Das Beste an meinem Ex war ich - Silke Neumayer - E-Book
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Das Beste an meinem Ex war ich E-Book

Silke Neumayer

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Beschreibung

Eine Scheidung kann so romantisch sein Eigentlich sollte es eine entspannte Reise werden: Lottes Tochter heiratet auf Mallorca, und Lotte freut sich auf eine Auszeit am Strand. Doch dann die böse Überraschung: Ihr nerviger Ex-Mann Carl taucht plötzlich im Hotel auf, dabei sollte er mit einem Bandscheibenvorfall ans heimische Bett gefesselt sein. Neben Carl und seiner viel zu jungen neuen Frau Isabell im Badeanzug am Strand zu liegen kommt Lottes Vorstellung von Hölle ziemlich nah. Doch ewig kann man sich nicht mit vorgetäuschter Sonnenallergie auf dem Hotelzimmer verstecken – und Lotte muss sich nicht nur ihrem Ex stellen, sondern auch noch einem anderen, zugegebenermaßen äußerst attraktiven Stolperstein …

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Das Beste an meinem Ex war ich

Die Autorin

SILKE NEUMAYER, geboren 1962 in Zweibrücken, ist Drehbuchautorin für Film und Fernsehen und Bestsellerautorin. Sie fliegt gerne und oft nach Mallorca und findet, die wunderschöne Insel ist immer wieder für eine Überraschung gut. Silke Neumayer lebt alleinerziehend mit ihrer Tochter in München.

Das Buch

Eine Scheidung kann so romantisch sein!Eigentlich sollte es eine entspannte Reise werden: Lottes Tochter heiratet auf Mallorca, und Lotte freut sich auf eine Auszeit am Strand. Doch plötzlich taucht ihr nerviger Ex-Mann Carl im Hotel auf, dabei lag er eben noch mit Bandscheibenvorfall flach. Und Carl hat seine neue, viel zu junge und schlanke Frau Isabell dabei. Neben ihr im Badeanzug am Strand zu liegen, kommt Lottes Vorstellung von der Hölle ziemlich nah. Doch irgendwann muss Lotte sich nicht nur ihrem Ex stellen, sondern auch noch einem anderen, zugegebenermaßen äußerst attraktiven Stolperstein …Großartige Unterhaltung für alle, die manchmal reif für die Insel sind - von Bestsellerautorin Silke Neumayer!

Silke Neumayer

Das Beste an meinem Ex war ich

Roman

Ullstein

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Originalausgabe im Ullstein Paperback© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Foto der Autorin: © Susanne JellVignette erstellt von brgfx - de.freepik.comE-Book Konvertierung powered by pepyrus.com ISBN: 978-3-8437-2476-0

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

 

»In einer halben Stunde landen wir planmäßig auf dem Flughafen von Palma de Mallorca. Das Wetter ist wie vorhergesagt. 26 Grad. Leichte Wolken. Schwacher Wind aus Nordost. Wenn Sie mich fragen, ideales Urlaubswetter.

Wir wünschen Ihnen noch einen schönen und angenehmen Flug. Bitte bleiben Sie bis zur Landung angeschnallt. Wir überfliegen in den nächsten fünfzehn Minuten noch ein kleines Gebiet mit leichten Turbulenzen. Der Service an Bord wird davon nicht beeinträchtigt.«

Turbulenzen! Auch das noch. Lotte krallte sich mit der linken Hand an der Lehne fest. Rechts ergriff sie die Hand ihrer Schwester Lissy, die auf dem Fensterplatz neben ihr saß.

Lotte war eigentlich eine eher furchtlose Person, und Fliegen an und für sich machte ihr auch nicht wirklich etwas aus. Aber bei Turbulenzen hatte sie des Öfteren das Gefühl, sie würde jetzt ganz gerne einfach mal kurz aussteigen und sich die Beine auf festem Boden vertreten, bevor es rüttelnd und schüttelnd weiterging.

So eine kurze Zwischenlandung bei Turbulenzen für ein paar Snacks, die nicht Gefahr liefen, auf der Bluse zu landen, und für ein kurzes Alles-ist-gut-Gefühl wäre echter Service, für den Lotte auch gerne deutlich mehr bezahlen würde.

Sie hatte nicht richtig Angst, aber ihr Magen krampfte sich etwas zusammen, und ihr Kopf spielte das Was-wäre-wenn-Spiel. Was wäre, wenn das Flugzeug jetzt doch …? Was wäre, wenn es das jetzt mit ihrem Leben und der Liebe gewesen wäre …? Was wäre, wenn sie ihre Tochter nie mehr wiedersehen würde …? Und was würde aus all den Pflanzen in ihrer kleinen Gärtnerei werden, die sie zusammen mit Lissy von ihrem Vater geerbt hatte und die niemand so liebevoll pflegen konnte wie sie und ihre Schwester?

Lotte und Lissy waren quasi mit einem grünen Daumen geboren worden. Ihre kleine Gärtnerei war schon seit Jahren in Familienbesitz. Aber so wie es aussah, würde Lottes Tochter die Familientradition wohl nicht weiterführen.

Das Flugzeug rüttelte für ein paar Minuten etwas weniger, und Lotte hatte plötzlich genug von dem flauen Gefühl in ihrem Magen und ihrem Kopf und wurde stattdessen leicht gereizt.

Leicht gereizt zu sein war im Grunde genommen Lottes normale Gemütsverfassung.

Sie wachte meistens am Morgen etwas genervt auf, zur Mittagspause hatte sich das dann schon in ein leises grollendes »Grrrrrrrr« verwandelt, und gegen Abend war es manchmal am besten, Lotte nicht mehr deutlich zu widersprechen oder sie überhaupt nicht anzusprechen oder ihr gleich ganz aus dem Weg zu gehen.

Lotte fand ihren leicht gereizten Gemütszustand hier oben bei Turbulenzen in der Luft genauso wie am Boden zumeist mehr als berechtigt.

War ihr Leben nicht turbulent genug? Reichte das dem Schicksal nicht? Musste es sie auch noch hier in der Luft durcheinanderschütteln?

Seit ihrer Scheidung von Carl vor sieben Jahren fühlte Lotte sich eigentlich für den Rest ihres Lebens genug durchgeschüttelt. Nach 27 Jahren Ehe mit Mitte vierzig für eine deutlich jüngere Frau so mir nichts, dir nichts verlassen zu werden ist etwas, das wohl keine Frau einfach mal eben so wegsteckt.

Und dabei hatte Lotte sich ihrer Tochter zuliebe immer bemüht, das alles möglichst entspannt zu überstehen und mit Carl, ihrem Ex und Vater von Emma, nicht in einen totalen Rosenkrieg zu geraten. Oder sie hatte es zumindest versucht, das mit dem Waffenstillstand und das mit der entspannten Sichtweise von Affäre, Betrug und Scheidung.

Das gelang Lotte natürlich nicht so wirklich, aber niemand, der Lotte näher kannte, wollte ihr diese Illusion nehmen.

Die Maschine begann als Antwort auf Lottes leichte Gereiztheit wie ein Kuhschwanz beim Melken zu wackeln. Lotte hielt den Becher mit Wasser, der vor ihr auf dem Tablett stand, fest.

Lissy drückte ihr die Hand.

»Tief durchatmen, Liebes. Entspann dich. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Möchtest du noch ein paar Tropfen?«

Lissy hielt Lotte ein Fläschchen mit CBD-Öl unter die Nase.

Von diesem Öl hatte sie Lotte schon vor dem Start ein paar Tropfen auf die Zunge geträufelt. Als Prophylaxe sozusagen. Lissy kannte ihre Schwester eben ziemlich gut.

Lissy war fünf Jahre jünger als Lotte und in vielen Dingen so ziemlich das Gegenteil von ihr. Auf jeden Fall war Lissy meistens sehr entspannt. Schließlich beschäftigte sie sich ja auch ausgiebig mit allen möglichen oft leicht esoterisch angehauchten Trends. Wenn Lotte mal wieder besonders gereizter Stimmung war, dachte sie, dass Lissy sich mit Unsinn beschäftigte. Lissy hatte wohl einfach zu viel Zeit für unnötige Dinge.

»Hier, nimm einfach noch welche. Du machst mich ganz nervös, so nervös, wie du bist … Mund auf.«

Das CBD-Öl, Cannabisöl oder auch Hanföl, war Lissys neueste Wunderwaffe, um Lotte von 180 auf 128 zu bekommen. Laut Hersteller sollte das Öl auf keinen Fall high machen, aber trotzdem eine entkrampfende, entzündungshemmende und angstlösende Wirkung haben. Davon hatte Lotte zwar nichts gemerkt, aber Lissy zuliebe tat sie oft so, als würde das, was Lissy gerade an ihr ausprobierte, seine volle Wirkung in Sekundenschnelle entfalten.

So entspannt, wie Lissy manchmal war, hatte Lotte im Übrigen das Gefühl, dass sie vielleicht doch das richtige Zeug zu sich nahm und nicht nur das von psychoaktiven Substanzen befreite Öl.

Lotte schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen.

»Ich brauche keine Tröpfchen, ich brauche jetzt was Gescheites.« Lotte war so durchgeschüttelt, sie hatte keine Kraft, so zu tun, als wäre sie relaxed.

Lotte wandte sich an den Steward, der gerade Saft durch den Gang schubste.

»Könnte ich bitte einen Gin Tonic haben?«

»Aber gerne. Macht zwölf Euro 95, und wir akzeptieren kein Bargeld.«

Auch das noch. Und auch noch völlig überteuert.

Lotte fummelte nach ihrem Geldbeutel. Sie war alt genug, um sich noch daran zu erinnern, dass es früher mal Getränke – auch Alkohol – kostenlos im Flugzeug gegeben hatte. Warum konnten die Airlines nicht einfach jedes Ticket zehn Euro teurer machen und dafür die Getränke frei? Man kam sich ja vor wie in einem Supermarkt in drei Kilometer Höhe. Kein Wunder, dass die Menschen immer gereizter wurden.

Lotte fummelte weiter nach dem Geldbeutel, der in ihrer Handtasche eingeklemmt war, die wiederum unter dem Vordersitz eingeklemmt war, und stieß sich dabei den Kopf an der Rückenlehne vor ihr an.

Grrrrrrrrrr.

Lotte hatte endlich Geldbeutel und Kreditkarte gefunden, bezahlt und schüttete den Gin in den Becher mit Tonic.

Lissy blickte auf die Uhr in ihrem Handy und zog ihre linke Augenbraue ganz leicht nach oben.

»Es ist 11.56 Uhr.«

»Irgendwo ist immer Happy Hour«, antwortete Lotte etwas schnippisch und genehmigte sich einen großen Schluck.

»Und ich bin nicht nervös. Nicht wegen dem bisschen Gerüttel. Wenn, dann bin ich genervt, weil meine Tochter in zwei Wochen heiraten will. Und das mit 23. Das wärst du auch, wenn deine Tochter viel zu jung in zwei Wochen heiraten würde.«

Lissy blickte Lotte an. Lotte hatte das leichte Gefühl, Lissy war jetzt auch nicht mehr ganz so entspannt wie sonst.

Lissy holte tief Luft und sagte: »Erstens habe ich leider keine Tochter, und das nicht freiwillig, wie du ganz genau weißt. Und zweitens ist Emma wie eine Tochter für mich, was du auch ganz genau weißt. Und das nicht nur, weil ich die Patentante bin. Und drittens, finde ich, solltest du mehr auf das Karma vertrauen.«

Lotte nahm noch einen Schluck. Sie konnte das jetzt wirklich gut gebrauchen, merkte sie.

»Also, wenn deine Theorie mit dem Karma stimmt, muss ich in meinen letzten Leben eine Massenmörderin gewesen sein oder so.«

Lissy träufelte sich selbst noch ein paar CBD-Tropfen unter die Zunge, atmete einmal tief ein und aus und meinte dann zu Lotte: »Könnte sehr gut sein. Ich kenne da jemanden, der macht Rückführungen in deine früheren Leben, falls du das mal näher ergründen willst.«

Lissy hatte ja durchaus recht. Das eben war gemein von Lotte gewesen. Lissy konnte keine Kinder bekommen und war nicht eben glücklich darüber. Und ihre Schwester war die beste Tante, die man sich für sein Kind nur wünschen konnte.

Seit ihrer Scheidung erkannte Lotte sich selbst manchmal nicht mehr wieder.

Lotte konnte wirklich wegen einer Kleinigkeit hochgehen wie eine Rakete. Von null bis zum Mars in zwei Sekunden.

Sie sollte bei der NASA anheuern. Mit ihrer Gereiztheit könnte man jede Rakete in Sekundenschnelle auf den Mond bringen. Auf jeden Fall sollte sie nicht allzu oft Kundenkontakt haben. Das hatten die beiden Schwestern nach einem kleinen Vorfall in der Gärtnerei gemeinsam beschlossen.

Ein Kunde wollte eine winterharte Palme für seinen Vorgarten kaufen. Lotte musste ihm erklären, dass in Deutschland im Winter leider keine Palmen im Freien überleben. Er könnte also entweder seinen Vorgarten in die Tropen verlegen oder eine Palme in einem großen Topf kaufen und sie im Herbst für 250 Euro in der Gärtnerei bis zum nächsten Frühling abstellen. Der Kunde war empört über die 250 Euro und zeigte Lotte auf seinem Handy ein Foto vom Grundstück seines Nachbarn, auf dem seit Jahren eine Palme gedeihen würde. Und so was wollte er auch.

Lotte blickte auf das Foto.

Darauf war ein schöner üppiger Bambus zu sehen. Genau genommen handelte es sich um Fargesia murielae Jumbo, absolut winterhart.

Lotte seufzte und sagte: »Das ist keine Palme. Das ist Bambus. Haben Sie keine Augen im Kopf?«

Daraufhin wurde der Kunde auch leicht gereizt und bestand darauf, dass das Grünzeug eine Palme war. Die Frau seines Nachbarn hatte die Palme als Setzling von La Gomera mitgebracht und war sehr stolz auf diese Urlaubserinnerung im Vorgarten. Und er wollte jetzt auch so was. Ohne nach La Gomera zu fliegen. Und das hier war doch eine Gärtnerei. Und er wollte jetzt die Chefin sprechen, da Lotte offensichtlich von Palmen keine Ahnung hatte und sicher nur irgend so eine Aushilfskraft war.

Lotte spürte die Schlagadern an ihrem Hals leicht anschwellen. Sie wollte gerade dem Kunden ihren Blumenkübel mit frischer Erde, den sie die ganze Zeit in den Händen hielt, über den Kopf stülpen, damit er endlich aufhörte, dummes Zeug zu reden, da sprang Lissy gerade noch rechtzeitig ein.

Sie stand wie von Zauberhand plötzlich zwischen Lotte und dem Kunden, griff elegant nach dem Blumenkübel und sagte lächelnd zu dem Kunden: »Kein Problem. Sie kriegen Ihre Palme. Kommen Sie einfach mit in den Außenbereich, ich habe dahinten in der Ecke einige ganz wunderschöne Exemplare. Ich bin sicher, sie werden Ihnen gefallen.«

Lissy blickte Lotte eindringlich an und entwand ihr den Kübel. Lotte ließ widerstrebend los, und Lissy verkaufte dem glücklichen Kunden schließlich eine eins fünfzig hohe »Bambuspalme« für über hundert Euro.

Nach diesem kleinen Vorfall hatten die beiden Schwestern ein längeres Gespräch. Über Kundenservice, Gelassenheit, Achtsamkeit, eventuell tägliche Meditation. Das war das, was Lissy empfahl.

Über doofe Kunden. Eingebildete Lackaffen. Komplett Irre. Absolut Ahnungslose. Das war so, wie Lotte die Sache sah.

Am Ende konnten sich die Schwestern darauf einigen, dass Lotte im Moment etwas weniger Kundenkontakt ganz guttun würde und sie mehr mit den Pflanzen als mit den Kunden sprechen sollte. Die Pflanzen widersprachen Lotte nicht ganz so häufig, wie Menschen das zu tun pflegten.

Lissy nahm vorsichtshalber noch einmal zwei Tropfen von dem CBD-Öl und meinte dann weiter: »Auf jeden Fall bist du nervig, undankbar, und du übertreibst. Und du solltest dich einfach nur freuen, dass deine Tochter ihre große Liebe gefunden hat.«

Lotte wusste ja selbst, dass sie seit der Scheidung nervig war. In Deutschland gab es pro Jahr mehr als 150 000 Scheidungen, da war sie jetzt mal wirklich kein Einzelfall. Außerdem war ihre Trennung ja auch schon so lange her, sieben Jahre, um genau zu sein. Also gab es mittlerweile schon über eine Million mehr getrennte Paare, da sollte sie sich wirklich nicht mehr so anstellen.

Lotte seufzte auf und blickte Lissy reumütig an.

»Du hast recht. Tut mir leid, Lissy. Das eben war echt blöd, ich weiß doch, wie gerne du selbst ein Kind hättest. Ich weiß gar nicht, was ich manchmal ohne dich machen würde.«

»Du würdest verhungern, weil du alle Kunden vergraulen würdest.«

»Dann würde ich Kartoffeln, Gemüse und Obst anbauen und mich einfach nur noch davon ernähren«, gab Lotte zurück.

Lissy nahm Lotte einfach den Gin Tonic weg.

»Du musst nachher noch Auto fahren, meine Liebe. Du weißt, wie ungerne ich mich im Ausland ans Steuer setze.«

Lissy übergab den noch fast vollen Becher mit dem Gin Tonic dem Steward, der ihn einfach in den Müllsack warf und mit seinem Wägelchen weiterfuhr.

Lotte blickte dem Gin sehnsüchtig hinterher. Aber Lissy hatte recht. Sie hatten einen Leihwagen gemietet und mussten noch ein paar Kilometer bis zum Fincahotel fahren, bevor sie sich an den Pool legen konnten.

»Ich freue mich übrigens auf den Pool. Der sah echt schön aus. Und ja, ich sollte mich auf die Hochzeit freuen. Auch da hast du recht. Und außerdem kann ja Carl mit Isabell wegen dem Bandscheibenvorfall nicht kommen. Das ist doch wirklich sehr schade, dass Emma ihre Hochzeit so ganz ohne ihren Vater und seine unglaublich junge neue Frau mit den überaus definierten Oberarmen feiern muss.«

Lotte konnte sich diese Bemerkung jetzt echt nicht verkneifen. Und bei dem Gedanken, dass diesmal ihr Ex-Mann mitsamt neuer Frau nicht wie sonst an allen größeren Familienfeiern teilnehmen konnte, hob ihre Stimmung durchaus erheblich.

»Lotte!«

»Was denn? Etwas Schadenfreude darf doch sein. Es gibt schließlich gute Schmerzmittel. Ich bin sicher, Carl muss nicht allzu heftig leiden, und Isabell ist bestimmt eine ganz wundervolle Krankenschwester. Die kann ihn absolut problemlos ins Bett heben und wieder heraus, so durchtrainiert, wie die ist.«

»Charlotte!« Lissy zischte als Antwort Lottes vollen Namen.

Das war ein sicheres Zeichen, dass es jetzt doch besser war, den Mund zu halten. Auch Lissy – normalerweise die Ausgeglichenheit in Person – konnte ab und an die Zähne zeigen, falls es Lotte allzu sehr übertrieb. Und Lissy konnte das Thema Carl und Isabell nicht mehr so gut hören. Wahrscheinlich, weil sie es in den letzten Jahren ständig hatte hören müssen.

»Bin ja schon ruhig. Ich freue mich einfach. Ich habe wochenlang gedacht, ich muss die ganze Zeit neben Carl und Isabell am Pool oder am Strand liegen. Keine schöne Vorstellung, wie du dir denken kannst. Und dann kam in letzter Minute sozusagen dieser kleine Vorfall mit der Bandscheibe. Ein Wunder! Der Himmel hat ein Einsehen! Endlich mal eine Familienfeier ohne die ganze Familie. Und dann noch auf Mallorca. Du hast völlig recht, ich brauche gar keinen Gin oder die Tropfen. Ich muss nur an Carls Bandscheibenvorfall denken, und schon ist die Welt in Ordnung. Absolut und vollkommen in Ordnung.«

Lotte war echt ein Stein vom Herzen gefallen, als sie erfahren hatte, dass Carl leider doch nicht zur Hochzeit seiner einzigen Tochter kommen konnte.

Die gemeinsamen Familienfeiern, die sie Emma zuliebe pflichtschuldigst in den letzten Jahren absolviert hatte, waren für Lotte der blanke Graus gewesen.

Weihnachtsfeiern, die sie nur mithilfe von viel Glühwein überlebt hatte. Ostern gemeinsam brunchen – Lotte hätte sich am liebsten in einen Hasen verwandelt und wäre davongehoppelt. Emmas Geburtstagsessen – Lotte hatte vorsichtshalber ein paar Fotos von ihren Lieblingspflanzen gemacht und die Bilder unter dem Tisch immer wieder heimlich angeschaut, um sich zu beruhigen. Einmal ging sie sogar auf die Toilette, um dem Abbild einer Zamioculcas zamiifolia heimlich ihr Leid zu klagen.

Und dann war da noch Carls fünfzigster Geburtstag, der natürlich groß gefeiert wurde und zu dem sie selbstverständlich auch eingeladen war. Lotte hatte sich so mit Rotwein abgefüllt, dass sie sich später zu Hause heimlich übergeben hatte.

Es war ja »so großartig«, dass sie und Carl sich als Eltern noch so gut verstanden. Gerne hätte sie ab und zu Isabell etwas Pflanzendünger in den Champagner gegeben, aber Lotte war ja keine Mörderin. Sie war nur die verletzte und versetzte Ex-Frau. Einfach sitzen gelassen wegen einer jüngeren, schöneren, durchtrainierteren Blondine.

Grrrrrrrrrrr.

Alles an Isabell war auch dazu angetan, einen als Ex-Frau auf die Palme zu bringen.

Isabell war nicht nur schlappe fünfzehn Jahre jünger als sie. Nein, Isabell hätte sicherlich als Model durchgehen können, war aber leider dafür etwas zu klein geraten. Ansonsten war alles an dieser Frau wie direkt aus einer Zeitschrift. Und das ohne Photoshop.

Isabells Haar war natürlich honigblond und fiel ihr in langen Wellen über die Schultern. Sie hatte einen perfekten Busen, der offensichtlich keine Schwerkraft kannte und den sie gerne nur mit leichten Fähnchen bedeckte, die mehr zeigten als verhüllten. Lotte hatte die Vermutung, dass der Busen nicht ganz echt war, wusste aber nicht, wie sie das rausbekommen sollte, ohne ihn mal kurz anzufassen.

Das traute sie sich dann doch nicht.

Und zu alldem hatte Isabell sich etwas aufgebaut und bezeichnete sich selbst als Influencer.

Lotte hatte erst »Influenza« verstanden und auf vierzig Grad Fieber gehofft, bis Emma sie darüber aufgeklärt hatte, was ihre Stiefmutter denn damit meinte. Es war – leider – nicht die Grippe.

Isabell hatte neben ihrem Ehemann einen sehr erfolgreichen Lifestyle-Blog, auf dem sie nette, wahrscheinlich ziemlich übertriebene Geschichten aus ihrem tollen Leben mit Carl postete, Gesundheits-, Wellness- und Fitnesstipps gab und nebenbei oder vielmehr hauptsächlich völlig überteuerte Klamotten und Kosmetik verkaufte.

Der Blog hieß »Love. Isabell.com«, und Lotte hatte ihn heimlich in »Hate. Isabell.cotz« umgetauft.

Aber ganz heimlich, nur Lissy wusste davon.

Emma hätte das nicht wirklich lustig gefunden. Sie verstand sich zu Lottes heimlichem Leidwesen ganz gut mit ihrer Stiefmutter.

War vielleicht auch kein Wunder – schließlich könnten Isabell und Emma fast Geschwister sein.

Der Shop ging wohl ab wie Schmidts Katze, und dabei hätte Isabell es gar nicht nötig gehabt, überhaupt Geld zu verdienen, denn Carl besaß ein sehr gut gehendes Bauingenieurbüro.

Wenigstens war Carl finanziell gesehen bei der Scheidung mehr als großzügig gewesen. Das war wohl der Versuch, sein schlechtes Gewissen mit Geld zu betäuben. Hatte wohl ganz gut geklappt – für Carl zumindest. Lotte hingegen musste feststellen, dass ein gebrochenes Herz wirklich nicht mit Geld zu flicken war.

Trotz Carls Großzügigkeit gegenüber Lotte blieb aber sicher noch genug für die neue Ehefrau übrig. Carls Büro hatte über fünfzig Angestellte und konnte sich vor Aufträgen nicht retten.

Und jetzt hatte Carl vier Tage vor Abflug dieser wirklich üble Bandscheibenvorfall ereilt.

Wie schade!

Manchmal war das Schicksal eben doch gerecht.

Wenigstens die Hochzeit ihrer einzigen Tochter würde Lotte in Ruhe erleben können, ohne sich jede Sekunde zurück in ihre Gewächshäuser zu wünschen.

Lotte seufzte kurz auf, zog die Sonnenbrille runter und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück.

Das Gewackele hatte auch endlich aufgehört, und das Flugzeug glitt wieder geschmeidig durch die Luft.

Lotte fing ihre eigenen Gedanken ein. Sie würde sich jetzt wirklich mal einfach entspannen. Vor ihr lagen zwei wundervolle Wochen auf einer wundervollen Insel – gekrönt am Ende von einer von ihrer Tochter und einer deutsch-spanischen Hochzeitsplanerin sicher perfekt organisierten Hochzeit. Nun gut, ihre Tochter war viel zu jung, um zu heiraten, und Lotte hielt die Ehe mittlerweile sowieso für den Sieg der Hoffnung über die Vernunft.

Aber was sollte es? Emma könnte sich ja wieder scheiden lassen. Und wieder heiraten und wieder scheiden lassen und wieder heiraten und wieder …

»Bitte klappen Sie die Rückenlehnen wieder senkrecht nach oben und bleiben Sie weiterhin angeschnallt sitzen. Wir landen in Kürze in Palma de Mallorca.«

Lotte schreckte auf.

Sie war wohl für ein paar Sekunden eingeschlafen. Sie blickte aus dem Fenster – unter ihr war schon deutlich die Insel zu erkennen. Sie schwebten gerade an Cap Formentor vorbei über die Bucht von Alcúdia. In ihrer Ehe mit Carl war sie öfter auf der Insel gewesen, seit ihrer Scheidung allerdings nicht mehr.

Lotte blickte nach unten, sah kleine Dörfer, Felder, winzige weiße Windmühlen und merkte, dass ein Gefühl sich in ihr ausbreitete, das sie lange nicht mehr gespürt hatte.

Lotte überlegte, was das denn für ein Gefühl war. Und dann erkannte sie es.

Sie freute sich.

Das war einfach Vorfreude. Ein leichtes, luftiges Kribbeln im Bauch. Mallorca wartete auf sie. Ein paar wunderschöne Tage am Meer mit ihrer Tochter und deren Verlobtem, ihrer Schwester, später auch mit ein paar Freunden.

Lotte lächelte unwillkürlich.

Lissy blickte die Mundwinkel ihrer Schwester erstaunt an, lächelte auch und drückte leicht Lottes Hand.

Und Lotte überlegte sehr entspannt: Vielleicht wirkten die CBD-Tropfen doch nach. Was sollte schon schiefgehen?

 

»Mit Ihrer Buchung ist anscheinend etwas schiefgelaufen.«

Die ziemlich perfekt Deutsch sprechende und sehr hübsche Mallorquinerin mit blonden Strähnchen in den dunklen Haaren blickte Lotte entschuldigend an.

»Ich habe hier keine Reservierung auf den Namen Schumacher. Und ich muss leider sagen, wir sind sehr ausgebucht. Das tut mir leid. Das sieht überhaupt nicht gut aus. Ich muss sehen, was ich für Sie machen kann. Ob überhaupt noch ein Fahrzeug für die nächsten beiden Wochen frei ist.«

Lotte schnappte nach Luft. Kein Auto? Die Finca, in der Emma heiraten wollte, lag mitten in der Pampa, und Lotte schätzte den öffentlichen Nahverkehr auf Mallorca als eher unterentwickelt ein.

Lissy hielt ihr das CBD-Öl unter die Nase und meinte: »Wir könnten Fahrräder ausleihen. Im Hotel gibt’s Fahrräder. Das stand im Internet.«

Lotte schüttelte den Kopf.

Lissy tröpfelte etwas von dem Öl auf ein Taschentuch und wedelte das einfach in Richtung Lotte.

Leider ohne Erfolg.

Lotte war auf 234.

Sie hatte ein Auto reserviert. Online. Irgendwas mit Mittelklasse und voller Versicherung gegen alles und jeden. Aber offensichtlich war sie nicht dagegen versichert, aus irgendwelchen Gründen gar kein Auto gebucht zu haben.

Lotte begann in ihrer großen Handtasche nach den Unterlagen zu suchen.

Mist! Warum liebte sie auch große Handtaschen, und warum trug sie immer den ganzen Hausstand mit sich herum?

Hier in den Untiefen ihrer braunen Ledertasche fand man ja wirklich gar nichts mehr. Wenn sie zurück in Deutschland war, musste sie dringend eine kleinere Tasche kaufen.

Dabei liebte Lotte es einfach, auf jede Gelegenheit vorbereitet zu sein. In ihrer jeweiligen Tasche, die sie nur alle paar Monate mal ausmistete, entdeckte sie jedes Mal die unglaublichsten Dinge, die sie täglich mit sich herumschleppte und schon lange vergessen hatte.

Aber genau jetzt, jetzt brauchte sie einfach nur die Buchungsbestätigung, und von der war weit und breit nichts zu sehen.

»Hier.«

Sie drückte Lissy ein paar Dinge aus der Tasche in die Hand, damit sie besser weitersuchen konnte: einen schon ziemlich ausgeleierten BH, Schmerztabletten, Duschgel, einen einzelnen Flipflop, Blumendraht, eine Blumenschere, den Reisepass – aber keine Buchungsbestätigung.

Die hübsche Mallorquinerin blickte ungläubig ab und zu von ihrem Bildschirm hoch, wo sie immer noch nach einem Wagen suchte. Lotte kam ihr wahrscheinlich wie eine verrückte deutsche Zauberkünstlerin vor.

Selbst Lotte hatte etwas Angst, dass sie gleich aus ihrer Tasche ein lebendiges Kaninchen hervorzaubern würde.

Das durfte alles gar nicht wahr sein.

Seit der Landung lief hier alles schief. Mallorca freute sich anscheinend nicht so sehr, Lotte wiederzusehen, wie Lotte sich freute, Mallorca wiederzusehen.

Nach der Landung mussten sie und Lissy erst mal angeschnallt über eine halbe Stunde noch im Flieger auf dem Rollfeld warten, bis sie überhaupt über so einen Schnorchel austeigen konnten, und dann waren anscheinend auch noch ihre Koffer verschwunden.

Sie und Lissy standen ewig am sinnlos vor sich hin laufenden Gepäckband, aber ihre beiden Koffer kamen und kamen nicht.

Lissy bekam etwas Panik und träufelte sich im Sekundentakt die CBD-Tropfen auf die Zunge. Ihre luftigen Sommerkleider! Ihre Bikinis! Wie sollte Lissy auf die Schnelle eine komplette Sommer- und Festgarderobe ersetzen?

Lotte war genauso fassungslos, aber versuchte diesmal ausnahmsweise, ihre Schwester zu beruhigen. Sie könnten ja einfach in Palma einkaufen gehen – Palma war voller Geschäfte, sie müssten nicht nackt rumlaufen. Und wollte Lissy nicht sowieso schon immer mal ihren kompletten Kleiderschrank ausmisten? So Marie-Kondo-mäßig?

Ja, das wollte Lissy schon, aber doch nicht so.

»Marie Kondo ist eine Koryphäe, und sie meint ein ganz bewusstes Aussortieren von überflüssigen Dingen und Kleidung, das sozusagen mit einer mentalen Reinigung einhergeht. Das kann man nicht vergleichen mit Koffern, die verloren gehen. Du hast echt keine Ahnung!«

Lissy war den Tränen nahe.

»Mein schönes weißes Sommerkleid ist in dem Koffer. Ich habe das Teil extra für diese Gelegenheit gekauft, und es hat echt ein Vermögen gekostet.«

Lotte schüttelte den Kopf.

»Keine Panik, normalerweise tauchen die Koffer innerhalb von drei Tagen wieder auf, auch wenn sie bis dahin um die halbe Welt gereist sind. Ist mir mal bei einem Urlaub mit Carl in Griechenland passiert. Die bringen die Koffer dann sogar zu dir ins Hotel, also alles kein Problem«, sagte Lotte, um ihre Schwester zu beruhigen.

Dabei verschwieg sie, dass ihr Koffer zwar tatsächlich ins Hotel geliefert wurde, aber die Hälfte seines Inhalts einfach verschwunden war. Irgendwo verloren gegangen zwischen Honolulu und Hawaii, während sie mit Carl in Griechenland war und drei Tage den gleichen Slip trug, da auf der winzigen Insel kein Geschäft aufzutreiben war, das Damenunterwäsche führte. Aber das war damals vollkommen egal gewesen. Sie war jung und verliebt, es war sonnig und warm. Sie trug einfach Carls Hemden als Kleider – dessen Koffer war glücklicherweise nicht verloren gegangen –, und sie wusch ihren Slip jeden Abend in dem winzigen Waschbecken der kleinen Pension aus.

Ach, das war sehr lange her.

Sie hatte das alles eigentlich vollkommen vergessen. Wie hieß die kleine Insel noch mal? Lotte konnte sich nicht mehr daran erinnern, nur noch, dass sie mit zwei Fähren unterwegs gewesen waren, um überhaupt dahin zu gelangen. Erstaunlich, dass der Koffer damals überhaupt wieder zu ihr auf die kleine Insel gefunden hatte.

Kleidungsmäßig war Lotte im Laufe der Jahre eher auf der praktischen Seite angekommen. Wer ständig in der Erde wühlt, braucht keine Blumenkleider mehr, sagte sie sich. Und Lotte war sich sicher, den Pflanzen war es vollkommen egal, wie sie rumlief.

Sie war nicht ungepflegt, das ganz und gar nicht, aber meistens äußerst praktisch gekleidet, und ein Kleid hatte Lotte wahrscheinlich monatelang nicht mehr angehabt. Ihr fiel ein, sie hatte noch nicht mal für Mallorca eins eingepackt, nur Shorts und Hosen. Aber wenn sie unbedingt eins haben wollte, konnte sie ja immer noch eins hier auf einem der unzähligen Wochenmärkte der Insel kaufen.

»Nun, betrachte es mal so: Wenn du die Klamotten aus dem Koffer nicht mehr aussortieren und wegwerfen musst, sparst du dir total viel Zeit, die du dazu verwenden kannst, neue Kleidung zu kaufen. Ich sollte auch so was erfinden wie diese Marie Kondo. Ich erkläre den Leuten einfach, sie sollen jede Menge Zeug wegwerfen, und damit werde ich selbst dann unglaublich reich und kann mir unglaublich viel Zeug kaufen. Das ist deutlich einfacher und geht wesentlich schneller, als aus einem kleinen Samen eine große Pflanze zu ziehen.«

Lissy starrte trübsinnig auf das Band, das sich vor ihnen drehte, und sagte: »Ich will meine Kleider. Jetzt. Und nicht erst in drei Tagen.« Und dann schraubte sie die Flasche mit dem CBD-Öl zu und steckte sie in ihre kleine Bordtasche.

Wahrscheinlich half das Zeug im Fall eines Kofferverlustes nicht mehr so richtig.

Es dauerte weitere zwanzig Minuten, während zwei fremde Koffer einsam und verlassen ihre Kreise auf dem Band zogen und Lotte schon überlegte, einfach einen davon mitzunehmen, schließlich standen die Chancen ja fünfzig zu fünfzig, dass der Inhalt einer Frau gehörte, als ihr Blick erneut auf die Anzeigetafel über dem Band fiel.

Und dann wurde ihr klar, was los war. Es gab anscheinend quasi im Halbstundentakt Flieger aus Frankfurt nach Palma, und sie standen an dem Gepäckband einer Maschine, die dreißig Minuten vor ihnen gelandet war. Lotte blickte auf die große Anzeigetafel hinter ihr. Und dort stand auch ihr Flug aus Frankfurt.

Sie musste mit Lissy ans andere Ende der Halle.

Lissy und sie rannten los, bevor ihre Koffer vielleicht doch noch wegen Nichtabholens nach Hongkong weitergeleitet wurden. Und siehe da, sie schafften es gerade noch, ihre beiden Koffer vom Band zu hieven, bevor die allein weiterflogen.

Lotte wusste jetzt nicht, ob sie sich schlau oder blöd vorkommen sollte.

Sie entschied sich für schlau. Schließlich war es Lissy, die immer zu ihr sagte, sie müsse endlich lernen, richtig und positiv zu denken, dann würde ihr Leben einfach besser, schöner, perfekter werden.

Also, sie war schlau gewesen, den Fehler doch noch zu bemerken, und nicht doof, erst mal ewig am falschen Band anzustehen.

Die Koffer hatten sie.

Aber sie hatten, so wie es aussah, kein Auto.

Das Gesicht, das die Mallorquinerin hinter dem Rent-a-Car- Schalter machte, gefiel Lotte überhaupt nicht.

Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würden sie entweder zu Fuß zur Finca laufen oder 200 Euro für ein Taxi ausgeben müssen. Die Finca lag irgendwo im Süden in der Nähe von Santanyí, ziemlich nah am Meer. Also ziemlich weit weg vom Flughafen.

Plötzlich lächelte die Mallorquinerin und meinte: »Ich habe einen Wagen gefunden. Ich könnte Ihnen noch ein Cabrio anbieten. Ein Mini Cabriolet. Allerdings mit einem Aufschlag. Aber das ist das einzige Auto, das wir im Moment für die nächsten beiden Wochen frei haben.

»Wir nehmen es«, entschied Lissy schnell.

Die Frau hinter dem Rent-a-Car-Schalter legte einen Autoschlüssel vor Lotte hin.

»400 Euro pro Woche.«

Lotte schluckte.

Lissy schnappte sich den Schlüssel.

»Der Wagen hat eine Schaltung.«

Auch das noch.

»Ich bin seit Jahren keinen Wagen mit Schaltung mehr gefahren«, sagte Lotte etwas verunsichert, aber Lissy hielt den Schlüssel wie einen Schatz umklammert.

»Im Notfall fahre ich«, erklärte Lissy. Lotte sah sich schon mit Lissy am Steuer über eine Klippe segeln. Wie bei Thelma und Louise, nur nicht ganz so episch. Lissy war eine unglaublich schlechte Autofahrerin. Total nervös und entweder zu schnell oder viel zu langsam unterwegs. Wenn Lissy Auto fuhr, ertönte um sie herum immer ein Hupkonzert.

»Ihr könnt gerne mit uns tauschen. Ich habe ein Cabriolet mit Automatik gemietet. Einen Range Rover« sagte plötzlich eine männliche Stimme hinter Lotte.

Lotte drehte sich um und sah sich plötzlich Philipp und Dora gegenüber.

Ihren zukünftigen Schwiegereltern. Quatsch. Natürlich waren das die zukünftigen Schwiegereltern von Emma.

Aber was waren sie dann für sie, Lotte, die Mutter der Braut? Sie hatte keine Ahnung. Schwippschwiegereltern, bucklige Verwandtschaft.

Lotte brachte diese ganzen verwandtschaftlichen Verhältnisse ständig durcheinander. Welche Cousine mit welcher angeheirateten Tante und Großtante irgendwie blutlinienmäßig oder angeheiratet zusammenhing, machte sie einfach immer nur ganz wirr im Kopf.

»Hallo übrigens erst mal. Wie schön, dass wir uns schon hier am Flughafen treffen. Ben hat uns gar nicht gesagt, dass ihr ungefähr zur gleichen Zeit wie wir ankommt«, sagte Philipp und strahlte Lotte und Lissy geradezu an. Er freute sich anscheinend wirklich, die beiden zu sehen.

Bei Lotte war die Freude etwas verhaltener. Erstens kannte sie die beiden kaum, und zweitens waren Philipp und Dora das absolut perfekte Paar.

Das war etwas, das Lotte nicht gut ertragen konnte, selbst wenn sie noch mit Carl glücklich verheiratet gewesen wäre. Perfekte Paare, vor allem Paare, die ihr »Paarsein« permanent nach außen darstellten, waren Lotte schon immer ein Graus gewesen.

Dora beendete gerne Philipps Sätze, Philipp stimmte seiner Frau in allem und jedem zu. Dass sie nicht ständig im Partnerlook herumliefen, fand Lotte erstaunlich.

Lotte musterte die beiden.

Philipp trug Jeans und ein weißes Hemd, klassisch schlicht. Es sah echt nicht schlecht aus, aber Dora war mehr auf der sehr bunten Seite unterwegs – ihr Rock war grasgrün, ihre Bluse pink und die Sandalen lila. Da wäre ein Partnerlook wahrscheinlich bei aller zur Schau getragenen Harmonie doch geschmacklich eher schwierig herzustellen.

Lotte hatte vollkommen vergessen, dass natürlich auch die Eltern von Ben zur Hochzeit kommen würden.

Kein Wunder, sie war so damit beschäftigt gewesen, darüber nachzudenken, wie sie zwei Wochen Carl und Isabell überleben sollte, da hatten alle anderen Hochzeitsgäste nur eine Statistenrolle gespielt.

Das war jetzt allerdings vorbei.

Jetzt waren Philipp und Dora da.

Bisher hatte Lotte Philipp und Dora nur zweimal bei einem Abendessen getroffen.

Beim ersten Mal gingen Lotte, Carl, Isabell, Emma, Ben und Philipp und Dora alle zusammen zu einem Italiener. Beim zweiten Mal war Lotte mit Lissy, Emma und Ben bei Philipp und Dora in ihrem perfekten Einfamilienhaus eingeladen.

Lotte konnte ihr Glück nicht fassen.

Zukünftig würde sie nicht nur Carl und Isabell auf Familienfeiern ertragen müssen, nein, jetzt kamen auch noch Dora und Philipp hinzu.

Warum bestand die Welt nicht nur aus Gewächshäusern und Pflanzen und Gräsern und Palmen. Ja, Palmen fand Lotte auch sehr schön. Sie wisperten so speziell im Wind und erzählten die spannendsten Geschichten von Abenteuern und Reisen ins Unbekannte. Leider passten sie meistens nur schwer in ein normales Gewächshaus.

Lotte dachte an die Palmen auf Mallorca und zauberte sich selbst so ein kleines Lächeln in ihr Gesicht.

»Na, das ist ja eine Überraschung, ich wusste auch nicht, dass ihr heute schon ankommt. Wir müssen nicht tauschen, ich kriege das schon hin mit der Schaltung. Ich habe früher einen Käfer und einen Golf mit Schaltung gehabt, aber danke für das Angebot«, sagte Lotte zu Philipp und bemerkte dessen leicht zweifelnden Gesichtsausdruck.

»Wirklich nicht? Mir macht es nichts aus, einen Mini zu fahren.« Dora schien, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, von dem Tauschangebot etwas weniger begeistert. Range Rover gegen Mini war ja auch deutlich ein Downgrading.

»Nein, das passt schon, ich schaff das schon«, versicherte Lotte.

»Davon bin ich überzeugt«, meinte Philipp, und Dora sagte: »Gut, wenn das jetzt geklärt ist, mach doch bitte die ganzen Formalitäten fertig, Schatz. Ich muss noch ein paar Mails schreiben und brauche ein besseres WLAN als dieses schlappe Dings hier am Flughafen.«

Ach ja. Lotte hatte es fast vergessen, aber Dora war immer am Arbeiten. Sie hatte einen unglaublich wichtigen Job. Sie war Dozentin für Soziologie an der Universität, soweit Lotte das verstanden hatte. Auf jeden Fall war Dora ständig dabei, unfassbar wichtige Mails zu schreiben oder zu bekommen. Und es konnte auch schon mal eine Telefonkonferenz während des Abendessens sein. Dora war offensichtlich in ihrem Job unersetzlich. Das wurde Lotte, die von Soziologie erfreulicherweise keinerlei Ahnung hatte, gleich von Anfang an klargemacht. Bei dem ersten Abendessen musste Dora dreimal raus, um zu telefonieren, und bei der zweiten Einladung wurde das Essen von einer Videokonferenz unterbrochen. Da hatte dann Gott sei Dank Philipp gekocht, sonst hätte es damals wohl nichts zu essen gegeben, denn die Videokonferenz dauerte zwei Stunden. Gespräche mit Amerika – die verschiedenen Zeitzonen –, das mussten die Gäste doch einfach verstehen.

Lotte verstand nichts, und es war ihr auch egal. Das Essen war auf jeden Fall sehr gut gewesen – Saltimbocca mit Polenta. Philipp war offensichtlich ein richtig guter Koch, den es wohl nicht störte, dass seine Frau die Hälfte des Abends in ihrem Arbeitszimmer verschwunden war.

»Ich bin sicher, du bekommst dein WLAN möglichst bald. Wir haben hier gleich alles geklärt«, sagte Philipp und legte der Mallorquinerin seine Kreditkarte für die Kaution des Range Rovers auf den Tresen.

Lotte hatte für eine Zehntelsekunde das Gefühl, dass Philipps Lächeln nicht mehr ganz so echt war, wurde aber von einem lauten »Wuff« abgelenkt.

Das »Wuff« kam von ihren Füßen.

Lotte wäre fast einen Meter zur Seite gesprungen. Sie hatte es nicht so mit Hunden. Ganz und gar nicht hatte sie es mit diesen Tieren.

Aber zu ihren Füßen war kein Hund, nur eine Box.

Philipp hatte den Wagenschlüssel in Empfang genommen.

»Zeit, dass Charlie aus der Box kommt«, sagte er.