Dan Oakland Story 18: Nachtfalken - U.H. Wilken - E-Book

Dan Oakland Story 18: Nachtfalken E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

NachtfalkenEine Bande, angeführt vom Halbblut Poroka, überfällt einen Zug der Union Pacific. In einem der Waggons befinden sich einflussreiche Politiker, die mit den Indianern verhandeln wollen. Poroka versucht, die Politiker als Geiseln zu nehmen, um Lösegeld zu erpressen.Raureiter der Western UnionDie Western Union baut eine Telegrafenleitung entlang der Bahnlinie. Ein Geschäftsmann sieht sein Transportunternehmen in Gefahr und versucht, den Fortschritt der Bahn zu verhindern. Seine Revolvermänner terrorisieren alsbald die Western Union.

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Dan Oakland Story

In dieser Reihe bisher erschienen

4301 U. H. Wilken Lockruf der Wildnis

4302 U. H. Wilken Teufelsbrigade

4303 U. H. Wilken Die Feuertaufe

4304 U. H. Wilken Der weiße Büffel

4305 U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen

4306 U. H. Wilken Grausame Grenze

4307 U. H. Wilken Omaha-Marter

4308 U. H. Wilken Blutige Säbel

4309 U. H. Wilken Der Unbezwingbare

4310 U. H. Wilken California-Trail

4311 U. H. Wilken Berg der zornigen Götter

4312 U. H. Wilken Die Teuflischen

4313 U. H. Wilken In Todesgefahr

4314 U. H. Wilken Schwarzer Horizont

4315 U. H. Wilken Der Raubadler

4316 U. H. Wilken Trail aus Blut und Eisen

4317 U. H. Wilken Der Wolfskiller

4318 U. H. Wilken Nachtfalken

4319 U. H. Wilken Der Geheimbund

4320 U. H. Wilken Tödliche Tomahawks

U. H. Wilken

Nachtfalken

Der Text wurde anhand der Originalmanuskripte des Autors sorgfältig überarbeitetet und um bisher unveröffentlichte Textpassagen ergänzt. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Detlef Wilken.

Dieses Buch enthält die Einzelromane:

Nachtfalken

Raureiter der Western Union

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich..Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerVignette: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-104-5

Nachtfalken

Schwarz wirbelte der Qualm aus dem Schlot der Lok und wehte in Fetzen über die Wagendächer.

Dan Oakland und sein Sohn Sky saßen sich im Abteil gegenüber und sahen in die sinkende Sonne. Ein Reiterrudel tauchte aus dem hohen Gras auf.

Im rasenden Galopp jagten die Reiter näher. Ihre Sporen rissen die Flanken der Pferde blutig. Die Reiter hoben Gewehre. Fenster gingen in Trümmer. Kugeln jaulten durch die Abteile.

Schreiend warfen sich die Fahrgäste zu Boden.

Scherben klirrten auf die Passagiere nieder. Wild flatterten die Gardinen im Fahrtwind.

Schießend rasten die Reiter an den rollenden Wagen entlang.

Schüsse trafen den Lokführer und seinen Heizer.

Auf jeder Seite der Lok jagte ein Reiter. Die beiden Männer schwangen sich von den Pferden aus auf die Plattform. Wenig später blockierten die Bremsen die Räder.

Sky hatte sein Gewehr hochgerissen.

Als er schießen wollte, packte Dan blitzschnell zu und drückte den Gewehrlauf hinunter.

„Zu spät, Sky!“

Polternd fielen ihre Gewehre unter die Sitzbank. Schon bargen sie den Colt unter der Wildlederkleidung.

Der Zug in Richtung Omaha hielt.

Reiter sprangen ab und stürmten die Personenwagen. Drohend richteten sich Gewehre und Colts auf die Reisenden.

Reglos saß Dan Oakland vor den dunklen Mündungen. Das Gesicht seines jungen Halbblutsohns Sky war völlig ausdruckslos.

Schwer bewaffnete Banditen plünderten die Fahrgäste aus.

Die Deckenlampen schwangen noch hin und her.

Der Lichtschein wischte über Oaklands verkniffenes Gesicht. Er machte sich Sorgen.

Wenn ein einziger Reisender die Nerven verlor und zur Waffe griff, würde im Zug die Hölle losbrechen. Es würde zu einem Blutbad kommen.

Sky, in dessen Adern auch Indianerblut floss, beherrschte sich, wie er es bei den Sioux gelernt hatte. Im pendelnden Lichtschein schimmerte sein langes schwarzes Haar wie Rabengefieder.

Stöhnend lagen die Fahrgäste am Boden zwischen den Sitzbänken. Schlotternd trat der farbige Zugbegleiter in grabschwarzer Kleidung vor die Fremden.

„Bitte, Sir, nicht schießen. Bitte nicht schießen.“ Er bat um sein Leben und um die Unversehrtheit der Fahrgäste, die ihm anvertraut waren. Die fremden Männer schoben ihn beiseite.

„Halts Maul, Nigger!“

Auch in den anderen Wagen raubten Nachtfalken die Fahrgäste aus.

Jenseits des Gangs hockte zitternd ein blasser junger Mann zusammengekrümmt auf der Sitzbank. Dan ­Oakland beobachtete ihn schon eine Zeitlang. Jede Sekunde an diesem roten Abend schien wie eine Ewigkeit. Der Junge krampfte die zitternden Hände zusammen. Als die Fremden näherkamen, griff er in die Tasche seiner Anzugjacke.

Dan richtete sich auf und ging zu ihm.

„Lass die Hand vom Eisen, Junge“, sagte er rau. „Willst du sterben?“

Angst erhitzte den Atem des jungen Mannes. Aus geweiteten Augen blickte er Dan Oakland an. In seinen Augen flackerte Panik.

„Was ist da los?“, schnauzte einer der Banditen und kam sporenklirrend näher. „Weg da, Trapper!“

„Hörst du, Junge?“, sprach Dan unbeirrt auf den Burschen ein. „Hände weg vom Schießeisen. Hast du verstanden?“

„Ja, Sir.“

Eine Hand krallte sich in Dan Oaklands Schulter, und ein Colt wurde ihm in den Rücken gestoßen.

„Habt ihr irgendeine Sauerei vor?“, fauchte der Fremde. „Soll ich abdrücken, Trapper?“

Dan stand gebeugt.

Sky versteifte sich neben dem zertrümmerten Fenster und war entschlossen, seinem Vater beizustehen.

„Wer macht denn hier Ärger?“, gab sich Dan erstaunt. „Ich will nur verhindern, dass dieser Junge durchdreht.“

Der Fremde lachte kalt.

„Los, zurück auf deinen Platz, Trapper!“

Dan nickte und kehrte zu seinem Sohn zurück. Die Gefahr schien vorerst gebannt. Der junge Mann ließ sich sein Geld und die goldene Uhr abnehmen, ohne eine Spur Widerstand zu leisten.

Die Tür flog auf. Noch ein Räuber trat ein und sah sich um. Er war ungewöhnlich groß und hatte langes schwarzes Haar wie Sky, das wirr und ungepflegt um den Kopf hing.

„Fertig hier?“, fragte er die Komplizen.

„Nein, noch nicht ganz.“

„Beeilt euch! Die Leute werden alle im Viehwagen eingesperrt.“

Schon verließ er wieder das Wageninnere. Draußen an den Fenstern wehte der Rauch der Lok vorbei. Die Dämmerung wechselte in die Nacht über.

„Nun, Trapper, rück mal raus, was du hast“, befahl ein Bandit und starrte Dan düster an. „Nun mach schon, sonst kriegst du Blei ins Maul.“

„Ja, ja, schon gut.“

Schwerfällig richtete Dan sich auf und versperrte dem Banditen den Blick auf seinen Sohn Sky. Er nestelte an der Wolfsfellkleidung herum und zog einen Lederbeutel mit Goldnuggets hervor.

Dabei stellte er sich so ungeschickt an, dass sich die Lederschnur löste; die Nuggets fielen vor die staubigen Stiefel der Banditen.

Unwillkürlich bückte sich der Bandit danach.

Sky handelte.

Geschmeidig schnellte er vor und hechtete durch das klaffende Fensterloch in das Dunkel der Nacht. Er prallte hart neben dem Schienenstrang auf. Federnd kam er hoch und hetzte ein paar Yards zur Seite, warf sich dann unter den Zug und kroch zur anderen Seite. Geduckt lief er durch das hohe Gras weg.

Schüsse peitschten aus dem Wagen. Heißes Blei wühlte sich durch das Gras. Heisere Stimmen brüllten. Pulverdampf wallte im erhellten Wagen.

Wütend zog der Bandit Dan Oakland den Colt über den Schädel. Wie ein angeschossener Büffel brach Dan in die Knie und schlug schwer und schlaff zwischen die Sitzbänke.

Die Biberfellmütze hatte den Hieb abgeschwächt.

Dan bekam noch alles mit, was geschah.

Reiter hetzten weg vom Zug und suchten nach Sky.

Wenn sie ihn fassten, würden sie ihn auf der Stelle niederschießen.

Harte Stiefel polterten an Dan Oakland vorbei. Wie im Nebel sah Dan plötzlich zwei silberne Sporen. Irgendeiner der Banditen schien verdammt eitel zu sein. Schon waren die Halunken vorbeigestürmt.

Wieder krachten Schüsse. In irgendeinem Wagen schrie eins der Mädchen auf, die aus dem Camp der Union Pacific aufgebrochen waren, um mit dem hart verdienten Geld in Omaha oder irgendwo sonst im Osten ein neues Leben zu beginnen.

„Los, alles raus hier!“, brüllte ein Bandit. „Jagt sie raus!“

Wie Vieh wurden die Reisenden aus den Wagen getrieben.

Dan Oakland wurde hochgezerrt und hinausgeschleift.

Er stellte sich weiter bewusstlos, hörte die schrillen Schreie der Animiermädchen und die Flüche der Banditen.

Kurze Zeit später wurde er in den Viehwagen geworfen, in dem sein und Skys Pferd untergebracht waren.

Wimmernd drängten sich die Animiermädchen zusammen.

Langsam richtete Dan den Oberkörper auf. Weitere Passagiere wurden in den Waggon getrieben. Er musste sich erheben, wollte er nicht niedergetrampelt werden. Obwohl er noch seinen Colt, das Messer und den Tomahawk besaß und alles unter der langen Wolfsfelljacke verborgen hielt, griff er nicht ein.

Jeder Widerstand würde eine Katastrophe auslösen. Es war überhaupt ein Wunder, dass die Banditen nicht noch weitere Menschen erschossen hatten.

Während berittene Banditen Jagd auf Sky machten, rannten die anderen am Zug entlang. Drei Banditen durchkämmten die Wagen. Niemand hatte sich versteckt.

Die Lok verlor ständig Dampf. In den Wagen hingen jetzt die Lampen still von den Decken.

Immer wieder rasselten Sporen am Zug entlang. Mehrere Banditen blieben vor der noch geöffneten Schiebetür des Viehwaggons zurück.

Dan Oakland hätte sie niederschießen können. Doch seine Schüsse hätten zur Folge gehabt, dass die anderen Banditen blindlings in den Viehwaggon hineinfeuerten.

Es mussten etwa fünfzehn Nachtfalken sein.

Jetzt wurde die Schiebetür zugestoßen und von außen verriegelt. Im geschlossenen Wagen herrschte Dunkelheit. Die Gefangenen fluchten und stöhnten durcheinander.

„Ruhe!“, sagte Dan scharf. „Seid mal alle still.“

Sie hörten seine Stimme und schwiegen. Niemand konnte ihn erkennen. Unruhig stampften die beiden Pferde im Hintergrund.

„Wer bist du?“, fragte jemand aus dem Dunkel.

„Daniel Oakland. Meinem Sohn ist es gelungen, den Halunken zu entwischen. Er wird zurückkommen und uns befreien. Es gibt also keinen Grund, hier herumzujammern. Verhaltet euch alle still.“

„Mein Geld“, ächzte jemand. „Die Dreckskerle haben mir mein ganzes Geld weggenommen.“

„Du hast dein Leben behalten, Mann“, grollte Dan. „Vergiss das Geld!“

Draußen krachten wieder Schüsse. Die Prärie gab kein Echo. Der bleiche Mond war hinter den fernen Mountains aufgetaucht.

Dan Oakland spähte durch eine Fuge hinaus. Er konnte nur zwei Banditen zu Pferde sehen, die mit den Gewehren im Anschlag warteten.

Als wieder Wimmern laut wurde, gebot er den Leuten Schweigen.

Die Mitreisenden spürten auf einmal, dass sie einen erfahrenen Mann vor sich hatten.

„Verdammt!“, krächzte jemand. „Die Banditen sind noch immer am Zug. Warum verschwinden sie denn nicht?“

„Oakland“, sagte ein anderer. „Was ist, wenn sie deinen Sohn erwischen?“

Dan antwortete mit spröder Stimme.

„Dann haben wir immer noch eine Chance. Irgendwie werden wir’s schaffen, aus dem Wagen rauszukommen. Wir werden hier nicht verhungern.“

„Aber verdursten. Verrecken werden wir hier. Am Tag wird es glühend heiß.“

„Ich habe unsere beiden Pferde hier. Mit Hilfe der Tiere können wir die Schiebetür aufreißen. Ist hier jemand vom Bahnbau?“

„Ja, ich.“

„Ist ’ne Spitzhacke hier im Waggon? Hat überhaupt jemand Werkzeug, mit dem wir die Wagenwand aufsprengen können?“

„Nein.“

„Verliert nicht die Hoffnung, Leute“, sagte Dan rau. „Wir kommen raus hier, das verspreche ich euch.“

Wasserdampf entwich zischend der Lok und besprühte das Gras. Dunkle Reiter machten ihre Runden um den Zug. Noch immer suchten andere Reiter abseits des Schienenstrangs nach dem flüchtigen Sky Oakland.

Zum Glück wusste kein Bandit, dass Dan der Vater des Halbbluts war. Sonst würden sie Dan aus dem Waggon zerren und ihn erschießen.

Sie hatten den Überfall sorgfältig geplant. Die Männer im Zug hatten im fernen Camp der Union Pacific gearbeitet und waren abgelöst worden. Sie hatten ihren Lohn bei sich gehabt. Alle Mühe war umsonst gewesen.

Die Banditen hatten abkassiert.

Im Viehwaggon war es still geworden. Alle lauschten angespannt nach draußen.

Dumpf schlugen Hufe.

Sky schlängelte sich durch das Gras. Unendlich langsam richtete er sich etwas auf und spähte zum Zug zurück, der sich wie eine dunkle Wand von der Prärie abhob. Verloren schimmerte Licht in den Personenwagen.

Die Reiter kamen immer näher. Sie zogen weite Kreise.

Vor Sky waren Löcher, Eingänge einer Präriehundhöhle. Aber sie waren zu schmal. Er hatte zu wenig Zeit, hineinzukriechen.

Er war sich darüber klar, dass sie ihn draußen in der Prärie irgendwann stellen mussten.

Er musste ihnen entgegenkriechen und versuchen, an den Reitern vorbeizukommen.

Heftige Regenfälle hatten einen natürlichen Graben entstehen lassen.

Sky schlängelte sich hinein und kroch schnell in Richtung Zug.

Den Colt hielt er in der rechten Faust. Notfalls würde er bis zur letzten Patrone kämpfen.

Zwei Reiter kamen näher.

Sky blieb nicht liegen. Noch hatte er Zeit, an den Reitern vorbeizukommen. Er riskierte Kopf und Kragen, als er im Graben weiterschlich. Tief hatte das Regenwasser die Erde ausgespült. Die Grabenränder waren zerklüftet und bildeten an manchen Stellen Überhänge. Blitzschnell verkroch Sky sich unter einem solchen Überhang.

Schon kamen die beiden Reiter heran.

Mehrere Yards vor dem Grabenrand zügelten sie die Pferde.

„Wenn ich den rothäutigen Bastard erwische, knalle ich ihn ab wie einen Kojoten“, schwor der eine voller Wut.

„Überlasse ihn doch Poroka“, meinte der andere. „Er wird dir dankbar dafür sein, Jay Fox.“

„Ich brauche seine Dankbarkeit nicht, York.“

Hart stampften die Hufe an Skys Versteck vorbei. Als die Reiter ihm den Rücken kehrten, schlich er weiter.

Nun hatte er den Kreis der Jäger durchbrochen. Wie ein Indianer schlich er auf den Zug zu. Unbemerkt erreichte er ihn und schob sich unter einen Wagen.

Reiter kamen am Zug entlang. Hufeisen klirrten über den Schotter.

Sky schmiegte sich in die Lücke zwischen den Schwellen. Als die Reiter vorbeigezogen waren, kroch er sofort weiter und erreichte die hintere Wagenplattform.

Kaltblütig richtete er sich auf und spähte umher. Als niemand herüberblickte, zog er sich lautlos wie ein Schatten auf die Plattform. Sekunden später war er im Inneren des Personenwagens, den die Banditen bereits durchsucht hatten.

Immer wieder kamen Reiter vorbei.

Niemand sah das schmale Gesicht mit den indianischen Zügen am Fenster. Sky beobachtete die Halunken und prägte sich die Gesichter ein.

Sky ging zu dem Platz, wo er und sein Vater gesessen hatten. Hier fand er ihre Gewehre. Nun konnte er sich verteidigen.

Vorsichtig spähte er hinaus und sah mehrere Banditen neben dem Viehwaggon. Einer lachte heiser auf. Die Halunken fühlten sich sicher.

Der Zug ähnelte einer zusammengeschossenen Festung. Überall lagen aufgefetzte Reisetaschen und Kleidungsstücke.

Im Galopp kamen die suchenden Banditen zurück. Alle rotteten sich am Zug zusammen.

Wieder erblickte Sky den langen, knochigen Mann mit den langen schwarzen Haaren.

Die Komplizen nannten ihn Poroka. Herrisch bewegte er die Hand.

Das Rudel jagte im gestreckten Galopp über die nächtliche Prärie. Im Mondschein blitzten die Hufeisen.

Sky wartete.

Vielleicht waren einige Banditen beim Zug zurückgeblieben und lauerten auf ihn.

Er wollte in keine Falle gehen und harrte lange aus. Schließlich schlich er im Wagen nach vorn und blickte hinaus, witterte in den Wind und betrat den nächsten Wagen.

Hier lag erschossen das Schoßhündchen eines Animiermädchens am Boden. Koffer waren aufgerissen. Seidentücher bewegten sich im Wind. Eine Patronenhülse schimmerte zwischen den Sitzbänken.

Sky glitt hinaus und lag wieder auf den Schwellen. Die Bande der Nachtfalken war nicht mehr zu sehen. Auch unter dem Zug und daneben war niemand zu entdecken.

Sky arbeitete sich nach vorn und entdeckte den Lokführer und den Heizer. Beide waren tot. Gespenstisch erhellte das Mondlicht die erstarrten Gesichtszüge.

Vorsichtig ging Sky zum Viehwaggon, zerrte den Riegel beiseite und öffnete die Tür.

Dan Oakland sprang ins Freie und nahm seine Volcanic Rifle entgegen.

Die Männer, Frauen und Animiermädchen kletterten aus dem Waggon und redeten durcheinander. Einer der Männer konnte die Lok bedienen.

Dan und Sky gingen mit ihm nach vorn.

Die Reisenden kehrten in die Wagen zurück. Schwarzer Rauch quoll über der Lok empor. Dan Oakland stapfte zurück und holte zwei Männer aus dem Zug. Sie mussten heizen.

Schließlich holten Dan und Sky ihre Pferde aus dem Waggon und saßen auf. Langsam ritten sie am Zug entlang und sahen die Gesichter hinter den zertrümmerten Fenstern.

Abseits zügelten sie ihre Pferde.

Der Zug rollte langsam an. Lichter wanderten an Dan und Sky vorbei. Stampfend und qualmend rollte der Zug nach Omaha weiter.

Als er in der Ferne verschwunden war, lauschte Dan dem singenden Draht der Telegrafenleitung.

„Sie werden an der nächsten Station die Nachricht vom Überfall durchgeben. Aber ich glaube, dass die Banditen die Telegrafenleitung irgendwo zerstört haben.“

„Willst du, dass wir ihnen folgen?“

„Ja, Sky. Wir müssen herausbekommen, wo die Bande sich versteckt. Wenn wir das wissen, kann die Union Pacific Soldaten anfordern und den Schlupfwinkel ausheben lassen.“

Vierzehn Nachtfalken ritten in die Berge.

Auf einsamen Wildpfaden zogen sie in ihr Versteck.

Mehrere Hütten standen auf einer bewaldeten Bergkuppe. Von hier aus hatten die Banditen einen weiten Blick über die Täler und die Prärie.

Am hellen und heißen Tag kamen sie in ihr Versteck und versammelten sich in einer der Hütten. Hier wurde die Beute zusammengetragen und ihr Wert geschätzt. Anschließend wurde sie aufgeteilt.

Lächelnd reichte der lange Poroka dem jüngsten Mitglied seiner Bande den Anteil.

„Freust du dich nicht, Bonnie? Was machst du für ein Gesicht?“

Bonnie zerrte unruhig an seinem blonden Haar und blickte Poroka aus blauen Augen unsicher an.

„Ach so“, dehnte Poroka, „du hast Bauchschmerzen wegen der Schüsse, wie?“

„Du hattest es mir versprochen, Poroka“, flüsterte Bonnie. „Keiner sollte erschossen werden, aber der Lok­führer und der Heizer sind ...“

„Vergiss es, Junge!“, unterbrach Poroka gelassen. „Sie sind in die Kugeln gelaufen. Wir haben den Zug schließlich anhalten müssen.“

„Bald werden sie uns überall suchen und jagen, Poroka.“

„Aber sie werden uns nicht finden, Kleiner“, entgegnete Poroka grinsend. Die Komplizen lachten bestätigend.

„Ich weiß nicht“, raunte der junge Bonnie, nahm seinen Anteil und verließ die Hütte.

Er wollte nicht als Mörder gelten. Er hatte Angst davor.

In der Hütte begannen die Komplizen zu trinken. ­Bonnie blieb draußen und versorgte die Pferde. Er war Mädchen für alles. Dennoch war Poroka sein Vorbild.

Jeder dieser Banditen hatte eine Vergangenheit. Da gab es Männer aus gutem Hause, die schlicht aus Langeweile auf den Weg der rauchenden Colts geraten waren. Die meisten hatten im Bürgerkrieg gekämpft. Es gab Nord- und Südstaatler in der Bande. Es gab Zyniker und sanfte Killer. Burschen, die nie eine Schule von innen gesehen hatten, und wieder andere, die Shakespeare lasen. Jeder hatte sein Leben und seine Zukunft in der Hand. Jeder war anders geartet, dachte anders über das Leben als sein Komplize. Aber sie alle hielten in ihrer Bande zusammen. Sie waren Nachtfalken. Banditen, die nachts Verbrechen verübten.

Und viele genossen diese nächtlichen Ritte, ihre prickelnde Gefahr.

Bonnie war ein junger Bursche, der von zu Hause ausgerissen war. Er wollte dennoch anständig bleiben und ahnte nicht, dass er schon auf der Rutschbahn nach unten war.

Auch Banditen hatten Illusionen. Aber das hinderte sie nicht, andere Menschen zu überfallen.

Poroka stammte aus dem Süden. Er war ein Halbblut, gerissen und tollkühn, dazu völlig skrupellos.

Hyam war eitel wie ein Frauenzimmer und putzte jeden Tag dreimal seine silbernen Sporen.

Jay Fox war ausgefüllt mit nie erlahmendem Hass.

Scott Hagman, ein dunkler Typ, war der Sohn eines Henkers.

York war der Sohn eines Kaufmanns aus St. Louis.

Der bullige Crocker war Sergeant in der Unionsarmee des Nordens gewesen.

Wannamaker hatte als Scout in der Armee gedient und gegen Indianer gekämpft, ein weißbärtiger Mann, der vom Skalpieren noch immer nicht genug hatte.

Jeder hatte seine Vergangenheit und trachtete nach Beute, um irgendwann und irgendwo ein neues Leben zu beginnen, womöglich als reicher und ehrenwerter Mann mit einer sanften ehrbaren Frau und gehorsamen Kindern.

Jemand kam aus der Hütte und legte Bonnie die Hand auf den Rücken. „Vergiss es, Bonnie“, sagte Mel Brown mit seiner sanften Stimme. „Kannst du mir die Stiefel putzen? Ich habe sie einem Reisenden ausgezogen. Sind doch schön, nicht wahr? Aus feinstem Leder.“

Bonnie blickte auf das Paar Stiefel und nickte. Er wusste längst, dass Mel Brown ein Stiefelnarr war. Mel Brown war auch ewig melancholisch, als hätte er alles Unglück der Welt auf sich geladen.

„Ja, gib her, ich mache sie dir blank.“

„Du bist in Ordnung, Bonnie.“

Langsam ging Bonnie weg, setzte sich auf einen Baumstumpf und putzte die erbeuteten Stiefel.

Die Sonne stach durch die Baumkronen. Dunst wehte durch die Täler. Tiefer Frieden umgab den Berg.

Gedankenversunken hockte Mel Brown vor einer Hütte und blickte in die Sonne.

Die Banditen ruhten sich aus. Stimmengemurmel drang aus der Hütte. Einmal lachte Poroka laut auf. Schließlich kam er zu Bonnie, setzte sich und betrachtete die blanken Stiefel.

„Für Mel Brown, wie?“

„Ja, Poroka.“

„Abends brechen wir auf.“

„Schon wieder? Wohin geht es denn diesmal?“

„In eine Stadt. Willst du mitkommen? Hardin und Cole bleiben.“

„Ich komme mit, Poroka.“

„Das habe ich gewusst. Vergiss nicht, mein Pferd zu striegeln, Junge.“

Poroka ging davon. Bonnie putzte weiter.

Langsam trotteten die beiden Pferde über die Bergflanke und folgten dem Pfad durch Licht und Schatten.

Der heiße Wind bewegte Dan Oaklands sandfarbenes Haar und spielte in Skys schwarzem Skalp. Irgendwo flatterte ein Kauz hoch.

Spuren beschlagener Pferde querten den Pfad.

Der Tag neigte sich dem Ende zu.

Dan und sein Sohn stiegen von den Pferden.

Horchend standen sie im roten Schein der untergehenden Sonne. Irgendwo klapperten Hufe durch die Einsamkeit.

Ernst blickte Dan seinen Sohn an. Sie sprachen kein Wort. Die kleinste Geste genügte ihnen, sich zu ­verständigen.

Sie nahmen die Pferde am Zügel und gingen weiter. Plötzlich entdeckten sie unter sich im Tal viele Reiter.

„Das sind sie.“

„Sie haben wohl nur gerastet.“

„Ihre Spur wird nicht so schnell verwischen, Sky. Reiten wir zum Lagerplatz der Bande.“

Sie ritten höher und entdeckten hinter den Bäumen die Hütten. Sofort saßen sie wieder ab und ließen die Pferde angeleint zurück.

Geduckt schlichen sie näher.

Vor den Hütten war niemand zu sehen.

Als sie um die Bergkuppe schlichen, sahen sie zwei Pferde unter den Bäumen.

Kein Geräusch kam aus den Hütten. Kein Herdrauch verriet Leben.

Hardin und Cole hockten schläfrig in einer Hütte. Vor ihnen auf dem Tisch lagen die Colts. Einige geleerte Whiskeyflaschen standen daneben. An der Bretterwand hing ein Gemälde, das die Banditen auf einem der früheren Raubzüge erbeutet hatten.

Die Sattelpferde vor der Hütte stampften.

Die Abendsonne strahlte in die Hütte hinein. Auf mehreren Schlaflagern lag ein Teil des Raubguts.

Langsam stemmte Hardin sich am Tisch hoch, gähnte und trat ins Freie. Suchend blickte er in das Tal hinunter, kam wieder herein, nahm seinen Colt und verließ erneut die Hütte.

„Wir sind Narren“, sagte er. „Warum sind wir eigentlich nicht mitgeritten? Poroka und die anderen werden ihren Spaß haben.“

„Du denkst an die Mädchen in der Stadt, wie?“, fragte Cole und blieb sitzen.

„Ja. Zentnerschwere Weiber.“ Hardin kratzte sich mit dem Coltlauf auf dem Rücken. „Weißt du, ich will mir später in Missouri einen Saloon kaufen, so eine richtig große Tränke.“

„Dann wirst du dich zu Tode saufen.“

„Na, und? Wir sterben alle einmal, hat Mel Brown gesagt. Es kommt nur auf das Wie an.“

„Wir werden alle an Blei krepieren“, unkte Cole. „Irgendwann erwischt es uns.“

Hardin winkte ab und trat weiter in die Abendröte hinaus. Er hielt den Colt in der gesenkten Hand und blickte umher, atmete den Bergwind ein und hörte die Pferde stampfen.

Als er sich umdrehte, sah er den schlanken Sky neben der Hütte stehen. Das Gewehr in Skys Händen war auf ihn gerichtet. Hardin wagte keine Bewegung. Aus geweiteten Augen starrte er auf Sky.

In der Hütte hockte Cole und wartete auf Hardin. Wie viele Banditen hatte auch er einen Horror vor dem Alleinsein. Er konnte die Stille nicht ertragen.

„Komm rein, Hardin. Ich glaube, da sind noch ein paar Flaschen.“

Jetzt erschien auch Dan Oakland neben der Hütte. Lautlos schob er sich auf die andere Seite zur Tür.

Sie wollten die Banditen nicht töten.

„He, Hardin! Komm endlich rein. Warum antwortest du nicht?“

Doch der Bandit schwieg, von Sky in Schach gehalten.

In der Hütte erhob sich Cole mürrisch.

Jeden Moment musste er ins Freie kommen.

Sky duckte sich zum Sprung. Sein Vater hielt die Volcanic bereit und erwartete den Banditen an der Tür.

Da schrie Hardin schrill. „Bleib in der Hütte! Hier sind ...“

Weiter kam er nicht. Sky schnellte auf den Platz hinaus und schlug zu.

Bewusstlos brach Hardin zusammen. Gleichzeitig stürmte Dan in die Hütte, prallte gegen den Tisch, stieß ihn um und hatte Cole auch schon gepackt. Als Cole sich zur Wehr setzte und nach der Waffe greifen wollte, die am Boden lag, stieß Dan ihn gegen die Hüttenwand, dass es dröhnte. Sekunden später hatte er Cole aus der Hütte geworfen.

Schon stand Sky neben Cole und hielt das Gewehr auf den Banditen gerichtet.

Dan stapfte heran und blickte Cole düster an.

„Wohin sind die anderen geritten? Antworte!“

„Nein“, fauchte Cole. „Dann bringt ihr mich um.“

„Das werden wir nicht tun. Wir nehmen dich mit. Also, wohin?“

„Ich sage nichts. Kein Wort“, krächzte Cole. „Geht zum Teufel!“

Dan wollte nicht glauben, dass unter den Banditen ein so starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit herrschte.

„Du wirst reden“, sagte er. „Ihr habt den Zug überfallen und Lokführer und Heizer erschossen. Das reicht für den Galgen. Aber wir wollen euch eine Chance geben. Die Union Pacific wird über euch Gericht halten. Wenn wir ein gutes Wort einlegen, werdet ihr nicht hängen. Also, rede!“

„Eine Chance?“ Cole starrte in den Abendhimmel. „Ja“, flüsterte er, „eine Chance. Ich will nicht sterben. Wenn man mich reden lässt, muss man wissen, wer ich bin und woher ich komme. Ich sehe es ganz deutlich vor mir, unser altes Haus am Fluss.“

Coles Züge hatten sich verändert.

Dan dachte: So muss er wohl als Junge ausgesehen haben.

„Wenn das Gericht der Union Pacific mich anhört ...“ Cole überhastete sich mit seinen Versicherungen. „Das Gericht wird hören, woher ich komme, und danach wird es seinen Spruch und sein Urteil fällen.“

Sky wandte sich ab und ging in die Hütte, um Stricke zu suchen.

„Na, los jetzt“, forderte Dan den Banditen auf. „Ich höre.“

Vater und Sohn achteten in diesen Augenblicken nicht auf Hardin, der von Sky niedergeschlagen worden war. Der Hieb war nicht hart gewesen. Hardin kam schnell wieder zu sich und sah seinen Colt dicht vor sich am Boden liegen. Unendlich langsam griff er danach.

Dan beugte sich eben über Cole und zog ihn hoch.

„Antworte!“

„Wohin?“, krächzte Cole. „Also gut, ich sage es. Ich will nicht hängen.“

Cole fühlte sich in die Enge getrieben.

In diesem Moment hob Hardin den schweren Colt an und wollte auf Dan Oakland schießen.

Als Cole noch immer zögerte, schüttelte Dan den Banditen heftig und zerrte ihn dabei halb herum. Genau in dieser Sekunde krachten die Schüsse. Das Blei traf Cole und ließ ihn gegen Dan stürzen. Schlaff rutschte Cole aus Dan Oaklands Griff.

Als Hardin erneut schoss, warf Dan sich hin.

Aus der Hütte feuerte Sky. Er traf Hardin tödlich.

Laut hallte der Knall der Schüsse durch die Bergwelt. Pulverrauch wehte über den Platz vor den Hütten.

Dan richtete sich auf, und Sky kam hervorgeschnellt.

Bitter schüttelte Dan den Kopf.

„Sie sind tot, Sky. Mach dir keine Vorwürfe, mein Junge. Du konntest nicht anders handeln.“

Schweigend begruben Dan und Sky die beiden Banditen. Dann durchsuchten sie die Hütten, fanden aber nichts, was ihnen verraten hätte, wohin die Nachtfalken geritten waren.

Sie ließen die Pferde der Banditen ohne Sattel und Zaumzeug frei und ritten vom Berg.

Die Fährte würde Dan und Sky in eine Stadt führen.

Auf müden Pferden ritten Poroka und seine Komplizen über die Straße von Smoky Hill.

Vom Fluss wehten feuchte Nebelschwaden herüber und zogen wie Dampf durch die Lichtbahnen der Saloons.

Smoky Hill war in diesen wilden Tagen des Bahnbaus eine Stadt rauchender Colts. Hier gab es mehr Gesindel als anderswo im Westen. Smoky Hill war Tummel­platz zweibeiniger Wölfe, eine Stadt der Banditen, Spieler, Animiermädchen und käuflichen Ladies. Hier trafen sich ehemalige Soldaten, Satteltramps und viele ­Männer, die während des Bahnbaus krank ­geworden waren, für die die Union Pacific keine Verwendung mehr hatte.

Wer in dieser Stadt leben wollte, musste erst allen anderen zeigen, wie stark er war.

In Smoky Hill galt das Recht des Stärkeren.

Die Stadt lag abseits des Schienenstrangs. Hier tauchten auch immer wieder Indianer auf, die dem Feuer­wasser verfallen waren. Sie hatten ein eigenes Lager vor der Stadt, zerschlissene Zelte, brüchige Tipis, vor denen sich die leeren Flaschen häuften.

Diese Stadt war genau richtig für Poroka und seine Nachtfalken.

Jeder in Smoky Hill fürchtete nur eins, dass überraschend die Armee auftauchte.

Vor dem Saddle Saloon rutschten die Banditen von den Pferden und leinten sie an. Jeder zog sein Gewehr aus dem Scabbard. Dann stürmten sie schießend in den Saloon, jagten das Blei in die verräucherten Wände und zwangen alle Anwesenden unter umgestoßene Tische in Deckung.

Reglos standen sie im Pulverqualm.

Whiskey tropfte zu Boden.

„Poroka!“, schrie plötzlich der Keeper hinter der Theke. „Willkommen in Smoky Hill. Kommt her, trinkt!“

Sporenklirrend schritten die Banditen durch den Saloon. Hart knirschte Glas unter den Stiefeln. Lärmend umstanden sie die lange Theke.

Hyam zog ein Tuch hervor und putzte die silbernen Sporen blank.

Whiskeyflaschen schlitterten über den Tresen.

Zögernd tauchten die anderen Gäste hinter den Tischen auf, stellten sie wieder auf und setzten sich.

Sofort waren die Animiermädchen am Tresen und tranken mit den Banditen. Lautes Gebrüll schallte auf die Straße. Kreischendes Gelächter schrillte hinaus. Wild zertrümmerten die Banditen die Flaschenhälse und tranken, ohne das gesplitterte Glas an die Lippen zu setzen.

Wenig später wussten es alle in Smoky Hill, dass Poroka mit seinen Nachtfalken gekommen war.

Draußen vor dem Saloon versammelten sich mehrere Männer, schrien im Chor und warteten auf eine Einladung.

Gebeugt schlichen Indianer umher.

Zu später Stunde kamen Poroka und die anderen angetrunken aus dem Saloon und schwankten zum Bordell. Nur Bonnie und zwei weitere Komplizen gingen zu den Pferden und brachten sie in einen Stall.

Im Bordell traf Poroka alte Bekannte.

Die schwarzhaarige Lynda umarmte ihn. Dann hatten sie sich einiges zu erzählen.

Plötzlich wurde Lynda ernst.

„Poroka, bleibst du länger?“

„He, warum fragst du, Darling? Willst du mich nicht haben?“

„Doch, Poroka. Aber ich habe ’ne Neuigkeit. Vor zwei Tagen war ein Freier hier, der war stockbesoffen und faselte immerzu was von einem Zug voller Politiker, die angeblich prüfen wollen, wie weit der Bahnbau ist. Aber das würde dich ja wohl nicht reizen, wie? Nein, Poroka, diesmal ist es was Besonderes. Diese Politiker haben eine Menge Bucks zu Hause. Die sind reich, verstehst du? Und wenn nicht, wird’s da immer Leute geben, denen die Burschen eine Stange Geld wert sind.“

Poroka schluckte mehrmals trocken.

„Was willst du damit sagen, Lynda?“, flüsterte er heiser. „Soll ich die Kerle schnappen und Lösegeld verlangen?“

„Hör zu. Der Zug kommt aus dem Osten, aus Omaha. Die Politiker sollen auch was mit der Einteilung der Reservate für die Indianer zu tun haben. Sie wollen im Westen den Rothäuten Land wegnehmen lassen. Ich habe mal zwei Politiker in Saint Louis kennengelernt. Poroka, die gehen über Leichen, wenn sie einen guten Schnitt machen können.“

Poroka grinste.

„Oh, Baby, dich habe ich wohl immer unterschätzt. Danke für den Tipp.“

„Ein Anteil ist mir lieber, Poroka.“

„Sollst du kriegen, Baby. Doch ich muss mir schon jetzt überlegen, wo ich die verdammten Burschen sicher unterbringen kann.“

„Ich kenne ein Haus, Poroka, das steht mitten in der Prärie. Es ist verlassen.“

„Well, wir müssen Proviant hinbringen. Wann soll der Zug kommen? Hält er irgendwo auf der Strecke?“

„Sicher, mein Freund. Ich hole eben die Karte.“

Lächelnd legte Poroka sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und streckte die langen Beine aus.

„Der größte Coup meines Lebens“, murmelte er vor sich hin.

Vor Dan Oakland und seinem Sohn Sky tauchten die Häuser von Smoky Hill auf.

Im Morgengrauen machte die Stadt einen ausgestorbenen Eindruck.

Sie wussten nicht, was in dieser Stadt vorging. Sie hatten noch nie von ihr gehört.

Ernst blickte Dan durch das Frühlicht. Er und Sky suchten keinen Kampf. Sie wollten nur feststellen, wo die Bande der Nachtfalken für längere Zeit blieb.

Die Stadt sah aus wie jede andere. Langsam ritten Dan und sein Junge über den staubigen Weg und hatten noch immer die Fährte der Banditen vor sich. Am Stadtrand zügelten sie die Pferde und blickten die Straße hinauf. Abfall häufte sich vor den Häusern. Auf den Gehsteigen schliefen Betrunkene. Rechts von ihnen hockten Indianer vor den Zelten und starrten in die flackernden Flammen eines Lagerfeuers. Aus irgendeinem Stall brüllte Vieh.

„Wechsle die Straßenseite, Sky.“

Sky lenkte sein Pferd zum anderen Gehsteig.

Sie ritten weiter und näherten sich dem Saddle Saloon. Hier endeten alle Spuren. Alte Frachtwagen standen auf Hinterhöfen. In einem Stangenkorral waren Maultiere. Weit und breit waren keine Sattelpferde zu entdecken.

Dan erreichte den Saloon und stieg ab. Mit der Rifle in der Faust stapfte er auf den Plankensteg. Drüben verhielt Sky wachsam und entschlossen.

Mit leisen Schritten schob Dan sich in den halbdunklen Saloon. Kalter Rauch und der Geruch von verschüttetem Whisky schlugen ihm entgegen.

Zwei Betrunkene lagen unter den Tischen.

Abseits entdeckte Dan ein Animiermädchen in einem zerfetzten Kleid. Die Schminke auf dem Gesicht wirkte wie eine Maske. Laut gähnend richtete sich das Mädchen auf und schleppte sich zur Theke, langte nach einer Flasche und trank.

Mürrisch winkte es ab, als sei Dan lästig.

„Hau ab. Hier ist nichts los. Lass mich in Ruhe.“ Ihre Stimme klang müde. „Mann, war das ein Fest. He, du sollst abhauen.“

„Ich suche Poroka“, sagte Dan ruhig.

„Poroka? Was willst du von ihm?“

Das Animiermädchen drehte sich mit der Flasche in der Hand um und starrte Dan neugierig an. „Was bist du für einer? Siehst aus wie ein Trapper. Poroka hat nichts von dir gesagt.“

„Wir kennen uns. Wo finde ich ihn und die anderen?“

Abfällig verzog das Mädchen den Mund.

„Lass mich in Ruhe, Mann. Such ihn doch.“

„Und wo sind die anderen?“

„Weg. Weiß der Henker, wohin. He, bist du ein Freund von Poroka?“

„Sein bester.“

„Ach so.“ Sie trank und wischte mit dem Arm über den Mund. „Also Poroka ist zu Lynda gegangen. Nach drüben. In das Haus da. Mehr weiß ich nicht.“

Dan ging hinaus und atmete tief ein. Mit dem Pferd am Zügel überquerte er die Straße. Sky folgte ihm. Staub wehte durch die Stadt. Fensterluken klapperten monoton im Morgenwind.

„Warte hier, Sky.“

„Pass auf dich auf, Dad. Ich habe kein gutes Gefühl. Die Stadt ist böse.“