Das Insekt - Walter Brunhuber - E-Book

Das Insekt E-Book

Walter Brunhuber

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Beschreibung

Der arbeitslose ehemalige Professor der Biologie Fabian Tillich hat alles aufgegeben, was er privat und beruflich in seinem Leben erreicht hat. Für Mandy geopfert, eine junge Frau, die eine Karriere als Sängerin anstrebt. Nachdem sie ihn verlassen hat findet Tillich keinen Halt mehr im Leben ... Bis er im Keller des Wohnblocks, in dem er lebt, ein ungewöhnliches Insekt entdeckt. Es führt ihn in ein unterirdisches Labyrinth ... das sich bald als Labyrinth seines Lebens erweist.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Walter Brunhuber

Das Insekt

Inhaltsverzeichnis

Motto

Das Insekt

Katakomben

Mandy

Heartbreak Hotel

Goldenes Haar

Epilog:

Gelbe Motten

Impressum

Motto

In a tiny piece of coulered glass my love began ... (Donovan)

Das Insekt

oder Tillichs Traum

Katakomben

Tausendfüßler, Mücken, Schmetterlinge u a. Insekten verfügen über Kohlendioxid-Sensoren. Mit Hilfe dieser Sensoren können Wirte ausfindig gemacht werden.

Das Insekt verharrt auf einer Weinflasche aus Rumänien. Die Staubschicht auf dem Glas der Flasche ist dick genug, um die winzigen Spuren der beiden Krallen aufzunehmen, die das Ende der sechs behaarten Insektenbeine markieren. Sie hinterlassen mikroskopisch kleine Abdrücke, die nie ein menschliches Auge wahrnehmen wird. Der Ort, an dem das Insekt wartet, scheint nicht zufällig gewählt zu sein, falls man bei einem Insekt von einer Wahl sprechen kann. Kein anderer Ort hätte geeigneter sein können. Er würde hinabsteigen, eines Tages, in die Finsternis seines Kellers auf der Suche nach genau dieser Flasche Wein. Es ist wie bei einem Uhrzeiger, dem jeder Haltepunkt durch die Mechanik des Uhrwerks vorgegeben ist, oder einem Asteroiden, der in seiner Umlaufbahn bleibt, Jahrtausende lang. Er muss kommen. Auch wenn er noch nichts davon weiß. Es ist durch die Mechanik seines Lebens vorherbestimmt. Und so wartet das Insekt, mit zitternden Fühlern und angelegten Flügeln, während mehrere Stockwerke über der Dunkelheit des Kellers...

... Fabian Tillich eine tote Motte vom Küchentisch in seine Hand schiebt und im Abfalleimer entsorgt. Er fragt sich für den Bruchteil einer Sekunde, ob das Insekt verhungert, oder an einer Krankheit verstorben ist. Doch das spielt eigentlich keine Rolle, denn noch nie – nie – hat sich eine Krankheit von einem toten Insekt, alleine durch Berührung, auf einen Menschen übertragen. Zumindest hat er noch nie von solch einem Vorgang gehört.

Sicherheitshalber wäscht er sich die Hände.

Ein Blick in den Spiegel. Die wenigen Haare, die er noch hat, grau und dünn, liegen unordentlich wie Staubflusen auf seinem Kopf. Die Wangen sind schlaff geworden und von weißen Bartstoppeln bedeckt. Einzig die blauen Augen sind noch jung. Wie zwei unschuldige Kinder blicken sie aus einer Ruine mit eingestürztem Dach und zerbrochenen Fenstern heraus in die Welt. Junge Sonnen in einem alten Universum. Sie waren immer sein ganzer Stolz gewesen, wenn es um sein Aussehen ging, diese flinken, blauen Augen. In ihnen hatten sich Mädchenaugen verfangen wie Fliegen in einem Spinnennetz. Auch reifere Kolleginnen an der Universität hatten diese Augen jahrzehntelang angelächelt.

Jetzt sind sie umzingelt von einem verfallenden Körper.

Fabian tritt auf den Balkon hinaus und sieht in das Abendrot. Es glüht zwischen den Lücken, die der Beton der Häuser lässt und setzt den eintönigen Wohnblocks Feuerkronen auf.

Wieder stirbt ein Tag einen dramatischen Tod, denkt Fabian.

Unter seinem Balkon erstreckt sich eine Grünfläche, auf der die Hochhäuser stehen wie Pflanzen-Mutationen. Im Westen wird diese Rasenfläche von einer Landstraße begrenzt. Die dazu gehörige Lärmschutzwand aus schmutzigem Plastik wird von Kletterpflanzen überwuchert. Fast täglich spürt Fabian den Drang, die ausufernd wachsenden Pflanzen zu beschneiden. Sie kommen ihm vor, wie Fangarme, die sich in alle Richtungen ausstrecken um alles an sich zu ziehen. Doch noch hat er nichts gegen diese Kletterpflanzen unternommen, die seiner Ansicht nach von der Zeit beauftragt worden waren Unordnung und Chaos zu stiften. Das war schließlich eine Aufgabe der Stadt. Den Krieg gegen das geile Leben der Pflanzen hatte die Stadt zu führen, nicht er, der arbeitslose Fabian Tillich. Er hat in seinem Leben schon genug Kriege geführte. Die Meisten für ein eigenständiges Leben, aber nur selten mit großen Siegen.

Links und rechts von Fabians Wohnblock stehen zwei weitere Wohnblöcke. Gemeinsam bilden die Blöcke ein Halbrund. Drei geklonte Monsterpflanzen, die weiß und wabenförmig der heraufziehenden Dämmerung trotzen. Fabian zündet sich eine Zigarette an und bläst den Qualm in die Abendluft. Die Häuser erinnern ihn an den Plattenbau in dem er groß geworden ist. Kleine Zimmer. Eine enge Küche. Die moderne Schrankwand. Alles 'abgekindert', wie seine Eltern immer gesagt hatten, wenn die günstigen Kredite mit jedem neuen Kind kleiner wurden. Auf dem Tisch in der Küche lag immer eine Packung f6 oder Karo. Ohne Zigaretten ging bei Fabians Vater nichts. Manchmal saß er alleine im Qualm der Küche, die Zigarette zwischen den gelben Fingerkuppen, und trank seinen Kaffee. Er trug eine Hornbrille, wie Honecker, nur war sein Gesicht breiter gewesen, als das des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden. Fabian hatte seinen Vater immer für eine Respektsperson gehalten. Er hätte gut und gern an der Spitze des Staates stehen können. Glaubwürdiger als der schmale Erich.

Doch Fabians Vater hatte nie viel erwartet vom Leben. Nicht für sich selbst. Dafür hatte er um so mehr für die Gesellschaft erwartet. Wie Insekten müsse eine sozialistische Gesellschaft sein, hatte er immer wieder gesagt. Das Ganze zählt. Nur das Ganze. Unerschütterlich hatte er an Ulbricht geglaubt. Dann an Honecker, allerdings schon weniger unerschütterlich. Schließlich sogar an Krenz. Ausgerechnet. An Egon Krenz. Aus schierer Verzweiflung, wie er damals selbst einräumte. Die einzige private Leidenschaft von Fabians Vater war der Sternenhimmel gewesen. Den wollte er mit niemandem teilen. Nur mit seinem Sohn Fabian. Werner hatte nie Interesse dafür gehabt. Halbe Nächte hatte Fabian zusammen mit seinem Vater draußen vor der Stadt verbracht, um der Lichtverschmutzung zu entgehen, und hatte durch ein Teleskop mit Zeißoptik (sozialistische Wertarbeit, die es im Westen so nicht gibt!!!) in den Sternenhimmel hinaufgestarrt. Das Sternbild des Orion, der Kleine Bär, Pegasus. Sein Sohn konnte noch so laut gähnen und demonstrativ den Mund aufreissen, der Vater verstand nicht, dass der Junge müde war. Er verstand in diesen Stunden nur die Sprache der Sterne.

---ENDE DER LESEPROBE---