Das Café an der Straße zum Friedhof - Ota Filip - E-Book

Das Café an der Straße zum Friedhof E-Book

Ota Filip

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Beschreibung

Mit diesem Roman debütierte Ota Filip 1968 als tschechischer Autor im deutschsprachigen Raum. Das war die Zeit des »Prager Frühlings«, und nicht ohne eine durch die aktuelle Zeitgeschichte hervorgerufene Erregung konnte dieses Buch damals hier bei uns beachtet und gelesen werden. Obwohl es thematisch und zeitlich eine 1968 bereits zur jüngsten Geschichte gewordene Vergangenheit lebendig werden läßt: ein Stück deutsch-tschechischer Geschichte aus der Zeit deutscher Besatzung in der Tschechoslowakei. Erzählt wird aus der Perspektive des halbwüchsigen Jan Habon, ein Ich-Erzähler, der mit seinem Autor nicht nur das Geburtsjahr, vielmehr ein Stück erlebter und erfahrener politischer Wirklichkeit gemeinsam hat. Doch geht der Roman über Autobiographisches bei weitem hinaus. Der Schauplatz von Jans Erfahrungen ist das väterliche Café, das an der Straße zum Friedhof gelegen, seinen Umsatz den Beerdigungen, aber auch den Festtagen der Toten wie Allerheiligen und Allerseelen verdankt. Darüber hinaus aber wird es zum politischen Umschlagplatz der Zeit. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 691

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Ota Filip

Das Café an der Straße zum Friedhof

Roman

Aus dem Tschechischen von Josefine Spitzer

FISCHER E-Books

Inhalt

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel

1. Kapitel

Ich heiße Jan nach meinem Onkel Jan Hejtmánek, der zur Zeit meiner Geburt in unserer Familie großes Ansehen genoß; er hatte sich im Großhandel mit Schweinefett den Säckel gefüllt, doch meiner Mutter wäre es bestimmt lieber gewesen, wenn ich etwa den Namen Jiří bekommen hätte, der damals in Mode war, weil sie aber ein wenig lispelte, blieb es bei Jan; als dann der Herr Onkel Bankrott machte und mein Vater ihn wieder auf die Beine stellen mußte, war es schon zu spät, meinen Namen zu ändern.

Als kleiner Junge wurde ich zumeist ›Brouček‹ gerufen wie das Käferchen in dem bekannten Kinderbuch, ich las die lustigen Geschichten vom Hund Punťa und war ein für Krankheiten anfälliges Kind.

Mein Vater hieß Bohumil.

Nach wem er seinen Namen bekommen hatte, weiß ich nicht.

Er war der Sohn armer Eltern, der es zu etwas brachte.

Wie weit er es aber gebracht hatte, davon wird noch die Rede sein. Sein Vater, mein Großvater, hieß Antonín.

Der war ein strammer, stattlicher Bursche, ausgedienter österreichischer Soldat, nationalbewußter Sokol, und schrieb überdies heimlich Gedichte ins Poesiealbum wie zum Beispiel:

Wandle auf der Tugend Pfad

allezeit im Leben,

dann säst Du Deines Glückes Saat

durch Arbeit, Fleiß und Streben.

oder:

Mögen auch alle Blumen vergehen,

Länder und Welten nicht mehr bestehen,

doch Du wirst in meinem letzten Stündelein

mit Liebe in meinem Herzen sein.

Diese Verse hören sich heute lächerlich an, aber damals, als der Großvater sie niederschrieb, so um das Jahr 1890, hat die Großmutter angeblich Tränen darüber vergossen. Mein Vater hieß also Bohumil, und die Stadt, in der er reich geworden war, hieß Ostrau. Vom Vater ist mir nichts geblieben, ein Album hinterließ er nicht, nur zwei Scheckbücher fand ich einmal; ich erbte von ihm einen dunklen Anzug, den ich mir, als ich heiratete, umarbeiten ließ, er roch ganz nach Mottenpulver, doch damals war mein Vater schon drei Jahre unter der Erde; ich weiß gar nicht, was ich zu meiner Hochzeit angezogen hätte, wäre nicht dieser Anzug gewesen – und dann war noch das Haus da.

Mein Vater sagte des öfteren: »Schaut her, mein Denkmal!«

Dieses Haus stand dicht neben der Baracke, die sich der Großvater vor geraumer Zeit selbst zusammengezimmert hatte, als er das schöne, gemauerte Haus und die gutgehende Schreinerei im Kartenspiel durchgebracht hatte: mein Großvater war nämlich Holzschnitzer, so eine Art Künstler, zur gegebenen Zeit aber blieben ihm die Trümpfe aus, und davon konnte er sich bis an sein Lebensende nicht mehr erholen.

Das schöne Haus hatte mein Vater dem Großvater zum Trotz hingebaut; er, der Vater, tat bis zu einem gewissen Zeitpunkt so manche Dinge zum Trotz, oder um anzugeben, bestimmt ging es ihm dabei um das Prestige, und er wollte seinem Vater beweisen, was für einen tüchtigen Sohn er eigentlich hatte: den besten von den sechs, die einer nach dem anderen mit dem Ränzel auf dem Rücken die schäbige Holzbaracke in dem Dörfchen mit dem poetischen Namen Hošťálkov verlassen hatten.

Diese kleine Ortschaft lehnte sich mit ihrem oberen Ende eng an Hügel und Wälder an, talabwärts aber öffnete sie sich begierig zur Eisenbahn hin, entlang der man zur schwarzen Stadt hinfuhr, nach Ostrau, mit dem Teufelsrachen der glühenden Hochöfen und den Hörnern aus Rauch darauf.

Die verwickelte Geschichte von meinem Vater, meiner Mutter und allen anderen beschäftigte mich schon Jahre hindurch. Verlangt daher nicht, daß ich alles auf einmal aus mir herausschüttle, zuvor muß ich noch einige wichtige Angaben machen: zum Beispiel über Onkel Hejtmánek, der durch Schweinefett abwechselnd reich wurde und pleite ging, über den Großvater, den Vater mit seiner Vorliebe für Beerdigungen und noch über so manche andere.

Vom Vater habe ich das eine mitbekommen: auch ich mag Beerdigungen; feierliche, traurige und prunkvolle mit allem Drum und Dran, mit der Aufmachung in Schwarz, mit dem Leichenwagenkutscher Pleva, der das Gesicht eines notorischen Alkoholikers hatte und mehreren Beschäftigungen zugleich nachging. Am Morgen verkaufte er Zeitungen, um die Mittagszeit handelte er mit Pferden, dann kamen die Beerdigungen an die Reihe, und am Abend fand er sich bei uns zum Saufen ein.

Wir betrieben nämlich ein Café.

Mir genügen auch gewöhnliche Beerdigungen, bei denen man den Toten in einem rasch zusammengezimmerten Sarg einscharrt, der noch nach frischem Holz, feuchtem Lack und nicht getrocknetem Leim riecht … oder ihn irgendwo an einem Bach in eine seichte, für die Füße des Toten viel zu kurze Grube wirft und nur so viel Erde über ihn häuft, um ihm den Ausblick auf den Himmel zu verdecken; aber an dieses Begräbnis denke ich nur ungern zurück: der Hund in mir beginnt zu jaulen, sein feuchtes Fell sträubt sich, und das Haar auf seinem Rücken steht ihm wie Borsten ab.

Im großen und ganzen gesehen, war mein Vater ein ziemlicher Pechvogel, nur selten brachte ihm sein Glück auch Segen, und er war dauernd unzufrieden: beim Gehen sah er sich ständig um und blickte mit bekümmerten Augen drein.

Kaum hatte er sich umgesehen, beschleunigte er auch schon seinen Schritt.

Unser Lokal befand sich in einer schönen, von hochgewachsenen Linden gesäumten Straße; die Häuser hier brüsteten sich voll Stolz mit ihren Balkonen, strahlten Würde und Ruhe aus – durch unsere Straße fuhr keine Tram, bewahre! hier gingen nur die Leichenzüge durch; denn unsere Straße war eine Sackgasse: sie endete an einem prunkvollen Tor zum Friedhof. Im Sommer verkauften wir Eis und Fruchtsäfte, brauten Kaffee und Kakao, im Winter dann Grog, schenkten Likör und Wein aus, und im rückwärtigen Teil des Lokals, hinter der spanischen Wand, fand sich eine ausgesuchte Gesellschaft zu einem Hasardspielchen ein, wie ›Meine Tante, deine Tante‹, ›Einundzwanzig‹ oder ›Färbel‹, je nachdem, wer gerade kam; ich paßte auf, ob nicht Herr Flanderka aufkreuzte, der Polizist, zu dessen Viertel auch unsere Straße gehörte. Herr Flanderka trug einen breiten Gurt über dem gewölbten Bauch, in dem laut Augenzeugenberichten bei einer Wette zwanzig auf einen Sitz geleerte Biere Platz gefunden hatten; würdevoll schritt er einher und rasselte mit dem Säbel: wir mußten ihn mit Herr Inspektor anreden, obgleich ihm dieser Rang gar nicht zukam, aber der war und blieb nun einmal seine große Sehnsucht. Was das Hasardspiel betraf, kannte er keinen Pardon, und so paßte ich auf, ob er nicht in Sicht war, und wenn er sich näherte, gab ich ein Zeichen zum Lokal hinüber, und dafür bekam ich manchmal sogar einen Zehnkronenschein, was vor dem Krieg ein ganz hübsches Geld war – wer sich an diese Zeit erinnert, wird mir das bestätigen.

Mein Wunsch war es daher, Herrn Flanderka so oft wie möglich durch unsere Straße patrouillieren zu lassen, und zu diesem Zweck schloß ich Freundschaft mit seinem Sohn Miloš, mit dem ich dieselbe Klasse des Humanistischen Gymnasiums besuchte: wenn bei uns hasardiert wurde, verständigte ich Miloš, und Herr Flanderka bekam jedesmal bei uns zwei Schnäpse spendiert.

Eigentlich war auch mein Vater mit Herrn Flanderka gut befreundet, sie hatten beide die katholische Volksschule in Hošťálkov besucht, aber Herr Flanderka war etwas älter als mein Vater, und so hatten sich ihre Wege für einige Zeit getrennt, in diesem Viertel aber waren sich die beiden wieder begegnet.

Das Honorar teilten wir ehrlich miteinander, von jedem verdienten Zehnkronenschein erhielt Miloš zwei Kronen; bei der Auszahlung kam es zwischen uns zu keinerlei Unstimmigkeiten.

Es war ein faires Geschäft und half uns, unsere Finanzen aufzubessern. Ich hatte noch andere Einnahmequellen: in einem Café lernt man im Laufe der Zeit die verschiedensten Leute kennen, die Diskretion bei einem Botengänger zu schätzen wissen und es sich auch gefallen lassen, wenn sie ihr zuverlässiger Vertrauensmann sanft erpreßt.

Auf diese Weise wurde ich schon von Jugend auf in die Geheimnisse der Erwachsenen eingeweiht, und ihre Welt erschien mir darum auch gar nicht geheimnisvoll und unbegreiflich.

An Beerdigungen war keine Not und auch nicht an Gästen.

Je mehr Beerdigungen, desto mehr Gäste.

Die Tuberkulose und andere Krankheiten, Unfälle, Selbstmorde aus unglücklicher Liebe und das nur wenige Straßen entfernte Krankenhaus spielten uns immer wieder neue Gäste zu. Noch heute könnte ich euch an Hand unseres Kassenbuchs genau nachweisen, wann eine dieser feierlichen Beerdigungen, bei denen die ganze Stadt kopfsteht, stattgefunden hat: der Umsatz an diesem Tage war für gewöhnlich außerordentlich hoch.

Erinnert ihr euch zum Beispiel noch an das großartige Begräbnis jenes Leutnants und seiner heimlichen Liebe? Das war damals ein Ereignis: Der eifersüchtige Leutnant – und was diese Charge vor dem Jahre 1939 bedeutete, wissen nur Zeitgenossen richtig zu würdigen – feuerte also an einem Sonntagvormittag bei hellichtem Tag auf der Stadtkolonnade drei Schüsse aus seinem 6,25-mm-Dienstrevolver auf ein junges Fräulein aus den besseren Kreisen ab, die sie mitten ins Herz trafen, und sich selbst erledigte der Herr Leutnant sofort auf der Stelle mit einer einzigen Kugel direkt in den Kopf, und all das geschah aus unglücklicher Liebe, auch Geld war angeblich mit im Spiel und, weiß Gott, was noch alles.

Das war damals eine Beerdigung!

Die närrischen Eltern, die sich, wie es hieß, dieser großen Liebe widersetzt hatten, mußten wohl kurz nach dem tragischen Ereignis ›Romeo und Julia‹ gelesen haben, und als Versöhnung arrangierten sie eine Beerdigung mit allem Drum und Dran, wie es sich gebührt.

Die ganze Stadt weinte vor Rührung, als die beiden Leichenwagen, von je drei Paar Rössern gezogen, daherkamen; im ersten die Julia mit den drei Kugeln im Herzen und im zweiten der Leutnant mit dem Blei im Kopf; alle jungen Mädchen der Stadt hegten an diesem Morgen den heißen Wunsch, auch von jemandem erschossen zu werden, und sehnten sich danach, daß die Leutnants sich um ihretwillen umbringen.

Außer den teuren Hinterbliebenen folgte den Särgen noch die ganze Stadt, auch Militär rückte an, ja, sogar die Klatschbasen aus der weiteren Umgebung fanden sich ein, um alles mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Ohren zu hören; unser Lokal war gedrängt voll, viele Leute gingen erst gar nicht auf den Friedhof, sondern begossen das Ereignis direkt an Ort und Stelle; ihr würdet kaum glauben, wieviel so ein teurer Hinterbliebener konsumiert, und Trauergäste pflegen nicht knausrig zu sein.

Nach langem Herumstehen an dem offenen Grab in einer Sonne, die auf das schwarze Sakko und das Genick herniederbrennt, oder mit den Füßen im eisigen Schneematsch oder in einer Kotlache – nach solchen Augenblicken setzt sich jeder gern unter gesunde und fröhliche Menschen, um das totenblasse Gesicht des Pfarrers zu vergessen, das Weinen der Hinterbliebenen und den süßlichen Duft der Grabchrysanthemen; in einer solchen Gemütsverfassung gibt der teure Hinterbliebene oder der Trauergast auch seinen letzten Fünfer für einen großen Korn her: der Schnaps erweckt seine Lebensgeister wieder, verscheucht die quälende Traurigkeit und die unangenehmen Gedanken, die sich einem am offenen Grab aufdrängen.

Ich könnte erzählen!

Wie oft wurde hinter der spanischen Wand um das Erbe eines Verstorbenen gepokert, der noch nicht einmal unter die Erde gebracht war.

Allerheiligen und Allerseelen, das waren für uns Festtage.

Große Beerdigungen gab es jedoch nicht viele, die Leutnants hatten irgendwie die Lust verloren, sich abzuknallen und vornehme junge Damen umzubringen, aber auch so tröpfelte es ständig für uns aus den Taschen armer Hinterbliebener, die nach dem letzten Lebewohl in unser Lokal hereinkamen und im Stehen zwei oder drei Kornschnäpse zum ewigen Gedenken an einen Franta oder Pepík hinunterkippten: »Ach ja, der Arme, er hat es schon hinter sich – und uns erwartet es noch, zahlen, Herr Chef.«

Als letzter kam für gewöhnlich der katholische Geistliche, Herr Pfarrer Kempf, zu uns auf ein Gläschen und hinter ihm hüstelnd und sich schneuzend der Mesner Burian, zugleich Inhaber einer gut florierenden Bügelanstalt uns gegenüber.

Der war ebenfalls ein Jugendfreund meines Vaters, vom selben Jahrgang, und beide begannen ihre Existenz in derselben Stadt; wie es aber schien, hatte mein Vater eine glücklichere Hand als Burian.

Der evangelische, der baptistische und der jüdische Geistliche verkehrten bei unserer Konkurrenz, dem Italiener Caire, dessen Kneipe sich direkt beim Haupteingang des Friedhofs befand und die, wie mein Vater immer behauptete, der Sammelpunkt aller Fortschrittler und suspekter Juden war.

Caires Lokal war eine Kneipe, unser Café dagegen ein nobler Betrieb.

Der Mesner Burian hatte einen unsteten Blick; seine Augen verrieten den Neid, den er in seinem Inneren trug, von dem Augenblick an, als mein Vater das Café eröffnet hatte und vielleicht ihm gerade zum Trotz fast direkt gegenüber der Bügelanstalt, in der sich Burian und seine abgerackerte Frau in der steten Ausdünstung und Zugluft einen chronischen Schnupfen geholt hatten.

»Einen Schnaps wie das Leben, den schenk mir ein, lieber Bohuš«, war die stete Rede des Mesners und Plätters Burian. »Das Leben des einzelnen«, meinte Burian, tief nachgrübelnd, »muß sowohl in den Einzelheiten als auch im ganzen im Gleichgewicht sein, sonst ist es einen Dreck wert. Ich bin prinzipiell für das äußere und innere Gleichgewicht, ich kann Leute nicht ausstehen«, so meditierte Herr Burian nach dem dritten Gläschen, »die an den Hemden sparen, diese Geizkrägen! Sie werfen sich lieber einen verknitterten Fetzen um den Hals, als daß sie den alten Burian etwas verdienen ließen, lieber tragen sie Fußlappen, Kruzitürken! ist das ein Leben; und was beweisen solche Geizhälse damit? Nichts, aber auch rein nichts – sie haben eben nicht so viel Lebensstil, um ein paar Kröten für ein fachmännisch gebügeltes Hemd auszugeben, pfui Teufel! Und du, Bohuš«, Burian hob seine schweren Lider zu meinem Vater auf, »du bist auch so einer, Geld hast du wie Mist, aber der Lebensstil, der fehlt dir, sieh dir nur dein Hemd an – ich brauche nur dein Hemd anzuschauen und sehe sofort dein Gewissen …«

Auch Herr Pfarrer Kempf redete viel.

Übrigens hieß es von ihm, er sei ein getaufter Jude. Von den Juden sprach man bei uns im Lokal wie auch zu Hause nicht gut, aber gerade deshalb fühlte ich mich zu Herrn Kempf hingezogen; alles, was er sagte, habe ich in meinem Gedächtnis aufbewahrt, und als ich in die Jahre kam, wo man nach einem Vorbild sucht, nach dem man sich in Benehmen, Redeweise und Menschenbehandlung ausrichtet, habe ich Herrn Kempf ganz einfach kopiert – und bin übel damit gefahren.

In mir war nichts von der schweren Melancholie, die ihm aus den feuchten Augen schimmerte, aus mir wurde ein Raufbold.

Mit Herrn Kempf nahm es ein böses Ende: Im Jahre des Herrn neunzehnhundertneununddreißig am vierzehnten März um neunzehn Uhr Ortszeit stürzte er sich aus dem Fenster seiner im vierten Stock gelegenen Wohnung und schlug auf dem Gehsteig auf, von dem aus die Mitbürger deutscher Nationalität der in die Stadt einrückenden Wehrmacht Adolf Hitlers stürmisch zujubelten.

Sie brüllten: »Ein Volk, ein Reich, ein Führer!«

Den Toten deckte man mit einem papierenen Zementsack zu.

Herr Kempf hatte eine alte Haushälterin, und die hielt sich dann den ganzen Krieg über durch den Verkauf seiner Kleider, Schuhe und Möbel über Wasser – in seinem Testament hatte er ihr alles vermacht, inklusive der Wohnung. Die ersten gelben Halbschuhe, die ich besaß, kaufte mein Vater von Herrn Kempfs Haushälterin; niemand wird mir glauben, wie zuwider mir diese Schuhe waren: bis heute kann ich gelbe Halbschuhe nicht ausstehen, ich trage nur braune oder schwarze, übrigens haben mich Herrn Kempfs Schuhe gedrückt, er hatte einen ziemlich kleinen Fuß. Kempf sprach langsam, bedächtig und zitierte oft lange Passagen aus der Bibel, und mir blieb immer vor Staunen der Mund offen über die wunderbare Poesie dieser archaischen Gleichnisse, und ich wünschte mir sehr, Herrn Kempf in Religion zu haben und nicht unseren Katecheten, der sich mit der Rechten bekreuzigte und mit der Linken denen in den vorderen Reihen Ohrfeigen austeilte: denn seine Rechte wußte nicht, was die Linke tat. Auf meinen Vater hatte es Herr Kempf besonders abgesehen, sie saßen oft bei einer Flasche Wein und meditierten: auf diese Weise lernte mein Vater die heilige Kirche kennen; zu Hause, in seiner Jugend, ging er zwar in die Kirche, aber damals war das kein richtiger Glauben gewesen, nur Staunen über die an den Wänden gemalten Englein und Angst vor dem Herrn Pfarrer, in dessen weißen und gepflegten Händen alle Fäden des Dorfgeschehens zusammenliefen.

Von Zeit zu Zeit hielt uns mein Vater, unter Herrn Kempfs Einfluß, Moralpredigten, aber bekanntlich ist es mit der Moral eines Cafetiers in der Regel nicht allzuweit her.

Mein Vater liebte also Beerdigungen, sie waren sein tägliches Brot, oder genauer gesagt, sie trugen ihr Scherflein zu der erfolgreichen Entwicklung unseres Geschäftes bei.

Und während der Jahre, in denen er sie fast täglich vorbeiziehen sah, denn in einer großen Stadt sind Begräbnisse an der Tagesordnung, entwickelte er gewissermaßen einen sechsten Sinn, einen Rezeptor, der schon auf bloße Anzeichen hin signalisierte, um was für eine Art Begräbnis es sich handelte. Immer, wenn er von weitem einen Trauermarsch hörte, trat er zum Schaufenster, schob den Vorhang ein wenig beiseite und hob seine Spürnase: wenn das Pferdegespann mit der schwarzen Pracht vorüberzog, schätzte, wog und prüfte mein Vater versiert die Zahl, den Stand und die materiellen Verhältnisse der Trauergäste; diese Kalkulation war notwendig: bevor ein Geschäft beginnt, versteht es sich doch von selbst, den Partner abzutasten. Bei einem ärmlichen Begräbnis wurde im Winter nur schwarzer Kaffee aufgebrüht und zwei bis drei Liter billiger Wein heißgemacht, aber falls die armen Hinterbliebenen sich dennoch nicht lumpen ließen und tiefer in die Tasche griffen, dann standen auf den Regalen über der glasverschalten Theke Batterien von Flaschen bereit: eine Fünferreihe mit französischem Kognak, ferner eine Auswahl von Sliwowitz, eine ganze Menge von Likören mittlerer Qualität und schließlich eine unübersehbare Reihe plebejischen Kornschnapses, wie ihn die Maurer trinken.

Bei vornehmen Beerdigungen wurde aus echtem Jamaika-Rum Grog gebraut, und nicht selten fanden die Trauerfeierlichkeiten dann in unserem Lokal mit Salven aus dickwandigen Flaschen echten Champagners ihren Abschluß.

Im Laufe der Zeit hatte mein Vater sein Gehör so gut trainiert, daß er schon an der Musik erkannte, wen man vermutlich zu Grabe trug: wenn die Kapelle den Trauermarsch nur so mit halbem Maul herunterpustete, war es klar, der Umsatz würde nicht gerade überwältigend sein; aber wenn es aus dem Blech wie aus den Posaunen vor den Toren Jerichos ertönte, dann rückten schnell die Flaschen mit dem französischen Kognak, Marke Martell, auf die Theke, guter Weiß- und Rotwein und für die Damen süßer Sherry zum Hinunterspülen ihrer Bitternis.

Auch Herr Kapellmeister Houžva fand sich stets auf ein Gläschen ein, so wie sich das für einen Künstler gehört, und Herr Houžva war von sich überzeugt, ein Künstler zu sein; wer dies anzweifelte, dem war er nicht hold, und Herr Houžva war unser Kunde und daher in unseren Augen eben ein großer, ja sogar überragender Künstler; er liebte es, wenn seine Qualitäten als Musiker, Komponist und besonders als Flügelhornbläser herausgestellt wurden.

Das Schmeicheln besorgte stets mein Vater, wenngleich er von Musik keine blasse Ahnung hatte, vielleicht kannte er sich in den neuesten Schlagern aus, deren Schallplattenaufnahmen wir für unser Café kauften; er war aber der felsenfesten Überzeugung, Musik gehöre nun einmal zum Leben, denn er kaufte mir eine Geige aus zweiter Hand, auf der er selbst, fast ohne danebenzugreifen, das Liedchen ›Die Zimmerleute, ja die Zimmerleute haben ein Gerüst aufgestellt‹ spielen konnte, was ich dagegen nie zuwege brachte, obwohl es eine ausgezeichnete Geige und, wie schon erwähnt, ein Gelegenheitskauf war. Ich hatte eben kein besonderes musikalisches Gehör; dumm war ich nicht, in der Schule machte mir das Lernen keine Schwierigkeiten, aber die musikalische Erziehung scheiterte an meinem unmusikalischen Gehör.

Ähnlich wie Herr Kempf meinen Vater über die überirdischen und ewigen Dinge belehrte, so verzapfte auch Herr Houžva bei uns seine Weisheiten über Musik im allgemeinen und den Faschismus im besonderen.

Damals nämlich, vor dem Jahre 1939, sah die Situation so aus, daß es nichts Ungewöhnliches war, wenn die Faschisten in ihren schwarzen Hemden durch die Stadt marschierten. Ich erinnere mich noch an einen, der auch bei uns verkehrte; eines Abends kam er in diesem seinem Rabengewand zu uns herein, über sein Gesicht lief eine rote, angeschwollene Schramme, und er brüstete sich mit dieser Blessur im ganzen Café, jeder durfte die Schramme betasten, auch meine Mutter tat es, ich aber durfte sie bloß anschauen. Das war also eine Schramme, wie eine Banane groß, die sich über das ganze Maul des Herrn Faschisten zog und allmählich blau anlief; dem Polizisten, der ihm eins in die Fresse gegeben hatte, als er wieder einmal durch die Stadt marschiert war, die Verkehrsvorschriften mißachtet und sich lärmend aufgeführt hatte, war ein Volltreffer gelungen: »So ein Gummiknüppel ist ein verfluchtes Ding«, konstatierte der Herr Faschist voller Stolz.

Dann tätschelte er meine Wange und sagte etwas von einer Zukunft, die mir gehöre, und ob ich nicht auch genau so einen Riemen, wie er ihn über seiner Reithose trug, haben wollte. Ich sagte natürlich ja, denn welcher Junge hätte sich nicht einen solchen Riemen gewünscht, da sich doch unsere Scout-Riemen mit denen der Faschisten in keiner Weise messen konnten.

Am nächsten Tag brachte mir der Herr Faschist einen, ich solle ihn tragen, also umgürtete ich meinen Bauch damit und versteckte den Riemen unter der Jacke, und bei unserer Scout-Zusammenkunft zeigte ich ihn her, unser Truppführer aber kanzelte mich ab und befahl: »Herunter damit, herunter mit diesem abscheulichen Ding«, und verdarb mir so die ganze Freude an dem schönen Riemen.

Damals war ich noch nicht ganze zehn Jahre alt, mir ist auch später stets von anderen jede Freude vergällt worden.

Herr Houžva und mein Vater führten lange Gespräche, die immer auf die gleiche Weise begannen, das heißt mein Vater begann: »Also heute, Meister, haben Sie gespielt, daß es eine Freude war …«

»Gewiß, gewiß, Herr Chef, aber es war halt nicht Wagner, nein, der war es nicht …«

»Bewahre, Wagner«, sagte mein Vater und errötete dabei wie ein Schuljunge, denn einmal war er durch irgendeinen Zufall ins Theater geraten, wo man gerade den ›Tannhäuser‹ gab, und ihr wißt ja: erster Aufzug, Venusberg, auf der Bühne dort lauter nackte Frauengestalten, die sich gegenseitig auf die Füße traten, und die Musik dazu … das alles hatte einen mächtigen Eindruck auf den Cafetier gemacht.

Das Theater mußte meinen Vater wohl sehr nachhaltig ergriffen haben, denn er kaufte sich die Schallplatte mit der Tannhäuser-Ouvertüre, und wenn es ihn anwandelte, schlüpfte er schnell in sein Zimmer und spielte sie sich vor; ich hörte ihn dann die Hauptmelodie vor sich hinsummen, und vielleicht, aber ich will nicht darauf schwören, nur so ein wenig, vielleicht waren dies die einzigen Augenblicke, in denen mein Vater das Prickeln, die Freude und den Rausch nachempfand, den ein sensibler, für Kunst aufgeschlossener Mensch beim Anhören bedeutender Musik erlebt.

Eine Zeitlang bedeutete Wagner für meinen Vater die große Freude.

An mir hatte er nie viel Freude. »Herr Chef«, pflegte Houžva mit gedämpfter Stimme zu sagen, »es bereiten sich große Dinge vor: Mussolini in Italien, Hitler in Deutschland, das sind Vorzeichen für eine Neuordnung Groß-Europas ohne Bolschewiken, Juden und Plutokraten, alle, hören Sie, Herr Chef, alle müssen wir an einem Strick ziehen, alle redlich Gesinnten müssen mit uns gehen, solange es noch Zeit ist, heute ist noch Zeit, aber morgen ist es vielleicht zu spät; schon zu spät, Herr Chef!«

»Sie sollten die Zeit nicht verpassen!«

»Also zum Wohle!«

Nach solchen Reden rutschte mein Vater immer nervös auf seinem Stuhl hin und her, sah sich besorgt um und lächelte schuldbewußt, um gleich darauf in düsteres Nachdenken zu versinken, er hob das Glas mit dem Martell gegen das Licht und schwieg.

Was finden die Leute nur an dem Kognak, dachte ich, als ich heimlich einen Schluck direkt aus der Flasche trank, er schmeckt doch nach Seife, pfui Teufel, da lob ich mir den Traminer; aber mein Vater trank ausschließlich Kognak, und immer, bevor er das Glas hinunterkippte, hielt er es erst gegen das Licht.

»Also zum Wohle«, sagte mein Vater und betrachtete über den Rand seines Glases hinweg den hartnäckigen Herrn Houžva, der nicht lockerlassen wollte, und dachte unausgesetzt an den jüdischen Cafetier, dem die scharfen Burschen der Gajda-Garde vorgestern das Lokal demoliert hatten, so daß er nun auf der Stelle einen Trödlerladen aufmachen konnte; und dabei war es ein so nobles Lokal gewesen, jeden Samstagabend hatte dort eine Damenkapelle gespielt, und den Ober hatte sich der Jud direkt aus der Schweiz kommen lassen.

»Nehmen Sie sich in acht, Herr Chef«, flüsterte Herr Houžva, »nehmen Sie sich sehr in acht, daß Sie nicht zwischen die Mühlsteine geraten; jeder Arier ist geradezu verpflichtet, uns zu unterstützen – also zum Wohle, Herr Chef, zum Wohle!«

Und mein Vater bewegte die Lippen, er wollte nochmals zum Wohle sagen, aber er schwieg, denn er hatte Angst.

Immerzu mußte er an den alten Goldschmücker denken, dem sie wegen nichts und wieder nichts das Café demoliert hatten, was, wenn sie mir meines auch kaputtmachten, um Gottes willen, man hat sich hier geplagt und geschunden, das wäre das größte Unrecht, mit fünf Hundertern habe ich angefangen, und bitte, was habe ich aufgebaut, wie oft hat mich der Gerichtsvollzieher drangsalisiert, und jetzt, da es mir gut geht, würden die kommen und mir alles zusammenhauen …

»Wissen Sie, Herr Houžva«, sagte mein Vater mit gepreßter Stimme, »wir Geschäftsleute sind jedermanns Diener, wir dienen allen in gleicher Weise redlich; wir schauen weder nach rechts noch nach links.« Houžva nahm einen Schluck aus seinem Kognakglas, schnalzte genüßlich und sagte: »Der Kognak ist gut, Ihre Ansichten dagegen sind es nicht, die wollen mir nicht gefallen, wissen Sie, wir«, und Herr Houžva stieß das wir mit solchem Nachdruck hervor, daß meinem Vater die Hand zu zittern begann, »wir werden nicht mehr länger zuschauen, wir verlangen, daß sich das Volk entscheidet: entweder gegen uns oder für uns, aber wer sich uns entgegenstellt, mit dem werden wir kurzen Prozeß machen, wir wissen zum Beispiel«, fuhr Herr Houžva fort, »daß der Bruder Ihrer werten Frau Gemahlin Kommunist ist …«

Mein Vater und Franta, Mutters Bruder, vertrugen sich nicht, und beide hatten für ihre gegenseitige Abneigung gleich mehrere unwiderlegbare Gründe zur Hand: Franta war in meines Vaters Augen nur ein ganz gewöhnlicher Schmarotzer, der die Arbeit scheute und sich lieber für das Weibervolk und für Politik interessierte, was auch den Tatsachen entsprach. Und Franta wiederum hatte, vom Klassenbewußtsein eines Kommunisten aus gesehen, ebenfalls zu einem guten Teil recht: für ihn war mein Vater ein Emporkömmling, ein Renegat und Feind der Arbeiterklasse, denn die größten Feinde der Arbeiterklasse sind eben jene, die aus ihr emporgestiegen sind.

Aber wie immer man dazu stehen mag, bei Frantas Einstellung meinem Vater gegenüber spielte eben doch ein gutes Stück Neid mit.

Gegen meine Mutter war für meinen Vater bis zu einem gewissen Zeitpunkt nichts einzuwenden, mit Ausnahme von zwei Begleitumständen: sie hatte Franta zum Bruder und nicht die Mittel für eine Kaution.

Wo hätte auch ein armes Mädchen der Bergarbeiter-Kolonie das Geld für eine Kaution hernehmen sollen – mein Vater verlangte drei Tausender bar auf die Hand, was er auch im Inserat angeführt hatte, denn er benötigte eine vertrauenswürdige Serviererin und Verkäuferin hinter der Theke. Meine Mutter besaß die Moneten nicht, doch als mein Vater sich das Mädchen näher ansah, kam er vermutlich zu der Überzeugung, bei ihr erübrige sich eigentlich eine Kaution.

Als beide später heirateten, nahm meine Mutter dann den Platz an der Kasse ein. Sie war ein erfreulicher Anblick.

In einem Mann, der aus gesellschaftlicher Verpflichtung mehrere Stunden trauernd und sich schneuzend an einem Grab zugebracht hatte, erweckte Mutters Anblick neue Lebenslust und Appetit auf die Freuden der Welt, verscheuchte seine trüben Gedanken und seinen Weltschmerz und rief in ihm nur zu deutliche Sehnsüchte wach, wie sie eben ein richtiger und gesunder Mann beim Anblick einer stattlichen Frau verspürt.

Wenn der verheulte Hinterbliebene meine Mutter ansah, wußte er, worauf er trinken sollte: auf die Liebe, auf die Schönheit, und wozu: um die Bilder in seinem Inneren zu verjagen, die jeden Mann beim Anblick einer schönen Weibsperson quälen.

Als ich zu Verstand kam, quälte mich folgendes vertrackte Problem: Das Hochzeitsdatum meiner geschätzten Eltern stimmte irgendwie nicht mit meinem Geburtsdatum überein, es ergab sich eine Differenz ganzer sechs Monate; ich erwähne dies hier nicht aus dem Grunde, weil ich vielleicht jemals kleinlich gewesen wäre, so manches stimmt mit dem Kalender nicht überein, aber es wurmte mich doch; alles wäre halb so schlimm gewesen, hätte mein Vater nur nicht so viele Worte über Ehrbarkeit und Moral gemacht und mir nicht so leuchtende Beispiele aus seiner eigenen Kindheit vor Augen geführt, diese Lesebuch-Begebenheiten, wie sie Eltern meiner Generation so gern zum besten geben.

Wieviel Scherereien hatte ich doch mit diesen Begebenheiten!

Einmal erwischte ich den Ober, wie er im Anrichtezimmer unser Tagesmädchen malträtierte: er hatte sie über die Tischkante gelegt. Daß ich viel gesehen hätte, könnte ich nicht behaupten, aber für einen Jungen genügte es, und als die Geschichte mit den beiden aufflog, nahm mich mein Vater ins Verhör und fragte mich nach den blödesten Einzelheiten aus, daß mir jetzt noch davon übel wird: ob sie ihre Schlüpfer heruntergelassen hatte, und wie sich das mit seiner, des Obers Hose verhielt usw. usw.

Meinem Vater war es anzusehen, wie sehr er diese Schlüpfrigkeiten genoß und daß es ihm nicht so sehr um den Handlungsablauf ging als vielmehr um die spezifischen Details.

So ließ ich also meiner Phantasie die Zügel schießen und dachte mir die größten Ungeheuerlichkeiten aus; ihr könnt euch vorstellen, daß so ein dreizehnjähriger Bengel in einem Café so mancherlei aufschnappt, was anderswo vielleicht nicht einmal ein Achtzehnjähriger zu hören bekommen hätte.

Als ich mit meinem Bericht zu Ende war, gab mir mein Vater fünf Kronen und schickte mich ins Kino.

Ich muß noch hinzufügen, daß die beiden, der Ober und das Tagesmädchen, bis heute miteinander in glücklicher Ehe leben, und es reut mich ein wenig, daß ich sie so angeschwärzt habe, aber wie zu sehen ist, dieser Blödsinn und meine Anschwärzerei konnten einer wahren Liebe nichts anhaben, auch wenn sie mit dem Aufskreuzlegen über der Tischkante ihren Anfang genommen hatte; die beiden würden mir ganz bestimmt verzeihen, wenn sie wüßten, daß ich das nicht aus Eigennutz tat, vielmehr aus Vergnügen daran, meinen Vater durch reine Erfindungen zu reizen; daß er mir dann diese fünf Kronen schenkte, dafür kann ich wirklich nicht.

Ich selbst wurde, wie man so sagt, in der Sünde gezeugt.

Ich weiß nicht, ob mir das je geschadet oder genützt hat.

Der allererste Anfang meiner Zeugung spielte sich vermutlich auf dem Kanapee im Hinterzimmer ab; dieser Abstellraum, in dem der Kühlschrank stand, befand sich direkt neben der Besenkammer für die Scheuertücher und die Utensilien der Aufräumefrau.

Wenn ich mich nur an das Kanapee erinnere, wird mir schon ganz übel.

Als ich in das Alter kam, in dem ich mir all das, was mit der Zeugung zusammenhängt, in der Realität vorstellen konnte, entlud sich in mir eine Lawine von Haß auf meine Mutter, und es gab Tage, an denen ich es nicht ertrug, wenn sie mich streichelte, ich benahm mich frech und kassierte eine Ohrfeige nach der anderen; ich ließ all das Unrecht geduldig über mich ergehen – denn das war meine Rache.

Eines schönen Sommertages ging ein Gewitter über unsere Stadt nieder, die Blitze fuhren auf die Kirchtürme herab und schlugen in die Glocken ein, der Donner ließ alle Fensterscheiben erzittern, und der Himmel öffnete seine Schleusen; die herabfallenden, trüben Wassermassen konnten von den Kanälen nicht mehr aufgefangen werden und überfluteten die Straßen.

Ich kauerte mich neben das Kanapee in dem muffigen Hinterzimmer und fürchtete mich schrecklich vor dem Tod, in meinem Inneren jagte ein Bild das andere, und alle glichen sie der Sintflut, von der Herr Pfarrer Kempf so schön erzählen konnte; schon von klein auf hatte ich Angst vor dem Tod, ständig spürte ich ihn hinter meinem Rücken, er war mir hart auf den Fersen; besonders die Naturerscheinungen erschreckten mich, ich fürchtete mich vor Gewittern, und so kniete ich eben an diesem Sommertag in dem muffigen Hinterzimmer beim Kanapee und sehnte Herrn Kempf herbei, um ihm meine Sünden beichten zu können: ich verzieh allen, selbst meinem Vater jenen lüsternen Blick in dem Moment, als ich ihm die Unterwäsche unseres Tagesmädchens beschrieb, meiner Mutter den Fehltritt auf dem Kanapee, dem Miloš Flanderka, der mir mein Messer gestohlen hatte, obgleich das nicht klar erwiesen war – ich vergab allen alles, und da Herr Kempf nicht zur Stelle war, hätte ich mich auch mit unserem Katecheten abgefunden, obgleich er mir mitunter Ohrfeigen verabreicht hatte, weil ich zum Beispiel die kirchlichen Sakramente nicht aufzählen konnte, von denen ich in diesem Augenblick eines, das letzte, gern zum Trost empfangen hätte und dem lieben Gott dafür dankbar gewesen wäre.

Aber ich war allein, und so betete ich wenigstens: »Wenn du, Allmächtiger, schon beschlossen hast, eine Sintflut auf diese Stadt herabzuschicken, und wenn alle zugrunde gehen sollen, so flehe ich zu dir, lieber Gott, wende dein erbarmungsvolles Antlitz mir zu: Warum soll ausgerechnet ich sterben, was habe ich vor deinem Angesicht, lieber Gott, verschuldet?« Draußen tobte das Unwetter, das elektrische Licht ging aus, und ich wagte vor Angst kaum zu atmen, krampfhaft klammerte ich mich an die Sofakante und wartete, daß mich die kalte Sturmflut erfassen und mich auf dem verdammten Sofa, wie in der Arche Noah, forttragen würde, auf die Straße hinaus, wo schon alle tot sein würden und die schlammigen Wassermassen die Leichen, mit dem Gesicht nach oben und den Augen voll Regenwasser, die Straßen hinab bis in den Hauptkanal spülen würden und von dort direkt in die Hölle.

 

Wir beide, mein Vater und ich, haben einander nie besonders leiden mögen, zwischen uns bestand eine stille Fehde, und bis heute habe ich mich oft gefragt, ob mein Vater meine Mutter vielleicht nur meinetwegen geheiratet hat, weil ich schon unterwegs war.

Die Mutter konnte die Kaution nicht aufbringen.

Und im Hinterzimmer stand das Kanapee.

Darauf kann ich mir meinen Reim machen.

Mein Vater war immer nur um seine eigene Haut besorgt, und die Stürme des Schicksals mußten ihn schon tüchtig durchbeuteln, bevor er begriff, daß auch die anderen eine Haut haben, die ihnen genauso teuer ist wie ihm die seine. Er war einer von jenen, die mit ihrem dicken Hinterteil in der trockenen Stube sitzen und denen, die draußen im Regen stehen, gute Ratschläge geben, was sie tun müssen, um nicht naß zu werden, die aber nie auf den Gedanken kommen, die Durchfrorenen zu sich in die Wärme zu bitten; er gehörte zu jenen Neunmalgescheiten, die einen den ganzen Abend nicht in Ruhe lassen können mit ihrem Gerede über die eigene schwere Jugend, wie sie sich durchschlagen mußten in einer Kate, in der für die Kinder nicht genug Platz war, wo das Brot für sie nicht ausreichte, die aber dabei keinen Finger rühren, einem anderen aus der Patsche zu helfen.

Einem Fünfzehnjährigen ist nicht wohl in seiner Haut, wenn er erkennen muß, daß sein Vater zu jenen Scheißkerlen zählt, die stets im Recht sind – aber nur in diesem ihrem eigenen Recht; was mußte erst alles geschehen, bevor mein Vater zu der Einsicht kam, daß auch andere im Recht sein können.

Viele Jahre lang hat mein Vater immer wieder zwei Geschichten aus seiner Jugendzeit zum besten gegeben: einmal wurde er von daheim zu der Familie Maliňák geschickt, eine gute halbe Wegstunde hinauf auf den Berg durch den Wald, um einen Krauthobel zu holen, es war Abend, Ende Oktober, im Ersten Weltkrieg, der Tag neigte sich schon, und draußen trieben die Grünen Kader ihr Unwesen – und als mein Vater mit dem Krauthobel auf dem Rücken den Waldweg über der Schlucht hinabschritt zu der Stelle, die man ›Am Bach‹ nennt, sah er unten ein Feuer und um dieses herum eine Horde bärtiger Gesellen, deren böse Augen ihm im Schein der Flammen entgegenfunkelten. Mein Vater stieß einen Angstschrei aus, ließ den Krauthobel fallen und jagte heim.

Immer, wenn ich jetzt ›Am Bach‹ vorbeikomme, der Wald ist inzwischen in die Höhe gewachsen, und man wird ihn bald schlagen, sehe ich diese Schar wilder Männer vor mir, wie sie in jener Herbstnacht um das Feuer hocken, sehe meinen Vater als Elfjährigen mit dem schweren Krauthobel auf dem Rücken, wie ihm die Knie zittern, wie er seine Last auf dem Waldweg niederwirft und, außer sich vor Angst, heimeilt. Was hat man doch nicht alles von den Grünen Kadern erzählt, damals, an den langen Abenden, was für schreckliche Räuber- und Mordgeschichten! Und ich sehe das erboste Gesicht meines angetrunkenen Großvaters vor mir, wie er loslegt: »Marsch zurück und schau, daß du mit dem Krauthobel sofort wieder da bist!«

Oder ich höre wieder jene Geschichte, die sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges zutrug, als mein Großvater noch nicht desertiert war: damals gab es nichts zu heizen, und meine Großmutter, sie ist schon lange tot, nur ihr Kleiderschrank existiert bis heute, schickte meinen Vater in Schnee und Kälte in den Wald nach Holz – und weil er nicht einmal Schuhe besaß, mußte er barfuß hinaus.

Vielleicht hätten mich diese Geschichten zu Tränen gerührt, wenn ich sie nur nicht so oft zu hören bekommen hätte mit so verhaßten Nachsätzen: Du weißt ja nicht, wie gut du es hast, du weißt nichts zu schätzen, du bist ein Lump, ein Müßiggänger, aus dir wird noch einmal ein Bolschewik, genau wie aus Franta, nicht einmal in der Schule leistest du etwas Besonderes, wenn das mit dir so weitergeht, wirst du eines Tages noch reif für die Mičko-Familie sein und kannst deren schöne Tochter, diese Vogelscheuche, heiraten.

Die Drohung, ich werde noch einmal bei den Mičkos landen, wiederholte mein Vater ziemlich oft, aber sie verletzte mich nicht, noch schreckte sie mich, ich spürte nur eben den scharfen Stachel seiner Bosheit heraus.

Wenn ich es so betrachte, vielleicht hätte ich mich sogar mit Mičkos Líba gut verstehen können, alle nannten sie eine Vogelscheuche, aber meine Visage taugte auch nicht viel, bis heute nicht: wie oft wollte ich meinem Vater erwidern: »Spar dir das mit Líba, schau doch mich an, mit was für einer Visage du mich in die Welt gesetzt hast!«

Immer, wenn mein Vater das Wort Vogelscheuche gebrauchte, wurde ich vor Wut rot und konnte nicht verbergen, daß mich das mächtig wurmte; mein Vater wußte nur allzugenau, wie ich diese Anspielungen haßte, denn früher hatte ich mich manchmal am Abend mit Líba getroffen, wir promenierten in der Lindenallee unserer Straße auf und ab, wobei wir den Stoff aus der Schule repetierten; das war zu jener Zeit, bevor Mičko seine Tochter aus dem Gymnasium nahm, weil sie – nun, weil sie eben kein großes Kirchenlicht war.

Josef Mičko war der Buchbinder, dessen Laden sich fast direkt gegenüber unserem Café befand; er stammte gleichfalls aus dem Dörfchen Hošťálkov, war aber aus anderem Holz geschnitzt als alle übrigen Leute aus dieser Gegend: er war nämlich Protestant, und als er nach Ostrau kam, wurde er Kommunist; die Abende verbrachte er immer mit intensivem Lesen und gab das von ihm neugebundene Buch dem Kunden nicht eher zurück, bevor er nicht ausdauernd darin geschmökert hatte, und so sammelte sich in seinem Spitzkopf im Laufe der Jahre ein Konglomerat von genialen und idiotischen Ideen an, von Theorien und Scharlatanerien, von Wissen und Pseudowissen, und sein wohltrainiertes Gehirn, voll nagender Unzufriedenheit mit sich selbst und dem Leben – denn Herr Mičko war bucklig –, verarbeitete das Ganze zu einem wilden System, in dem der Strick und der nächste Laternenpfahl die endgültige Lösung aller sozialen Konflikte in der Gesellschaft darstellten.

Lange Zeit konnte sich Herr Mičko nicht entscheiden, welcher Seite er sich zuwenden sollte: nach rechts, zu den Faschisten, oder nach links, zu den Kommunisten? Ganz bestimmt war für sein weiteres politisches Engagement die eine Tatsache ausschlaggebend, daß sich bei den Faschisten nur allzu viele erfolgreiche Unternehmer befanden, denen Herr Mičko, ein nicht gerade sehr geschickter Handwerker und Pechvogel, eine tiefe Abneigung entgegenbrachte. Er wählte daher den Weg nach links, wo er seinen Grimm nährte und seinen Haß schürte, er ballte die Fäuste und band die Bücher schlecht ein, so daß die Zahl der Kunden abnahm, sich die Anlässe aber mehrten, bei denen Herr Mičko seine Gründe und die Richtigkeit seiner Entscheidung, Kommunist zu werden, bestätigt fand.

Ich persönlich hatte nichts gegen Herrn Mičko einzuwenden, und als er eines Abends in unserem Café etwas von einem Laternenpfahl und Strick für meinen Vater herumschrie, war ich im stillen ein ganz klein wenig auf seiner Seite. Gib es ihm nur, Buchbinder, dachte ich bei mir, gib es ihm nur, diesem Scheißkerl!

Das war mein Zuhause.

Auch heute noch, wenn ich zum Beispiel in einen Betrieb komme, wo sich eine solche Registrierkasse befindet, wie wir sie hatten, genauso eine Kühlanlage bei der Theke und genau solche Marmortischchen für zwei Personen, so genügt es, das Klingeln der Kasse zu vernehmen, und schon schließe ich die Augen, berühre mit den Fingern den vom Kompressor der Kühlanlage vibrierenden Marmor; der ganze Raum löst sich auf und fügt sich wieder zu einem Bild zusammen, zu unserem Café, ich bilde mir ein, alles sei beim alten geblieben, es genüge, ein wenig die Augen zu öffnen, und schon werde ich die Mutter an der Kasse erblicken, den Vater beim Vorhang, werde von fern einen Trauermarsch hören, dort in der Ecke wird Herr Mader Karten spielen, Herr Berger, vielmehr SS-Sturmbannführer Berger, wird genüßlich einen Neuburger auf der Zunge auskosten, Herr Klimesch, der angewidert dreinschauende Herr Klimesch, der Sudetendeutsche mit seiner wundervollen Sprache, wie man sie heute nicht mehr zu hören bekommt, in sein Buch über die Geschichte der Philosophie in der Antike vertieft, wird von Zeit zu Zeit an seinem schwarzen Kaffee nippen, der Saufbold, Künstler und Faschist, Herr Houžva, ist gerade eingenickt, seine heiße Stirn ruht auf der kalten Marmorplatte, der Herr Pfarrer Kempf ist wieder sehr traurig und streicht mit seinen schlanken Fingern über die Nickelbeschläge der Theke – und sie alle werden dasein, wie ich sie gekannt habe: die Kartenbrüder, die Faschisten, die Bolschewiken, die Beneš-Anhänger, alle sehe ich sie wieder vor mir, und keinen von ihnen kann ich aus meinem Gedächtnis verdrängen, sie gehören zu meiner Jugend, genauso wie ich zu ihnen gehörte.

Aus vielen ihrer Irrtümer habe ich etwas zugelernt, allen von ihnen etwas abgeguckt, und manche habe ich sogar verstanden; andere sind mir bis heute ein Rätsel geblieben.

Jetzt, da ich keinen Grimm mehr in mir trage, der Hund in mir satt und zufrieden schläft, kann ich die Zeit seines Schlafes benützen und berichten, was ich berichten muß.

2. Kapitel

Am meisten habe ich von unseren Stammgästen gelernt, keinesfalls im Gymnasium, dort haben sie uns mit Wissen vollgestopft, das mir in unserem Café wahrscheinlich wenig genützt hätte; wenn im Lokal die Rede auf die Politik kam, spitzte ich die Ohren und hörte aufmerksam zu; die Bolschewiken, doch von denen verkehrten nur wenige bei uns, nur dann und wann ließ sich einer blicken, priesen Stalin und die Kollektivierung der Landwirtschaft, verwünschten die Verräter, denen man in Moskau den Prozeß machte – und irgendein Agrarier, der Pächter eines großen Gutes irgendwo hinter der Stadt, tobte bei solchen Reden vor Wut, der Beneš-Anhänger war für einen Kompromiß, die Gefolgsleute Adolf Hitlers verkündeten ihre Parole ›Heim ins Reich‹, Gajdas Schwarzhemden hockten mit blitzenden Augen und wilden Gebärden in einer Ecke beisammen, aber alle ohne Ausnahme tranken Vaters Wein und Mutters Kaffee, schleckten unser Eis und kamen sich bei uns sehr wichtig vor, denn in unserem Lokal fand sich immer jemand bereit, für ein Gläschen zu allem ja zu sagen und dem Beifall zu spenden, der gerade die Runde zahlte; und wenn sich ein solcher Dummkopf nicht fand, der mit einem Schnaps um Verständnis für seine allein richtigen Ansichten warb, dann war eben noch der Herr Chef da, mein Vater, der gute Geist des Unternehmens, bereit, alle anzuhören: die beigeisterten Bolschewiken, die wohlgenährten Agrarier, die aufgeblasenen Beneš-Anhänger, die Henlein-Schreihälse und die vollgefressenen Faschisten.

Meine Mutter genoß die besondere Sympathie der Faschistengruppe, die jeden Freitag am frühen Abend bei uns zusammenkam. Ihr Vorsitzender war Kapellmeister Houžva, mit dem es manchmal Schwierigkeiten gab. Wie zum Beispiel damals, als er mit seinen Parteigenossen in Streit geriet und an Mutters Urteilsspruch appellierte.

»Gnädigste«, sagte er, mit untertänigstem Gesichtsausdruck an die Theke herantretend, er hatte immer feuchte Lippen, was auf sein Trompetenblasen zurückzuführen war; wenn einer zwanzig Jahre lang Flügelhorn bläst, so merkt man das seinem Mund an. »Meine Gnädigste«, sagte damals Houžva, »helfen Sie uns entscheiden, wir können uns nicht auf die genaue Definition einigen, was ein Jude ist.«

»Davon verstehe ich nichts«, erwiderte meine Mutter, und Houžvas Gesicht versumpfte, die Feuchtigkeit der Lippen stieg in seine Augen, er verzog den Mund und sagte: »Vielleicht könnten Sie uns dann sagen, wovon Sie etwas verstehen, meine Gnädigste?«

»Das bleibt für Sie, Herr Houžva, ein ewiges Geheimnis«, fertigte ihn meine Mutter kurz ab.

Die Faschisten brüllten vor Begeisterung.

Irgendwer ließ eine weitere Flasche Kognak kommen.

Meine Mutter stellte die Flasche auf ein Alpaka-Tablett und trug sie persönlich an den Tisch: beschwingt und sich rhythmisch in den Hüften wiegend, schritt sie mit gestraffter Bluse durch das Lokal, den Zigarettenrauch von sich abwehrend.

Houžvas Miene umdüsterte sich, die Unterlippe sank ihm herab, er bemühte sich um ein Lachen, doch das war kein Lachen.

In unserem Lokal war stets etwas los.

Besonders interessant wurde es immer, wenn Herr Kempf und Franta, Mutters Bruder, kamen, der Kommunist, dessen Tagesprogramm mit Versammlungen und Parteiarbeit ausgefüllt war, mit Wirtshausschlägereien, in die er mit Anhängern anderer politischer Richtungen und Gruppen verwickelt wurde, und der keiner geregelten Beschäftigung nachging, obgleich er gelernter Automechaniker war.

Franta hatte nie Geld, was bei seiner Lebensweise durchaus begreiflich war, denn die Partei entlohnte nicht ihre Aktivisten, sie spendierte ihnen nur dann und wann ein Gulasch oder ein paar Biere, zumeist aber gab es nur Reden über die Revolution, die jedoch nicht satt machen.

Mein Vater konnte Franta nicht ausstehen.

Ich glaube, was ihn an Franta am meisten ärgerte, war seine gelassene Selbstsicherheit, die Souveränität, mit der er über theoretische Fragen der Weltrevolution debattierte, über Stalin, Marx und alle Heiligen des dialektischen und historischen Materialismus – über Dinge, die mein Vater in Bausch und Bogen ablehnte, aber gegen Frantas Versiertheit kam er nicht an: er wurde immer grün und gelb vor Ärger, wenn Franta mit Fremdworten und Begriffen nur so um sich schmiß, von denen mein Vater vermutlich nicht die blasseste Ahnung hatte.

Wenn Vaters Geduld am Ende war, so warf er Franta gewöhnlich Beschimpfungen an den Kopf, wie Nichtstuer, Nichtskönner, der nur dummes Zeug daherquassele, er, mein Vater, habe schon die Nase voll davon, Franta möge sich fortscheren, er wolle ihn hier nicht mehr länger sehen.

Nur wenn Herr Kempf anwesend war, wagte mein Vater nicht, Franta hinauszuwerfen. Diese beiden, Franta und Herr Kempf, fühlten sich zueinander hingezogen: sie stritten miteinander, nahmen alles durch, von Abraham angefangen bis zur Gegenwart, Franta zitierte Lenin, Herr Kempf die Bibel, aber einigen konnten sie sich nicht.

Einmal nach einem prunkvollen Begräbnis, ich weiß gar nicht mehr, um welche Leiche es sich handelte, war unser Lokal gedrängt voll, die Leute konsumierten nur die besten Sorten, Herr Kempf hatte auch schon genug hinter der Binde, der Mesner Burian war bereits losgezogen, hinüber in seine Bügelanstalt – das tat er immer, wenn er voll war: er bekam dann Anwandlungen von Handwerksehre und Handwerksfleiß und machte sich still aus dem Staube.

»Es steht nirgends in der Schrift«, pflegte er zu sagen, »daß ich dem Dienst am Herrgott zuliebe meine eigentliche Beschäftigung, mein tägliches Brot, vernachlässigen soll.«

Herr Kempf war schon ein wenig beschwipst und summte, an der Theke stehend, leise vor sich hin, es waren langgedehnte Liedchen in jiddischer Sprache; er ließ dabei das halbgeleerte Glas mit dem gelben Kognak immerzu in seinen schlanken Fingern kreisen, von Zeit zu Zeit hob er seine schwarzen Augen und sah meine Mutter an, er lächelte ihr nicht zu, aber sie senkte rasch und wie erschreckt den Blick und errötete.

Da kam Franta herein.

Ein Kerl mit Schultern wie Torflügel, mit Händen wie kleine Schaufeln, mit blauen, weichen Augen: sein Gang und seine Bewegungen waren langsam, verrieten aber eine ungebändigte Kraft.

Wie ich schon erwähnte, hatte Herr Kempf bereits eins über den Durst getrunken, und als er nun Franta erblickte, lachte er ihm entgegen und sagte zur Begrüßung: »Gelobt sei Jesus Christus, verdammter Bolschewik, was nimmst du heute, einen Kognak?«

»Was gibt’s, du Überbleibsel aus dem Mittelalter, du Sproß der Inquisition«, erwiderte Franta den Gruß mit polterndem Lachen.

»Laß ihn doch in Ruhe«, sagte meine Mutter hinter der Theke.

»Aber laß, Mařka, wir beide verstehen uns doch so gut, habe ich nicht recht Herr Kempf?«

»Das will ich hoffen«, erwiderte meine Mutter.

»Gnädigste«, sagte Herr Kempf, »schenken Sie Herrn Franta zwei Kognaks ein, sie gehen auf meine Rechnung.«

»Das läßt sich hören«, grunzte Franta, hob das Gläschen mit dem Alkohol gegen das Licht und schrie: »Nieder mit dem Klerus.«

Kempf überlegte einen Augenblick, hob dann sein Gläschen und sagte lächelnd: »Barmherzigkeit für jedermann, lieber Franta.«

»Unsinn«, stieß Franta unwirsch hervor, »keine Barmherzigkeit, sondern die Weltrevolution, die Einheitsfront aller Arbeitenden gegen den aufkommenden Faschismus, die Kraft von Millionen, ja Milliarden Menschenarmen, das gilt, das ist unsere Barmherzigkeit, Herr Kempf!«

»Die Kraft bedeutet nichts«, erwiderte Herr Kempf, »Milliarden Arme erschlaffen, ermüden, ich aber kenne eine Kraft, die nie erschlafft, sie überdauert alle Zeiten, ja die Ewigkeit …«

»Du faselst ein Zeug zusammen, Pfaff«, sagte Franta lachend und kippte den zweiten Kognak hinunter.

»Hör mal«, ereiferte sich meine Mutter hinter der Theke, »so kannst du mit Herrn Kempf nicht reden, benimm dich doch anständig …«

»No, no, das ist auf einmal ein Getue«, sagte Franta beleidigt, »ich bin dir wohl nicht mehr fein genug, Schwesterlein, was?«

»Die physische Kraft«, fuhr Herr Kempf in seinen Meditationen fort, »bedeutet nichts, sie verbraucht sich, ihr sind endliche Grenzen gesetzt – bis hierher und keinen Schritt, keine Bewegung weiter, je mehr Kraft du aufwendest, desto größer der Verbrauch, desto näher die Grenze der endgültigen Erschöpfung: das Gesetz Gottes aber lieber Franta, ist ein weises, ja ein sehr weises Gesetz, der Glaube verbraucht sich nicht, du kannst nur schwankend werden, aber nicht einmal dieses Schwanken kann den Glauben an Quantität oder Qualität mindern, vielleicht nimmt die Zahl der Gläubigen ab, doch die Fülle des Glaubens nie, hörst du, Bolschewik, niemals … aber die Kraft … die bloße Kraft … bah!«

»Reiz mich nicht, Schwarzer«, sagte Franta nunmehr ernst und preßte die Lippen zusammen; unterhalb seiner slawischen Backenknochen zeichnete sich der Unterkiefer scharf ab, und die beiden Kognaks auf nüchternen Magen pulsierten ihm schon in den Stirnadern, »hör mal, reiz mich nicht«, wiederholte er, »sonst forderst du mich heraus!«

»Gib doch Ruhe, Franta«, sagte meine Mutter hinter der Theke.

»Und ich geb keine Ruhe«, schrie Franta und schlug mit der Faust auf die Theke mit den Nickelbeschlägen, daß es nur so krachte; mein Vater wollte etwas sagen, aber er wußte nur allzugut, jetzt war mit Franta nichts zu machen, am besten ihn gewähren lassen, und wenn er sich ausgetobt hat, ihm einen Schein in die Hand drücken, dann wird er verschwinden und anderswo einkehren, vielleicht geht er zu seinen Genossen oder zu seinem Mädchen, wie heißt sie nur gleich? Naďa, die Tochter des kommunistischen Abgeordneten, das Mädel hat die Basedowsche Krankheit, Glotzaugen, unmöglich dicke Beine, aber etwas ist an ihr dran, ich sollte sie einladen, sie könnte mir die Buchhaltung in Ordnung bringen, angeblich kennt sie sich darin gut aus, aber den Franta muß man jetzt in Ruhe lassen, bevor er noch ganz in Rage kommt, das Lokal ist voller Leute, also keine Szenen; mein Vater verdrückte sich in den Hintergrund.

Franta hatte sich wieder beruhigt, er blickte Kempf an, die Adern an seiner Stirn traten hervor; das Ärgste an all den Reden von Kempf war – und Franta wußte das nur zu gut, wollte es aber nicht zugeben –, daß der Pfarrer recht hatte, Franta wurde sich der ganzen grausamen Wahrheit über den Verschleiß der physischen Kräfte bewußt. Dann tat er zwei Schritte zur vernickelten Kühltruhe hin, hob den Verschluß der Eisbehälter, zwei schwere Deckel aus Chromstahl, ab, nahm sie in seine Pranken, streckte die Arme aus, warf einen Blick auf die Wanduhr, die unsere besaß auch einen Sekundenzeiger, und sagte: »Und jetzt schau her, Pfaff, schau gut her, was Kraft heißt! In dieser Stellung werde ich zumindest anderthalb Minuten aushalten!«

Das ganze Lokal verstummte, und alle blickten zu Franta hin, dann auf die Uhr, und der stand stramm und fest da, und als dreißig Sekunden um waren, zuckte er noch nicht einmal mit der Wimper, nach fünfundvierzig Sekunden schien mir, sein linker Arm senke sich etwas, aber sofort streckte er ihn wieder in die Waagerechte, dann aber, es waren schon fünfzig Sekunden vergangen, begann sein rechter Arm zu zittern, doch das Blut glich es wieder aus: wahrscheinlich hatte es Franta vom Gesicht in die Arme gepumpt – denn er wurde ganz blaß, und die kritischen siebzig Sekunden waren überwunden, der Rekord unseres Lokals gebrochen. Das war immer so ein Spiel bei uns, wenn die Burschen ihre Kräfte messen wollten, machten sie sich einen Sport daraus, wer mit diesen Deckeln am längsten aushielt. Frantas Schultern begannen jetzt zu zittern, und es dampfte von ihm, aber das war bestimmt nur eine optische Täuschung, wahrscheinlich dampfte es aus den offenen Eisbehältern hinter seinem Rücken; die Leute erhoben sich von den Stühlen, die Faschisten in der Ecke sperrten das Maul auf, denn Kraft hatte ihnen ja schon immer imponiert, und bislang war es stets einer von ihnen gewesen, der den Rekord hielt: dreiundsiebzig Sekunden, aber nun war der kleine Zeiger schon auf achtzig Sekunden vorgerückt und schien seinen Umlauf zu verlangsamen, und in diesem Augenblick schaltete sich der Kompressor der Kühlanlage ein, Franta kniff die Augen zu, preßte die Zähne zusammen, der Kompressor brummte und ließ die dicke Luft vibrieren; noch fünf Sekunden ruckte und zuckte es mit Franta hin und her, dann kam die Erlösung; er senkte die Arme und legte die Deckel langsam auf ihren Platz zurück.

»Das nenne ich Kraft«, sagte er, und seine Stimme zitterte, »gelt, da hast du gestaunt, Pfaff?«

Kempfs Augen hatten sich geweitet, meine Mutter hinter der Theke strahlte: Franta ist halt doch ein Mordskerl, er hat Kraft, hat Mut und ist halt mein Bruder, dieser Mordskerl! Mein Vater ging wortlos zur Theke, schenkte einen großen Kognak ein und brachte ihn Franta. »Das war prima«, sagte er.

Franta kippte den Inhalt des Glases hinunter, und der Steuerbeamte, ein Beneš-Anhänger, der sich als Gönner aufspielen wollte, rief meinem Vater zu: »Herr Chef, noch einen Kognak für ihn, auf meine Rechnung!«

Kempf beachtete niemand, seine Augen waren, wie gewohnt, traurig, spielerisch drehte er in seinen schlanken Fingern, auf die er sicher sehr stolz war, das Glas hin und her, hob es und betrachtete das Licht, das sich in dem Schliff brach, und meine Mutter hinter der Theke; dann gab er sich einen Ruck, krempelte die Ärmel seiner Soutane hoch, entblößte zwei dünne, dicht behaarte Arme, ergriff die beiden Deckel, streckte die Arme aus und warf einen Blick auf den Sekundenzeiger der elektrischen Uhr über der Theke.

Franta war im Begriffe, etwas zu sagen, aber als er sich Kempf zuwandte, blieben ihm der Mund offen und die Worte im Halse stecken; irgendwer lachte, doch inzwischen waren schon die ersten fünfzehn Sekunden vergangen, und Kempf begannen beide Arme zu zittern.

»Ich wette auf dreißig Sekunden«, schrie Franta, »dreißig Sekunden und keinen Bruchteil länger.«

Und es lief die zwanzigste Sekunde, und Kempf knickte im Kreuz ein, er bog sich, und die schweren Deckel zogen ihn herunter, auf sein bleiches Gesicht traten rote Flecken.

Und da lief auch schon die fünfundzwanzigste Sekunde.

»Ich wette fünf Kognaks«, brüllte Franta, »er hält es nicht länger als dreißig aus.«

»Red keinen Blödsinn«, flüsterte ihm mein Vater zu, »du bist doch blank!«

Das ganze Lokal stand um Kempf herum.

Als der Sekundenzeiger einen Halbkreis beschrieben hatte, stieß Kempf zwischen den zusammengepreßten Lippen hervor: »Du hast verspielt, Bolschewik!«

Nach vierzig Sekunden knickte Kempf in den Knien ein, aber die Deckel hielt er ständig in Schulterhöhe, und nach wenigen Sekunden gelang es ihm, die gebogenen Knie wieder zu strecken, und jemand im Saal flüsterte »Bravo!«

Zusehends blieb Franta der Atem weg: »Er hält es nicht aus, er hält es nicht länger als eine Minute aus«, seine Lippen bebten, doch niemand beachtete ihn; der kleine Zeiger vollendete einen ganzen Kreis, Herr Kempf lächelte.

Gleich darauf knickten dem Pfarrer von neuem die Knie ein, er hatte schon nicht mehr die Kraft, sie aufzurichten, denn es lief bereits die siebzigste Sekunde, er ist mit diesen Deckeln wie ans Kreuz geschlagen, dachte ich bei mir, und in der achtzigsten Sekunde ging Kempf ganz herunter, und im Knien hielt er immer noch die beiden Deckel in Schulterhöhe, die schlanken, die Griffe umklammernden Finger wurden blau, aber möglicherweise täuschte ich mich, vielleicht war es nur der Reflex der blauen Theke, in der neunzigsten Sekunde senkte Herr Kempf demütig die Augen, und in der fünfundneunzigsten fielen ihm beide Deckel aus den Händen und schlugen krachend auf den Boden; er blieb noch eine Zeitlang knien und atmete heftig, mit Mühe erhob er sich dann und zog aus den weiten Falten seiner Soutane ein weißes Taschentuch hervor und hustete hinein, und nur wenige bemerkten die Blutspuren, die das Taschentuch nachher aufwies.

Der Kreis der Neugierigen löste sich allmählich auf, alle spürten noch die Schwere im Rücken, und als sie sich wieder setzten, interessierte sie nur das Marmormuster ihrer Tischplatte und nicht mehr Herr Kempf, der an der Theke ein kaltes Selterswasser trank und meine Mutter schmerzlich anlächelte, mit einem Blick, in dem Vorwurf, Schuldbewußtsein und auch ein wenig Stolz lagen, seine Hand zitterte immer noch, und schließlich entglitt ihr das Glas mit dem Selterswasser und zerbrach auf dem Fußboden.

Herr Kempf errötete und küßte meiner Mutter die Hand.

»Verzeihung, meine Gnädigste«, sagte er und empfahl sich mit einer Verbeugung.

Franta schenkte er keine Beachtung mehr.

Kempf verehrte meine Mutter.

Ich wußte es, ich sah es ihm an den Augen an, und heute weiß ich ganz genau, es war Liebe; damals, als Junge, ahnte ich eigentlich nur, daß zwischen Herrn Kempf und meiner Mutter vieles unausgesprochen, sozusagen auf halbem Wege steckenblieb: wenige mit gesenktem Kopf ausgesprochene Sätze, eine nicht zu Ende geführte Bewegung des Armes zu meiner Mutter Hand hin, die lässig auf der Theke ruhte – nicht mehr.

Aber all das liegt schon weit zurück und ist vielleicht nicht einmal wahr, vielleicht hat mir das alles nur geträumt, und alles ist nur das Echo eines Traumes: er hinterließ einen bitteren Nachgeschmack, Ratlosigkeit, nichtenträtselte Chiffren, aus denen ich ein für allemal Klarheit haben möchte.

Es handelt sich um meine Jugend.

Alles, was ich anrühre, schmerzt, schämt und verbirgt sich, und sage nur niemand, die Zeit heile Wunden: das ist eine himmelschreiende Lüge, ein Beruhigungsmittel, Morphium – nichts heilt, nichts hört zu schmerzen auf; ständig tragen wir die alten Narben in uns, und sobald sich nur das Wetter ändert, uns jemand unsanft anstößt oder sich das Gewissen regt, schon erwacht der Hund in uns, und alles ist wieder gegenwärtig: der brennende Schmerz, die Qual, das innere Bluten, alles, was gewesen ist, lebt weiter fort, so lange, bis wir gestorben sind – ich habe entsetzliche Angst, daß, wenn ich einmal die Glieder von mir strecken werde und meine Nase spitz zu werden beginnt, alles nochmals wiederkehrt, daß ich nichts vergessen kann, nichts können wir von uns und aus uns fortscheuchen, alles, unser ganzes Leben, ist tief in uns eingewurzelt, und alles wird wiederkehren, auch das Kanapee hinter dem Paravent in dem Alkoven, wo man das Klosett roch, meines Vaters Augen, als ich ihm die unflätigen Dinge über unser Tagesmädchen und den Ober vorflunkerte, auch Štefka wird wiederkehren, ich war fünfzehn, als ich mich mit ihr auf dem verdammten Kanapee vergnügte; als ich ihren Busen berührte, dehnte sie sich der Länge nach, sie war damals noch nicht sechzehn, ich spürte, wie sich ihre Brustwarzen unter dem Büstenhalter strafften, dann streichelte ich ihren Popo, sie preßte die beiden ovalen Hälften fest zusammen, so daß sie hart wie eine Melone waren, aber nicht so kalt, sondern warm, auch hatte sie ziemlich rauhe Hände, denen der Geruch von Ziegenmilch anhaftete: zu Hause in Hošťálkov besaßen sie nämlich eine Ziege, und Štefka molk sie täglich, und es nützte nichts, der Duft von Milch, Wiesen und besonnten Abhängen blieb an ihnen, auch als sie schon bei uns war; ich fühlte ihre Hände auf meinem Gesicht, diese rauhen und festen Finger, und so nahm ich also meine ganze Courage zusammen, und es war eine solche Stille, daß ich mich in ihr verlor.