Pubertät ist voll nice ... Nur blöd, dass wir jetzt die Eltern sind - Silke Neumayer - E-Book
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Pubertät ist voll nice ... Nur blöd, dass wir jetzt die Eltern sind E-Book

Silke Neumayer

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Beschreibung

Ausnahmezustand Pubertät: Ob die erste Langzeitbeziehung von dreieinhalb Wochen, Pickel, die leider einen Schulbesuch unmöglich machen, unangenehme Aufklärungsgespräche oder grenzenlose Panik, sobald das Smartphone plötzlich den Geist aufgibt – die Nummer-1-Bestsellerautorin und leidgeprüfte Mutter Silke Neumayer ist sich sicher: Was Eltern erleben, wenn ihre einst so niedlichen Lieblinge in die Pubertät kommen, lässt sich nur dadurch erklären, dass die Kleinen mit ungefähr 13 Jahren von Außerirdischen entführt werden. Innerhalb von 24 Stunden sind sie dann zwar wieder da, aber leider völlig verändert. Sie sind ab sofort Teenager und mitten in der Pubertät statt nur dabei. Ein äußerst unterhaltsamer Leidensbericht aus Elternsicht, der mit viel Witz und Humor vom täglichen Wahnsinn mit einem Teenager zu Hause erzählt.

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Ausnahmezustand Pubertät

Ob die erste Langzeitbeziehung von dreieinhalb Wochen, Pickel, die leider einen Schulbesuch unmöglich machen, unangenehme Aufklärungsgespräche oder grenzenlose Panik, sobald das Smartphone plötzlich den Geist aufgibt – die Nummer-1-Bestsellerautorin und leidgeprüfte Mutter Silke Neumayer ist sich sicher: Was Eltern erleben, wenn ihre einst so niedlichen Lieblinge in die Pubertät kommen, lässt sich nur dadurch erklären, dass die Kleinen mit ungefähr 13 Jahren von Außerirdischen entführt werden. Innerhalb von 24 Stunden sind sie dann zwar wieder da, aber leider völlig verändert. Sie sind ab sofort Teenager und mitten in der Pubertät statt nur dabei.

Ein äußerst unterhaltsamer Leidensbericht aus Elternsicht, der mit viel Witz und Humor vom täglichen Wahnsinn mit einem Teenager zu Hause erzählt.

SILKE NEUMAYER

PUBERTÄT IST VOLL NICE ...

NUR BLÖD, DASS WIR JETZTDIE ELTERN SIND

Geschichten aus der hormonellen Phase

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe 2021

Copyright © 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Angelika Lieke

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik Design, München

Umschlag-Illustration © Isabel Klett unter Verwendung eines Motivs von Mauritius Images / Dan Sipple

Sämtliche Illustrationen © Isabel Klett

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-24651-8V001

www.heyne.de

Inhalt

Vorwort

Die Pubertät – Symptome, Ursache, Behandlung, Komplikationen, Prognose

Wegen Umbau geschlossen

Pubertäre Klassenfahrt

Alles, was Sie nie über Sex wissen wollten

Die Erfindung der Pubertät

Flirten für Anfänger

Das Häufchenspiel

Hängepartie

Sechzehn drei viertel

Das Sneakers-Paradox

Die Dreißig-Grad-Mützen-Phase

Die ganz schiefe Bahn

Die Jugend in den Achtzigern

Die Jugend von heute

Die Wahrheit über Lügen

Digital Naives

Do you speak Bodyish?

Doktorin Jekyll und Miss Hyde

Ein Wunderkind

Elternflix

Entjungferung

Entzugserscheinungen

Fahrbarer Kleiderschrank

Helikopter-Teenies

Ich bin dafür, dass du dagegen bist

Ja, nein, vielleicht – oder doch oder lieber doch nicht?

Knusprige Abgrenzung

Mach dich mal locker

Muttizettel

Ninja-Sophie

Ohrwürmer

Pickel-Voodoo

Pubertäts-Alzheimer

Rückentführung

Schläfchenzählen

Stand-up-Pubertät

STURM und Drang

Teenie-Tierliebe

Ganz brav

Ich glaub, mich knutscht ein Teenie

Aus und vorbei

Vorwort

Meine Tochter wurde im zarten Alter von ungefähr dreizehn von Außerirdischen entführt.

Ich habe das nur deshalb nicht zur Anzeige gebracht, weil sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden wieder zurückgebracht wurde. Leider völlig verändert – sie war von dem Moment an ein Teenager. Mitten in der Pubertät statt nur kurz davor.

Nein, natürlich geht die Verwandlung von der süßen Dreijährigen, für die die Mama die beste Mutter auf Erden ist, zum nervigen Teenie, für den man die peinlichste Mutter auf Erden ist, nicht über Nacht. Das dauert schon ein paar Jährchen.

Auch wenn einem das als Mutter oder Vater so vorkommt, als würde die Zeit plötzlich superschnell vorspulen: Gestern war sie doch noch ein Baby, hat am Schnuller genuckelt – und jetzt knutscht sie mit Jungs.

Unfassbar. Wie konnte das passieren?

Früher war ich der festen Überzeugung, dass die ganze Pubertät bei uns zu Hause ins Wasser fallen würde. Ich war viel zu beschäftigt für so einen Unsinn, und meine Tochter war unglaublich liebreizend – meistens zumindest.

Jungs fand sie doof und mich ganz toll.

Heute ist das umgekehrt. Leider.

Die Wissenschaft und ich haben festgestellt: Die Pubertät ist eine Zeit, in der Eltern sich auffällig verwandeln. Von der Supermama mit Wickeltasche zum Geldbeutel auf zwei Beinen. Von Daddy-Wunderbar zu Daddy-Uncool.

Das Gehirn der Eltern baut sich komplett um, hab ich mir sagen lassen. Von »mein Gott, ist sie nicht Zucker, ich liebe sie über alle Maßen« hin zu: »wenn sie die Musik noch einen Tick lauter dreht, erschlag ich sie einfach. Ich schwör’, ich mach’s«.

Trotzdem sind die Jungs und Mädchen wunderbar und liebreizend auch in dieser Zeit des großen Umbruchs. Zwischen Anfällen von Größenwahn und Aggression sind sie manchmal ganz zutraulich, und ab und an erkennt man als Eltern sogar das Kind wieder, das man auf die Welt gebracht hat. Oder es schimmert in den ganz besonderen Momenten die/der zukünftige tolle, selbstständige und selbstbewusste Erwachsene durch, und man ist als Mutter völlig verblüfft von so viel Einsicht, Intelligenz und Großartigkeit. Dann stellt man sich die Frage: Wie konnte das passieren? Hab ich das etwa hervorgebracht?

Nein. Natürlich nicht. Pubertierende bringen sich selbst hervor.

Die Pubertät des Kindes erinnert einen übrigens sehr gut an die eigene Jugend. Das ist die späte Rache von Mutter Natur. Wer seine eigenen Eltern damals in den Wahnsinn getrieben hat, weil er nächtelang unterwegs war, weiß sehr genau, welche Gefahren und Hindernisse auf dem Weg zum Erwachsenwerden lauern. Und genau das ist auch der Grund, warum einem manches an der Pubertät des eigenen Kindes so in den Wahnsinn treibt.

Aber egal ob Wahnsinn oder Wunder – mit viel Humor überlebt man als Eltern die Pubertät der Kinder definitiv besser. Und dieses Buch hilft hoffentlich ein wenig dabei – denn wir sind als Eltern nicht allein. Auch wenn uns die Kinder immer öfter abends alleine zu Hause lassen.

Die Pubertät – Symptome, Ursache, Behandlung, Komplikationen, Prognose

Pubertät ist eine Erkrankung, die für viele Eltern gefühlt über Nacht kommt. Allerdings gibt es erste deutliche Anzeichen, dass Ihr Kind daran erkrankt ist. Leider werden diese Symptome von den Betroffenen und ihren Angehörigen häufig vollkommen ignoriert.

Symptome:

Ab sofort spielen Sie Verstecken, nicht mehr Ihre Kinder. Sie dürfen die Jugendlichen nämlich auf keinen Fall mehr direkt irgendwo vor der Schule oder vom Sport oder sonst wo abholen, sondern müssen vollkommen unsichtbar sein und mindestens ein, zwei, drei Ecken weiter parken.Plötzlich sind Sie peinlich und Jungs ganz toll und nicht mehr umgekehrt.Sie sind als Eltern wieder die Einzigen, die in Ihrem Haushalt noch in vollständigen Sätzen sprechen.Sie können das Badezimmer nur nach Vorankündigung und nur noch minutenweise benutzen.Sie sind erstaunlicherweise nun nicht mehr wie früher derjenige, der im Haus am längsten schlafen will.Unmengen von Lebensmitteln verschwinden über Nacht, und niemand weiß, wohin.Die Blinddarmentzündung Ihrer sechzehnjährigen Tochter wiegt 3400 g, ist 54 Zentimeter groß und ein kräftiger Junge.

Ursache:

Stimuliert von der Nebenniere geben Nervenzentren in der Hirnanhangdrüse den Befehl zur Produktion von Geschlechtshormonen wie Östrogen und Testosteron. Daraufhin sprießen Haare an ungewohnten Stellen, Beulen treten am Körper auf, Gliedmaßen verlängern sich ins Absurde.

Behandlung:

Am besten schicken Sie das betroffene Kind in die nächste Klinik, genannt Internat, und warten einfach ein paar Jährchen ab, bis es geheilt und als Erwachsener wieder entlassen wird. Leider ist diese Form der Behandlung nur Privatpatienten möglich und daher für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich. Als Alternative können Sie zur Selbstmedikation in Form von Rotwein, Bier oder Valium greifen.

Komplikationen:

Drogen, Alkohol, Geschlechtskrankheiten, gerissene Kondome, vergessene Anti-Baby-Pille, Fahren ohne Führerschein, Bungeejumping ohne Seil usw. usf. etc. pp.

Prognose:

Es geht vorbei. Manchmal. Hoffentlich. Irgendwann. Vielleicht.

Wegen Umbau geschlossen

Irgendwann zu Beginn der Pubertät ist es dann so weit: Der oder die Jugendliche verliert sein/ihr Gehirn.

Das ist ganz normal und eigentlich nicht weiter besorgniserregend, denn es wird allgemein berichtet, dass die meisten Jugendlichen ihr eigenes Gehirn oder auch ein anderes irgendwann zwischen dem achtzehnten und einundzwanzigsten Lebensjahr wiederfinden.

Einfach so.

Meistens liegt es plötzlich wieder im Schädel und war nur für ein paar Jahre unauffindbar. Kann ja mal passieren.

Ich suche schließlich auch ständig meine Autoschlüssel, obwohl sie wie immer in der Handtasche sind.

Eltern finden natürlich die Jahre mit einem völlig hirnlosen Kind überaus anstrengend.

Die einfachsten Tätigkeiten, die man dem Kind mühsam in der Kleinkindphase beigebracht hat, wie auf die Toilette zu gehen, ohne dass alles danebengeht, oder mit Messer und Gabel zu essen, gehen in dieser Phase leider vollkommen verloren.

Die Jugendlichen ohne Gehirn vergessen natürlich auch, wie man Kleidung anständig anzieht, oder haben sprachlich plötzlich wieder Kleinkindniveau mit einem sehr eingeschränkten Wortschatz: Ja. Nein. Peinlich. Instagram. Mmmmmpf. Das können für Jahre die einzigen Wörter sein, die aus dem Mund eines Teenagers kommen.

Ich bitte die Eltern, das zu verstehen, sprechen ohne Gehirn ist tatsächlich sehr schwierig. Das Gehirn ist eben der Zentralcomputer eines Menschen und leider für sehr viel vom Menschsein zuständig.

Und falls Kinder in dieser schwierigen Phase doch noch über einen größeren Wortschatz verfügen, kommt oft sehr viel Unsinn raus. Das liegt vor allem daran, dass noch Rudimente des Gehirns vorhanden sind, die verzweifelt versuchen, miteinander und mit der Umwelt sinnvoll zu kommunizieren. Aber vergeblich. Wenn die Festplatte weg ist, nützt der temporäre Speicher eben auch nicht mehr allzu viel.

Ich bitte Sie, auch das als Eltern zu verstehen. Ein Leben so ganz ohne Gehirn ist eben nicht einfach.

Manche Eltern versuchen daher übrigens, durch Lebend-Organspende wenigstens Teile ihres eigenen Gehirns in Form von Gedanken in ihre Nachkommen zu verpflanzen:

»Einundzwanzig Bier auf ex zu trinken sind keine wirklich gute Idee.«

»Man sollte nicht sturzbetrunken Auto fahren.«

»Du lernst nicht für die Schule, sondern für dich selbst.«

Nützt leider auch nichts, das ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. Es führt nur zu erheblichen allergischen Reaktionen vonseiten des Kindes und zu sofortigen Abstoßungsreaktion der fremden Gedanken. Noch nie wurden auch nur ein paar Gehirnzellen von Eltern im Körper von Jugendlichen toleriert. Sehr zum Leidwesen der Eltern, Schulen und sonstigen Erziehungsberechtigten.

Andere Eltern wiederum versuchen, das Gehirn ihres Kindes in den Weiten des World Wide Web wiederzufinden, da sie den heimlichen Verdacht hegen, das Handy wäre ein schwarzes Loch, das den Verstand des Kindes ins Internet zieht. Aber auch diese Bemühungen sind leider gescheitert. Trotz zahlreicher Online-Petitionen und dubioser Hinweise im Darknet.

Neueste Forschungen haben festgestellt, dass das Gehirn von Jugendlichen tatsächlich während dieser Phase einer Großbaustelle gleicht. Ich muss jetzt nicht den neuen Flughafen in Berlin erwähnen, um Sie bei diesem Gedanken in Angst und Schrecken zu versetzen.

Vieles im Gehirn der Jugendlichen wird umgebaut, weggeworfen, neu angelegt. Manchmal ist nur die Amygdala aktiv – das Reptiliengehirn.

Das ist erschreckend, ich weiß.

Aber wo Verzweiflung ist, ist auch Hoffnung: Zwischen dem achtzehnten und dem einundzwanzigsten Geburtstag finden die meisten Jugendlichen wie gesagt erstaunlicherweise oft über Nacht Teile ihres Gehirns wieder, und nach und nach dann den ganzen Rest. Und sehr oft funktioniert das Gehirn dann besser als jemals zuvor. Präzise, einwandfrei. Und das Teil muss nicht ständig rebootet werden.

Und falls Sie sich als Eltern jetzt immer noch Sorgen um Ihren hirnlosen Nachwuchs in der Adoleszenzphase machen, wiederholen Sie einfach mantramäßig das schöne alte englische Sprichwort:

No brain, no pain.

Pubertäre Klassenfahrt

Woran Sie eindeutig merken, dass Ihr Kind kein Kind mehr ist?

Ganz einfach: Ihre Tochter findet plötzlich Jungs toll und Sie doof.

Dabei ist es völlig egal, ob Sie die Mutter oder der Vater sind. Oder ob sie bisher die beste Mama auf der Welt und der tollste Papi im ganzen Universum waren.

Aus und vorbei.

Ab jetzt sind Sie doof.

Und Jungs sind toll.

Gewöhnen Sie sich dran.

Das wird sich nicht mehr ändern.

Von einem Jungen würden Sie natürlich nie direkt hören, dass er ein Mädchen irgendwie klasse findet. Eltern von Jungs müssen daher auf heimliche Zeichen achten, zum Beispiel den plötzlichen Verbrauch je einer Flasche Duschgel und Rasierwasser pro Tag.

Sollte der Junge scheinbar über Nacht so ein Verhalten an den Tag legen, ist es untrüglich auch bei ihm so weit.

Und Sie sind ab sofort nicht nur doof, sondern auch bald arm, wenn Sie den jungen Mann in seinem pubertären olfaktorischen Wahnsinn nicht etwas einschränken.

Der Moment, in dem die Pubertät hier bei uns ins Haus spaziert ist und ich plötzlich ganz doof wurde, liegt natürlich schon etwas länger zurück, aber ich kann mich noch sehr gut daran erinnern.

Sophie kam von der Schule und meinte mit einem seltsam verklärten Gesichtsausdruck, den ich bisher noch nicht von ihr kannte, Finn hätte ihr in der Pause die Mütze geklaut, sie ihr aber gleich wieder zurückgegeben und ihr dann den Rucksack vom Klassenzimmer bis in die U-Bahn getragen.

Das fand Sophie sehr nett irgendwie. Auch wenn niemand sonst von der Klasse das mit dem Tragen des Rucksacks mitbekommen durfte und Finn daher, als er in der U-Bahn plötzlich zwei seiner Kumpels entdeckte, Sophie den Rucksack wortlos auf die Füße warf und schnell über die Treppe nach draußen verschwand.

Sophie seufzte: Ach.

Der versonnene Ausdruck war immer noch in ihrem Gesicht.

Da wurde mir schlagartig klar: Wir sind in der Pubertät.

Und auch ich seufzte: Ach.

Anscheinend war Sophie in ihrer Klasse nicht die Einzige, die quasi über Nacht in der Pubertät angekommen war.

Das fiel mir an dem wenige Tage später stattfindenden Elternabend auf.

Es ging um eine Klassenfahrt, die für drei Wochen später geplant war. Die Kids sollten die Landschaft vermessen und das irgendwie mit Mathematik verbinden. Wie das beides zusammengeht, ist mir weiterhin schleierhaft, aber ich muss ja auch nicht noch mal mein Mathe-Abi machen. Nur in meinen Albträumen. Da fall ich immer wieder durch. Besonders in Mathe. Deswegen sind das ja auch Albträume.

Also, die Klassenfahrt war auf drei Übernachtungen angesetzt und nichts wirklich Dramatisches. Der Ort war fünfzig Kilometer entfernt, und es gab dort eine Art größere Hütte mit Selbstversorgung. Und mit zwei Schlafsälen, einem für Jungs, einem für Mädchen, mit einer Verbindungstür, die sich wohl nicht abschließen ließ. Aber wir sollten uns mal keine Sorgen machen, der die Klasse begleitende Mathelehrer würde bis Mitternacht bei der Tür sitzen und später nebenan ohne Ohropax schlafen.

Ich hoffte mal, dass der Lehrer in Mathe besser war als in Pubertät.

Ich habe noch nie davon gehört, dass die Anziehung der Geschlechter nach Mitternacht schlagartig erlischt. Eher ist das Gegenteil der Fall, möchte ich mal so spontan behaupten.

Nicht ich allein schien diesen Gedanken zu haben, denn ich bemerkte, dass die Sache mit der unverschlossenen Tür etwas Unruhe bei den Eltern auslöste.

Noch vor einem Jahr war die Klasse für zwei Wochen auf einer Nordseeinsel gewesen, und es wurden damals nur Fragen des Handygebrauchs, der Verpflegung und Ähnliches besprochen.

Aber jetzt, bei der Erwähnung der nicht abschließbaren Verbindungstür, ging ein Raunen durch die versammelte Elternschaft, und eine spürbare Unruhe machte sich breit.

Ellie, die Mutter von Jasmina, rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum. Und auch rechts und links von mir waren Mütter und Väter noch etwas unschlüssig, ob sie sich zu Wort melden sollten. Schließlich fasste sich Niklas, der Vater von Tobias ein Herz:

»Also, wenn ich ehrlich bin, finde ich, das geht gar nicht, dass die Verbindungstür nicht abschließbar ist – schließlich sind unsere Kinder schon zwölf oder dreizehn und damit … nun, damit … Ich denke, die anderen Eltern wissen ganz genau, wovon ich rede. Ich will jedenfalls auf keinen Fall, dass die Mädchen nachts zu Tobias rüberwandern.«

Hie und da kam spontaner Applaus.

Außer natürlich von Antonias Mutter Nele. Das hätte ich mir denken können. Sie ist nämlich die Muttergottes der Klasse. Niemand kommt an sie ran, und sie erwartet ständige Anbetung. Und das nicht nur von ihrer Tochter.

»Also, meine Tochter Antonia würde niemals zu den Jungs rübergehen. Und schon gar nicht nachts. Und erst recht nicht zu Ihrem Tobias. Antonia ist nämlich ein anständiges Mädchen.« Sie warf einen angriffslustig funkelnden Blick zu Tobias’ Vater rüber.

Der war allerdings wohl in Krawallstimmung und konterte:

»Sind Sie sich da vollkommen sicher?«

Wow, Tobias’ Vater traute sich was. Aber wahrscheinlich kannte er Antonias Mutter nicht so gut. Warum auch? Bisher war es ja eher so gewesen, als würde es eine Jungs- und eine Mädchenklasse im selben Raum geben. Auch ich kannte bis dahin die Eltern der Jungs in Sophies Klasse kaum. In der Vergangenheit wollten diese beiden Gruppen eben nicht viel miteinander zu tun haben. Jungs lebten auf dem Mars. Mädchen auf der Venus. Mehr oder weniger friedlich existierten beide Parteien ohne große Berührungspunkte nebeneinander.

Und bisher fanden sie sich ja gegenseitig nur doof.

Bisher.

»Also, ich finde, wir sollten als Eltern auf Nummer sicher gehen, oder?«, meinte Niklas weiter und plädierte für die Verrammelung der Tür mit dicken Balken.

Früher waren Elternabende immer nur zum Gähnen langweilig für mich gewesen. Aber jetzt kam plötzlich unglaublich Schwung in die Sache. Es wurde richtig spannend. Viel besser als die endlosen Diskussionen über Hausaufgaben oder Handyregeln.

Alle Väter und Mütter fingen an, wild durcheinander zu diskutieren.

Annemarie, die Mutter von Nils, schlug getrennte Klassenfahrten für Jungs und Mädchen vor. Am besten jeweils ans andere Ende der Welt oder zumindest der Bundesrepublik. Je nachdem. Jens, der Vater von Mara, überlegte laut, seine Tochter in Zukunft auf eine Klosterschule zu schicken, wenn die Schule hier schon bei Klassenfahrten Tür und Tor für Sodom und Gomorrha öffnen würde. Der Vater von Nina flippte völlig aus und wollte am liebsten Ganzkörperkondome für alle Jugendlichen während der Reise anordnen. Die Idee der Kastration aller männlichen Schüler, die von Janas Vater kam, wurde allerdings sehr schnell von allen als doch ein wenig zu radikal eingestuft.

Alleine ich versuchte, mich vornehm zurückzuhalten.

Aber um ehrlich zu sein, ich hatte schon im Vorfeld aufgrund von Sophies auffälligem Gesichtsausdruck überlegt, ob ich mich nicht freiwillig als Betreuerin für diese Klassenfahrt melden sollte. So ganz dezent, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Auch wenn das bedeuten würde, dass ich drei Nächte auf einer Art Feldbett verbringen müsste – und das auch noch in der Nähe des Mathelehrers. Als Mutter muss man eben ständig Opfer bringen. Auch und gerade während der Pubertät der Kinder.

Nur der Gedanke, dass Sophie mich umbringen würde, sollte ich auch nur versuchen, unauffällig mitzufahren, hielt mich davon ab, mich im Vorfeld schon mal bei dem Mathelehrer anzumelden.

Während der Diskussion ging es weiter hoch her, und viele Stunden später – es war schon lange nach Mitternacht – gab der Klassenlehrer erschöpft auf, und die Eltern der Klasse kamen zu einem Beschluss:

Drei Väter und zwei Mütter würden mitfahren und in der Nacht abwechselnd Wache schieben, damit sich die beiden Geschlechter nicht unerlaubt mischen konnten.

Der Lehrer stimmte zu, vor allem wohl wegen der Aussicht, jetzt und auch auf der Klassenfahrt endlich zum Schlafen zu kommen und nicht alleine auf Alimente verklagt zu werden.

Die Eltern atmeten erleichtert auf. Und alle schickten ihre Kinder frohgemut auf Klassenfahrt.

Ich auch.

Während der paar Tage, die Sophie weg war, googelte ich täglich, ob Dreizehnjährige schon schwanger werden können, und kam leider zu keinem wirklich stichhaltigen Ergebnis.

Aber als Sophie schließlich von der Klassenfahrt zurückkam, war sie dank des aufopferungsvollen Einsatzes der anderen Eltern immer noch Jungfrau, konnte das Land vermessen, eine Zwei in Mathe schreiben und hatte wohl ziemlich viel Spaß gehabt.

Als ich sie vom Bus abholte, erzählte sie mir, dass die Mädels mithilfe von Bettlaken über die Fenster in den Schlafsaal der Jungs geklettert waren und dort alle zusammen nächtelang »Wahrheit oder Pflicht« gespielt hatten. Während die Eltern draußen vor der Tür Wache standen. Außerdem hatten sie den Mathelehrer mit seinem Schlafanzug heimlich ans Bett genäht, den begleitenden Eltern aus Rache Zahnpasta in die Hausschuhe geschmiert und die Shampooflaschen mit Enthaarungscreme gefüllt.

Ach. Alles easy. Nichts Dramatisches. Offensichtlich war die ganze Aufregung am Elternabend völlig umsonst. Irgendwie sind die doch noch Kinder, dachte ich mir gerade und warf Sophies Rucksack in den Kofferraum.

Sophie stieg ein, und wir fuhren nach Hause.

Als ich das Auto draußen parkte, um das Gepäck auszuladen – unfassbar, was meine Tochter für die paar Tage alles dabeihatte –, meinte Sophie so ganz nebenbei zu mir: »Und übrigens, Mama, ich bin jetzt mit Tobias zusammen. Nur dass du es weißt.«

Ach.

PS: Woran Sie merken, dass auch Ihr Kind ab jetzt auf pubertäre Klassenfahrt geht? Ich will das mal mit den Worten von Jasminas Mutter Ellie sagen:

Sie machen sich keine Sorgen mehr darüber, ob Ihr Kind erkältet von der Klassenfahrt zurückkommt, weil es sich zu wenig angezogen hat.

Sie machen sich ab jetzt Sorgen darüber, ob Ihr Kind mit Tripper von der Klassenfahrt zurückkommt, weil es sich zu wenig angezogen hat.

Alles, was Sie nie über Sex wissen wollten

Also ich wurde damals zu meiner Zeit ja ganz klassisch von der BRAVO aufgeklärt.

Und von unserer Biologielehrerin Frau Böckmann-Schröter – die war genauso wie ihr Name. Wenn es die BRAVO damals nicht als Ausgleich gegeben hätte, hätte ich vielleicht für immer gedacht, dass Sex sich im Grunde genommen immer so anfühlen müsste wie die Kiefer-OP bei einer vereiterten Wurzel ohne Betäubung.

Alles in allem war meine theoretische Aufklärung dennoch eher lückenhaft. Das war aber nicht weiter schlimm, denn das konnte ich durch praktisches Üben mit Jungs leicht wieder ausgleichen.

Aber nie im Leben hätten meine Eltern mit mir über so was geredet.

Das war damals einfach so.

Und das ist heute natürlich vollkommen anders.

Sophie wurde schon unfassbar oft aufgeklärt. Mit drei, mit neun, mit zwölf, mit fünfzehn und mit fünfzehneinhalb. Immer wenn sie was gefragt hat, habe entweder ich, ihr Vater oder jemand anders versucht, ihr altersgerecht zu antworten. Die nötigen Informationen kamen nicht nur von uns Eltern, sondern bereits von den Erzieherinnen im Kindergarten und natürlich auch aus der Schule. Das mit der Aufklärung ist heutzutage auch wirklich wichtig, es gibt schließlich immer mehr Geschlechter, und die Pubertät beginnt ja auch immer früher.

Sophies Schule war, das muss man einfach mal erwähnen, bei dem Thema Aufklärung äußerst kreativ und heuerte dafür extra ein Team aushäusiger Koryphäen für ein ganzes Wochenendseminar an.

An diesem wohl sehr ausgelassenen Wochenende in der zehnten Klasse herrschte – wie man sich unschwer vorstellen kann – größte Heiterkeit und allergrößte Peinlichkeit unter den Jugendlichen.

Die Mädels durften als Eier durch die Gegend laufen, und die Jungs waren als Sperma verkleidet und mussten sich den Weg zu einem Mädelsei erkämpfen.

Natürlich wurde dabei auch über die verschiedenen Formen von Verhütung gesprochen, und einer der männlichen Koryphäen verwandelte sich zum Beispiel in ein Kondom, indem er eine große Plastikfolie vor sich hielt und so versuchte, die Spermien am Erreichen des Eis zu hindern.

Was allerdings – ganz wie im richtigen Leben – wohl nicht immer so gut geklappt hat.

Sophie wurde dabei jedenfalls von Sebastian befruchtet.

Also nur so im Spiel, hoffe ich doch mal.

Sophie weiß damit theoretisch über die großartigste Sache der Welt wohl alles, was es so zu wissen gibt.

Und praktisch hat sie sicher auch schon einiges persönlich in Erfahrung gebracht.

Und genau das bringt mich zum Punkt.

Weiß sie wirklich genug? Man hört ja immer wieder von Teenager-Schwangerschaften und von anderen unschönen Begleiterscheinungen der schönsten Sache der Welt.

Vielleicht sollte ich mal Sophies Kenntnisse ein wenig auffrischen. Sophie hat nämlich einen neuen Jungen am Start – Finn –, und die beiden sind sehr verliebt. Ich meine, im Eifer des Gefechts der Gefühle und Hormone kann schon mal einiges an Theorie sozusagen in die Hose gehen. Und aus dem Grund sage ich denn auch mal ganz beiläufig beim Abendessen zu Sophie:

»Ich hoffe doch, du hältst dich an die Regel, dass du nichts tust, was du nicht auch tun willst. Und wenn du es doch tun willst, dann denkst du bitte immer an Verhütung.«

Sophie verdreht die Augen.

»Echt jetzt, Mama? Du willst mit mir über Sex reden? Beim Abendessen? Nicht dein Ernst!«

Sophie funkelt mich über ihre Buddha-Bowl hinweg empört an.

»Ja, aber wann soll ich denn sonst mit dir darüber reden? Du bist ja zurzeit dauernd unterwegs. Und ich will einfach nicht, dass dir da was Blödes passiert und …«

Sophie fängt an, sehr elegant mit den Augenlidern zu flattern. Das Flattern der Augenlider beherrscht sie wirklich gut, ich kann das sogar aus zwei Metern Entfernung sehen. Und ich weiß auch was es bedeutet: die äußerste Missbilligung meiner Person.

In früheren Zeiten wäre es wahrscheinlich ein Zeichen dafür gewesen, dass sie jetzt mal kurz bewusst in Ohnmacht fällt, um damit der ganzen Diskussion ein Ende zu bereiten.

Stattdessen meint sie: