Dan Henry allein im fremden Land - Stig Ericson - E-Book

Dan Henry allein im fremden Land E-Book

Stig Ericson

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Beschreibung

Dan Henry stürzt von einem Abenteuer in das nächste. Der junge Regimentsmusiker flieht vor der Polizei aus seiner schwedischen Heimat in Richtung Amerika. Auf seiner Flucht kommt er als blinder Passagier auf einem Frachter unter. Erst im englischen Hull kann Dan Henry vorerst wieder von Bord gehen. Doch der Weg nach Amerika ist noch lang. Und alleine in einem fremden Land muss er sich vor so manch zwielichtigen Gestalten in Acht nehmen, um nicht erneut mit der Polizei in Konflikt zu geraten und doch noch nach Amerika zu kommen. - Spannender Lesespaß für Kinder und Jugendliche. Zweiter Teil der Kinderbuch-Reihe um "Dan Henry".Rezensionszitat"Ein Buch über die Zeit, als Amerika für viele das Land der Träume war. Ein Buch, das man lesen sollte. DIe Dan Henry-Bücher erzählen das Leben eines jungen Mannes um 1870 herum und schildern seinen Weg vom europäischen Schweden in die harte Wirklichkeit des neuaufgebauten und industriellen Westen Amerikas." – www.boksidan.netBiografische AnmerkungStig Ericson (*1929 in Stockholm, † 1986) war ein schwedischer Kinderbuchautor und Musiker. In seinen Büchern geht es zum großen Teil um das Leben und Schicksal der nordamerikanischen Indianer. Stig Ericson wurde 1970 mit der Nils-Holgersson-Plakette ausgezeichnet. Zu seinen Werken gehört unter anderem die Reihe vom den Jungen Dan Henry, der von Schweden nach Amerika flieht und dort jede Menge spannende Abenteuer erlebt. Insgesamt erschienen in der Reihe fünf Bücher.-

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Stig Ericson

Dan Henry – allein im fremden Land

Saga

1

Es war an einem graukalten Nachmittag irgendwann Ende September 1874. Ich lehnte an der Reling des Postdampfers Orlando und fröstelte. Feine Wasserspritzer stoben durch die Luft; ich wandte mich ab, um mein Gesicht vor dem scharfen Wind zu schützen.

Da sah ich einen Mann auf mich zukommen.

Er ging mit langsamen, schweren Schritten, und mir kam es plötzlich vor, als sei ich ganz allein mit ihm auf Deck. Er trug eine kurze Jacke mit hochgestelltem Kragen und während er näherkam, starrte er mich unablässig an. Sein Gesicht sah derb und kantig aus, er hatte Tränensäcke unter den Augen und einen herabhängenden Schnurrbart. Ich fühlte, wie ich zu Eis erstarrte. Ich konnte weder wegblicken, noch weglaufen: So hätte ich mich verraten, bildete ich mir ein.

Er stellte sich ungefähr einen Meter neben mich an die Reling, starrte ins Wasser und seufzte tief. Dann ging er wieder. Das war alles; aber ich kann mich noch genau an sein Gesicht erinnern, an den grauen Himmel dahinter und daran, wie sehr ich mich in jenen Sekunden fürchtete.

Ich hatte ja auch allen Grund, mich zu fürchten — ohne Fahrkarte und ohne irgendwelche Papiere. Ich befand mich auf der Flucht — fort von Schweden. Und ein Flüchtling fühlt sich immer beobachtet.

Der Mann mit dem schweren Gesicht hatte natürlich keine Ahnung, wer ich war, daß ich vielleicht sogar von der Polizei gesucht wurde. Er fragte sich höchstens, was das wohl für ein Junge sein mochte, der da allein im Wind stand und vor Kälte zitterte. Vielleicht suchte er Gesellschaft. Vielleicht war er genauso einsam wie ich. Meine Eltern waren tot, und ich war von der ersten Leibgarde in Stockholm, wo ich im Musikkorps spielte, durchgebrannt, weil ich eines Nachts in eine Schlägerei zwischen älteren Leibgardisten hineingeraten war. Ich weiß immer noch nicht, ob die Polizei wirklich hinter mir her war, auf jeden Fall endete damals die ganze Geschichte damit, daß ein Gardist blutend im Sand liegenblieb, und als ich in der Dunkelheit davonstürzte, riefen seine Kameraden »Mörder!« hinter mir her.

Ein paar Wochen später war ich in Göteborg. Auf dem Weg dorthin hatte ich Max kennengelernt, den zweiten Steuermann der Orlando.

Die Orlando war ein Passagierdampfer mit schlechtem Ruf. Das Schiff verkehrte regelmäßig zwischen Göteborg und der Hafenstadt Hull an Englands Ostküste. Die meisten Passagiere waren Auswanderer, die nach Nordamerika wollten. Dies war der übliche Weg nach Nordamerika: Zuerst über die Nordsee nach Hull, dann mit dem Zug quer durch England nach Liverpool, und von dort aus mit einem größeren Schiff nach New York oder Boston oder wohin man eben wollte.

Zu jener Zeit war Schweden ein sehr armes Land, und viele Schweden träumten davon, in Nordamerika ihr Glück zu machen. Ich auch.

In meinen Träumen erhoffte ich mir ungeheuer viel von Amerika, nur so fand ich auch den Mut, Max zu bitten, mich mit aufs Schiff nach England zu nehmen. Dort würde ich dann versuchen, alleine weiterzukommen.

Er zögerte lange, bevor er einwilligte, doch als wir nach Göteborg kamen, ging ich, als Schiffsjunge verkleidet, an Bord der Orlando. Ich mußte mich in einer Abstellkammer irgendwo tief unten im Schiffsbauch verstekken, und da saß ich, bis es zu hämmern und klopfen begann. Ich begriff, daß wir unterwegs waren.

»Alles in Ordnung«, sagte Max, »zieh jetzt wieder deine eigenen Kleider an und gehe hinauf auf Deck. Mische dich unter die anderen Amerikareisenden. Vor Abend suche ich wieder nach dir. Übermorgen um diese Zeit sind wir in Hull.«

So war ich also an Bord der Orlando gekommen, und jetzt stand ich an der Reling, sah den Möwen zu und überlegte, wie es wohl weitergehen würde, wenn ich in Hull ankam. Ich hatte ja von nichts eine Ahnung, wie sollte ich nur ohne Geld und ohne Sprachkenntnisse quer durch ganz England bis nach Liverpool kommen? Das war eine große Stadt, hatte ich gehört. Und gefährlich sollte es dort auch sein.

Jetzt, hinterher, verstehe ich nicht, daß ich nicht mehr Angst hatte. Aber ich war ja erst fünfzehn Jahre alt und verließ mich ganz auf Max. Er hatte mir ja an Bord geholfen, ihm hatte ich es zu verdanken, daß ich hier stand und die schwarzgestrichene Bugseite der Orlando durch die Wellen gleiten sah.

Ich spuckte ins Wasser und ging nach hinten. Vereinzelte Auswanderer hielten sich noch an Deck auf; ich erinnere mich noch an graue Gestalten mit großen Händen und gefurchten Gesichtern. Max hatte mir zwar empfohlen, mich an sie zu halten, aber das wollte ich nicht; nicht nur, weil ich schüchtern war oder weil sie mich alles Mögliche fragen konnten, worauf ich keine Antwort wußte, oder weil ich sie um ihre Fahrkarten und alle anderen Papiere, die sie besaßen, beneidete.

Ich wollte ganz einfach nichts mit ihnen zu tun haben. Damals hatte man diese Einstellung. Für einen Großstadtjungen waren Bauern vor allem etwas, worüber man sich lustig machte, etwas Fremdes und Lächerliches.

»Jetzt kommt das Land«, empfing man sie, wenn sie mit ihren Marktkarren angerasselt kamen, »Bauernkerle, die nach Stall riechen und Kuhmist unter den Fingernägeln haben.«

Man schnitt Grimassen und streckte die Zunge raus, und sie wiederum drohten mit der Faust und schlugen mit der Peitsche nach den Städtern ...

Auch in Nordamerika würden die Bauern weiterhin graben und pflügen, sie würden weiterhin Bauern bleiben. Das war ihr Los. Aber mit mir verhielt es sich ganz anders. Wenn ich dorthin kam, konnte ich werden, was ich wollte. Alles, was ich wollte!

Solche Gedanken ging mir durch den Kopf, als ich jetzt, meine Tasche in der Hand, an den Bauern vorbeiging; ich hatte nicht die geringste Lust, mich mit ihnen einzulassen.

Der Wind kam jetzt von hinten und blies mir die Haare in die Augen. Im Heck suchte ich hinter einer Kajüte Schutz vor dem Wind, hier, mit dem Rücken zur Wand, wollte ich auf Max warten.

Links und rechts von mir brauste das Meer. Mein Gesicht brannte nach all dem Wind, gleichzeitig fror ich, daß ich zitterte. Während ich an der Reling stand, war die Kälte in mich hineingekrochen. Die Wand fühlte sich warm an. Ich preßte meine Handflächen dagegen und dachte: Jedesmal, wenn die Maschine klopft, komme ich Nordamerika ein Stück näher ...

Durch das Brausen hindurch vernahm ich eine Mädchenstimme. Sie wiederholte immer wieder dieselben Worte, und ich konnte keine Stimme hören, die ihr antwortete. Da wurde ich neugierig und schielte vorsichtig um die Ecke.

Sie saß genau wie ich auf einer Tasche. Sie hatte dunkles Haar und einen hellen Schal über einem blauen Kleid. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen.

Im Augenblick sagte sie nichts, sie schien völlig von einem sehr kleinen hellgrünen Buch in Anspruch genommen zu sein, das sie im Schoß hielt. Wie mochte sie wohl aussehen? Und warum saß sie ganz allein im Wind und las? Sie erinnerte mich an meine Kusine Anna ...

Anna hatte auch dunkles Haar und große graue Augen, die manchmal sehr ernst blicken konnten. Wie in jener Nacht, als ich Stockholm verließ und in die Wohnung meiner Tante kam, um Kleider zu holen. Anna war aufgewacht und hatte meine Tasche gepackt, während die anderen schliefen, und dann hatte sie mir ein Paket mit Proviant gerichtet. Sie war ein ganzes Jahr älter als ich und sah im Halbdunkel sehr hübsch aus.

Sie hatte nur ein Jäckchen über ihr Nachthemd angezogen, sie roch nach Schlaf und hatte zerzaustes Haar, und während sie packte, sagte sie, daß ich dumm sei, auf diese Art fortzugehen. Ich solle doch an meine Zukunft denken, meinte sie.

»Aber begreifst du denn nicht«, sagte ich, »einer von ihnen blieb zurück. Er lag da unter der Laterne, und das Blut rann ihm aus dem Mund. Vielleicht ist er tot!«

»Aber schließlich hast du ihn doch nicht erschlagen«, beharrte sie.

»Ich war auf jeden Fall dabei«, sagte ich, »und das genügt ihnen. Und dann habe ich ja noch das Ruderboot geklaut, um zu entkommen. Übrigens hast du ja keine Ahnung, wie sie einen im Regiment behandeln können ...«

Als ich gehen wollte, hatte sie mich umarmt und hatte sich warm und weich angefühlt.

Ich sah das Mädchen an und bildete mir ein, es sei Anna, die da saß und in dem kleinen grünen Buch las. Das Mädchen hob den Kopf und sagte etwas, das wahrscheinlich Englisch sein sollte. Das kleine grüne Buch war natürlich ein Lexikon. Der Schal rutschte nach hinten, so daß ich ihr Gesicht erkennen konnte.

Ich wurde bitter enttäuscht.

Mit dem Rücken zur Wand saß ich da und lauschte dem Hämmern der Maschinen und dem Brausen des Meeres. Ich dämmerte vor mich hin und begann von Anna, Dunkelheit und Bettwärme zu träumen.

»Aha. Hier steckst du also.«

Vor mir stand Max. In seiner dunkelblauen Uniform sah er sehr männlich aus. Er strahlte Leben und Kraft aus, und obwohl ich natürlich froh darüber war, daß er da stand und sein frisches Lächeln lächelte, so beneidete ich ihn doch.

Sicher hatte er schon viele Mädchen gehabt. Er brauchte nicht zu träumen, er brauchte sich nur zu erinnern.

»Ich muß Englisch lernen«, sagte ich, »wie soll ich sonst zurechtkommen, wenn ich in Hull bin? Ich muß ja versuchen, nach Liverpool zu kommen und dort auf irgendeinem Schiff anzuheuern, und da muß ich ...«

Ich hatte so lange geschwiegen, jetzt strömten die Worte nur so aus mir heraus.

»So weit sind wir noch nicht«, sagte Max, »jetzt werde ich dir erst mal zeigen, wo du schlafen kannst, und dann mußt du dich darum kümmern, daß du etwas zu essen bekommst. Auf dieser Reise ist überall reichlich Platz, und während du hier an Bord bist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«

»Aber das Englisch. Die englische Sprache!«

»Komm jetzt und mach dir darüber keine Gedanken.«

Ich nahm die Tasche und folgte ihm.

Ein paar Stunden später lag ich im hinteren Passagierraum unter Deck. Es roch nach Karbolsäure und alten Decken, auf jeder Seite des Raumes liefen lange Schlafbänke an den Wänden entlang, und auf der linken unteren Bank lag ich. Die Bank war so nieder, daß ich den Boden mit der Hand berühren konnte.

Die Bodenplanken waren warm. Irgendwo darunter befanden sich die Maschinen. Die Wand neben mir fühlte sich feucht und kalt an. Dahinter war das Meer.

Ich hatte von meinem Proviant gegessen, war satt und schläfrig und spürte die Kälte des Meeres durch das Eisen. Der Gedanke daran, daß einzig und allein diese Eisenwand das Meer daran hinderte, hereinzudringen, flößte mir Angst ein, und ich war froh darüber, daß ich nicht allein sein mußte, wie in der Abstellkammer.

Ungefähr zwanzig oder dreißig Menschen befanden sich hier unten, die meisten lagen auf ihren Schlafplätzen. Sie hatten ihre Taschen und Körbe und Bündel und Töpfe und Blechschüsseln so nahe wie möglich um ihre Plätze aufgebaut, ein Mann schlief sitzend — mit dem Rücken gegen eine Holzkiste.

Auf der gegenüberliegenden Bank saß ein Betrunkener und redete mit sich selbst. Ab und zu grinste er vor sich hin. In dem schwachen Licht, das durch die Ventilatoren hereindrang, konnte ich sein Gesicht schlecht erkennen, ich sah nur, daß er kleine Augen und eine ziemlich lange, gerade Nase hatte.

»Soll ich spielen?« fragte er undeutlich. Er zeigte auf eine Ziehharmonika, die er auf den Knien hielt, und begann eine Menge zusammenhangloser Töne und Akkorde herauszuquetschen. Ab und zu stampfte er mit einer Stiefelsohle einen verworrenen Takt dazu.

Ich lag auf dem Rücken und lauschte den kläglichen Tönen und sehnte mich danach, richtige Musik spielen zu dürfen.

Noch vor einem Monat war ich Daniel Henrik Gustafsson gewesen, Klarinettist im Musikkorps der Ersten Leibgarde. An manchen Abenden spielten wir im Restaurant Hasselbacken in Stockholm und erhielten nach jeder Nummer Beifall, und nach den Konzerten wurden wir im Café zum Punsch eingeladen, weil wir so gut spielten.

Jetzt hieß ich Dan Henry — dieser Name klang besser auf Englisch, hatte Max gesagt, und da ich sowieso keine Papiere besaß ...

Wenn ich dort sterben sollte, würde mich niemand vermissen.

Ich tat mir selbst sehr leid, die Ziehharmonika jammerte hilflos durch das Halbdunkel und irgend jemand sagte:

»Hör mit dem Lärm auf! Wie soll man da Ruhe zum Schlafen finden!«

Es wurde still. Der Mann mit der Ziehharmonika rülpste und legte sich auf den Rücken.

Irgendwo unterhielten sich ein paar mit gedämpften Stimmen, sicher darüber, wie es in Nordamerika werden würde!

Ich überließ mich bohrenden, einsamen Gedanken, während der Dampfer Orlando weiter durch die Nordsee pflügte.

2

Die Reise nach Hull dauerte etwas mehr als zwei Tage und Nächte, und ich habe nicht mehr allzuviel von dieser Reise in Erinnerung.

Obwohl es September war, blieb das Meer ruhig, und ich stand meistens an der Reling und sah auf das Wasser hinaus. Die übrige Zeit lag ich unten auf meiner Schlafbank und grübelte. Ich aß, wenn die anderen aßen, und sprach mit niemand. Außer mit Max. Aber der war eine sehr wichtige Persönlichkeit an Bord und war immer irgendwohin unterwegs, wenn ich ihn etwas fragen wollte. Meistens fertigte er mich sehr kurz ab, und ich begann mir einzubilden, daß er es bereute, mich mitgenommen zu haben.

Besonders brennend interessierte mich natürlich die Frage, wie ich es anstellen sollte, in Hull an Land zu kommen.

»Mach einfach ein vergnügtes Gesicht und geh an Land«, sagte er einmal auf meine Frage hin, »meistens machen sie sich gar nicht die Mühe, irgendwelche Papiere anzusehen. Das einzige, wonach sie suchen, ist Tabak. Hull, das ist eine Stadt für sich. Keine Sorge, wird schon alles schiefgehen!«

Aber manchmal fand ich, daß er selbst auch besorgt aussah, wenn er mich ansah. Ich bildete mir ein, daß ich ihm zur Last fiel, daß ich unangenehme Erinnerungen in ihm wachrief, und ich nahm mir fest vor, nicht länger an ihm zu hängen, sobald wir in England wären. Irgendwie würde ich schon zurechtkommen.

Ich wollte von niemand abhängig sein.

Der letzte Reisetag war ein Sonntag. Es war grau und neblig, und am Nachmittag stand ich wie gewöhnlich, den Ellenbogen auf die Reling gestützt, und starrte auf das Wasser hinaus. Die Möwen flogen kreischend um das Schiff. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein.

Allmählich strömten immer mehr Leute hinauf auf Deck. Die meisten schwiegen, aber als vorne ein dünner grauer Landstreifen auftauchte, entstand Stimmengewirr. Der Nebel lichtete sich, und der Streifen wuchs, und als die Wolken plötzlich auseinanderglitten und oben leuchtend weiße Ränder bekamen, sagte jemand neben mir, das sei ein gutes Zeichen. Das Meer war ganz hellblau geworden. Ein hagerer Mann mit einer Schildmütze stellte sich jetzt vorne an den Bug und sagte, daß wir uns Spurn Head näherten und daß wir gegen Abend in Hull am Kai festmachen würden; aber das sei kein Grund zur Eile, meinte er; alle könnten noch in aller Ruhe die Nacht an Bord verbringen, zur Weiterfahrt nach Liverpool gehe es erst am nächsten Morgen los. Viele kamen zu ihm her und erkundigten sich, ob es denn verboten sei, an Land zu gehen. Dazu meinte er, wenn keine Amtsperson in Hull sie daran hindere, könnten sie, so viele es wollten, von ihm aus an Land gehen, allerdings würden der Kapitän und die Reederei dann keine Verantwortung mehr für die Betreffenden übernehmen.

»Ihr kommt jetzt in ein fremdes Land, liebe Leute«, sagte er, »vergeßt das nicht. Ein fremdes Land mit anderer Sprache und anderem Geld. Dort gelten weder Kronen noch Dollar.«

Die Worte des Mannes beunruhigten mich. Da vorne lag England. Jetzt konnte ich nicht mehr träumen. Jetzt mußte ich mich bewähren ...

Der Mann mit der Ziehharmonika stand auch auf Deck, und jemand bat ihn, sein Instrument zu holen. Zuerst sträubte er sich, doch als die anderen es ihm heraufbrachten, setzte er sich auf eine Kiste und tastete auf den Knöpfen herum. Jetzt baten ihn viele zu spielen.

»Etwas zum Mitsingen ...«