugehören würde.

„Hey, Heather“, rief jemand hinter mir, als ich meine Tasche in den Spind stopfte. „Dein Name ist doch Heather, oder?“

Ich drehte mich um und vor mir stand ein Mitschüler, der wusste, dass ich Heather hieß.

„Was gibt’s, Silas?“, fragte ich und lächelte kurz, um zu unterstreichen, dass ich seinen Namen kannte.

„Ich habe mich gefragt, ob du mal mit mir ausgehst?“ Er sagte das so selbstbewusst, dass ich meine Kinnlade davon abhalten musste, nach unten zu klappen.

„Mit dir ausgehen?“, fragte ich misstrauisch. „Wohin?“

„Ich weiß nicht. Ins Kino oder so“, antwortete er. Seine Stimme hatte den dreisten Ton fast verloren, klang jetzt eher nervös.

„Du willst mit mir ins Kino gehen?“, fragte ich langsam.

„Ja, und dann vielleicht …“ Ein hinterhältiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und dann drückte er die Zunge fest gegen die Innenseite seiner Wange und deutete damit einen Blowjob an.

„Hau ab, du Schlappschwanz“, fauchte ich. Ich riss meinen Arm zurück, um ihm in sein lachendes Gesicht zu schlagen, doch bevor es soweit kommen konnte, verbargen ihn breite Schultern vor meinem Blick.

„Verflucht, verschwinde hier Sil-Ass“, befahl mein Lieblingsmensch auf der ganzen Welt. Die Muskeln in seinem breiten Rücken spannten sich an, als er Silas den Flur hinunterschubste. „Wenn du einen Blowjob willst, musst du erstmal deinen winzigen Schwanz finden.“

Ich ließ den Arm an meine Seite sinken und streckte die Finger. Ich hatte sie so angespannt, dass sie sich verkrampft anfühlten. Ich schüttelte den Kopf, als Mick sich mit immer noch düsterer Miene zu mir umdrehte. Es war nicht das erste Mal, dass mich ein Typ auf den Schulfluren angemacht hatte. Zum Teufel, es war auch nicht das fünfte Mal. Ich wusste nicht, warum sie mich dafür aussuchten, doch es war auf jeden Fall unheimlich. Ich hatte jede einzelne angebotene Verabredung abgelehnt. Und trotzdem fragten sie mich immer wieder, als ob meine Antwort irgendwann anders lauten würde.

„Danke“, murmelte ich, als Michael Hawthorne mir den Arm um die Schulter legte, mich eng an sich zog und selbstbewusst mit mir in der Mitte des Flurs entlangging.

Mick, sein älterer Bruder und seine Cousinen waren an unserer Schule praktisch unantastbar. Sie waren nicht unglaublich beliebt oder so was … doch etwas hob sie aus der Masse hervor. Sie waren cool. Viel cooler als alle anderen. Und weil sie so cool waren – und im Fall der Jungen ein bisschen furchterregend – legte sich niemand mit ihnen an.

„Hast du die Hausaufgabe für Englisch fertig?“, fragte ich, während Mick mich um eine Gruppe herumführte, die sich auf einer Seite des Flurs gesammelt hatte. „Du weißt, dass sie fünfzehn Prozent deiner Note ausmacht, oder?“

„Ich habe mich darum gekümmert“, antwortete er und drückte meine Schulter. „Warum mischst du dich immer in meinen Schulkram ein?“

„Weil ich deine Nachhilfelehrerin bin.“

„Nein, wir sind Freunde.“

„Ich bin aber auch deine Nachhilfelehrerin.“

„Du bist eine Freundin, die mir manchmal bei den Hausaufgaben hilft.“

„Siehst du, Nachhilfelehrerin.“

„Wollen wir nach der Schule abhängen?“, fragte Mick und wechselte damit das Thema. Wir blieben vor der Tür meines Klassenzimmers stehen.

„Oh, nein, nicht du auch noch“, scherzte ich. Ich lachte ein bisschen, bis ich Micks ernstem Blick begegnete.

„Wirf mich nicht mit denen in einen Topf“, sagte er und nahm den Arm von meiner Schulter. „Das ist Blödsinn.“

„Mick“, murmelte ich verlegen. „Das war ein Witz.“

„Nein, war es nicht.“

Er starrte mich an und ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. Mick war zwei Jahre jünger als ich, und als wäre das nicht genug, wusste ich, dass er nicht auf mich stand. Das wurde in unserem ganzen Umgang mehr als deutlich. Ich hatte ihm jede Gelegenheit gegeben, den ersten Schritt zu machen, doch er hatte es nicht getan. Er hatte alles rein platonisch gehalten, hatte mich nie anders als einen seiner Kumpels behandelt.

„Wir sehen uns später“, sagte ich und drehte mich schnell auf dem Absatz um.

„Heather“, rief Mick frustriert und ich blieb in der Tür stehen. „Zwischen uns ist alles okay, oder?“

„Alles in Ordnung“, sagte ich, winkte über die Schulter und ging in mein Klassenzimmer.

Er war einer meiner besten Freunde und bei weitem der albernste, netteste und fürsorglichste Typ, den ich je getroffen hatte. Ich würde unsere Freundschaft nicht ruinieren, indem ich versuchte, sie zu etwas zu machen, was sie nicht war.

Nach diesem Zwischenfall scherzte ich nie wieder darüber, dass wir beide miteinander ausgehen könnten. Erst ungefähr ein Jahr später begriff ich, warum Mick nicht auf mich stand. Ich fand es durch puren Zufall heraus und verlor nie ein Wort darüber.

Kapitel 1

Heather

„Was zum Teufel machst du da?“

Ich öffnete die Augen, drehte den Kopf und sah zu dem dunklen Schatten hoch, der sich vor den Nachthimmel geschoben hatte. Er war groß und ragte drohend über mir auf. Ich schloss die Augen wieder.

„Ich genieße dieses kleine Stück Freiheit“, murmelte ich und bewegte Arme und Beine durchs Gras, als wollte ich einen Schneeengel machen. „Gras an meiner Haut, Sterne über mir – ich kann mir fast vorstellen, dass ich auf der Wiese hinter meinem Apartmentgebäude bin.“

„Himmel“, grollte der Schatten. Ich hörte das Klicken eines Feuerzeugs und dann stieg mir der Rauch seiner Zigarette in die Nase. „Machst du diesen Scheiß hinter dem Haus, in dem du wohnst? Und wartest auf irgendeinen Junkie, der scharf auf eine Pussy oder Geld ist?“

„Das ist eine erbärmliche Sicht auf die Welt“, antwortete ich und öffnete die Augen wieder. „Kein Junkie hat mich je überfallen, vielen Dank auch.“

„Einmal ist immer das erste Mal. Und was machst du dann? Schlägst du ihn mit diesen Krallen in die Flucht?“

„Was stimmt denn nicht mit meinen Fingernägeln?“, fauchte ich und setzte mich auf.

„Nichts, wenn du vorhast, eine Leiche auszugraben oder so was. Wie machst du es dir eigentlich selbst, ohne danach genäht werden zu müssen?“

Ich war sprachlos und brauchte mindestens eine Minute, um eine Antwort zu formulieren, was mich noch wütender als seine Frage machte. „Ich treffe mich mit jemandem“, blaffte ich. „Er besorgt es mir.“

„Mutiger Typ. Ich würde diese Hände nicht in die Nähe meines Schwanzes lassen.“ Seine Worte waren so höhnisch und angewidert, dass ich ohne nachzudenken mit dem Handrücken direkt in den Schritt seiner Jeans schlug. Volltreffer. Den Bruchteil einer Sekunde nahm ich wahr, wie groß er war, obwohl er nicht einmal annähernd hart war. Dann verdrängte ich diesen Gedanken.

Er ging in die Knie, sobald meine Hand mit ihm in Berührung kam. Seine Zigarette ging im Gras verloren, und er griff mit beiden Händen nach unten, um sein Gehänge vor weiteren Angriffen zu schützen. Ich triumphierte und wartete darauf, dass er stöhnte, wimmerte oder irgendeinen anderen Laut von sich gab, was er aber nicht tat. Er atmete nur einmal tief durch und ließ die Arme wieder an die Seiten sinken.

In dem Moment, als sein Blick meinen traf, wusste ich, dass ich ganz großen Mist gebaut hatte.

„Ich habe noch nie eine Frau geschlagen“, presste er hervor. „Und wenn ich es jemals täte, wäre das der verdammte Grund dafür.“

Ich kroch rückwärts über die Wiese, bis ich sicher war, dass ich mich außerhalb seiner Reichweite befand und stand dann vorsichtig auf, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Das war das einzige Mal, dass meine Hand in die Nähe deines Penis gekommen ist.“ Ich versuchte, selbstsicher zu sprechen, aber die Worte kamen zittrig heraus. In der Dunkelheit konnte ich seine braunen Augen kaum erkennen, doch ich spürte sein Starren.

„Ja“, sagte er ruhig, kam geschmeidig auf die Füße und zog seine Jeans zurecht. Ich zwang mich, weiterhin in sein Gesicht zu sehen, und nicht auf die Bewegung seiner Hände. „Ich wollte nicht rein, als wir noch in der Schule waren und habe es jetzt auch nicht vor.“

„Als ob ich dich jemals gelassen hätte“, zischte ich und wich vor ihm zurück. Ich wusste nicht, wie groß seine Eier waren, aber sie mussten gewaltig sein, wenn er ohne zu zögern so etwas Lächerliches sagte.

„Nein, du mochtest Micky, oder? Hast den Jungen geliebt.“ Er legte den Kopf auf die Seite, als ob er mich einschätzen wollte.

„Ich weiß nicht, wovon du redest“, schoss ich zurück und ballte die Hände zu Fäusten.

„Ich habe alles gesehen.“

„Nein, hast du nicht. Ich habe nie auf Michael gestanden. Er war zu jung für mich, er …“ Mein Augenlid begann zu zucken. Ich wollte ihm so sehr ins Gesicht schlagen. Meine Beziehung zu Mick ging ihn einen Scheißdreck an. Es war nie seine Angelegenheit gewesen. Es würde ihn nie etwas angehen. Meine Erinnerungen waren genau das – meine.

„Du bist auf ihn abgefahren. Das hat jeder gesehen. Alle haben darüber geredet“, fuhr er fort, als hätte ich nichts gesagt.

„Ich … ich …“ Die Worte blieben mir in der Kehle stecken, als ich an den Jungen dachte, der mich so gesehen hatte, wie ich tatsächlich war. Er hatte hinter den Irokesenschnitt und den neonblauen Lippenstift gesehen. In einer Schule, die streng definierte Schönheitsstandards hatte, war Mick der einzige Junge gewesen, der mich angesehen hatte, als wäre ich etwas Besonderes. Kein Fetisch. Nicht eine Chance auf ausgefallenen Sex – denn ein Mädchen mit Irokesenschnitt wollte natürlich verrückten Sex. „Wir waren Freunde. Ich habe ihm Nachhilfe gegeben“, sagte ich stur und machte einen weiteren Schritt zurück.

„Du hättest ihn nie bekommen“, murmelte er und kam auf mich zu. „Er hat nicht auf dich gestanden.“

„Fick dich“, flüsterte ich. In meiner Kehle bildete sich ein Kloß.

„Er hat dich gemocht, sicher.“

„Halt die Klappe“, murmelte ich.

„Er dachte, du wärst cool, klug und lustig.“

„Halt die Klappe.“

„Doch er hat sich nicht von dir angezogen gefühlt.“

„Halt die Klappe, verdammt nochmal“, schrie ich mit brechender Stimme.

„Glaubst du, ich kannte meinen kleinen Bruder nicht? Glaubst du, ich wusste nichts über ihn?“, fragte er leise und verengte die Augen zu Schlitzen.

Ich erstarrte und mein Herz hämmerte so heftig, dass ich es in den Ohren spüren konnte. Ich war so geschockt, dass ich mich nicht bewegte, als er einige Schritte machte und plötzlich nur noch Zentimeter von meinem Gesicht entfernt war. „Dieses Mal lasse ich dich damit durchkommen“, sagte er nach einer Weile, als würde er mir damit eine Art von Gefallen tun.

Ich schluckte hart, als er die Hände hob und über meine Wangen strich, die Finger schließlich in den Haaren über meinen Ohren vergrub und meinen Kopf in seinen großen Händen hielt. Er beugte meinen Kopf zurück, ich versteifte mich, und er brachte sein Gesicht so dicht an meins, dass sich unsere Nasen fast berührten.

„Du kriegst einen Freifahrtschein“, flüsterte er wieder, wobei sein Atem mein Gesicht kitzelte. „Du hattest diese eine Chance und hast sie genutzt. Noch eine kriegst du nicht.“ Seine Nase rieb über meine und ich konnte nicht verhindern, dass meine Lider schwer wurden. Mein Körper war immer noch steif und ich rührte mich nicht, doch alle meine Sinne waren wegen seiner Nähe hellwach. Ich nahm alles wahr – das Rasierwasser, das er trug, wie sanft sich seine Finger um meinen Kopf legten, wie sein Brustkorb sich mit jedem Atemzug hob und senkte und wie nah seine vollen Lippen meinen waren. Er war umwerfend. So verdammt umwerfend. Und es war ihm egal. Seine Shirts waren immer schmutzig, das dichte Haar immer zerzaust. Seine Klamotten sahen meistens aus, als hätte er in ihnen geschlafen, und wenn er nicht draußen war oder arbeitete, trug er manchmal die hässlichste Lesebrille, die man sich vorstellen konnte.

Es war egal. Er war trotzdem … faszinierend. Und solch ein Arschloch.

Und ich hatte einen Typen, der auf mich wartete, wann immer ich diesem Ort entkam.

„Tommy“, warnte ich und zog an seinen Händen. „Lass los.“

„Du weißt, warum du diesen Freifahrtschein kriegst, oder?“, flüsterte er an meinem Mund.

Ich wusste es. Natürlich wusste ich es. Aber ich würde ihm nicht die Befriedigung geben, zu antworten. Ich behielt keine Geheimnisse für ihn.

Er neigte meinen Kopf noch weiter zurück, und ich hielt mich automatisch an ihm fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Als die Fingernägel, über die er gelästert hatte, über die Lederweste kratzten, die er trug, spannte sich sein Kiefer an und seine Hände in meinen Haaren ballten sich zu Fäusten.

„Thomas, was soll das?“ Die laute, ungläubige Stimme, die von der Hinterseite des Clubhauses erklang, ließ mich vor Schreck zusammenzucken. „Feuer!“

Tommy nahm die Hände von meinem Kopf, drehte sich um und wir beide beobachteten entsetzt, wie sich das Feuer erschreckend schnell im trockenen Gras ausbreitete.

„Verdammt!“, schrie Tommy und rannte zurück zum Clubhaus, während ich nur dumm herumstand. Das Feuer breitete sich wie verrückt in alle Richtungen aus, entflammte in kleinen Wellen das Gras.

„Ich werde dir den Arsch versohlen!“, brüllte Tommys älterer Bruder Will. Beide rannten mit Gartenschläuchen auf mich zu.

„Und was zum Teufel ist mit dir los?“, fragte er mich, als er Wasser zu versprühen begann. „Rein mit dir, du Idiotin!“

Ich stolperte rückwärts. Noch mehr Männer strömten aus der Hintertür des Clubs und trugen Eimer mit zwanzig Litern Wasser, als wögen sie nichts.

„Mädchen, du gehst besser aus dem Weg“, warnte mich ein älterer Mann, der an mir vorbeieilte. „Sonst rennen dich die Jungs über den Haufen.“

Ich nickte und schob mich zur Seite, bis ich der kleinen Feuerwehr nicht mehr im Weg stand. Sie bewegten sich, als wüsste jeder vorher, was der andere tun würde, bevor er es tat. Es war beeindruckend, doch sie brauchten trotzdem zwanzig Minuten, um das Feuer zu löschen.

Als sie das Wasser abstellten und mit den Händen auf den Hüften herumstanden, waren die meisten Frauen aus dem Club gekommen, um zu sehen, was zur Hölle eigentlich los war und ob sie helfen konnten.

Die Leute wurden still, als Tommys Dad, Grease, auf ihn zuging, die Hände im Stoff seines Shirts vergrub und ihn hochhob.

„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“, brüllte er.

Ich zuckte zusammen, aber Tommy rührte sich nicht. „Ich habe meine Zigarette fallen lassen“, antwortete er rau und wich dem Blick seines Dads nicht aus.

„Du hast deine verfluchte Zigarette fallen lassen?“, schrie Grease und schüttelte Tommy. „Wir haben überall Eimer voll Wasser rumstehen und du lässt deine Zigarette ins trockene Gras fallen?“

„Ja.“ Tommys gelangweilte, einsilbige Antwort schien seinen Dad noch wütender zu machen. Grease stellte ihn auf die Füße zurück und ohrfeigte ihn, was ihn zur Seite taumeln ließ. Bei diesem Anblick zog sich alles in mir zusammen.

„Ich habe ihm in die Eier geschlagen“, schrie ich absurderweise und zog damit die Aufmerksamkeit von allen auf mich.

„Das geht dich nichts an“, zischte meine Schwester, die auf mich zueilte. Als sie mich erreichte, wehrte ich sie ab und trat einen Schritt von der Mauer des Clubhauses weg, wo ich mich praktisch versteckt hatte.

„Ich habe ihm in die Eier geschlagen“, sagte ich noch lauter und brachte damit ein paar Leute zum Lachen. „Er hat die Zigarette versehentlich fallen lassen, als er versuchte … sich zu schützen.“

„Himmel“, murmelte Rocky, der Freund meiner Schwester, und schüttelte den Kopf.

„Warum haben sie es immer auf die Eier abgesehen?“, fragte jemand.

„Guckt euch mal die Finger von dem Miststück an. Das ist Beschneidung durch Fingernagel“, sagte jemand anderes.

Die Leute kicherten, und meine Wangen brannten vor Verlegenheit.

„Was hat mein Sohn getan, dass du ihm in die Eier schlagen musstest?“, fragte Tommys Mom Callie ruhig über das Gelächter hinweg. Sie sprach mich zum ersten Mal an, seit ich beim Clubhaus angekommen war, und meine Kehle verengte sich, als sie langsam, aber selbstsicher durch die Menge zu ihrem Sohn ging.

„Nichts“, log ich und sah dabei Tommy an. Er erwiderte meinen Blick vollkommen ausdruckslos. Ich sah weg. „Er hat nur … es war nichts.“

„Es war ganz offensichtlich nicht nichts“, antwortete sie und blieb neben ihrem Mann stehen.

„Er hat sich wie ein Idiot benommen.“

„Das kann ich mir vorstellen“, murmelte Callie und warf ihrem Sohn einen Blick zu. Sie beugte sich vor, sagte leise etwas zu ihrem Mann und küsste ihn auf die Wange. Ich hatte keine Ahnung, was sie gesagt hatte, doch seine Schultern entspannten sich. Callie ging weg und hielt nicht an oder verlangsamte auch nur ihre Schritte, bis sie wieder im Gebäude war.

„Das Feuer ist aus, geht alle wieder rein“, sagte der Mann, der mich zuvor aufgefordert hatte, aus dem Weg zu gehen. Ohne seinen charakteristischen Pferdeschwanz hatte ich nicht erkannt, dass er der Präsident des Clubs, Dragon, war. Blöder Name, aber er war wirklich heiß. Auch wenn er alt genug war, um mein Vater zu sein.

„Ernsthaft?“, meckerte meine Schwester, während die Leute zurück in den Club gingen. Sie griff fest nach meinem Arm. „Du kannst dich nicht mal hier aus Ärger raushalten?“

„Ach, hau doch ab“, sagte ich und entwand mich ihrem Griff. Es war ja nicht so, dass ich es geplant hätte. Ich war nie so ein unbekümmerter Mensch wie meine Schwester gewesen. Schien ich den Ärger anzuziehen? Ja. Aber ich hatte sie nie um ihre verdammte Hilfe gebeten.

„Komm, Baby“, murmelte Rocky und legte seinen schmutzigen Arm um Mels Schulter. Er zog sie ins Clubhaus, wohin jetzt auch alle anderen gingen, und ich stolperte ein paar Schritte zurück, bis ich wieder an der Wand des Gebäudes lehnte. Mels Beziehung mit Rocky war das perfekte Beispiel dafür, wie verschieden wir waren. Er war verheiratet, als sie zusammenkamen. Natürlich verschwieg er ihr das, bis sie sich so sehr auf ihn eingelassen hatte, dass sie sich nicht mehr trennen wollte. Sie ließ sich von ihm an der Nase herumführen und war damit absolut zufrieden. Wenn das ich gewesen wäre? Ich hätte ihm den Adamsapfel mit den Zähnen herausgerissen, wenn ich herausgefunden hätte, dass er verheiratet ist. Ganz sicher wäre ich nicht bei ihm geblieben, besonders wenn man die Lebensweise bedenkt, die sie gewählt hat.

Ich sah mich auf dem fast leeren Gelände des Clubs um. Alle Motorräder, Autos und sogar ein paar Wohnmobile standen vor dem Gebäude. Abgesehen von ein paar Picknicktischen gab es keinen Hinweis darauf, dass wir uns auf dem Grundstück eines illegalen Motorrad-Clubs befanden. Nur Gras und Bäume soweit das Auge reichte, und in der Ferne die Lichter eines kleinen Hauses. Wir waren jetzt seit fast zwei Wochen im Clubhaus der Aces and Eights MC und ich versuchte immer noch, mich zurechtzufinden. Da meine Schwester die ‚Old Lady‘ eines Clubmitglieds war und unsere Eltern eine Rundreise machten, war ich mit ihr in diesen Unterschlupf gekommen. Ich war nicht dumm, daher war ich deswegen nicht sauer. Wenn sie der Meinung waren, ich wäre hier sicher, würde ich bestimmt nicht widersprechen.

Aber es war schwierig, die Dynamik zu verstehen, wenn man eine Außenseiterin war. Und ich war definitiv eine Außenseiterin. Mel und ihre beste Freundin Molly waren meine einzigen Verbindungen zu dem Club, die mir nach Micks Tod noch verblieben waren. Ich hatte kein Interesse daran, den Kontakt zu seiner Familie aufrechtzuerhalten, nachdem er gestorben war. Bis durch eine merkwürdige Fügung des Schicksals Molly mit Micks älterem Bruder Will zusammenkam. Ich wäre beinahe an meiner eigenen Zunge erstickt, als ich diese Information erhielt. Molly war Krankenschwester, Mutter und … vollkommen normal.

Ich konnte absolut verstehen, dass Mel ihr Glück bei einem Kriminellen suchte. Sie sah das Leben durch eine rosarote Brille, als wäre sie ohne blind.

Molly andererseits war pragmatisch. Sie wusste Bescheid, entschied sich aber trotzdem erneut für Will. Zumindest war ich ziemlich sicher, dass sie wieder zusammen waren. Sie hatten keine Ankündigung gemacht, doch dass sie ein Bett teilten und an den Hüften zusammengewachsen zu sein schienen, waren eindeutige Hinweise.

Dafür, dass so viele Menschen auf so engem Raum zusammenlebten, vertrugen sich die Clubmitglieder und ihre Frauen erstaunlich gut. Die Frauen zickten und keiften sich nach den ersten paar Tagen an, kamen aber immer ziemlich schnell darüber hinweg. Anders konnte man nicht überleben, wenn man so lange Zeit eng aufeinander hockte.

Die Männer waren schwieriger zu durchschauen. Es gab eindeutig eine Hierarchie. Dragon war der Präsident und Grease der Vizepräsident, doch danach wurde es nebulös. Die Hälfte der Typen gehörte zur selben Familie, sie hatten auf die eine oder andere Art in sie eingeheiratet, und die meisten von ihnen waren irgendwie mit Tommy und Mick verwandt. Es war höllisch verwirrend und ich konnte nicht sagen, wer nach Dragon und Grease das Sagen hatte. Manchmal schien es ein Typ namens Casper zu sein, manchmal aber auch ein Kerl namens Hulk, der mit Dragons Tochter verheiratet war. Ich bekam Kopfschmerzen, wenn ich darüber nachdachte.

Meistens tat ich mein Bestes, um ihnen nicht in die Quere zu kommen. Ihr Kram hatte nicht das Geringste mit mir zu tun. Aber als sich die Menge aufgelöst hatte und nur noch Tommy, sein Dad, der Präsident und der Typ namens Casper da waren, trat ich wieder vom Gebäude zurück, ballte die Hände zu Fäusten und ging zu Tommy hinüber.

„Das geht dich nichts an“, sagte Dragon schroff zu mir, und ich zuckte zusammen. „Geh rein.“

„Es war meine Schuld“, sagte ich schnell und hob die Hände. „Ich wurde sauer und …“

„Das reicht, Heather“, sagte Tommy, streckte den Arm aus und legte die Hand sanft auf meinen Nacken. „Geh rein.“

„Nein, das ist doch dumm.“ Ich unterbrach mich, als Tommys Dad sich anspannte. „Es … es war ein Unfall, an dem ich schuld war. Ich bin diejenige, die …“

„Genug“ blaffte Tommy, und sein Griff wurde fester. „Ich kümmere mich darum.“

„Das solltest du nicht!“ Ich wusste nicht, warum ich diskutierte. Die Männer waren furchteinflößend und stinksauer, und ich wollte alles andere als hier sein, konnte meine Füße aber nicht bewegen.

Tommy warf seinem Vater einen Blick zu, und bevor ich wusste, wie mir geschah, riss er mich an seine Brust, schlang einen seiner langen Arme um meine Schultern und vergrub die andere Hand in meinen Haaren, um meinen Kopf still zu halten. „Du machst alles nur noch schlimmer“, flüsterte er an meinem Ohr, wobei seine Lippen meine Haut streiften. „Geh jetzt rein. Es ist alles in Ordnung, okay?“

„Nein, ist es nicht“, protestierte ich und schüttelte den Kopf. „Es war meine Schuld.“

„Und du wirst später dafür bezahlen“, blaffte er und biss leicht in mein Ohr. „Aber nicht jetzt. Jetzt schwingst du deinen Hintern ins Haus und gehst ins Bett.“

„Was werden sie mit dir machen?“, fragte ich und vergrub die Finger in seiner Taille. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich nach ihm gegriffen hatte. Ich hatte keine Ahnung, warum mich das überhaupt kümmerte. Tommy war in der Highschool ein abweisendes Arschloch gewesen und war jetzt sogar noch schlimmer, aber ich konnte die Sache einfach nicht auf sich beruhen lassen. Wir hatten eine Geschichte. Wir hatten einen gemeinsamen besten Freund gehabt. Aus irgendeinem Grund fühlte ich eine Art Loyalität zu Thomas Hawthorne.

„Mach dir darüber keine Gedanken. Die wollen mich nur ein bisschen anschreien. Geh rein“, drängte Tommy mich sanft.

Ich glaubte ihm nicht. Meine Finger vergruben sich noch fester in seine Weste. Vielleicht verloren sie das Interesse, wenn ich blieb, wo ich war. Ich wusste, dass sie nichts tun oder sagen würden, solange ich hier stand. Ihr kleiner Club war exklusiv, und ich war kein Mitglied.

Ich atmete tief durch und schüttelte den Kopf, was ihn zum Knurren brachte. Sein Arm glitt von meinen Schultern und plötzlich riss er mein Gesicht von seiner Brust weg, wo ich es geborgen hatte. „Geh. Jetzt.“

„Okay.“ Wenn er sich wieder wie ein Idiot benahm, sollte er seinen Arsch allein retten. Himmel, meine Gedanken schossen in alle Richtungen.

Er nahm die Hand aus meinem Haar und wies mit dem Kinn auf das Gebäude. Gott, ich konnte nicht zählen, wie oft er diese Kinnbewegung gemacht hatte, als wir noch jünger waren. Ich hing mit Mick ab und in der Sekunde, in der Tommy dazukam, machte er diese Kinnbewegung, um mir zu sagen, dass ich verschwinden sollte. Es machte mich heute noch genauso stinksauer wie damals. Ich rieb mir den Nacken, sagte kein Wort mehr, nahm mit keinem der Männer Blickkontakt auf und drehte mich um. Bevor ich nur einen Schritt machen konnte, ertönte ein Klatschen und ich spürte gleichzeitig den Schlag auf meinem Hintern.

„Was soll das?“, schrie ich und riss den Kopf zu Tommy herum.

„Ich habe dir gesagt, dass du einen Freifahrtschein hast. Den hast du verbraucht, als du mir in die Eier geschlagen hast. Ich habe nicht gesagt, dass du den ganzen Rasen anzünden darfst“, antwortete er schlicht. „Geh rein.“

Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, begriff aber, dass ich es nicht konnte. Ich hatte die Schuld für das verdammte Feuer bereits auf mich genommen.

„So ein Arschloch“, murmelte ich und stampfte auf die offene Hintertür zu. Sobald ich im Clubhaus war, drehte ich mich um und sah zu den Männern im Hinterhof zurück. Ich konnte in der Dunkelheit kaum ihre Silhouetten erkennen, doch soweit ich sehen konnte, hatten sie sich alle mir zugewandt und warteten darauf, dass ich verschwand.

Kapitel 2

Thomas

„Willst du mich verarschen?“, sagte mein Dad in der Sekunde, in der Heather im Haus verschwunden war.

„Grease“, murmelte Onkel Casper warnend.

„Er hätte das ganze Haus niederbrennen können“, knurrte Dad. Er wandte sich mir mit finsterer Miene zu. „Was hast du hier draußen überhaupt gemacht, verdammt?“

„Ich bin rausgegangen, um eine zu rauchen“, antwortete ich und presste die Zähne aufeinander.

„Du hättest vorne rauchen können“, argumentierte er. „Du warst hier, um mit diesem Mädchen rumzumachen.“

„Ist das denn wichtig?“, platzte ich heraus und warf die Arme hoch.

„Du machst dich an das Mädchen deines Bruders heran …“

„Was?“ fragte Dragon mit tiefer, rauer Stimme.

„Sie war nicht sein Mädchen“, blaffte ich. „Und es hätte auch keine Bedeutung, wenn sie es gewesen wäre. Mein Bruder liegt fast drei gottverdammte Jahre unter der Erde.“

Ich sah den Schlag nicht kommen, obwohl ich ihn erwartet hatte. Ich wusste es seit der Sekunde, als mein Vater meinen kleinen Bruder erwähnte.

„Herr im Himmel“, murmelte Casper und schob meinen Dad zurück.

„Bleib von ihr weg“, befahl mein Dad und ließ sich von Casper einen weiteren Schritt zurückschieben. „Sie ist nicht für dich bestimmt.“

Ich stand nur schweigend da. Mein Dad drehte sich auf dem Absatz um und ging. Casper folgte ihm. Als sie wieder im Clubhaus waren, drehte ich mich zu Dragon um.

„Ist das ein offizieller Befehl?“, fragte ich und zog die Zigaretten aus meiner Tasche, als würde es mich nicht interessieren.

„Nein“, sagte Dragon und schüttelte den Kopf. „Aber willst du wirklich wegen eines heißen Mädchens mit deinen Eltern brechen?“

„Das habe ich nie gesagt“, murmelte ich um die Zigarette herum und tastete meine Taschen nach einem Feuerzeug ab. „Aber Mick als Vorwand für jeden Scheiß zu nehmen, wird langsam alt.“

„Deine Eltern trauern“, murmelte Dragon, ging zu einem der Picknicktische und setzte sich. „Ein Kind zu verlieren …“ Er schüttelte den Kopf.

„Das weiß ich“, knurrte ich und stieß Rauch durch die Nase aus. „Aber Heather? Das ist doch einfach nur blöd. Sie und Mick waren nie zusammen.“

„Deine Eltern denken das aber.“

„Sie haben sie nicht mal gegrüßt, wenn sie bei uns war.“

„Sie hat auch nichts zu ihnen gesagt“, erinnerte Dragon mich und stützte sich auf den Ellbogen ab. „Ich bin ziemlich sicher, dass sie nur ihrem Beispiel gefolgt sind.“

„Sie und Mick waren nicht zusammen“, wiederholte ich und ärgerte mich, weil ich die nicht existierende Beziehung eines Mädchens verteidigte, das ich kaum kannte. „So war es nicht.“

„Ich glaube nicht, dass das von Bedeutung ist“, antwortete Dragon, rieb sich die Hände an seiner schmutzigen Jeans ab und stand wieder auf. „Sie sehen dieses Mädchen als seins an und nichts, was du tust, wird daran etwas ändern.“

„Das ist Blödsinn“, murmelte ich.

„Es ist, wie es ist“, sagte er und schlug mir im Vorbeigehen auf die Schulter. „Und jetzt geh mit diesem Ding nach vorn, bevor du noch ein Feuer verursachst.“

Ich lachte rau und sah auf meine Zigarette hinunter, während er reinging. Auf gar keinen Fall würde ich jetzt nach vorn gehen, um mich von jedem anmachen zu lassen, der gesehen hatte, wie ich den verfluchten Hinterhof in Brand steckte. Ich konnte nicht glauben, dass sie mich verteidigt hatte. Ich hatte instinktiv die Hände gesenkt, weil ich mit einem weiteren Schlag von ihr rechnete und dabei völlig die Zigarette vergessen, die zwischen meinen Fingern steckte.

Sie hatte schon immer erst gehandelt, bevor sie nachdachte. Ich hätte den Schlag kommen sehen sollen. Sie war die Erste gewesen, die von den hohen Felsen am Fluss sprang, die Erste, die sich an ein ausgefranstes Schaukelseil hängte. Sie machte Leute blöd an, bei denen sie es nicht hätte tun sollen und zeigte so gut wie jedem den Stinkefinger. Mein kleiner Bruder war der Einzige gewesen, der sie etwas zügeln konnte. Nachdem er fort war, hätte ich wahrscheinlich nach ihr sehen sollen, aber ich hatte genug mit mir selbst zu tun.

Ich drückte die Zigarette aus und ging um das Clubhaus herum. Dort standen ein Wohnmobil und ein Anhänger in der Nähe der Garagen. Verlängerungskabel verbanden sie mit der Stromversorgung des Clubs. Daneben standen für diejenigen von uns, die keinen Platz drinnen verdienten, sechs Zelte auf dem Rasen. Ich gehörte dazu. Als Anwärter gehörte ich im Club immer noch zur untersten Klasse und ich hatte keine Ahnung, wie lange ich noch so in der Luft hängen würde. Ich wusste sehr viel mehr als die anderen Anwärter, weil ich der Sohn des Vizepräsidenten war, aber ich musste immer noch Beiträge leisten. Das war scheiße. Besonders wenn ich wusste, dass etwas los war und man von mir erwartete, dass ich bei den Frauen im Club blieb.

Ich streifte die Stiefel ab und kroch mit einem Stöhnen in mein Zelt. Meine Eier taten immer noch höllisch weh. Nachdem ich alles bis auf meine Boxershorts ausgezogen hatte, durchsuchte ich die Tasche in der Ecke und fand, was ich suchte. Es war nicht so, dass ich es hätte verstecken müssen, aber da so viele Kinder herumliefen, wollte ich nicht, dass es in kleine Hände geriet. Ich stopfte die Pfeife, nahm das Feuerzeug aus meiner Jeans und nach dem ersten Inhalieren wurde ich sofort lockerer. Als ich die Pfeife reinigte, wusste ich, dass ich schlafen können würde. Manchmal konnte ich es nicht. Manchmal wachte ich schreiend auf. Und manchmal hatte ich solche Albträume, dass ich am nächsten Morgen ein starkes Verlangen nach Amphetaminen hatte, damit ich in der Nacht darauf nicht wieder solche Träume hätte.

Ich machte es mir in meinem Schlafsack bequem, sah zu der kleinen Netzöffnung im Zeltdach hoch und hörte den Leuten zu, die draußen vorbeigingen. Irgendwo weinte ein Baby und ich hörte meine Tante Farrah jemandem von einem Vintage Kleiderladen erzählen, den sie entdeckt hatte, als sie mit Casper unterwegs war.

Die Geräusche störten mich nicht. Wenn überhaupt, waren sie eher tröstlich. Es waren Geräusche, die ich kannte. Zuhause.

Ich schloss die Augen und wie an jedem anderen Abend sah ich das Gesicht meines kleinen Bruders, der mich spöttisch anlächelte. Als hätte er gerade etwas getan, das mich sauer machen würde, er aber wusste, dass ich ihn bisher nicht erwischt hatte. Ich hatte diesen Blick unzählige Male gesehen, als er noch am Leben war und fast jede Nacht, seit er gestorben war.

„Du solltest sie fragen, ob sie mit dir ausgeht.“

„Wovon zur Hölle redest du?“, fragte ich und rollte einen Reifen zu unserem Nova. Irgendein Idiot hatte auf dem Schulparkplatz alle seine Reifen aufgeschlitzt und es hatte drei Tage gedauert, bis wir Ersatz gefunden hatten. So ein Mist.

„Heather“, sagte Mick, nahm einen Reifen hoch und trug ihn herüber. „Die Mädchen, mit denen du abhängst, sind absolut grässlich.“

Ich schnaubte. „Das heißt nicht, dass ich deine abgelegten Schlampen will, du Idiot.“

„So ist es nicht“, protestierte er und warf mir einen schmierigen Lappen an den Kopf, als ich mich herunterbeugte, um den Reifen anzubringen. „Wir sind nur Freunde.“

„Blödsinn“, rief ich ihm über die Schulter zu. „Das Mädchen würde dich reiten, als wäre sie auf der Flucht.“

„Das wird nicht passieren“, sagte er und schüttelte den Kopf.

„Warum nicht?“, fragte ich, obwohl ich nicht wirklich mit einer Antwort rechnete. „Sie ist höllisch heiß.“

„Siehst du? Genau deswegen solltest du mit ihr ausgehen.“

„Ich werde sie nicht fragen.“

„Solltest du aber.“

„Das wird nicht passieren.“

„Warum nicht?“

Ich richtete mich auf und drehte mich zu meinem kleinen Bruder um, der gar nicht so klein war. Seit zwei Jahren überragte er mich und davor waren wir die meiste Zeit unserer Kindheit etwa gleich groß gewesen, obwohl er fast drei Jahre jünger war als ich. „Sie will dich, Mann“, sagte ich ungeduldig. „Sie steht auf dich. Sie rennt dir hinterher, berührt dich dauernd und findet Gründe, um mit dir abzuhängen.“

„Wie oft muss ich noch sagen, dass wir nur Freunde sind?“

„Du kannst es so oft sagen, wie du willst, Micky Boy“, murmelte ich und beugte mich wieder zu dem Reifen hinunter. „Deswegen ist es nicht wahr. Zumindest nicht von ihrer Seite aus.“

„Tom!“, schrie mein Bruder.

Ich wurde zur Seite geschubst, und der Nova knallte von den Holzblöcken. Mein Rücken prallte hart auf den Betonboden und das zusätzliche Gewicht von Mick drückte mir die Luft aus den Lungen. Ich versuchte, ihn von mir herunterzurollen, während ich um Atem rang, doch ich brauchte nur ein paar Sekunden, um zu merken, dass er sich nicht bewegte. Überhaupt nicht.

Ich schnappte nach Luft, als ich aufwachte. Ich war vielleicht eine Minute desorientiert, bis mir klar wurde, wo ich war. Himmel. Ich strich über meine verschwitzte Brust und warf das Oberteil meines Schlafsacks von mir. Alles war durchweicht. So durchweicht, dass ich mich fragte, ob ich mich vollgepinkelt hatte. Ich fasste nach unten und seufzte erleichtert, als ich klamme Boxershorts spürte, keine durchnässten.

Das Gespräch zwischen Mick und mir hatte genauso stattgefunden, wie ich es geträumt hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass er es angesprochen hatte, doch es war das letzte Mal. Das Auto war allerdings nicht gefallen. Wir zogen die Reifen problemlos auf und ich fuhr mit dem Nova zu einer Verabredung. An dem Abend bekam ich meine Hände in Ashley McDonalds Höschen und einen fantastischen Blowjob.

Nein, das Gefühl von Micks schlaffem Körper, der mich zu Boden drückte, war vertraut, doch es passierte nicht auf diese Art.

Ich sprang auf, riss die Boxershorts herunter und warf sie in die Ecke zu meiner anderen Schmutzwäsche. Ich wusste, dass ich auf keinen Fall wieder einschlafen würde. Also zog ich saubere Klamotten an und verließ das Zelt.

Auf dem Gelände war es still und ich sah, dass die Sonne gerade über dem Clubhaus aufging. Ich streckte mich. Ich konnte ebenso gut aufbleiben und mir Kaffee holen.

Ich streifte meine Stiefel über, griff nach den Zigaretten und steckte mir eine an, während ich zur Vordertür ging. Alle Eingänge waren über Nacht abgeschlossen worden, doch ich wusste, dass die Tür zum Hauptraum offen sein würde. Irgendjemand war da drin immer wach, besonders wenn wir abgetaucht waren.

„Du bist früh auf“, grüßte mich Poet und hob seine Tasse in meine Richtung, als ich ins Clubhaus kam. Sein Haar stand in alle verdammten Richtungen ab und sein Bart war zerzaust, so als wäre er gerade aufgewacht, doch seine Augen waren klar und scharf.

„Ja“, murmelte ich und blieb neben ihm an der Bar stehen. Ich nahm eine Tasse und goss mir etwas Kaffee ein, während er mich aufmerksam musterte.

„Du hast immer noch schlimme Träume, was?“, fragte er mich ruhig.

Ich lachte über die Art, wie er es formulierte. Schlimme Träume? Die waren eher blanker Horror.

„Nicht mehr ganz so schlimm“, antwortete ich und setzte mich auf den Barhocker neben ihm.

„Amy hat sie auch“, sagte er schlicht und drehte sich zu mir. „Dafür muss man sich nicht schämen.“

„Ich habe nicht gesagt, dass ich mich schäme.“

„Du benimmst dich aber so, finde ich.“

„Geh wieder ins Bett, alter Mann“, murmelte ich in meine Tasse. „Der Ire in dir kommt durch.“

Er zuckte überrascht zusammen und lachte dann. „Vielleicht ist das so.“

„Sind ihre Träume besser geworden?“, fragte ich und begegnete seinem Blick.

„Sind die Träume besser? Das kann man so nicht sagen“, antwortete er mitfühlend. „Mit der Zeit werden sie allerdings immer seltener. Früher hat sie sie jede Nacht gehabt. Jetzt passiert es meistens nur, wenn irgendetwas eine Erinnerung auslöst.“

„Also für den Rest meines Lebens“, meinte ich und lachte freudlos. „Einfach fantastisch.“

„Ach, Thomas.“ Poet seufzte. „Es wird nicht immer so frisch bleiben. Die Zeit wird es etwas abschwächen.“

„Ich hoffe, das stimmt.“

„Haben deine Träume irgendetwas mit dem Mädchen mit diesem ganzen Scheiß im Gesicht zu tun?“

„Was?“ Ich lachte leise.

„Äh …“ Er schnippte ein paar Mal mit den Fingern. „Hawk. So heißt sie. Die, die dir in die Eier geschlagen hat.“

Ich verschluckte mich an dem Kaffee, den ich gerade trinken wollte und spürte ihn im hinteren Teil meiner Nase brennen. „Heather?“

„Richtig! Ich kann mir so schlecht etwas merken.“

„Blödsinn. Du weißt noch, was du am ersten Februar 1982 gegessen hast. Sie ist es nicht. Der Traum hatte nichts mit ihr zu tun“, log ich und wischte mir den Kaffee vom Kinn. „Sie hat Micky gekannt.“

„Sein Mädchen?“, fragte Poet. Bei seinem Tonfall riss ich den Kopf hoch. Er wusste etwas. Ich merkte es daran, wie er diese Worte sagte und wie sein Blick meinen hielt, wie er mit den Fingern gegen die Seite seiner Kaffeetasse trommelte.

„Nein“, antwortete ich langgezogen. „Sie waren nur Freunde.“

Er brummte und nickte.

„Sie ist hübsch“, sagte ich gedankenlos. Es stimmte, aber ich hätte es niemals gesagt, wenn ich nicht versucht hätte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

„Ja, wenn sie das Metall aus ihrem Gesicht nehmen würde.“

Ich lächelte. „Früher hatte sie noch viel mehr“, sagte ich und beobachtete, wie er angewidert die Lippen verzog. „Jetzt hat sie nur noch zwei, früher hatte sie Snakebite Piercings.“ Ich zeigte auf die Winkel meiner Unterlippe. „Und sie hatte eins in der Augenbraue und eins im Rücken.“

„Ihrem Rücken?“, fragte Poet verwirrt.

„Ja.“ Ich fasste nach oben und kniff in die Haut auf meinem Nasenrücken, direkt zwischen meinen Augen und brach in Lachen aus, als er erschauderte.

„Oh Mann“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich bin zu alt für solchen Scheiß.“

„Was? Hatten Frauen etwa keine Piercings, als du jung warst?“, fragte ich scherzend.

„Nur die guten“, rief seine Frau Amy und kam auf uns zu. Dabei wackelte sie mit den Augenbrauen.

„Ach ja?“, fragte ich und zwinkerte ihr zu.

„Nein“, sagte Poet und schüttelte den Kopf. „Sie verarscht dich.“

Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als Amy zu Poet trat, glättend über seinen Bart fuhr und versuchte, ihn zu bändigen, bevor sie nach der Kaffeekanne griff.

„Ich konnte mich kaum zurückhalten, die ganzen Ringe rauszuziehen, mit denen deine Tante Farrah ihr Gesicht verunstaltete. Es wurden einfach immer mehr und mehr.“

„Ich kann mich gar nicht erinnern, dass sie so viele gehabt hat“, sagte ich überrascht.