Dan Oakland Story 17: Der Wolfskiller - U.H. Wilken - E-Book

Dan Oakland Story 17: Der Wolfskiller E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Die ewigen JagdgründeDan Oakland und sein Sohn Sky beobachten, dass die Union Pacific ihre Schienen durch das Land der Oglala-Indianer baut. Rücksichtslos wird die Bahnlinie vorangetrieben. Als ein Lager der Oglala in die Luft gesprengt wird, schwört Dan Oakland Rache.Der WolfskillerJagdtrupps der Union Pacific dezimieren den Wildbestand in der gesamten Region. Daraufhin strömen zahlreiche Wolfsrudel aus den Bergen, um ihren Hunger zu stillen. Sie greifen abgelegene Farmen an, töten Nutzvieh und Menschen. Und dann nähert sich ein riesiges Wolfsrudel der Stadt.

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Dan Oakland Story

In dieser Reihe bisher erschienen

4301 U. H. Wilken Lockruf der Wildnis

4302 U. H. Wilken Teufelsbrigade

4303 U. H. Wilken Die Feuertaufe

4304 U. H. Wilken Der weiße Büffel

4305 U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen

4306 U. H. Wilken Grausame Grenze

4307 U. H. Wilken Omaha-Marter

4308 U. H. Wilken Blutige Säbel

4309 U. H. Wilken Der Unbezwingbare

4310 U. H. Wilken California-Trail

4311 U. H. Wilken Berg der zornigen Götter

4312 U. H. Wilken Die Teuflischen

4313 U. H. Wilken In Todesgefahr

4314 U. H. Wilken Schwarzer Horizont

4315 U. H. Wilken Der Raubadler

4316 U. H. Wilken Trail aus Blut und Eisen

4317 U. H. Wilken Der Wolfskiller

4318 U. H. Wilken Nachtfalken

4319 U. H. Wilken Der Geheimbund

4320 U. H. Wilken Tödliche Tomahawks

U. H. Wilken

Der Wolfskiller

Der Text wurde anhand der Originalmanuskripte des Autors sorgfältig überarbeitetet und um bisher unveröffentlichte Textpassagen ergänzt.Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Detlef Wilken.

Dieses Buch enthält die Einzelromane:

Die Ewigen Jagdgründe

Der Wolfskiller

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerVignette: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-103-8

Die Ewigen Jagdgründe

„Sky!“

Dan Oakland brüllte den Namen seines Sohnes in die Schlucht.

Drunten zerrte Sky am Zügel seines Rappen und sah zum Schluchtrand empor, wo sich sein Vater vor dem gleißend hellen Himmel abhob.

„Raus aus dem Canyon!“, schrie Dan und wies mit dem ausgestreckten Arm nach links.

Da standen etwa hundert Yard entfernt zwei Männer und starrten wie Oakland in den Canyon hinunter.

„He!“, brüllte Dan. „Da unten ist jemand. Wartet ab!“

Aber die beiden Männer schienen Dans Gebrüll nicht zu hören. Einer von ihnen drehte sich um und winkte nach hinten, wo um einen Planwagen herum einige Männer hantierten.

„Sky!“, schrie Oakland erregt, „die Kerle sprengen!“

Sky gab dem Rappen die Sporen. Das Pferd sprang nach vorn. Sky trieb es auf einen Pfad zu, der zum Canyon­rand hinaufführte.

„He! Ihr da!“, versuchte Dan noch einmal, die beiden Männer auf sich aufmerksam zu machen.

Sie beachteten ihn nicht. Sie sprangen zwei Schritte vom Canyonrand weg und duckten sich hinter aufragende Felsbrocken.

Es war höchste Zeit. Schon füllte eine gewaltige Detonation den Canyon. Eine Stein- und Staubfontäne stieg zum Himmel.

Schrill wiehernd richtete sich Skys Rappe steil auf. Eisern presste sein Reiter die Schenkel zusammen und peitschte das Pferd den Hang hinauf.

Ein großer Felsbrocken rollte auf Sky zu. Das Pferd machte sich lang und kam mit einem kühnen Satz noch aus dem Weg. Der Brocken raste hinter ihm in die Tiefe.

Dan Oakland starrte in die Schlucht. Er konnte nur eine talfüllende Staubwolke wahrnehmen.

Wo war der Junge?

Wütend sah er nach links. Hinter der Deckung erhob sich einer der Männer, brüllte etwas und gab mit erhobenem Arm ein Signal. Dann verschwand er wieder hinter der Deckung.

Oakland riss es fast von den Beinen, als unmittelbar danach eine zweite Detonation erklang. Eine neue Stein­fontäne schlug schräg in die Staubwolken der ersten Sprengung hinein. Kleine und große Steine sausten durch die Luft.

Dazwischen tauchte ein Pferdekadaver auf.

Dan Oakland zuckte zusammen. Sollte das Skys Pferd sein?

Rechtzeitig erkannte er, dass es sich nicht um einen Rappen handelte. Ein weiß und braun gefleckter Schecke war das Opfer. Er gehörte wohl zu der Gruppe von Wildpferden, die Dan vor ein paar Stunden auf dem Talgrund gesehen hatte. Sie waren offenbar auf der Flucht vor dem heranrückenden Bahnbau.

Wo aber war der Rappe mit Sky?

Dan warf sich auf den Boden und robbte an den Canyon­rand.

Er konnte den Pfad erkennen, der aus dem Talgrund zum Canyonrand hinaufführte. Aber nur die letzten zehn Yard. Dann verschwand er in der hochwallenden Staubwolke.

Dan schrie Skys Namen. Der Ruf ging unter im Gepolter der niederstürzenden Steine und im Grollen des Echos der zweiten Detonation.

Der Trapper sprang auf und fiel gleich wieder hin.

Die dritte Sprengladung ging hoch. Sie war vielleicht die stärkste. Es kam Dan so vor. Sie hatte wahrscheinlich höher in der Wand gelegen.

Die hochschießende Fontäne bestand kaum noch aus Sand. Es waren diesmal ungezählte kleine und große Steine. Dan schlug schützend die Arme über den Kopf.

Und da kämpfte sich auch der Rappe den Pfad herauf. Drei, vier Steine prasselten auf seinen Kopf. Er verlor die Richtung und stürmte nach oben.

Sky war aber nicht in seinem Sattel.

Dan schrie seinen Namen. Dann sprang er zu seinem Pferd, warf sich in den Sattel und zwang das Tier, den Pfad, der nach unten führte, unter die Hufe zu nehmen. Das Pferd tastete sich unsicher voran. Dan trieb es an. Und da sich die Wolke gerade ein wenig teilte, fasste das Pferd Mut und wagte ein paar schnelle Schritte.

In diesem Augenblick entdeckte Dan seinen Sohn zwischen den Felsklippen.

Das Pferd musste die gleiche Entdeckung gemacht haben. Dan brauchte es nicht anzufeuern. Es lief auf Sky zu.

Dan beugte sich aus dem Sattel. Mit beiden Händen packte er seinen Sohn, riss ihn hoch und trieb das Pferd mit Fersenhieben an.

Skys Beine schleiften über den Boden, schlugen durch die Sträucher. Mit ganzer Kraft zog Dan den bewusst­losen Sohn auf das Pferd.

Keuchend drängte das Tier wieder nach oben.

Hinter ihm ging eine gewaltige Granitlawine nieder und tobte zu Tal.

Dan Oakland entdeckte das Pferd seines Sohnes und zog es am langen Zügel hinter sich her. Ihm gelang die Flucht.

Als er oben unter heißer Sonne seinen Sohn vorsichtig zu Boden gelegt hatte, wurde auch schon die vierte Sprengladung gezündet.

Wie tot lag Sky vor ihm. Sein sonst sonnengebräuntes Gesicht war grau und schlaff. Blut sickerte aus der Platzwunde und rann über das glatte schwarze Haar.

Mit zitternder Hand griff Dan zur Wasserflasche und nässte Skys Gesicht.

Stöhnend kam Sky zu sich.

Tief atmete Dan ein und entspannte sich.

„Alles in Ordnung?“

„Was ist denn los?“, flüsterte Sky benommen.

Dan blickte aus steingrauen Augen auf den Sohn, der ein halber Sioux-Indianer war.

Der Ausdruck der Gutmütigkeit verschwand aus Dan Oaklands Gesicht.

„Sie haben den Pass gesprengt. Nichts und niemand kann diese Verrückten der Union Pacific aufhalten. Sie hätten dich fast in die Luft gejagt. Die Kerle wollen ebenso zehn Meilen am Tag wie die Central Pacific schaffen. Da ist ihnen nichts heilig. Die werden sich noch eines Tages selbst in die Hölle pusten.“

„Wo willst du hin, Dad?“

Dan blieb neben dem Pferd stehen.

„Zum Sprengmeister. Die verfluchten Idioten haben dich genau im Canyon gesehen. Aber das war ihnen egal. Sie wollten keine Zeit verlieren. Ein Menschenleben gilt ihnen nichts.“

„Vergiss es, Vater“, bat Sky leise. „Es ist ja nichts geschehen.“

Doch Dan Oakland schüttelte den Kopf. Sie hatten seinen Zorn geweckt. Er stieg in den Sattel und ritt in einem weiten Bogen zum Canyon zurück.

Oberhalb des gesprengten Passes stieß er auf die Männer des Sprengkommandos, saß ab und stapfte auf den Sprengmeister zu.

„Habt ihr den Reiter im Canyon nicht gesehen?“

„Mann, wir können doch nicht auf alles achten. War da einer?“

„Der Reiter war mein Sohn.“

„Wir haben nur einen Indianer gesehen.“

Dan holte wortlos aus und wuchtete die Faust unter das Kinn des Sprengmeisters. Wie von einem auskeilenden Huf getroffen, stürzte der Mann zu Boden.

„Wollt ihr auch was?“, schnauzte Dan die Männer an, die eine drohende Haltung einnahmen. „Dann kommt nur!“

Er musste sich abreagieren. Die letzten Minuten hatten seine Nerven arg strapaziert.

Schreiend kamen sie auf ihn zu gerannt und fielen ihn an. Wie ein wilder Büffel drehte er sich im Kreis und schlug mit der Faust wie mit einem Hammer zu. Hände krallten sich um seinen Hals, Fingernägel zerrissen die Haut und zerfetzten die Wolfsfellkleidung. Harte Stiefel wuchteten in seine Kniekehlen. Aber Dan stand noch immer und tobte jetzt erst richtig los.

Sky hatte sich aufgerichtet und wartete.

Dann kam sein Vater zurück. Schwankend und in zerrissener Kleidung, das strähnige Haar zerwühlt, das Gesicht von Fausthieben blutig geschlagen.

Aber er lächelte.

„Die Verrückten sprengen in der nächsten Stunde nicht mehr. Ich hab’s ihnen gegeben, verdammt noch mal.“

„Dann hast du dir Feinde gemacht, Dad, aber du wirst nicht allein sein. Die Kerle hätten mich wohl glattweg unter den Steinen begraben.“

„Weißt du, was dieser Sprengmeister gesagt hat?“ Dan holte Luft und winkte dann ab. „Komm, reiten wir zum Camp.“

Lichtschein fiel durch die mit Gardinen verhangenen Fenster des luxuriös ausgestatteten Pullman-Wagens.

Auf dem Hauptgleis ratterte ein Zug mit Schwellen und Schienen vorbei.

Ohne Ankündigung stand Dan Oakland im Pullman-Wagen.

Der helle Schein der Deckenlampen traf sein Gesicht.

Das Gespräch der Männer im Wagen verstummte.

Weiß leuchteten die Tischdecken. Champagner perlte in hohen Gläsern. Plüsch und Seide dämpften den Lärm der schuftenden Arbeiter draußen vor dem Wagen.

Hier im Pullman, der auf dem Abstellgleis stand, herrschte eine feudale Atmosphäre. George Pullman, Erfinder dieser Luxus-Eisenbahnwagen, hatte an alles gedacht. Prunk und Glanz sollten den einfachen Mann blenden.

Dan Oakland nahm ihn nicht wahr. Er trat an den Tisch der leitenden Ingenieure heran.

„Mister Dodge, ich verstehe nicht viel vom Sprengen. Aber wenn das noch einmal vorkommt, drehe ich den Burschen vom Sprengkommando den Hals um.“

General Dodge, Verantwortlicher des Bahnbauunternehmens der Union Pacific Railroad Company, erhob sich und blickte Dan Oakland fragend an.

„Was ist geschehen?“

„Die Sprengleute hätten meinen Sohn fast mit in die Luft gejagt. Ich möchte, dass Sie den Meister warnen.“

„Bo Mellon?“

„Ja, den! Ich habe ihm die Nase etwas zurechtgerückt, aber das nächste Mal haue ich sie ihm aus dem Gesicht. Mein Junge und ich reiten für die Union Pacific, damit Sie keinen Kummer und Verdruss mit den Indianern bekommen. Das heißt aber nicht, dass wir uns mit Dynamit hochjagen lassen.“

„Beruhigen Sie sich, Mister Oakland. Es wird sich alles aufklären. Wir haben schließlich ...“

„Ich bin ganz ruhig, General!“, unterbrach Dan ihn grimmig. „Und ich will auch gar nicht wissen, was Sie tun oder nicht tun werden. Mein Junge hat eine große Platzwunde am Kopf. Fast wäre er im Canyon drauf­gegangen. Da ist es vorbei mit meiner Geduld. Verstehen Sie mich, General?“

Mit schweren Schritten verließ Dan Oakland den Pullman-­Wagen.

Dodge und die anderen hörten den Hufschlag der beiden Pferde, blickten einander unruhig an und tranken hastig.

„Ist das der Trapper Oakland gewesen, General, der ein Freund der Sioux sein soll?“

„Er ist tatsächlich ein Freund des Stammes, meine Herren. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir den Mann für die Union Pacific gewonnen haben. Daniel Oakland kann sich jederzeit an die Lagerfeuer der Dakota-Stämme setzen. Die Häuptlinge hören auf ihn.“

„Trotzdem, ein seltsamer Mann. Warum lebt er bei den Indianern? Er ist ein Weißer wie wir.“

„Sein Sohn ist in einem Siouxlager zur Welt gekommen. Oakland hat Dakota und das weite Indianerland zu seinem Zuhause gemacht. Würden Sie, meine Herren, Ihr Zuhause anderen Menschen zuliebe verlassen? Ich denke, nein.“

„Wollen Sie mit Bo Mellon sprechen, General?“

„Ich glaube, dass das keinen Sinn hätte. Mellon ist unbelehrbar.“

„Aber wir brauchen ihn, General. Er ist ein fähiger Sprengmeister.“

Dodge blickte in das Glas.

„Wir brauchen beide. Mellon und Oakland. Die Union Pacific muss schnell und hart weiterarbeiten. Wir dürfen keinen Tag verlieren, sonst erreicht die Central Pacific vor uns das Ziel.“

„Dann lassen wir also Bo Mellon gewähren. Soll er doch alles in die Luft jagen. Und dieser Oakland, er wird sich bald beruhigt haben, denke ich.“

„Na, schön“, räumte General Dodge ein, „reden wir weiter über den nächsten Streckenabschnitt, Gentlemen.“

Dann zog der General eine Linie in die ausgebreitete Landkarte, und die Männer hörten ihm angespannt zu.

Dodge war einer der siegreichen Generäle der Nordstaaten im Bürgerkrieg. Sogar eine Stadt trug seinen Namen. Dodge City.

Draußen am Schienenstrang glosten die Lagerfeuer der Arbeiter wie rote Augen durch die Nacht.

Fünf Reiter kamen aus dem weiten Land und zügelten die abgetriebenen Pferde vor den Lichtern und Feuern der End-of-track-Town, einer Ansammlung von Bretter­buden und Hütten, die am Ende des Schienenstrangs entstanden war und nach wenigen Tagen mit dem vorrückenden Schienenweg immer aufs Neue entstand.

Laster und Leidenschaft herrschten in dieser Kistenholzstadt. Mord und Totschlag waren an der Tages­ordnung. Heimtückische Krankheiten grassierten.

Einer der Reiter lächelte dünn, als müsste er selbst mit dem Lächeln sparsam umgehen.

„Das ist genau richtig für uns. Suchen wir uns ’nen Job da unten, für unsere Schießeisen.“

Lee Todd ritt voraus. Schweigend folgten ihm seine Partner.

Lee Todd war ein dürrer Mann mit einem schmalen Gesicht und ungewöhnlich eng beieinanderstehenden Augen. Das gab ihm einen verschlagenen Ausdruck, nicht zu Unrecht.

Vor ihnen auf der aufgewühlten Straße lärmten, brüllten und johlten Männer vom Schienenbau. Aus dem Bordellschuppen kamen fluchend zwei Männer. ­Keifende Mädchen schickten ihnen Verwünschungen nach.

Die fünf Reiter aus dem Süden hielten vor einer Hofeinfahrt. An zwei Stangen hing ein Holzschild. Darauf stand: Männer gesucht. Jack Warden.

„He, Mann, kannst du das lesen?“, fragte der kleine und hässliche Reiter neben Lee Todd.

„Natürlich, Rattlesnake. Du musst das auch mal lernen, sonst kannst du noch nicht mal deine Steckbriefe ent­ziffern.“

„Willst du da etwa nach ’nem Job fragen?“

„Klar. Wartet hier.“

Langsam ritt Lee Todd durch die Einfahrt und stieg neben einem Frachtwagen ab, der einen geschlossenen Aufbau hatte. Dieser hüttenähnliche Wohnwagen schien verlassen zu sein.

Doch als Lee Todd die Tür öffnete, schlug ihm Tabakrauch entgegen. Ein Lichtschein traf seine blassblauen Augen.

„Kann ich mal reinkommen?“

Der schmächtige Mann im Wagen blickte Lee Todd prüfend durch die funkelnden Gläser seiner Nickelbrille an.

Ein Kopfnicken war die Antwort.

Lässig trat Lee Todd ein. Schwer schlugen die tiefhängenden Halfter mit den Colts gegen die Oberschenkel. Staub wallte aus der Kleidung. Unrasiert und knochig stand er vor dem Mann mit der Brille.

„Jack Warden?“

„Ja, der bin ich“, erklärte der schmächtige Mann und strich das schüttere Haar nach hinten. „Name, Herkunft?“

„Lee Todd. Ich bin nicht allein. Vier Jungs sind bei mir, sie warten draußen. Wir kommen aus dem Süden. Ich wollte nach einem Job fragen, für mich und meine Partner.“

Jack Warden blickte auf die tiefhängenden Colts des Besuchers und betrachtete die Gesichtszüge.

„Nein. Wir haben genug Männer. Tut mir leid.“

„Was heißt das?“, fauchte Lee Todd wütend, beugte sich weit über den Tisch und packte Jack Warden an der Hemdbrust. „Du wagst es, mir das zu sagen? Ihr sucht Leute, aber mich willst du nicht haben? Warum nicht, zum Teufel?“

„Das habe ich schon gesagt.“

„Du lügst. Du hast meine Visage gesehen und willst mich nicht einstellen. So ist es doch.“

„Lassen Sie mich los, Todd. Dadurch erreichen Sie nichts. Da ist die Tür, Mister.“

„He“, dehnte Lee Todd und ließ ihn los, „wie redest du mit mir, Warden? Willst du ein Stück Blei einfangen?“

Jack Warden lächelte ungerührt.

„Keine Drohungen, Todd. Die Union Pacific hat mich beauftragt, nur gute Männer einzustellen. Männer, die erst bis drei zählen, bevor sie schießen. Auf unserer Lohnliste brauchen wir keine Killer.“

„Was willst du damit sagen?“

Warden blieb kalt; er schien ein Mann ohne jedes Gefühl zu sein.

„Ich habe einen Blick dafür, Todd, ob ein Mann sich beherrschen kann. Sie können das nicht.“

Lee Todd war ein jähzorniger und unberechenbarer Mann. Eben noch in Wut, konnte er jetzt grinsen und so tun, als wäre überhaupt nichts geschehen.

„Gut“, sagte er schleppend, „wie du willst. Wir finden schon noch einen Job. Darauf kannst du Gift nehmen.“

Warden erhob sich und füllte den Becher mit Kaffee.

„Aber nicht bei der Union Pacific, Todd. Ich bin zur Zeit der Personalchef. Nur über mich kriegen Sie einen Job. Und jetzt verlassen Sie den Wagen.“

Lee Todd knirschte mit den Zähnen, als wolle er Jack Warden an den Hals fahren.

„Ich könnte dich mit Blei durchlöchern, Warden. Reiß das Maul nur nicht zu weit auf.“

„Sie drohen schon wieder, Todd. Sehen Sie diese Schnur? Sie geht durch das Dach. Oben ist eine Glocke. Wenn ich an dieser Schnur ziehe, läutet es draußen, ziemlich laut sogar. Im Nu werden ein paar Männer hier sein und Sie über den Haufen schießen. Seien Sie vernünftig und gehen Sie wie ein zivilisierter Mensch hinaus.“

Wütend schlug Lee Todd den Becher mit Kaffee vom Tisch und verließ den Wagen, packte sein Pferd am Zügel und erreichte die Komplizen.

„Den machen wir fertig!“, fauchte er. „Der hat sein Grab schon geschaufelt, so wahr ich Lee Todd heiße.“

Sie ritten langsam die Straße hinauf durch die Town. In einem windschiefen Stall brachten sie ihre Pferde unter, verrammelten das Stalltor und mischten sich unter die trunkene Menge.

Weiß stieg Rauch aus einem Indianerfeuer über den fernen Black Hills in den Nachthimmel empor.

Abseits des Schienenstranges lagerten Dan Oakland und sein Sohn unter alten Bäumen, die den Äxten der Bahnbauleute noch nicht zum Opfer gefallen waren.

Der Mann und sein Halbblutsohn lasen die fernen Rauchzeichen.

„Unsere Freunde geben die Nachricht durch, dass sich das Feuerross den Black Hills nähert.“

„Ja. Sie werden bei Vollmond hier sein.“

„Ich glaube nicht, dass sie die Bautrupps angreifen werden. Noch nicht. Wir müssen General Dodge davon überzeugen, dass er es vermeiden kann. Er braucht nur von der festgelegten Route etwas abzuweichen. Sonst wird es zu einem Blutbad kommen.“

Langsam streckte Sky den sehnigen schlanken Körper auf dem ausgebreiteten Büffelfell aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte in den Sternen­himmel.

„Das Stahlross ist nicht gut für Dakota, Dad. Vielleicht ist es besser, wenn die Sioux sich erheben und gegen die Bahn kämpfen. Noch haben sie die Übermacht. Bald werden aber in den Zügen Blauröcke schnell in das Indianer­land kommen können. Ganze Armeen, die das Land überschwemmen.“

Ernst sah Dan in die Nacht hinaus.

„Niemand kann den Bahnbau aufhalten, mein Junge. Noch staunen die Indianer über die dampfenden und zischenden Loks und halten sich respektvoll zurück. Aber wenn sie angreifen sollten, werden viele von ihnen sterben. Das wird den roten Mann nicht zurückschrecken, ich weiß. Aber mit solchen Angriffen beginnt ihr Untergang.“

Sky schwieg lange und grübelte.

Schließlich fragte er: „Glaubst du, Dad, dass der Weg nach Westen für die Bahn frei ist? Ich meine, wenn die geplante Route genau durch Siouxland verläuft, ist ein großer Krieg unvermeidlich.“

Dan Oakland richtete sich auf und spähte nach Westen. Weit dehnte sich die Ebene zwischen den Hügeln und Bergen aus. Im Osten klaffte das gähnende Maul des Canyons, in dem sein Sohn beinahe verschüttet worden wäre. Auch im Westen lagen solche Schluchten und Pässe.

Hohes Gras rauschte im Wind, Gras, das noch niemals gemäht worden war. Manchmal wüteten Präriebrände und ließen weite Aschefelder zurück, über die nur die Schatten der Wolken hinwegzogen.

„Wir müssen der Union Pacific vorausreiten, Sky“, sagte Dan langsam, „und überall nach Indianern suchen. Wir müssen mit ihnen sprechen und versuchen, sie davon zu überzeugen, dass ein Krieg sinnlos ist.“

„Aber ist er das wirklich, Dad? Sollen unsere Freunde zusehen, wie von Tag zu Tag die Bleichgesichter stärker werden? Sie sind wie die Ameisen. Sie kriechen überall hin. Eines Tages wimmelt es von ihnen in jedem Indianer­dorf.“

„Ich glaube nicht, Sky. Die Weißen wollen ihre Geschäfte machen. Dabei sind sie so stur und versessen. Keiner von ihnen begreift, dass sie die Büffelherden verjagen und das letzte Wild beiderseits des Schienenstrangs abknallen und so den Indianern die Nahrung wegnehmen. Der Winter wird diesmal lang und hart.“

Sky erhob sich in plötzlicher Unruhe.

„Dad, lass uns reiten.“

In der Ferne war das Rauchzeichen verweht. Dunkel buckelten sich die Black Hills unter den Sternen von Dakota. Der Wind trug den Lärm der Bahnbauarbeiter im Camp davon.

„Ja, Sky, reiten wir.“

So begann ihr langer Weg nach Westen in jene Jagdgründe, die den Indianern für ewige Zeiten vertraglich fest zugesichert worden waren.

Spuren unbeschlagener Pferde kreuzten ihren Weg.

Während Sky scheinbar erschöpft im Sattel sitzen blieb, glitt Dan Oakland vom Pferd und kniete bei den Spuren nieder.

„Ponys, Sky. Vielleicht zwei Stunden alt. Hier sind Sioux entlanggeritten.“

„Sie sind von den Mountains dort drüben gekommen.“

Dan nickte, saß auf und ritt mit seinem Sohn weiter. Sie trieben die Pferde auf einen Hügel und verhielten im Frühlicht. Im fernen Osten flammte die Morgenröte. Kühl war der Wind, der über das Bergland strich. Der Winter war zu ahnen.

Vor ihnen lag ein Tal mit Laubbäumen. Nichts dort unten deutete auf die Anwesenheit von Menschen hin.

Langsam ritten Dan und sein Sohn abwärts. Bunt gefärbtes Laub rauschte über ihnen im Wind. Die Pferde trotteten durch mit Laub gefüllte Senken. Plötzlich hielten die Reiter an und witterten in den Wind. Schweigend reichte Dan seinem Sohn die Zügel­enden und rutschte aus dem Sattel. Mit dem Volcanic-­Repetiergewehr im Anschlag bewegte er sich lautlos wie ein Schatten davon.

Er machte einen Bogen, hatte dann den Wind im Gesicht und näherte sich der Feuerstelle. Eine dünne Rauchspirale ringelte sich aus der mit Asche bedeckten Holzglut eines kleinen Lagerfeuers. Mehrere Ponys standen angeleint unter den Bäumen.

Sioux-Indianer hockten am Feuer.

Die Federn im schwarzen Haar, die Ketten aus Bären- und Wolfszähnen und die Kleidung verrieten, dass es Oglala-Indianer waren.

Dan Oakland stapfte geräuschvoll näher und hielt die Volcanic Rifle gesenkt.

Die Indianer fuhren hoch und hielten die Gewehre bereit.

Groß tauchte Dan Oakland unter den Bäumen auf. Zerfetzt hing die Wolfsfelljacke von seinen Schultern. Das sandfarbene Haar war vom Morgennebel feucht geworden. Ein Lächeln lag um seinen Mund.

Er ging genau auf die angeschlagenen Gewehre zu. Ruhig nahm er die Rifle in die Linke und hob grüßend die Rechte.

Fünf Schritte vor den Oglala blieb er stehen.

„Catch-the-Bear freut sich, seine roten Brüder zu sehen.“ Er machte das Zeichen des Friedens.

Die Indianer blickten ihn mit dunklen Augen an. Schweigend deutete der Anführer auf einen Platz am Feuer.

„Ich danke meinem roten Bruder.“ Dan wandte sich ab und rief laut nach Sky. Lächelnd drehte er sich den Indianern wieder zu. „Mein Sohn Sky begleitet mich.“

Reglos warteten die Indianer. Langsam kam Sky mit den Pferden heran. Als die Oglala den jungen Halb­indianer erblickten, erhellten sich ihre Mienen.

Man nahm Platz am Feuer. Das Kalumet machte die Runde. Jeder stieß den Rauch viermal in jede Himmels­richtung und einmal zu Boden. Der Anführer legte darauf­hin die Friedenspfeife auf die Feldsteine am Feuer.

„Willkommen an unserem Feuer, Catch-the-Bear“, sagte der Anführer freundlich. „Unsere Augen sehen mit Freude auch deinen Sohn. Wir haben viel über euch gehört. Ihr seid Dakotas Freunde. Black Cat ist stolz, euch kennenzulernen.“

„Black Cat und seine Freunde sind große und tapfere Krieger“, antwortete Dan. „Ich sehe ihre Zeichen. Ihr seid nicht auf dem Kriegspfad. Ihr seid unterwegs, die Bleichgesichter zu beobachten.“

„Die Oglala sind unruhig geworden. Das Feuerross kommt unseren Jagdgründen immer näher. Es frisst sich einen Weg durch unser Land.“

„Wem wirst du deine Beobachtungen mitteilen, Black Cat?“

„Häuptling Left Hand. Unser Lager befindet sich in den Mountains, dort, wo die Sonne untergeht.“

Tief atmete Dan ein. Das Lager musste genau in jenem Gebiet liegen, durch das der Schienenstrang getrieben werden sollte.

„Was werdet ihr tun, Black Cat?“

„Wir werden sehr wachsam sein, Catch-the-Bear. Wenn die Bleichgesichter die Jagdgründe der Oglala mit ihren schmutzigen Füßen besudeln, werden unsere Männer das Kriegsbeil ausgraben.“

„Darüber muss ich mit Häuptling Left Hand reden“, forderte Dan ernst. „Ein Krieg würde schlimm ausgehen. Die tapferen Oglala werden die Weißen besiegen. Doch dann werden viele Weiße nachkommen und euer Gebiet überschwemmen. Sie werden eure Wälder abholzen und die Prärien in Brand setzen.“

„Dann wird kein Bleichgesicht überleben, Catch-the-Bear“, fauchte Black Cat. „Wir werden sie davonjagen und töten.“

„Ihr habt den Mut des Adlers, Black Cat. Doch selbst der mutigste Adler fällt vom Himmel, wenn ihn viele Kugeln getroffen haben. Ich bin in einem fernen Land gewesen, wo die Vettern der Mescalero-Apachen leben. Die tapferen Navajo-Indianer hatten auch geglaubt, dass sie den weißen Mann besiegen könnten, doch ihr Häuptling und alle anderen mussten in die Gefangenschaft gehen. Ihr Häuptling bat mich, meinen Brüdern, den Sioux, darüber zu berichten.“

„Die Navajo sind keine Jäger und Krieger. Sieh dir die Jagdgründe der Oglala an, Catch-the-Bear! Sie sind so groß, dass selbst der schnellste Adler viele Tage fliegen muss, wenn er das Land der Oglala ganz überqueren will.“

Dan und Sky erhoben sich. Die Sonne schien durch die bunten Laubdächer der Bäume.

„Ich habe gesprochen, Black Cat. Geht in Frieden euren Weg.“

Auch die Indianer richteten sich auf. Man grüßte einander und trennte sich. Dan und Sky ritten weiter und drangen tiefer in das Gebiet der Oglala ein.

Sie näherten sich dem Hauptlager.

Auf scheinbar unberührten Pfaden zogen sie durch die Bergwildnis.

„Das ist doch Unsinn, Mister Dodge!“ Hart und laut lachte der Sprengmeister Bo Mellon im Pullman-Wagen auf. „Es war ein dummer Zufall, nichts weiter. Wir konnten doch nicht wissen, dass der Reiter im Canyon ­Oaklands Sohn war.“

General Dodge stand Bo Mellon allein im Luxus­wagen gegenüber. Durchdringend sah er den stiernackigen Sprengmeister an.

„Machen Sie mir nichts vor, Mister Mellon. Sie und Ihre Leute müssen genau gesehen haben, dass es Dan Oaklands Sohn war.“

Bo Mellon verzog das grobe Gesicht.

„Und wenn schon. Die Union Pacific will das Wettrennen gewinnen. Ich habe dafür zu sorgen, dass die Schwellen und Schienen gelegt werden können. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

„Sie denken an Ihre Prämie.“

„Wer denkt nicht an harte Dollar, General? Ja, meine Leute und ich wollen die Prämie haben. Und um sie zu kriegen, jagen wir alles hoch. Dieser verdammte Bastard hätte uns nur aufgehalten. Zum Teufel mit ihm und diesem Oakland!“

„Hören Sie, Mister Mellon, Sie dürfen mit Ihrem Dynamit keine Menschen gefährden. Sie müssen ...“

„Jetzt will ich Ihnen mal was sagen, General!“, unterbrach Bo Mellon ihn wütend. „Mein Job ist das Sprengen. Das tue ich, und wenn dabei die ganzen Mountains in die Luft fliegen. Ich habe einen Vertrag unterschrieben und halte mich dran. Und wenn Oakland und sein Bastardsohn uns wieder in die Quere kommen sollten, dann ...“

„Was dann?“, fragte Dodge spröde, als Bo Mellon schwieg. „Dann wollen Sie die Oaklands hochjagen, was? Sie vergessen, dass die beiden Oaklands sehr wichtig für die Union Pacific sind. Wir nähern uns dem Indianer­gebiet der Oglala.“

„Pah!“ Mellon lachte rau auf. „Ich habe auch Dynamit genug für die Indsmen. Ich jage sie in die Luft, wenn es sein muss. Guten Tag, General.“

Polternd verließ er den Pullman.

Vertrag war Vertrag, Dodge konnte ihn nicht zurückpfeifen.

Fluchend trat Dodge gegen den mit Plüsch bezogenen Stuhl. Dann verließ auch er den Wagen, um zu den Ingenieuren nach vorn zu reiten.

General Dodge ahnte an diesem Tag, dass die unerwünschten Ereignisse nicht aufzuhalten waren. Überall schufteten Männer am Schienenstrang. Ständig rollten Züge nach vorn. An diesem Spätnachmittag standen drei Züge hintereinander auf dem Gleis. Laut krachend rutschten Schwellen und Schienen von den Waggons.

Viele Lagerfeuer loderten. Große Rauchschwaden zogen über Camp und Arbeiterkolonnen hinweg.

Die Union Pacific baute im Höllentempo weiter.

An diesem Abend verließ der schmächtige Jack Warden den Wohnwagen. Er schloss die Tür ab.

Er fühlte sich müde und zerschlagen. Er hatte heftigen Streit mit Samuel Cowell gehabt, dem Aufseher der Arbeiterkolonnen.

Langsam ging Jack Warden in die wilde Town. Zögernd blieb er vor dem Saloon stehen.

Schließlich ging er hinein.

Tabakrauchschwaden umwölkten die rostenden Lampen. Talglichter flackerten auf den Tischen. Der Boden war von Abfall übersät. Auf den primitiven Tischen trockneten Lachen von Whiskey.

Durchschwitzte Männer drängten durcheinander, saßen an und auf den Tischen, grölten und tranken, sprachen und lärmten durcheinander und hauten die schwer­verdienten Dollars auf den Kopf.

An manchen Tischen saßen Spieler. Kaltblütig und gerissen machten sie Vermögen.

Nicht weniger schlecht verdienten die Animier­mädchen, oftmals kranke Geschöpfe, die unter dick aufgetragener Schminke die verlebten Gesichtszüge verbargen.

Keiner wusste es besser als Jack Warden, dass die meisten Ausfälle durch Geschlechtskrankheiten bei den Männern eintraten. Aber keiner scherte sich darum. Es schien so, als wollten sich die Männer bewusst dem Siechtum aussetzen.

An der Theke aus Kistenholzbrettern fand Jack Warden Platz und verlangte einen Whisky.

Abseits der Theke an einem Tisch saßen Lee Todd, Rattlesnake und die drei anderen Revolverschwinger. Sie entdeckten den Personalchef der UP am Tresen. Sie grinsten sich an, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander.

Dann erhoben sich Lee Todd und der kleine Rattle­snake und verließen den Saloon. Draußen im dunklen Schatten blieben sie stehen und warteten.

Jack Warden ahnte nichts von der Falle. Er bemerkte noch nicht einmal die drei Männer, die am Tisch zurückgeblieben waren.

Er trank den Blechbecher leer, zahlte und ging langsam zur Tür zurück. Eine üppige Blondine versuchte, ihn sich zu angeln, doch er hastete schnell hinaus und blieb draußen aufatmend stehen.

Zwei Männer beobachteten ihn.

Vielleicht hätten Lee Todd und seine Komplizen das Camp und die Stadt verlassen müssen, wenn sie nicht an diesem Abend Jack Warden getroffen hätten.

Fröstelnd hob Jack Warden die Schultern an und blickte angewidert auf die Lichtbahnen der Saloons und Spiel­salons.

Dann machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Wagen.

Lässig gingen Lee Todd und Rattlesnake vor ihm her und verschwanden in einer dunklen Einfahrt.

Jack Warden musste an dieser Einfahrt vorbei. Von hier aus waren es vielleicht noch fünfzig Yard bis zu seinem Wohnwagen.

Als er den Plankensteg verließ und die Einfahrt passieren wollte, wurde er jäh am Arm gepackt und ins Dunkel gerissen. Ein Faustschlag traf seinen geöffneten Mund. Halb bewusstlos taumelte er zurück und stürzte in einen Haufen Bretter.

Lee Todd zerrte ihn wieder hervor und schleifte ihn auf den mondhellen Hinterhof.

Grinsend folgte Rattlesnake.

Stöhnend lag Jack Warden am Boden und blickte erschrocken in die verzerrten Gesichter der beiden Männer.

Er erkannte Lee Todd sofort wieder. Wenn es ihm gelang, diesen Männern zu entkommen, würden Todd und seine Freunde schon in dieser Nacht aus dem Camp flüchten müssen, wollten sie nicht gelyncht werden.

Aber die beiden hatten nicht die Absicht, Jack ­Warden entkommen zu lassen. Sie standen nahe vor ihm und wippten auf den Fußspitzen.

„Na, Mister Personalchef, was sagst du nun?“, fragte Todd höhnisch. „Setzt du uns nun auf die Lohnliste und gibst uns einen gutbezahlten Job, oder willst du noch immer nicht?“

Warden war kein Feigling. Mutig hatte er sich bei der Union Pacific schon für so manchen Mann eingesetzt.

„Nein“, stöhnte er und betastete den Mund. „Ihr bekommt den Job nicht. Niemals!“

Todd hatte ihm mehrere Zähne ausgeschlagen.

„Du willst nicht?“, tat Todd erstaunt. „He, Mann, was ist los mit dir? Bist du nicht ganz richtig im Kopf? Du kannst uns den guten Job doch nicht verwehren. Denk doch mal an dich.“

Blut sickerte aus Wardens aufgeplatzten Lippen. Benommen schüttelte er den Kopf.

„Los, steh auf!“, fauchte Lee Todd. „Aufstehen, habe ich gesagt!“

Schwankend richtete Jack Warden sich auf. Er hatte keine Chance gegenüber diesen beiden Halunken. Mit Schlägereien hatten sie ihre Laufbahn begonnen, mit Messerstechereien fortgesetzt und waren jetzt beim Mord angelangt.

„Weißt du, woher wir kommen, Warden?“, fragte Lee Todd grinsend.

„Nein. Ich will’s auch nicht wissen“, ächzte Warden. „Verlassen Sie das Gebiet der Union Pacific. Hier haben Sie nichts zu suchen.“

Sie grinsten.

„Wir sind auf der Flucht, Warden“, verriet Todd. Der Halunke schien stolz darauf zu sein. „Wir haben zwei Mann umgelegt, unten im Süden. Der Überfall auf die Bank hat nicht geklappt, Warden, verstehst du? Darum brauchen wir ’nen Job. Wir müssen untertauchen, für alle Fälle. Du willst uns wirklich nicht helfen?“

„Niemals.“

„Dann bist du ein Narr.“

Lee Todd stand zwei Schritte von Jack Warden entfernt. Schräg hinter Warden lauerte der kleine Rattle­snake. Bleiches Mondlicht erhellte die Gesichtszüge der Männer. Verworrener Lärm drang von der Straße herüber. Selbst wenn Warden um Hilfe schrie, würde ihn niemand hören.

Warden flüsterte mit brüchiger Stimme, während das Blut über sein Kinn rann: „Ich kann nichts für Sie tun. Ich will auch nicht. Lassen Sie mich also gehen. Oder genügt Ihnen immer noch nicht, was Sie mit mir gemacht haben?“