Das Böse Herz - Walter Brunhuber - E-Book
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Walter Brunhuber

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Beschreibung

Als ihr Mann Konrad eines Tages von der Arbeit nach Hause kommt, entdeckt Jana ein Tatoo auf seiner Haut: Das Zeichen der Dämonen. Eine dunkle Macht hat von Konrad Besitz ergriffen. Doch kaum jemand glaubt noch an Dämonen. Auch Siegfried, ihren Liebhaber, kann Jana nicht von der Existenz des Dämons überzeugen. Siegfried ist Bankkaufmann und kein Drachentöter. Also muss Jana den Kampf mit dem vermeintlichen Dämon alleine aufnehmen. Ihre Gedankensplitter und Wahnideen hält sie dabei mit einer Kamera fest.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Walter Brunhuber

Das Böse Herz

Die Handlung ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Das Schweigen

Die Wächter

Siegfried

Aufnahme EINS

Am Sonnenschein Ring

Aufnahme ZWEI

Der Schrei

Aufnahme DREI

Kirmes

Dämonenblut

Aufnahme VIER

In der Dämmerung

Impressum

Vorwort

Da fuhren die Dämonen und Teufel hinein und wohnten darin; sobald der Wind darin sang, sangen die Dämonen heraus und gaben eine gewaltige Stimme von sich.

Apokryphen (Die Schatzhöhle, Kapitel 21, 11 )

Das Schweigen

Sie blättert die Seiten um, bis sie plötzlich innehält. Eine Fingerkuppe mit kurzen, brüchigen Fingernägeln fährt über die Zeilen. Die schmalen Augen folgen jedem Buchstaben, als müsste sie ihnen dabei helfen auf der Seite zu erscheinen. Dem Drang, die Worte auszusprechen, um ihnen einen Klang zu geben, kann sie nicht widerstehen. Doch niemand darf sie hören. Deshalb spricht sie so leise, dass ihre Stimme vom Plätschern des Flusses übertönt wird, der nicht weit entfernt an einem abgebrochenen Ast zerrt. Der Ast ragt mit seinen Blättern wie ein abgetrenntes Glied in die Strömung. Ihre Füße sind nass. Wassertropfen glitzern wie Glassplitter auf ihrer Haut.

'Heute Nacht kommen zwölf schwarze Männer, die mit Ketten behangen sind. Sie werden dich fragen, was du hier machst. Schweig und gib ihnen keine Antwort. Lass sie mit dir machen, was sie wollen: Sie werden dich quälen, schlagen und stechen, lass alles geschehen. Nur rede nicht.'

Der Finger hält inne. Er unterstreicht den letzten Satz.

Nur rede nicht.

Die Wächter

Die Blicke der Schlangen-Wächter ruhen auf ihr. Auf der Suche nach ihren Gedanken. Nach Unebenheiten. Kantigkeiten. Widerstand. Deshalb muss sie lügen. Immer wieder. Lügen um zu überleben.

Das hat sie schon als Kind gelernt.

Der Dämon gibt ein Geräusch von sich, das nach Ärger klingt. Nach Unzufriedenheit. Er schiebt das Kinn nach vorne und verschlingt eine handvoll Kartoffelchips, wie eine mechanische Puppe. Dabei starrt er in den Fernseher. Sein Kiefer bewegt sich, als wären seine Zähne Mühlsteine. Lichter tanzen um den Dämon herum. Lärm hüllt ihn ein wie eine unsichtbare Blase aus Musik und Geschrei.

Er war unauffällig in die Welt ge­kro­chen. Seine Ge­burt hatte Jahre in An­spruch ge­nommen, Jahre, in denen Konrad sich langsam auflöste. Er wurde von dieser finsteren Macht 'absorbiert', bis er endgültig verschwunden war. Nun sitzt der Dämon in Konrads Ohrensessel. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre diese Wohnung sein Zuhause.

Eines Nachmittags wurde die Wohnungstür barsch geöffnet. Es war ein regnerischer Nachmittag. Das Tattoo auf Konrads linkem Oberarm war nass und glänzte: Es zeigt zwei Schlangen mit gespaltenen Zungen. Sie winden sich aus den Augen eines Drachen heraus und reißen ihre Mäuler auf. Die Schlangen-Wächter ließen Jana von Anfang an nicht aus den Augen. Konrad hätte nie zugelassen, dass das Zeichen des Bösen in seine Haut gestochen wird.

„Was ist? Gefällt dir das Tattoo nicht? Ich finds geil.“ Der Dämon hatte sie damals kaum eines Blickes gewürdigt, während er sprach. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich um Erlaubnis frage, ob ich ein Tattoo haben darf. Soweit kommts noch.“

Der Dämon beherrscht die Kunst der Maskerade, doch Jana durchschaut ihn. Damals hatte sie sofort erkannt, dass Konrad von einem Dämonen absorbiert worden war. Die Schlangen-Wächter hatten den Dämon verraten. Nass vom Regen stand er vor ihr, das Tattoo auf der Haut glänzte. Konrads Gestalt.

Jana wendet sich vom Wohnzimmer ab. Die Wächteraugen lecken über ihren Rücken. Ein Brennen macht sich breit auf ihrer Haut. Am liebsten wäre sie für die nächsten Stunden im Schlafzimmer verschwunden, doch der Hunger, der sich seit einiger Zeit in ihrem Magen regt, ist nicht mehr zu verscheuchen. Mit­tags hatte sie nichts ge­gessen. Tags­über hat sie keinen Hunger. Essen ist gleichbedeutend mit Leben, doch in der Nähe des Dämons kann Leben nur im Verborgenen existieren. Janas Arm streift eine Jacke, die an der Garde­robe hängt. Sie flucht leise. Übertrieben gehässig. Der Flur ist so eng, dass kaum zwei Menschen nebeneinander stehen können.

Rex hebt den Kopf. Die Um­risse des Schä­fer­hundes sind nur schwach zu er­kennen. Die Kleiderbügel klappern wie Knochen im Wind. Der Dämon dreht den Kopf. Die Jacke schaukelt. Einer der Bügel kratzt am Holz der Garderobe. Die ganze Auf­merk­sam­keit des Dämons gilt nun ihr.

Rex gähnt.

”Du hast den Hund wach gemacht. Jetzt hab ich ihn wieder am Hals.”

Nach diesem Vorwurf starrt der Dämon wieder auf die bunte Scheibe. Er ver­bringt viel Zeit vor dem Fernseher. Ausschließlich in dem alten Ohren­sessel. Diese Angewohnheit hat er von Konrad übernommen. Gestohlen. Charakterzüge, Worte, Ansichten. Alles Raubgut, das er mit Gewalt in seinen Besitz gebracht hat. Genauso wie er sich Konrads Kleidung angeeignet hat, seine Wohnung, seinen Arbeitsplatz. Der Dämon verbirgt sich geschickt hinter seinen Raubgütern, so täuscht er die Welt über sein wahres Wesen.

Jana kann er nicht täuschen. Das Wohn­zimmer mit den dunklen Möbeln und dem dicken Tep­pich ist zu seiner Höhle geworden. Sti­ckig. Düster. Über­all loder­n Flammen. Das Feuer ist nicht zu sehen. Keiner der seltenen Besucher hat sie je darauf angesprochen. Doch Jana spürt, dass es da ist. Sie spürt die Hitze.

Ein dumpfer Furz ist zu hören. Der Dämon räuspert sich.

Jana krault den Hund am Hals. Rex sieht sie mit seinen braunen Augen an. So unauffällig wie möglich ver­schwindet sie in der Küche, zieht die Tür hinter sich ins Schloss. Eine Weile lauscht sie auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer. Als keine unmittelbare Gefahr droht holt sie Wurst aus dem Kühl­schrank und schneidet ein Stück davon ab. Als Jana am Tisch sitzt beobachtet sie ihre Hände dabei, wie sie das Stück Wurst auf das Brot legen. Sorgältig. Ein leichtes Zittern ist nicht zu übersehen. Das Licht über dem Küchentisch verbreitet eine sanfte Wärme. Der Kaktus neben ihr ist ein ver­trau­tes Wesen. Kahl und wütend steht er auf der Fensterbank. Manchmal sieht Jana sich selbst darin.

Es ist so leise, dass sie es zunächst kaum hört. Ein Kratzen an der Tür. Es wird lauter. Aufdringlicher. Die Augen der Schlangen-Wächter versuchen durch das lackierte Holz zu dringen. Doch es ist aussichtslos. Soviel Macht besitzen sie nicht. Noch nicht. Jana beißt in das Brot, kaut vorsichtig. Im nächsten Augenblick füllt der Dämon den Tür­rahmen. Er ist so plötzlich aufgetaucht, dass ein elektrischer Schlag durch Janas Körper fährt. Das Doppel­kinn scheint aus Stein ge­mei­ßelt zu sein. Seine Brust ist ein Felsbrocken. Der Dämon ist deutlich kräftiger als Konrad es je gewesen ist. Ge­schrei und Musik aus dem Wohnzimmer hängen an ihm wie eine kriege­rische Ge­folg­schaft. Jana isst hastig. Sie zerkaut die Bissen in ihrem Mund, wie ein Tier, das Angst hat, ent­deckt zu werden.

”Kannst du nicht mit­tags essen?”

Der Leib des Dämons schiebt sich dicht an sie heran. Seine riesigen Hände holen ein Glas aus dem Hängeschrank. Die Dämonenhände greifen in den Kühlschrank, holen Limonade aus dem Licht. Der massige Körper, der in ein T-Shirt und in enge Jeans­hosen ge­zwäng­t ist, stinkt nach einer Mi­schung aus gestickten Decken, ab­ge­stan­dener Luft und Schweiß.

”Ich hatte keinen Hunger.”

Der Dämon sieht Jana kurz an, mit einem ge­nerv­ten Blick.

”Du hat­test keinen Hunger”, brumm­t er.

Die Küchen­tür schließt sich hinter ihm. Jana würgt die letz­ten Bissen hinunter. Hastig. Obwohl der Dämon nur noch in Form seines schlechten Geruchs anwesend ist fühlt sie sich ausgeliefert. Sie wisch­t den Tisch ab, bis nichts mehr von ihrem Abend­essen zu sehen ist. Die Brot­krumen wirft sie in den Müll­eimer.

Leise tritt sie wieder in den Flur hinaus. Rex er­hebt sich und we­delt mit dem Schwanz, als sie ihm die Leine an­legt. Er schmieg­t sich zu­trau­lich an ihre Beine.

”Ich gehe mit Rex nach drau­ßen.”

Janas Stimme ist es nicht ge­wohnt, laut zu spre­chen. Ihre Worte bleiben des­halb ver­halten in der Garde­robe hängen, bilden einen Nebel, der den Dämon anlockt.

Er er­scheint in der Wohn­zimmer­tür.

”Bleib nicht zu lange.”

Der Dämon sieht sie misstrauisch an. Alles an ihr scheint ihm mit einem Mal verdächtig zu sein. Ihre Absicht mit dem Hund spa­zieren zu gehen. Ihre Hand, die wie Zufällig über den Rücken des Tiers streicht. Die Brotkrumen auf ihren Lippen. Jana zieht Rex hinter sich her in das Treppenhaus und drück­t die Woh­nungs­tür ins Schloss. Sie wartet. Die Blicke der Schlangen-Wächter brechen an der Tür. Sie hört ihr Zischen.

Im Flur herrsch­t die Stille von frischer Farbe und Putz­mittel. Eine Weile steht Jana zwi­schen den kahlen Wänden. Manchmal hat sie das Gefühl, dass es außerhalb der Höhle des Dämons keine Welt gibt. Doch das ist nicht der Fall. Die Welt dort draußen ist bunt. Die Menschen gehen ihren Geschäften nach. Lachen und küssen sich. Manchmal lächelt sie jemand an. Dann spürt sie, dass sie nicht alleine ist. An manchen Tagen hat Jana Angst, dass auch dort draußen Dämonen entstehen könnten. Ein Heer von Dämonen, die die Erde und ihre Bewohner in Besitz nehmen.

Die herbst­liche Luft lässt etwas in Jana auf­blühen. Lang­sam öff­net sich dieses Etwas, das seinen Sitz in ihrer Seele hat, und nimmt den Duft des Parks in sich auf. Die Bäume und Büsche, die zwi­schen den verstreuten Hochhäusern leben, sind fast eins geworden mit der Dunkelheit. Erkennbar nur an ihren Umrissen. Rex' Nase wühlt in den röt­lichen Blät­tern, die den Rasen be­decken. Jana lässt ihm die Frei­heit, nach Lust und Laune herumzustöbern. Sie bückt sich und hebt eine handvoll Blätter auf, die sie in ihre Manteltasche steckt. Dabei spürt sie das Moos, das sie letzte Woche aufgesammelt hat. Es ist trocken und zerbröselt zwischen ihren Fingern. Sie hat vergessen, es in die Kiste zu legen, zu dem Fliegenpilz und dem verwelkten Löwenzahn. Schließlich lässt Jana Rex von der Leine. Sie freut sich über seine Ungeduld angesichts der vielen Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Sie pfeift ihn erst zu­rück, als er zwi­schen dem Ge­äst der Büsche zu ver­schwin­den droht.

Es sind etwa zehn Minu­ten bis zu der Kneipe, die im Licht der Stra­ßen­later­nen liegt. An der Tür empfangen sie der übliche Bierdunst und der muffige Geruch abgestandener Luft. Jana be­stell­t ein Bier. Wort­los sitzt sie an ihrem Tisch und trinkt. Rex liegt neben ihr, die Schnau­ze auf den Pfoten. Der Hund scheint mit auf­merk­samen Augen der Musik zu lau­schen. Eine Country-Lied mit deutschem Text. Der Wirt lächel­t hin und wieder kumpel­haft zu ihr he­rüber. Einige der ande­ren Stamm­gäste starr­en sie an, wie immer. Sie sieht den Männern die Angst an, eine Chance auf schnellen Sex zu verpassen. Die Blicke sind unangenehm, obwohl Jana sich geschmeichelt fühlt.

”Hat dein Alter wieder keine Lust?” fragt ein rothaariger Mann um die fünfzig, mit strup­pigem Schnauz­bart. Seine runden Wangen zit­tern. Jana nimmt es ihm nicht übel. Sie kennt das Gesicht. Sie kennt die runden Wangen. Sie kennt seine Bemerkungen. Sie weiß aber nicht, wie er heißt. Der Mann meint, immer eine Bemerkung machen zu müssen, wenn er sie sieht, so, als wäre es seine Pflicht, als würde sie erwarten, etwas von ihm zu hören. Er benimmt sich wie ein Schuljunge, der seinen auswendig gelernten Text aufsagt.

Jana trinkt ihr Bier. Rex scheint zu schlafen, aber er ist Wachsam. Der Rothaarige unterhält sich wieder mit seinen Freunden. Der Wirt spült Gläser. Der Schaum tropft von seinen Händen. Nach dem ersten Country-Lied kommt ein Zweites. Dann ein Drittes. Alle von der Gruppe Truck Stop.

Jana denkt an die Hundemaske. Weiß liegt sie in ihrem Kleiderschrank. Halbfertig. So geht es ihr oft: Sie bringt viele Dinge nicht zu Ende. Der Hund hat eine Kraft in sich, die ihn vor Angriffen des Dämons schütz­t. Deshalb braucht sie sein Abbild. Am liebs­ten hätte Jana sich im Fell des Tieres ver­kro­chen. Auf­­schnei­den und hinein­krie­chen. Daran denkt sie oft. Das wäre besser als eine Hundemaske aus Pappmaché, die nie fertig wird. Es gibt Dinge, die der Ver­stand nicht beweisen kann, die aber zu den grundsätzlichen Wahrheiten dieser Welt gehören. Zu diesen Dingen gehört die Tatsache, dass Hunde sich schützen können vor Dämonen.

Das findet sie in keinem Lexikon, aber esist wahr.

Rex streck­t sich und gähnt. Jana leert ihr Glas. Das Bier schmeckt herb. Ein Pils. Jana genießt es jedesmal, wenn sie hier ist. Ein Akt des Aufbegehrens gegen den Dämon und seine Schlangen-Wächter. Jana kommt es vor, als müsste sie immer wieder aufs Neue testen, ob sie hier in dieser Kneipe sicher ist vor den finsteren Mächten die in ihrem Leben Platz genommen haben. Eindringlinge aus einer anderen Welt. Sie sieht auf die Uhr. Jana weiß, dass auch der Dämon immer wieder auf die Uhr sieht, so lange sie fort ist. Be­zahlt hat sie schon. Das macht sie immer so, um jeder­zeit gehen zu können. Sie nickt dem Wirt zu, dabei lächelt sie schmal und geht nach drau­ßen.

Kurz darauf steht Jana wieder vor dem Wohn­turm in dem sie seit so vielen Jahren lebt. Der Dämon ist langsam in die Welt gekommen. Wie ein Kind, das mühsam aus der Öffnung des Mutterleibes herauskriecht. Jana vermutet die Brutstätte in dem dunklen Winkel zwischen dem Schrank und dem Sofa. Dort stand die alte Lampe ihrer Großmutter, gekrönt von einem zu großen Stoffschirm. Diese Ecke des Wohnzimmers war schon immer düsterer gewesen, als der Rest der Wohnung. Konrad hatte nur schwache Birnen in die Stehlampe eingesetzt. Der Dämon hat diese Angewohnheit übernommen. Auch er setzt nur schwache Birnen in die Lampe.

Vielleicht um die Brutstätte intakt zu halten.

Jana schiebt sich ein Stück Pfefferminz in den Mund und kaut darauf herum. Eine Weile geht sie auf und ab. Rex folgt ihr müde, ohne sich noch für die tausend Gerüche im Gras, unter den Büschen oder auf dem Pflaster zu interessieren. Sie sieht nach oben, zu den erleuchteten Fenstern.

Als Jana die Tür öff­net, steht er vor ihr. Sie ist so über­rascht, dass die wuch­tige Ge­stalt wie ein Meteorit auf sie herabfällt. Sie hat den Dämon in seinem Sessel ver­mutet, eingehüllt in die Schreie, die bis in den Flur schwappen.

”Hat der Hund ge­kackt?”

Rex schnup­pert an den kräf­tigen Beinen des Dämons, dann legt er sich auf seinen Platz.

”Hast du dir heute die Zei­tungen durch­gese­hen?”

”Es war nichts dabei.”

”Für dich ist nie was dabei.”

Der Dämon geht in die Küche. Jana folgt ihm wie eine Marionette, ohne eigenen Willen. Er öff­net den Kühl­schrank .

”Schämst du dich nicht?” Das Dämonenge­sicht sieht sie an. ”Was wür­dest du machen, wenn ich nicht arbei­ten würde?”

”Ich bin froh, dass du arbei­ten gehst.”

Der Dämon knall­t den Kühl­schrank zu und macht Licht. Sofort wird die Küche unerträglich eng.

”Du bist also froh.”

Der Dämon setzt sich. Dabei stöhn­t er, als hätte ihm jemand einen Stein auf die Brust ge­wälzt. Jana bleibt in der Küchentür stehen, unentschlossen. Sie hat eine Hand in der Manteltasche, zerdrückt mit zitternden Fingern die Blätter und das trockene Moos. Der Dämon schreit. Er schreit so laut, dass die Küche sich für Sekun­den ver­dun­kelt.

”Dich küm­mert es einen Scheiß­dreck, ob wir mit dem Geld auskommen. Ob wir das Konto überziehen.“

Plötzlich lacht er. Er löf­felt einen Jo­ghurt und lacht.

”Ich bin müde”, sagt Jana leise.

Der Dämon kratz­t mit dem Löffel den Plas­tik­becher aus.

”Dann geh ins Bett.”

An seinen Lippen hängt roter Erdbeerjoghurt.

Jana zieht sich die Schuhe aus, hängt den Mantel an die Garderobe und geht ins Schlaf­zimmer. Sie weiß, dass der Dämon die nächs­ten Stun­den vor dem Fern­seher verbringen würde. In den Abend­stun­den bis tief hinein in die Nacht gehört das Schlaf­zimmer ihr. Sie kann lesen oder ein­fach nur in die Stille hinein lauschen, auf die gleichmäßig verteilten gelben und roten Karos der Vorhänge starren. Niemand würde fragen, weshalb sie kein Wort sprach, nicht aß, nicht trank, warum sie die Blumen nicht gegossen habe.

Wenn sie im Bett las, dann meistens in einem Lexikon. Sie hatte es vor einigen Jahren gekauft. Ein Lexikon war eine Welt voller Wissen. In ihm standen Dinge, die unverrückbar waren und die der Welt Sicherheit gaben. Aus ihrem Lexikon hatte sie zum Beispiel erfahren, dass die Azoren eine Inselgruppe waren, die zu Portugal gehörten, oder dass die 'Aufklärung' eine philosophische Bewegung des 18. Jahrhunderts gewesen war, und nicht unbedingt etwas mit Sexualität zu tun haben musste. Auch den Begriff 'Absorption' hatte sie vor einigen Wochen in einem Lexikon gefunden. Er besagte, dass Licht von einer Materie verschluckt werden konnte. Es verschwand einfach. Das hatte ihr eine Ahnung davon gegeben, was aus Konrad geworden war. Er war in einem Dämon verschwunden.

Die tieferen Wahrheiten fand sie in ihrem Lexikon nicht.

Früher hatte Jana im Bett auch Liebesgeschichten gelesen. Sie liebte Geschichten, in denen das Böse am Ende besiegt wurde. Solche Bücher waren ‚Blödsinniges Zeug‘ für den Dämon. Sinnlos ausgegebenes Geld. Deshalb las sie nur noch Liebesromane, wenn sie alleine im Haus war und der Dämon nichts davon mitbekam. Wenn sie in einem Lexikon las schwieg der Dämon. Er fühlte sich dann nicht wohl, das spürte Jana. Einmal hatte er gesagt:

„Du willst wohl noch studieren.“

Manchmal stand sie aber auch am Fenster. Stundenlang. Sah hinaus auf die um­lie­genden Hoch­häuser und den Park. Die Men­schen dort draußen waren frei. Sie zogen Kreise zwi­schen ihren Woh­nungen und ihren Arbeits­plät­zen, trafen sich im Park, führ­ten ihre Hunde spa­zieren, unter­hiel­ten sich mit weit aus­holen­den Be­wegun­gen. Wenn sie mit Rex dort unten ist, auf den schma­len Wegen, dann ist Jana für kurze Zeit ein Teil dieser Sorg­losig­keit.

Der Lärm dringt dumpf durch die Wand des Schlaf­zim­mers, während sie im Bett liegt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Schreie, Explosionen, das Rattern eines Maschinengewehres. Als der Fern­seher vor etwa einem halben Jahr in der Repa­ratur gewesen war, war für Jana die Hölle ausgebrochen. Der Dämon hatte nichts mit sich an­zu­fangen gewusst, ohne das Lachen, das Lieben, Töten und Schrei­en aus dem Kasten. Er hatte Jana in jedem Winkel der Woh­nung auf­gespürt, hatte sich über sie lustig gemacht, hatte sie verletzt, bis die magische Bilderwelt aus der Repa­ratur zurückgekommen war. Danach wurde das Leben wieder erträglicher.

Das Mädchen läuft über eine Wiese. Nackt. Jana spürt den Herzschlag des Kindes, sie spürt die Kälte auf seiner Haut. Plötzlich versinkt das Mädchen bis zu den Knien im Boden. Ein heftiger Wind kommt auf. Die Büsche und Bäume biegen sich. Als das Mädchen sich wehrt, immer heftiger, sich mit beiden Armen gegen den Rasen stützt, bricht es mit einem lautlosen Schrei voll­stän­dig ein. Von einer Sekunde auf die andere ist es Jana, die hinabsinkt, bis auf den schlammigen Grund eines Flusses. Sie versucht aufzutauchen. Ihre Muskeln schmerzen vor Anstrengung. Licht blendet ihre Augen.

Jana hört seinen Atem. Ruck­artig schäl­t sich der kräf­tige Körper aus der Jeans­hose und dem T-Shirt, das an seinem Leib klebt wie eine zweite Haut. Dann senkt sich der Dämon neben ihr in das Bett. Jana rührt sich nicht. Sie liegt auf der Seite und atmet so ruhig wie mög­lich. Jana spürt jede Be­wegung des Dämons. Nun be­anspruch­t er das ganze Schlaf­zimmer für sich. Sogar die Luft in dem Zimmer wird für Jana dünn. Sie rührt sich kaum. Manch­mal zieht sie ein Bein an oder streck­t es aus, um nicht durch ihre Be­we­gungs­losigkeit auf­zufal­len. Der Dämon wälzt sich zu ihr he­rüber. Sie hält den Atem an. Ihr Körper ge­friert zu Eis. Der Dämon atmet schwer, als seine Hände unter ihr Nacht­hemd fahren. Er streicht über ihren Oberschenkel, erschreckend zärtlich.

„Stell dich nicht so an.“

Sie denkt an die Dämonenhände ihrer Kindheit. Sie waren wie Butter. Daran erinnert sich Jana genau. Manchmal glaubte sie damals sogar Butter zu riechen. Der Mann mit diesen weichen Händen sagte immer nur: ’Mach schon‘. Sie wusste dann, was sie zu tun hatte, ob es Zuhause war, beim Spaziergang im Wald oder am Fluss. Niemand durfte davon erfahren, sonst würden sie kommen, die Teufelsaustreiber, und ihm einen Pfahl durch die Brust schlagen. Davor hatte sie Angst. Einmal hat die Butterhand eine Brennnessel ausgerissen und ihr den Mund damit eingerieben. Sie hatte die weiche Hand gebissen und hatte dann laut geschrien. Sie durfte nie schreien.

Sie durfte nicht reden und nicht schreien.

Nach dem Schmerz, den die Brennesseln verursacht hatten, war Jana jedes Mal still gewesen. Sie wurde ein sehr ruhiges Kind, was den Verwandten und Bekannten gefiel.

Der Dämon zieht sich aus ihrem Leib zurück. Er ist befriedigt. Er räuspert sich. Es ist, als wäre ihm das alles jetzt peinlich.

„Es ekelt dich vor mir. Gib’s zu. Ausgerechnet an eine wie dich muss ich kommen.“ Die Stimme hängt verletzlich in der Dunkelheit. „Im Auf­zug starrst du die Männer an, als hät­test du jahre­lang keinen Sex ge­habt. Glaub ja nicht, dass ich das nicht merke.“ Zwischen dem schweren Leib und Jana war eine Wunde. "Früher war ich mal dein Würmchen.“

Der Dämon macht eine Pause, so als wolle er Jana Gelegenheit geben, etwas zu sagen, dann kommt er wieder näher.

„Mit deinen großen Augen glaubs­t du jeden krie­gen zu können. Damit hast du mich auch ge­ködert.“

Der letzte Satz klingt wie das Eingeständnis einer Schwäche. Gleichzeitig ist er ein Vorwurf. Sie zieht ihren Slip hoch. Er spürt die Be­wegung im Bett und greift nach ihrem Hand­gelenk.

Jana atmet vor­sich­tig.

„Was hab ich dir getan?“ Der Dämon drück­t ihr Hand­gelenk so fest, dass sie die Zähne zu­sammen­beißt, um nicht zu schreien. „Bist dir zu fein, um dich zu wehren, ich weiß. Bist ja nicht so ungehobelt wie ich. Der Konrad aus'm Ruhr­pott. Ich bin, wie ich bin.“

Manchmal erwähnt der Dämon Konrad, so als hätte er ein Recht über Janas Mann zu sprechen. Konrad war ein echtes Ruhrpott-Kind gewesen, kein maskiertes, wie der Dämon. Und Jana hatte ihren Mann tatsächlich eine Weile ‚Würmchen‘ genannt, weil er ein rundes Gesicht hatte, wie der bunte Wurm aus Holz, mit dem sie als Kind immer gespielt hat.

Der Dämon lässt ihr Hand­gelenk los. Jana kann den Slip endlich vollständig hochziehen.

„Du hast mich schließlich so geheiratet“, fügt der Dämon hinzu.

Im Flur gähnt Rex und winselt.

Der Dämon schweigt, als wäre er verschwunden. Er hat sich mit der Dunkelheit vereinigt, denk Jana. Sie liegt lange wach und lausch­t. Sie lauscht auf den Wind draußen, der um das Gebäude streift. Auf die Geräusche des Hundes. Selbst als sie be­reits schläft, liegt sie noch wach und lausch­t. Sie denkt an den Traum. Das Mädchen, das im Fluss versinkt. Der Traum sitzt noch immer in ihren Gedanken. Er gehört zu ihrer Kindheit, wie der Schatten des wuchtigen Kleiderschranks an der Wand ihres Kinderzimmers. An Einzelheiten erinnert sie sich nie. Was bleibt ist das Gefühl, dass das Auftauchen aus dem Fluss unendlich viel Kraft kostet.

Siegfried

Ein Heili­gen­schein liegt um sein Ge­sicht, das von männ­lichen Falten durch­zogen ist. Jana fällt der Mann sofort auf. Der Heili­gen­schein ist allerdings nur die Sonne. Durch ein langes Fens­ter am Ende des Flures scheint sie ge­nau auf sein blondes Haar. Seine ge­pfleg­te, ruhige Er­schei­nung zieht Jana an. Er ist genau ihr Typ. So einen hatte sie gesucht. Doch dann kam Konrad und hatte sich um sie gekümmert.

Ein Signal­ton ist zu hören. Eine Nummer leuchtet auf. Jana legt die Zeitschrift zur Seite, in der sie eben gelesen hat, ehe der Mann mit dem Heiligenschein ihre Aufmerksamkeit an sich gerissen hatte. Sie hatte darin einen Artikel entdeckt, in dem es um eine amerikanische Kleinstadt geht. Black River Falls. Vor vielen Jahren war es dort zu schrecklichen Verbrechen gekommen. Als hätte der Wahnsinn die ganze Stadt erfasst. Menschen hatten Selbstmord begangen, ein Landstreicher ermoderte eine ganze Familie. Ein Bauer hatte alle seine Hühner geköpft und die Farm niedergebrannt, weil er ahnte, dass das Böse nach Black River Falls gekommen war. Alles innerhalb weniger Jahre. Jana hatte der Artikel nicht überrascht. Sie weiß, dass das Böse leibhaftig werden kann. Dass es zu Fleisch werden kann. Zu einem atmenden Wesen. Finster. Aber nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Eine älte­re Frau, die neben Jana sitzt, erhebt sich und Jana realisiert, dass sie noch nicht an der Reihe ist. Die Frau ver­schwindet hinter einer der gleich­förmi­gen Türen. Jana ist nun al­leine mit dem blon­den Traum-Mann. Seine Blicke ver­unsi­chern sie.

”Sind Sie schon lange arbeits­los?”

Seine Stimme ist warm und un­ver­krampft. Jana sieht ihn fast erschrocken an.

„Meinen Sie mich?“

„Wen denn sonst?“

”Seit drei Jahren.”

„Sie kommen aus Ost­deutsch­land?“

„Bitter­feld.“

„Sie haben einen leich­ten Akzent. Säch­sisch.“

„Sachsen-An­halt.“

Der Mann nickt.

„Wusste ich es doch.“

”Drei Jahre”, wieder­holt Jana und ver­sinkt in sich selbst.

”Es ist nicht leicht etwas zu finden”, meint der Mann. ”Je länger man aus dem Markt ist. Aus dem Arbeitsmarkt. Ich wohne am Sonnen­schein-Ring. In der Nähe des Süd-Parks.”

”Ich auch”, sagt Jana. ”Nicht am Sonnenscheinring, aber direkt am Park. Kaiserstr.”

Die sanfte Glocke und die rote Zahl auf der digi­talen Anzeige fordern Jana auf, das Zimmer mit der Nummer 18 zu betreten.

”Viel­leicht be­gegnen wir uns ein­mal im Park”, sagt der Mann.

Jana will ihren Arbeits­bera­ter nicht warten lassen, einen freund­lichen aber sehr energi­schen Men­schen.

”Viel­leicht”, sagt sie deshalb nur und steht auf.

Herr Schweinz tippt etwas in seinen Computer als sie sein Büro betritt. Schließ­lich sieht er auf und macht eine ein­la­dende Geste.

”Setzen Sie sich, Frau Varl.”

Jana setzt sich. Dann schwei­gt sie. Der Arbeitsberater schweigt. Sie spre­chen mit­einan­der und trotz­dem schwei­gen sie sich an, denn was sie sagen ist schon tau­send­mal ge­sagt worden. Jana weiß schon lange nicht mehr, wes­halb sie sich noch regelmäßig gegenüber saßen. Der Mann in seiner Schreibtischburg. Alle Zugbrücken hochgezogen. Bewaffnet mit einem Computer, Kugelschreibern und Papier. Jana davor. Ungeschützt. Ohne Helm. Ohne Axt. Ohne Schild. Der Schreibtisch-Burgherr kann sie jederzeit angreifen. Ohne ein Risiko einzugehen.

Herr Schweinz macht ihr keine Hoff­nungen, er sagt aber auch nicht, dass die Arbeits­markt­lage für Jana hoff­nungs­los ist. Er be­wegt sich mit seinen be­däch­tigen Worten wie immer irgend­wo da­zwi­schen. Hin und wieder klingt es sogar so, als wäre Jana selbst Schuld an ihrer Misere.

Aber auch das bleibt unausgesprochen.

Als sie das Büro von Herrn Schweinz wieder ver­lässt, hat Jana ein Gefühl, als hätte sie eine un­an­ge­nehme Unter­su­chung hinter sich ge­bracht, eine gynäkologische Pflicht­unter­su­chung, die ihr weder helfen noch scha­den konnte. Der Mann mit dem Heiligenschein sitzt noch immer an seinem Platz. So als wäre er ein Einrichtungsgegenstand zur Verschönerung des Amtes, wie eines der Fensterbilder oder eine der Grünpflanzen. Noch immer brennt die Sonne durch das Fenster. Jana grüßt ihn, ehe sie in den Aufzug steigt. Alles in ihr sträubt sich, den Mann hinter sich zu lassen, aber ihr Körper hat auf Autopilot geschaltet um keine Dummheiten zu begehen.

Als Jana das Gebäude verlässt bleibt sie auf der obersten Stufe der Treppe stehen, die auf den Gehweg hinabführt. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht. Sein Herz schlägt noch in den Mauern hinter ihr. Vielleicht wartet er, bis sie ihn aus dem kalten Gemäuer des Arbeitsamtes befreit. Der Autopilot hat sich abgeschaltet. Jana dreht sich um und legt die Hand auf den von der Sonne warmen Türgriff.

Sie muss seinen Namen wissen.

Der Dämon sitzt in der Küche und isst.

Er rollt Spa­ghetti auf eine Gabel und schiebt sie sich in den Mund. Als er Jana an­sieht, tropf­t Toma­ten­soße auf sein Kinn. Sie weiß, dass sie zu spät dran ist.

”Wo hast du gesteckt?”

”Sie haben nichts für mich - ”

Der Dämon hat Mühe, die Nudeln in sich hinein­zu­kauen. Dann hebt er mit einer Hand den Topf voll Nudeln auf und lässt ihn auf den Tisch zu­rück­fallen.

”Ich koche für uns. Stun­den­lang stehe ich in der Küche und mach das Zeug hier fertig.”

„Ich war im Arbeitsamt.“

Der Dämon schiebt sich hinter dem Tisch her­vor. Er kommt nä­her.

”Ich bin nicht dein Hans­wurst.” Roten Fle­cken der Toma­ten­soße, haben sich in der Nähe der Lippen ein­genis­tet. Eine kurze Bewegung der rechten Hand und Jana knall­t mit dem Kopf gegen den Tür­pfos­ten. ”Treibst dich in der Stadt herum. Hast wohl ‘nen Ste­cher.“

Jana hebt die Arme. Sie schüt­telt den Kopf. Die körper­liche Nähe des Dämons schmerzt wie eine Brandwunde. Sie fühlt sich wie ein aus dem Nest ge­falle­ner Vogel, der von einer Katze um­kreist wird.

”Wenn einer so blöd ist”, sagt der Dämon. „Dann soll ers doch machen mit dir.“ Er lacht. Es ist, als hätte jemand kaltes Wasser über sein Feuer ge­gossen. Der Dämon lacht so laut und schal­lend, als wäre er ver­rückt ge­worden. Jana lässt lang­sam die Arme sinken. Sie spürt einen pochenden Schmerz, dort wo sie mit dem Kopf gegen das Holz geschlagen ist. Rex steht neben ihr und sieht den Dämon hechelnd an.

”Du und ein Lieb­haber.”

Ein ver­ächt­licher Blick. Dann lacht der Dämon er­neut und ver­schwindet in der Toi­lette. Rex legt sich auf seinen Platz und stütz­t die Schnau­ze auf seine Pfoten.

Sieg­fried. Sie kann sich kaum an sein Ge­sicht erin­nern, nur an den Glanz über dem blonden Haar. Den Heiligenschein. Jana holt einen Teller aus dem Schrank und setzt sich an den Küchen­tisch. Siegfried. Sie füllt sich Nudeln auf ihren Teller und gießt Soße darüber. Alles lau­warm. Jana stopf­t die Nudeln in ihren Mund. Siegfried. Die Spü­lung auf der Toi­lette ist zu hören. Sie wisch­t sich mit einem Küchen­tuch die Lippen ab und kaut. Als der Dämon zu­rück­kommt, hat sie den Teller fast leer gegessen.

”Es schmeckt aus­gezeich­net.”

”Mach dich nur Lustig über mich.”

Der Dämon hat ein magisches Kraftfeld, an dem man sich die Stirn blutig rennt.

”Was geht in dir vor?“ Seine Stimme ist leise ge­worden.

Mit einem Hand­schlag wisch­t der Dämon den Topf mit der Tomatensoße vom Tisch. Er knall­t auf den Fuß­boden und ver­spritz­t seinen Inhalt in der Küche. Überall auf dem Boden ist plötzlich Blut. Rex bellt. Er tän­zelt un­ruhig neben dem Dämon. Jana sitzt wie eine Wachs­puppe auf ihrem Stuhl und hält die Gabel mit der Hand um­klam­mert, während sie auf das Blut auf dem Küchenboden starrt.

Eine sanfte Stimme. Sie taucht auf wie aus dem Nichts und erfüllt die Küche. Es dau­ert Sekun­den, bis Jana be­merkt, dass es die Stimme des Dämons ist. Er spricht mit dem Hund, tät­schelt seinen Hals. Liebevoll. Fast kindlich. Es kommt selten vor, dass der Dämon den Hund überhaupt be­ach­tet, doch wenn er es tut, dann wendet er sich dem Tier liebe­voll zu, so als würde eine Macht, die Stärker ist als er, ihn da­zu zwin­gen.

”Wenn du schon nicht kochst, dann kannst du wenigstens den Dreck weg­machen”, raunz­t der Dämon und ver­lässt mit dem Hund die Küche, um Rex wieder an seinen Platz zu brin­gen.

Jana rei­nigt den Boden, wäh­rend der Dämon vor dem Fern­seher sitzt. Sie spült den Topf und die Teller. Ihr Mund ist tro­cken und ihr Magen brennt. Lang­sam schiebt sie die Küchen­tür ins Schloss. Sie muss trinken. Ihr Hals ist trocken, als wäre sie durch die Wüste gewandert. Jana hat das Glas noch nicht ganz leer, als die Tür auf­springt. Sie weiß, dass der Dämon es nicht er­tragen kann, wenn sie Lei­tungs­wasser trinkt. Niemand trinkt freiwillig Leitungswasser, wenn der Kühlschrank angefüllt ist mit Cola, Sprite, Bier, Apfelsaft, Orangensaft. Niemand.

”Du bist um nichts besser als ich, merk dir das.” Der Dämon holt eine Fla­sche Limo­nade aus dem Kühl­schrank. ”Du trinkst auch noch Lei­tungs­wasser, wenn dir spei­übel davon wird. Stimmts? Nur um mir eins aus­zu­wi­schen.

---ENDE DER LESEPROBE---