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Als ihr Mann Konrad eines Tages von der Arbeit nach Hause kommt, entdeckt Jana ein Tatoo auf seiner Haut: Das Zeichen der Dämonen. Eine dunkle Macht hat von Konrad Besitz ergriffen. Doch kaum jemand glaubt noch an Dämonen. Auch Siegfried, ihren Liebhaber, kann Jana nicht von der Existenz des Dämons überzeugen. Siegfried ist Bankkaufmann und kein Drachentöter. Also muss Jana den Kampf mit dem vermeintlichen Dämon alleine aufnehmen. Ihre Gedankensplitter und Wahnideen hält sie dabei mit einer Kamera fest.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Schweigen
Die Wächter
Siegfried
Aufnahme EINS
Am Sonnenschein Ring
Aufnahme ZWEI
Der Schrei
Aufnahme DREI
Kirmes
Dämonenblut
Aufnahme VIER
In der Dämmerung
Impressum
Da fuhren die Dämonen und Teufel hinein und wohnten darin; sobald der Wind darin sang, sangen die Dämonen heraus und gaben eine gewaltige Stimme von sich.
Apokryphen (Die Schatzhöhle, Kapitel 21, 11 )
Sie blättert die Seiten um, bis sie plötzlich innehält. Eine Fingerkuppe mit kurzen, brüchigen Fingernägeln fährt über die Zeilen. Die schmalen Augen folgen jedem Buchstaben, als müsste sie ihnen dabei helfen auf der Seite zu erscheinen. Dem Drang, die Worte auszusprechen, um ihnen einen Klang zu geben, kann sie nicht widerstehen. Doch niemand darf sie hören. Deshalb spricht sie so leise, dass ihre Stimme vom Plätschern des Flusses übertönt wird, der nicht weit entfernt an einem abgebrochenen Ast zerrt. Der Ast ragt mit seinen Blättern wie ein abgetrenntes Glied in die Strömung. Ihre Füße sind nass. Wassertropfen glitzern wie Glassplitter auf ihrer Haut.
'Heute Nacht kommen zwölf schwarze Männer, die mit Ketten behangen sind. Sie werden dich fragen, was du hier machst. Schweig und gib ihnen keine Antwort. Lass sie mit dir machen, was sie wollen: Sie werden dich quälen, schlagen und stechen, lass alles geschehen. Nur rede nicht.'
Der Finger hält inne. Er unterstreicht den letzten Satz.
Nur rede nicht.
Die Blicke der Schlangen-Wächter ruhen auf ihr. Auf der Suche nach ihren Gedanken. Nach Unebenheiten. Kantigkeiten. Widerstand. Deshalb muss sie lügen. Immer wieder. Lügen um zu überleben.
Das hat sie schon als Kind gelernt.
Der Dämon gibt ein Geräusch von sich, das nach Ärger klingt. Nach Unzufriedenheit. Er schiebt das Kinn nach vorne und verschlingt eine handvoll Kartoffelchips, wie eine mechanische Puppe. Dabei starrt er in den Fernseher. Sein Kiefer bewegt sich, als wären seine Zähne Mühlsteine. Lichter tanzen um den Dämon herum. Lärm hüllt ihn ein wie eine unsichtbare Blase aus Musik und Geschrei.
Er war unauffällig in die Welt gekrochen. Seine Geburt hatte Jahre in Anspruch genommen, Jahre, in denen Konrad sich langsam auflöste. Er wurde von dieser finsteren Macht 'absorbiert', bis er endgültig verschwunden war. Nun sitzt der Dämon in Konrads Ohrensessel. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre diese Wohnung sein Zuhause.
Eines Nachmittags wurde die Wohnungstür barsch geöffnet. Es war ein regnerischer Nachmittag. Das Tattoo auf Konrads linkem Oberarm war nass und glänzte: Es zeigt zwei Schlangen mit gespaltenen Zungen. Sie winden sich aus den Augen eines Drachen heraus und reißen ihre Mäuler auf. Die Schlangen-Wächter ließen Jana von Anfang an nicht aus den Augen. Konrad hätte nie zugelassen, dass das Zeichen des Bösen in seine Haut gestochen wird.
„Was ist? Gefällt dir das Tattoo nicht? Ich finds geil.“ Der Dämon hatte sie damals kaum eines Blickes gewürdigt, während er sprach. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich um Erlaubnis frage, ob ich ein Tattoo haben darf. Soweit kommts noch.“
Der Dämon beherrscht die Kunst der Maskerade, doch Jana durchschaut ihn. Damals hatte sie sofort erkannt, dass Konrad von einem Dämonen absorbiert worden war. Die Schlangen-Wächter hatten den Dämon verraten. Nass vom Regen stand er vor ihr, das Tattoo auf der Haut glänzte. Konrads Gestalt.
Jana wendet sich vom Wohnzimmer ab. Die Wächteraugen lecken über ihren Rücken. Ein Brennen macht sich breit auf ihrer Haut. Am liebsten wäre sie für die nächsten Stunden im Schlafzimmer verschwunden, doch der Hunger, der sich seit einiger Zeit in ihrem Magen regt, ist nicht mehr zu verscheuchen. Mittags hatte sie nichts gegessen. Tagsüber hat sie keinen Hunger. Essen ist gleichbedeutend mit Leben, doch in der Nähe des Dämons kann Leben nur im Verborgenen existieren. Janas Arm streift eine Jacke, die an der Garderobe hängt. Sie flucht leise. Übertrieben gehässig. Der Flur ist so eng, dass kaum zwei Menschen nebeneinander stehen können.
Rex hebt den Kopf. Die Umrisse des Schäferhundes sind nur schwach zu erkennen. Die Kleiderbügel klappern wie Knochen im Wind. Der Dämon dreht den Kopf. Die Jacke schaukelt. Einer der Bügel kratzt am Holz der Garderobe. Die ganze Aufmerksamkeit des Dämons gilt nun ihr.
Rex gähnt.
”Du hast den Hund wach gemacht. Jetzt hab ich ihn wieder am Hals.”
Nach diesem Vorwurf starrt der Dämon wieder auf die bunte Scheibe. Er verbringt viel Zeit vor dem Fernseher. Ausschließlich in dem alten Ohrensessel. Diese Angewohnheit hat er von Konrad übernommen. Gestohlen. Charakterzüge, Worte, Ansichten. Alles Raubgut, das er mit Gewalt in seinen Besitz gebracht hat. Genauso wie er sich Konrads Kleidung angeeignet hat, seine Wohnung, seinen Arbeitsplatz. Der Dämon verbirgt sich geschickt hinter seinen Raubgütern, so täuscht er die Welt über sein wahres Wesen.
Jana kann er nicht täuschen. Das Wohnzimmer mit den dunklen Möbeln und dem dicken Teppich ist zu seiner Höhle geworden. Stickig. Düster. Überall lodern Flammen. Das Feuer ist nicht zu sehen. Keiner der seltenen Besucher hat sie je darauf angesprochen. Doch Jana spürt, dass es da ist. Sie spürt die Hitze.
Ein dumpfer Furz ist zu hören. Der Dämon räuspert sich.
Jana krault den Hund am Hals. Rex sieht sie mit seinen braunen Augen an. So unauffällig wie möglich verschwindet sie in der Küche, zieht die Tür hinter sich ins Schloss. Eine Weile lauscht sie auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer. Als keine unmittelbare Gefahr droht holt sie Wurst aus dem Kühlschrank und schneidet ein Stück davon ab. Als Jana am Tisch sitzt beobachtet sie ihre Hände dabei, wie sie das Stück Wurst auf das Brot legen. Sorgältig. Ein leichtes Zittern ist nicht zu übersehen. Das Licht über dem Küchentisch verbreitet eine sanfte Wärme. Der Kaktus neben ihr ist ein vertrautes Wesen. Kahl und wütend steht er auf der Fensterbank. Manchmal sieht Jana sich selbst darin.
Es ist so leise, dass sie es zunächst kaum hört. Ein Kratzen an der Tür. Es wird lauter. Aufdringlicher. Die Augen der Schlangen-Wächter versuchen durch das lackierte Holz zu dringen. Doch es ist aussichtslos. Soviel Macht besitzen sie nicht. Noch nicht. Jana beißt in das Brot, kaut vorsichtig. Im nächsten Augenblick füllt der Dämon den Türrahmen. Er ist so plötzlich aufgetaucht, dass ein elektrischer Schlag durch Janas Körper fährt. Das Doppelkinn scheint aus Stein gemeißelt zu sein. Seine Brust ist ein Felsbrocken. Der Dämon ist deutlich kräftiger als Konrad es je gewesen ist. Geschrei und Musik aus dem Wohnzimmer hängen an ihm wie eine kriegerische Gefolgschaft. Jana isst hastig. Sie zerkaut die Bissen in ihrem Mund, wie ein Tier, das Angst hat, entdeckt zu werden.
”Kannst du nicht mittags essen?”
Der Leib des Dämons schiebt sich dicht an sie heran. Seine riesigen Hände holen ein Glas aus dem Hängeschrank. Die Dämonenhände greifen in den Kühlschrank, holen Limonade aus dem Licht. Der massige Körper, der in ein T-Shirt und in enge Jeanshosen gezwängt ist, stinkt nach einer Mischung aus gestickten Decken, abgestandener Luft und Schweiß.
”Ich hatte keinen Hunger.”
Der Dämon sieht Jana kurz an, mit einem genervten Blick.
”Du hattest keinen Hunger”, brummt er.
Die Küchentür schließt sich hinter ihm. Jana würgt die letzten Bissen hinunter. Hastig. Obwohl der Dämon nur noch in Form seines schlechten Geruchs anwesend ist fühlt sie sich ausgeliefert. Sie wischt den Tisch ab, bis nichts mehr von ihrem Abendessen zu sehen ist. Die Brotkrumen wirft sie in den Mülleimer.
Leise tritt sie wieder in den Flur hinaus. Rex erhebt sich und wedelt mit dem Schwanz, als sie ihm die Leine anlegt. Er schmiegt sich zutraulich an ihre Beine.
”Ich gehe mit Rex nach draußen.”
Janas Stimme ist es nicht gewohnt, laut zu sprechen. Ihre Worte bleiben deshalb verhalten in der Garderobe hängen, bilden einen Nebel, der den Dämon anlockt.
Er erscheint in der Wohnzimmertür.
”Bleib nicht zu lange.”
Der Dämon sieht sie misstrauisch an. Alles an ihr scheint ihm mit einem Mal verdächtig zu sein. Ihre Absicht mit dem Hund spazieren zu gehen. Ihre Hand, die wie Zufällig über den Rücken des Tiers streicht. Die Brotkrumen auf ihren Lippen. Jana zieht Rex hinter sich her in das Treppenhaus und drückt die Wohnungstür ins Schloss. Sie wartet. Die Blicke der Schlangen-Wächter brechen an der Tür. Sie hört ihr Zischen.
Im Flur herrscht die Stille von frischer Farbe und Putzmittel. Eine Weile steht Jana zwischen den kahlen Wänden. Manchmal hat sie das Gefühl, dass es außerhalb der Höhle des Dämons keine Welt gibt. Doch das ist nicht der Fall. Die Welt dort draußen ist bunt. Die Menschen gehen ihren Geschäften nach. Lachen und küssen sich. Manchmal lächelt sie jemand an. Dann spürt sie, dass sie nicht alleine ist. An manchen Tagen hat Jana Angst, dass auch dort draußen Dämonen entstehen könnten. Ein Heer von Dämonen, die die Erde und ihre Bewohner in Besitz nehmen.
Die herbstliche Luft lässt etwas in Jana aufblühen. Langsam öffnet sich dieses Etwas, das seinen Sitz in ihrer Seele hat, und nimmt den Duft des Parks in sich auf. Die Bäume und Büsche, die zwischen den verstreuten Hochhäusern leben, sind fast eins geworden mit der Dunkelheit. Erkennbar nur an ihren Umrissen. Rex' Nase wühlt in den rötlichen Blättern, die den Rasen bedecken. Jana lässt ihm die Freiheit, nach Lust und Laune herumzustöbern. Sie bückt sich und hebt eine handvoll Blätter auf, die sie in ihre Manteltasche steckt. Dabei spürt sie das Moos, das sie letzte Woche aufgesammelt hat. Es ist trocken und zerbröselt zwischen ihren Fingern. Sie hat vergessen, es in die Kiste zu legen, zu dem Fliegenpilz und dem verwelkten Löwenzahn. Schließlich lässt Jana Rex von der Leine. Sie freut sich über seine Ungeduld angesichts der vielen Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Sie pfeift ihn erst zurück, als er zwischen dem Geäst der Büsche zu verschwinden droht.
Es sind etwa zehn Minuten bis zu der Kneipe, die im Licht der Straßenlaternen liegt. An der Tür empfangen sie der übliche Bierdunst und der muffige Geruch abgestandener Luft. Jana bestellt ein Bier. Wortlos sitzt sie an ihrem Tisch und trinkt. Rex liegt neben ihr, die Schnauze auf den Pfoten. Der Hund scheint mit aufmerksamen Augen der Musik zu lauschen. Eine Country-Lied mit deutschem Text. Der Wirt lächelt hin und wieder kumpelhaft zu ihr herüber. Einige der anderen Stammgäste starren sie an, wie immer. Sie sieht den Männern die Angst an, eine Chance auf schnellen Sex zu verpassen. Die Blicke sind unangenehm, obwohl Jana sich geschmeichelt fühlt.
”Hat dein Alter wieder keine Lust?” fragt ein rothaariger Mann um die fünfzig, mit struppigem Schnauzbart. Seine runden Wangen zittern. Jana nimmt es ihm nicht übel. Sie kennt das Gesicht. Sie kennt die runden Wangen. Sie kennt seine Bemerkungen. Sie weiß aber nicht, wie er heißt. Der Mann meint, immer eine Bemerkung machen zu müssen, wenn er sie sieht, so, als wäre es seine Pflicht, als würde sie erwarten, etwas von ihm zu hören. Er benimmt sich wie ein Schuljunge, der seinen auswendig gelernten Text aufsagt.
Jana trinkt ihr Bier. Rex scheint zu schlafen, aber er ist Wachsam. Der Rothaarige unterhält sich wieder mit seinen Freunden. Der Wirt spült Gläser. Der Schaum tropft von seinen Händen. Nach dem ersten Country-Lied kommt ein Zweites. Dann ein Drittes. Alle von der Gruppe Truck Stop.
Jana denkt an die Hundemaske. Weiß liegt sie in ihrem Kleiderschrank. Halbfertig. So geht es ihr oft: Sie bringt viele Dinge nicht zu Ende. Der Hund hat eine Kraft in sich, die ihn vor Angriffen des Dämons schützt. Deshalb braucht sie sein Abbild. Am liebsten hätte Jana sich im Fell des Tieres verkrochen. Aufschneiden und hineinkriechen. Daran denkt sie oft. Das wäre besser als eine Hundemaske aus Pappmaché, die nie fertig wird. Es gibt Dinge, die der Verstand nicht beweisen kann, die aber zu den grundsätzlichen Wahrheiten dieser Welt gehören. Zu diesen Dingen gehört die Tatsache, dass Hunde sich schützen können vor Dämonen.
Das findet sie in keinem Lexikon, aber esist wahr.
Rex streckt sich und gähnt. Jana leert ihr Glas. Das Bier schmeckt herb. Ein Pils. Jana genießt es jedesmal, wenn sie hier ist. Ein Akt des Aufbegehrens gegen den Dämon und seine Schlangen-Wächter. Jana kommt es vor, als müsste sie immer wieder aufs Neue testen, ob sie hier in dieser Kneipe sicher ist vor den finsteren Mächten die in ihrem Leben Platz genommen haben. Eindringlinge aus einer anderen Welt. Sie sieht auf die Uhr. Jana weiß, dass auch der Dämon immer wieder auf die Uhr sieht, so lange sie fort ist. Bezahlt hat sie schon. Das macht sie immer so, um jederzeit gehen zu können. Sie nickt dem Wirt zu, dabei lächelt sie schmal und geht nach draußen.
Kurz darauf steht Jana wieder vor dem Wohnturm in dem sie seit so vielen Jahren lebt. Der Dämon ist langsam in die Welt gekommen. Wie ein Kind, das mühsam aus der Öffnung des Mutterleibes herauskriecht. Jana vermutet die Brutstätte in dem dunklen Winkel zwischen dem Schrank und dem Sofa. Dort stand die alte Lampe ihrer Großmutter, gekrönt von einem zu großen Stoffschirm. Diese Ecke des Wohnzimmers war schon immer düsterer gewesen, als der Rest der Wohnung. Konrad hatte nur schwache Birnen in die Stehlampe eingesetzt. Der Dämon hat diese Angewohnheit übernommen. Auch er setzt nur schwache Birnen in die Lampe.
Vielleicht um die Brutstätte intakt zu halten.
Jana schiebt sich ein Stück Pfefferminz in den Mund und kaut darauf herum. Eine Weile geht sie auf und ab. Rex folgt ihr müde, ohne sich noch für die tausend Gerüche im Gras, unter den Büschen oder auf dem Pflaster zu interessieren. Sie sieht nach oben, zu den erleuchteten Fenstern.
Als Jana die Tür öffnet, steht er vor ihr. Sie ist so überrascht, dass die wuchtige Gestalt wie ein Meteorit auf sie herabfällt. Sie hat den Dämon in seinem Sessel vermutet, eingehüllt in die Schreie, die bis in den Flur schwappen.
”Hat der Hund gekackt?”
Rex schnuppert an den kräftigen Beinen des Dämons, dann legt er sich auf seinen Platz.
”Hast du dir heute die Zeitungen durchgesehen?”
”Es war nichts dabei.”
”Für dich ist nie was dabei.”
Der Dämon geht in die Küche. Jana folgt ihm wie eine Marionette, ohne eigenen Willen. Er öffnet den Kühlschrank .
”Schämst du dich nicht?” Das Dämonengesicht sieht sie an. ”Was würdest du machen, wenn ich nicht arbeiten würde?”
”Ich bin froh, dass du arbeiten gehst.”
Der Dämon knallt den Kühlschrank zu und macht Licht. Sofort wird die Küche unerträglich eng.
”Du bist also froh.”
Der Dämon setzt sich. Dabei stöhnt er, als hätte ihm jemand einen Stein auf die Brust gewälzt. Jana bleibt in der Küchentür stehen, unentschlossen. Sie hat eine Hand in der Manteltasche, zerdrückt mit zitternden Fingern die Blätter und das trockene Moos. Der Dämon schreit. Er schreit so laut, dass die Küche sich für Sekunden verdunkelt.
”Dich kümmert es einen Scheißdreck, ob wir mit dem Geld auskommen. Ob wir das Konto überziehen.“
Plötzlich lacht er. Er löffelt einen Joghurt und lacht.
”Ich bin müde”, sagt Jana leise.
Der Dämon kratzt mit dem Löffel den Plastikbecher aus.
”Dann geh ins Bett.”
An seinen Lippen hängt roter Erdbeerjoghurt.
Jana zieht sich die Schuhe aus, hängt den Mantel an die Garderobe und geht ins Schlafzimmer. Sie weiß, dass der Dämon die nächsten Stunden vor dem Fernseher verbringen würde. In den Abendstunden bis tief hinein in die Nacht gehört das Schlafzimmer ihr. Sie kann lesen oder einfach nur in die Stille hinein lauschen, auf die gleichmäßig verteilten gelben und roten Karos der Vorhänge starren. Niemand würde fragen, weshalb sie kein Wort sprach, nicht aß, nicht trank, warum sie die Blumen nicht gegossen habe.
Wenn sie im Bett las, dann meistens in einem Lexikon. Sie hatte es vor einigen Jahren gekauft. Ein Lexikon war eine Welt voller Wissen. In ihm standen Dinge, die unverrückbar waren und die der Welt Sicherheit gaben. Aus ihrem Lexikon hatte sie zum Beispiel erfahren, dass die Azoren eine Inselgruppe waren, die zu Portugal gehörten, oder dass die 'Aufklärung' eine philosophische Bewegung des 18. Jahrhunderts gewesen war, und nicht unbedingt etwas mit Sexualität zu tun haben musste. Auch den Begriff 'Absorption' hatte sie vor einigen Wochen in einem Lexikon gefunden. Er besagte, dass Licht von einer Materie verschluckt werden konnte. Es verschwand einfach. Das hatte ihr eine Ahnung davon gegeben, was aus Konrad geworden war. Er war in einem Dämon verschwunden.
Die tieferen Wahrheiten fand sie in ihrem Lexikon nicht.
Früher hatte Jana im Bett auch Liebesgeschichten gelesen. Sie liebte Geschichten, in denen das Böse am Ende besiegt wurde. Solche Bücher waren ‚Blödsinniges Zeug‘ für den Dämon. Sinnlos ausgegebenes Geld. Deshalb las sie nur noch Liebesromane, wenn sie alleine im Haus war und der Dämon nichts davon mitbekam. Wenn sie in einem Lexikon las schwieg der Dämon. Er fühlte sich dann nicht wohl, das spürte Jana. Einmal hatte er gesagt:
„Du willst wohl noch studieren.“
Manchmal stand sie aber auch am Fenster. Stundenlang. Sah hinaus auf die umliegenden Hochhäuser und den Park. Die Menschen dort draußen waren frei. Sie zogen Kreise zwischen ihren Wohnungen und ihren Arbeitsplätzen, trafen sich im Park, führten ihre Hunde spazieren, unterhielten sich mit weit ausholenden Bewegungen. Wenn sie mit Rex dort unten ist, auf den schmalen Wegen, dann ist Jana für kurze Zeit ein Teil dieser Sorglosigkeit.
Der Lärm dringt dumpf durch die Wand des Schlafzimmers, während sie im Bett liegt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Schreie, Explosionen, das Rattern eines Maschinengewehres. Als der Fernseher vor etwa einem halben Jahr in der Reparatur gewesen war, war für Jana die Hölle ausgebrochen. Der Dämon hatte nichts mit sich anzufangen gewusst, ohne das Lachen, das Lieben, Töten und Schreien aus dem Kasten. Er hatte Jana in jedem Winkel der Wohnung aufgespürt, hatte sich über sie lustig gemacht, hatte sie verletzt, bis die magische Bilderwelt aus der Reparatur zurückgekommen war. Danach wurde das Leben wieder erträglicher.
Das Mädchen läuft über eine Wiese. Nackt. Jana spürt den Herzschlag des Kindes, sie spürt die Kälte auf seiner Haut. Plötzlich versinkt das Mädchen bis zu den Knien im Boden. Ein heftiger Wind kommt auf. Die Büsche und Bäume biegen sich. Als das Mädchen sich wehrt, immer heftiger, sich mit beiden Armen gegen den Rasen stützt, bricht es mit einem lautlosen Schrei vollständig ein. Von einer Sekunde auf die andere ist es Jana, die hinabsinkt, bis auf den schlammigen Grund eines Flusses. Sie versucht aufzutauchen. Ihre Muskeln schmerzen vor Anstrengung. Licht blendet ihre Augen.
Jana hört seinen Atem. Ruckartig schält sich der kräftige Körper aus der Jeanshose und dem T-Shirt, das an seinem Leib klebt wie eine zweite Haut. Dann senkt sich der Dämon neben ihr in das Bett. Jana rührt sich nicht. Sie liegt auf der Seite und atmet so ruhig wie möglich. Jana spürt jede Bewegung des Dämons. Nun beansprucht er das ganze Schlafzimmer für sich. Sogar die Luft in dem Zimmer wird für Jana dünn. Sie rührt sich kaum. Manchmal zieht sie ein Bein an oder streckt es aus, um nicht durch ihre Bewegungslosigkeit aufzufallen. Der Dämon wälzt sich zu ihr herüber. Sie hält den Atem an. Ihr Körper gefriert zu Eis. Der Dämon atmet schwer, als seine Hände unter ihr Nachthemd fahren. Er streicht über ihren Oberschenkel, erschreckend zärtlich.
„Stell dich nicht so an.“
Sie denkt an die Dämonenhände ihrer Kindheit. Sie waren wie Butter. Daran erinnert sich Jana genau. Manchmal glaubte sie damals sogar Butter zu riechen. Der Mann mit diesen weichen Händen sagte immer nur: ’Mach schon‘. Sie wusste dann, was sie zu tun hatte, ob es Zuhause war, beim Spaziergang im Wald oder am Fluss. Niemand durfte davon erfahren, sonst würden sie kommen, die Teufelsaustreiber, und ihm einen Pfahl durch die Brust schlagen. Davor hatte sie Angst. Einmal hat die Butterhand eine Brennnessel ausgerissen und ihr den Mund damit eingerieben. Sie hatte die weiche Hand gebissen und hatte dann laut geschrien. Sie durfte nie schreien.
Sie durfte nicht reden und nicht schreien.
Nach dem Schmerz, den die Brennesseln verursacht hatten, war Jana jedes Mal still gewesen. Sie wurde ein sehr ruhiges Kind, was den Verwandten und Bekannten gefiel.
Der Dämon zieht sich aus ihrem Leib zurück. Er ist befriedigt. Er räuspert sich. Es ist, als wäre ihm das alles jetzt peinlich.
„Es ekelt dich vor mir. Gib’s zu. Ausgerechnet an eine wie dich muss ich kommen.“ Die Stimme hängt verletzlich in der Dunkelheit. „Im Aufzug starrst du die Männer an, als hättest du jahrelang keinen Sex gehabt. Glaub ja nicht, dass ich das nicht merke.“ Zwischen dem schweren Leib und Jana war eine Wunde. "Früher war ich mal dein Würmchen.“
Der Dämon macht eine Pause, so als wolle er Jana Gelegenheit geben, etwas zu sagen, dann kommt er wieder näher.
„Mit deinen großen Augen glaubst du jeden kriegen zu können. Damit hast du mich auch geködert.“
Der letzte Satz klingt wie das Eingeständnis einer Schwäche. Gleichzeitig ist er ein Vorwurf. Sie zieht ihren Slip hoch. Er spürt die Bewegung im Bett und greift nach ihrem Handgelenk.
Jana atmet vorsichtig.
„Was hab ich dir getan?“ Der Dämon drückt ihr Handgelenk so fest, dass sie die Zähne zusammenbeißt, um nicht zu schreien. „Bist dir zu fein, um dich zu wehren, ich weiß. Bist ja nicht so ungehobelt wie ich. Der Konrad aus'm Ruhrpott. Ich bin, wie ich bin.“
Manchmal erwähnt der Dämon Konrad, so als hätte er ein Recht über Janas Mann zu sprechen. Konrad war ein echtes Ruhrpott-Kind gewesen, kein maskiertes, wie der Dämon. Und Jana hatte ihren Mann tatsächlich eine Weile ‚Würmchen‘ genannt, weil er ein rundes Gesicht hatte, wie der bunte Wurm aus Holz, mit dem sie als Kind immer gespielt hat.
Der Dämon lässt ihr Handgelenk los. Jana kann den Slip endlich vollständig hochziehen.
„Du hast mich schließlich so geheiratet“, fügt der Dämon hinzu.
Im Flur gähnt Rex und winselt.
Der Dämon schweigt, als wäre er verschwunden. Er hat sich mit der Dunkelheit vereinigt, denk Jana. Sie liegt lange wach und lauscht. Sie lauscht auf den Wind draußen, der um das Gebäude streift. Auf die Geräusche des Hundes. Selbst als sie bereits schläft, liegt sie noch wach und lauscht. Sie denkt an den Traum. Das Mädchen, das im Fluss versinkt. Der Traum sitzt noch immer in ihren Gedanken. Er gehört zu ihrer Kindheit, wie der Schatten des wuchtigen Kleiderschranks an der Wand ihres Kinderzimmers. An Einzelheiten erinnert sie sich nie. Was bleibt ist das Gefühl, dass das Auftauchen aus dem Fluss unendlich viel Kraft kostet.
Ein Heiligenschein liegt um sein Gesicht, das von männlichen Falten durchzogen ist. Jana fällt der Mann sofort auf. Der Heiligenschein ist allerdings nur die Sonne. Durch ein langes Fenster am Ende des Flures scheint sie genau auf sein blondes Haar. Seine gepflegte, ruhige Erscheinung zieht Jana an. Er ist genau ihr Typ. So einen hatte sie gesucht. Doch dann kam Konrad und hatte sich um sie gekümmert.
Ein Signalton ist zu hören. Eine Nummer leuchtet auf. Jana legt die Zeitschrift zur Seite, in der sie eben gelesen hat, ehe der Mann mit dem Heiligenschein ihre Aufmerksamkeit an sich gerissen hatte. Sie hatte darin einen Artikel entdeckt, in dem es um eine amerikanische Kleinstadt geht. Black River Falls. Vor vielen Jahren war es dort zu schrecklichen Verbrechen gekommen. Als hätte der Wahnsinn die ganze Stadt erfasst. Menschen hatten Selbstmord begangen, ein Landstreicher ermoderte eine ganze Familie. Ein Bauer hatte alle seine Hühner geköpft und die Farm niedergebrannt, weil er ahnte, dass das Böse nach Black River Falls gekommen war. Alles innerhalb weniger Jahre. Jana hatte der Artikel nicht überrascht. Sie weiß, dass das Böse leibhaftig werden kann. Dass es zu Fleisch werden kann. Zu einem atmenden Wesen. Finster. Aber nicht auf den ersten Blick zu erkennen.
Eine ältere Frau, die neben Jana sitzt, erhebt sich und Jana realisiert, dass sie noch nicht an der Reihe ist. Die Frau verschwindet hinter einer der gleichförmigen Türen. Jana ist nun alleine mit dem blonden Traum-Mann. Seine Blicke verunsichern sie.
”Sind Sie schon lange arbeitslos?”
Seine Stimme ist warm und unverkrampft. Jana sieht ihn fast erschrocken an.
„Meinen Sie mich?“
„Wen denn sonst?“
”Seit drei Jahren.”
„Sie kommen aus Ostdeutschland?“
„Bitterfeld.“
„Sie haben einen leichten Akzent. Sächsisch.“
„Sachsen-Anhalt.“
Der Mann nickt.
„Wusste ich es doch.“
”Drei Jahre”, wiederholt Jana und versinkt in sich selbst.
”Es ist nicht leicht etwas zu finden”, meint der Mann. ”Je länger man aus dem Markt ist. Aus dem Arbeitsmarkt. Ich wohne am Sonnenschein-Ring. In der Nähe des Süd-Parks.”
”Ich auch”, sagt Jana. ”Nicht am Sonnenscheinring, aber direkt am Park. Kaiserstr.”
Die sanfte Glocke und die rote Zahl auf der digitalen Anzeige fordern Jana auf, das Zimmer mit der Nummer 18 zu betreten.
”Vielleicht begegnen wir uns einmal im Park”, sagt der Mann.
Jana will ihren Arbeitsberater nicht warten lassen, einen freundlichen aber sehr energischen Menschen.
”Vielleicht”, sagt sie deshalb nur und steht auf.
Herr Schweinz tippt etwas in seinen Computer als sie sein Büro betritt. Schließlich sieht er auf und macht eine einladende Geste.
”Setzen Sie sich, Frau Varl.”
Jana setzt sich. Dann schweigt sie. Der Arbeitsberater schweigt. Sie sprechen miteinander und trotzdem schweigen sie sich an, denn was sie sagen ist schon tausendmal gesagt worden. Jana weiß schon lange nicht mehr, weshalb sie sich noch regelmäßig gegenüber saßen. Der Mann in seiner Schreibtischburg. Alle Zugbrücken hochgezogen. Bewaffnet mit einem Computer, Kugelschreibern und Papier. Jana davor. Ungeschützt. Ohne Helm. Ohne Axt. Ohne Schild. Der Schreibtisch-Burgherr kann sie jederzeit angreifen. Ohne ein Risiko einzugehen.
Herr Schweinz macht ihr keine Hoffnungen, er sagt aber auch nicht, dass die Arbeitsmarktlage für Jana hoffnungslos ist. Er bewegt sich mit seinen bedächtigen Worten wie immer irgendwo dazwischen. Hin und wieder klingt es sogar so, als wäre Jana selbst Schuld an ihrer Misere.
Aber auch das bleibt unausgesprochen.
Als sie das Büro von Herrn Schweinz wieder verlässt, hat Jana ein Gefühl, als hätte sie eine unangenehme Untersuchung hinter sich gebracht, eine gynäkologische Pflichtuntersuchung, die ihr weder helfen noch schaden konnte. Der Mann mit dem Heiligenschein sitzt noch immer an seinem Platz. So als wäre er ein Einrichtungsgegenstand zur Verschönerung des Amtes, wie eines der Fensterbilder oder eine der Grünpflanzen. Noch immer brennt die Sonne durch das Fenster. Jana grüßt ihn, ehe sie in den Aufzug steigt. Alles in ihr sträubt sich, den Mann hinter sich zu lassen, aber ihr Körper hat auf Autopilot geschaltet um keine Dummheiten zu begehen.
Als Jana das Gebäude verlässt bleibt sie auf der obersten Stufe der Treppe stehen, die auf den Gehweg hinabführt. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht. Sein Herz schlägt noch in den Mauern hinter ihr. Vielleicht wartet er, bis sie ihn aus dem kalten Gemäuer des Arbeitsamtes befreit. Der Autopilot hat sich abgeschaltet. Jana dreht sich um und legt die Hand auf den von der Sonne warmen Türgriff.
Sie muss seinen Namen wissen.
Der Dämon sitzt in der Küche und isst.
Er rollt Spaghetti auf eine Gabel und schiebt sie sich in den Mund. Als er Jana ansieht, tropft Tomatensoße auf sein Kinn. Sie weiß, dass sie zu spät dran ist.
”Wo hast du gesteckt?”
”Sie haben nichts für mich - ”
Der Dämon hat Mühe, die Nudeln in sich hineinzukauen. Dann hebt er mit einer Hand den Topf voll Nudeln auf und lässt ihn auf den Tisch zurückfallen.
”Ich koche für uns. Stundenlang stehe ich in der Küche und mach das Zeug hier fertig.”
„Ich war im Arbeitsamt.“
Der Dämon schiebt sich hinter dem Tisch hervor. Er kommt näher.
”Ich bin nicht dein Hanswurst.” Roten Flecken der Tomatensoße, haben sich in der Nähe der Lippen eingenistet. Eine kurze Bewegung der rechten Hand und Jana knallt mit dem Kopf gegen den Türpfosten. ”Treibst dich in der Stadt herum. Hast wohl ‘nen Stecher.“
Jana hebt die Arme. Sie schüttelt den Kopf. Die körperliche Nähe des Dämons schmerzt wie eine Brandwunde. Sie fühlt sich wie ein aus dem Nest gefallener Vogel, der von einer Katze umkreist wird.
”Wenn einer so blöd ist”, sagt der Dämon. „Dann soll ers doch machen mit dir.“ Er lacht. Es ist, als hätte jemand kaltes Wasser über sein Feuer gegossen. Der Dämon lacht so laut und schallend, als wäre er verrückt geworden. Jana lässt langsam die Arme sinken. Sie spürt einen pochenden Schmerz, dort wo sie mit dem Kopf gegen das Holz geschlagen ist. Rex steht neben ihr und sieht den Dämon hechelnd an.
”Du und ein Liebhaber.”
Ein verächtlicher Blick. Dann lacht der Dämon erneut und verschwindet in der Toilette. Rex legt sich auf seinen Platz und stützt die Schnauze auf seine Pfoten.
Siegfried. Sie kann sich kaum an sein Gesicht erinnern, nur an den Glanz über dem blonden Haar. Den Heiligenschein. Jana holt einen Teller aus dem Schrank und setzt sich an den Küchentisch. Siegfried. Sie füllt sich Nudeln auf ihren Teller und gießt Soße darüber. Alles lauwarm. Jana stopft die Nudeln in ihren Mund. Siegfried. Die Spülung auf der Toilette ist zu hören. Sie wischt sich mit einem Küchentuch die Lippen ab und kaut. Als der Dämon zurückkommt, hat sie den Teller fast leer gegessen.
”Es schmeckt ausgezeichnet.”
”Mach dich nur Lustig über mich.”
Der Dämon hat ein magisches Kraftfeld, an dem man sich die Stirn blutig rennt.
”Was geht in dir vor?“ Seine Stimme ist leise geworden.
Mit einem Handschlag wischt der Dämon den Topf mit der Tomatensoße vom Tisch. Er knallt auf den Fußboden und verspritzt seinen Inhalt in der Küche. Überall auf dem Boden ist plötzlich Blut. Rex bellt. Er tänzelt unruhig neben dem Dämon. Jana sitzt wie eine Wachspuppe auf ihrem Stuhl und hält die Gabel mit der Hand umklammert, während sie auf das Blut auf dem Küchenboden starrt.
Eine sanfte Stimme. Sie taucht auf wie aus dem Nichts und erfüllt die Küche. Es dauert Sekunden, bis Jana bemerkt, dass es die Stimme des Dämons ist. Er spricht mit dem Hund, tätschelt seinen Hals. Liebevoll. Fast kindlich. Es kommt selten vor, dass der Dämon den Hund überhaupt beachtet, doch wenn er es tut, dann wendet er sich dem Tier liebevoll zu, so als würde eine Macht, die Stärker ist als er, ihn dazu zwingen.
”Wenn du schon nicht kochst, dann kannst du wenigstens den Dreck wegmachen”, raunzt der Dämon und verlässt mit dem Hund die Küche, um Rex wieder an seinen Platz zu bringen.
Jana reinigt den Boden, während der Dämon vor dem Fernseher sitzt. Sie spült den Topf und die Teller. Ihr Mund ist trocken und ihr Magen brennt. Langsam schiebt sie die Küchentür ins Schloss. Sie muss trinken. Ihr Hals ist trocken, als wäre sie durch die Wüste gewandert. Jana hat das Glas noch nicht ganz leer, als die Tür aufspringt. Sie weiß, dass der Dämon es nicht ertragen kann, wenn sie Leitungswasser trinkt. Niemand trinkt freiwillig Leitungswasser, wenn der Kühlschrank angefüllt ist mit Cola, Sprite, Bier, Apfelsaft, Orangensaft. Niemand.
”Du bist um nichts besser als ich, merk dir das.” Der Dämon holt eine Flasche Limonade aus dem Kühlschrank. ”Du trinkst auch noch Leitungswasser, wenn dir speiübel davon wird. Stimmts? Nur um mir eins auszuwischen.