Das Erbe der Steppe - Wilbur Smith - E-Book

Das Erbe der Steppe E-Book

Wilbur Smith

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Beschreibung

Das internationale Phänomen, das den Weltruhm des Autors begründet hat: »Wilbur Smith – dieser Name bedeutet eine unwiderstehliche Mischung aus Action, Abenteuer und Romantik!«, urteilt die Washington Post. Liebe in einer Zeit des Krieges … Der Kampfflieger Michael Courtney wird im ersten Weltkrieg bei einer Notlandung von der jungen Grafentochter Centaine aus dem brennenden Flugzeugwrack gerettet. Die dramatische Rettung schmiedet ein Band der Liebe zwischen den beiden so unterschiedlichen Menschen – bis Michael durch einen tragischen Unfall ums Leben kommt. Ein Kind unter dem Herzen, entschließt sich Centaine, die beschwerliche Reise nach Südafrika anzutreten – dem Land, aus dem Michaels Familie stammt und von dessen wildromantischer Natur sie so viel gehört hat. Doch die Schwangere erleidet Schiffbruch. Nach einer gefährlichen Flucht durch die erbarmungslose Wildnis begegnet sie schließlich dem Soldaten Lothar De La Rey – doch noch weiß sie nicht, ob er ihre Rettung sein wird … oder ihr Untergang! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der dramatische Afrika-Roman »Das Erbe der Steppe« von Bestseller-Autor Wilbur Smith ist der vierte Band seiner epochalen historischen Familiensaga um die Familie Courtney – Fans von Jeffrey Archer und Ken Follett werden begeistert sein! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 826

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Über dieses Buch:

Der Kampfflieger Michael Courtney wird im ersten Weltkrieg bei einer Notlandung von der jungen Grafentochter Centaine aus dem brennenden Flugzeugwrack gerettet. Die dramatische Rettung schmiedet ein Band der Liebe zwischen den beiden so unterschiedlichen Menschen – bis Michael durch einen tragischen Unfall ums Leben kommt. Ein Kind unter dem Herzen, entschließt sich Centaine, die beschwerliche Reise nach Südafrika anzutreten – dem Land, aus dem Michaels Familie stammt und von dessen wildromantischer Natur sie so viel gehört hat. Doch die Schwangere erleidet Schiffbruch. Nach einer gefährlichen Flucht durch die erbarmungslose Wildnis begegnet sie schließlich dem Soldaten Lothar De La Rey – doch noch weiß sie nicht, ob er ihre Rettung sein wird … oder ihr Untergang!

Über den Autor:

Wilbur Smith (1933–2021) wurde in Zentralafrika geboren und gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Gegenwart. Der Debütroman seiner Jahrhunderte umspannenden Südafrika-Saga um die Familie Courtney, begründete seinen Welterfolg als Schriftsteller. Seitdem hat er über 50 Romane geschrieben, die allesamt Bestseller wurden, und in denen er seine Erfahrungen aus verschiedenen Expeditionen in die ganze Welt verarbeitete. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt. Wilbur Smith starb 2021 in Kapstadt im Kreise seiner Familie.

Die Website des Autors: www.wilbursmithbooks.com/

Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/WilburSmith/

Der Autor auf Instagram: www.instagram.com/thewilbursmith/

Die große Südafrika-Saga des Autors um die Familie Courtney erscheint bei dotbooks im eBook. Der Reihenauftakt »Das Brüllen des Löwen« ist auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich.

Die große Ägypten-Saga über den Eunuchen Taita ist bei dotbooks als eBook erhältlich. Der Reihenauftakt »Die Tage des Pharao« ist auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich.

Außerdem bei dotbooks erschienen der Abenteuerroman »Der Sonnenvogel« sowie die Action-Thriller »Greed – Der Ruf des Goldes«, »Blood Diamond – Tödliche Jagd«, »Black Sun – Die Kongo-Operation«, »Das Elfenbein-Kartell« und »Atlas – Die Stunde der Entscheidung«. Weitere Bände in Vorbereitung.

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eBook-Ausgabe Oktober 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1985 unter dem Originaltitel »The Burning Shore« bei William Heinemann Ltd., London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1987 unter dem Titel »Glühender Himmel« im Paul Zsolnay Verlag.

First published in 1985 by William Heinemann Ltd.

Copyright © Wilbur Smith 1985

Copyright © der deutschen Erstausgabe by Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft mbH, Wien und Hamburg

Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/tr3gin, Nik Merkulov, chantel de Bruijne, Andrzej Kubik, ahtong tiret Photograph und Adobe Stock/ana

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98952-472-9

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Wilbur Smith

Das Erbe der Steppe

Die Courtney-Saga 4

Aus dem Englischen von Grit Zoller

dotbooks.

Widmung

Für Danielle Antoinette,

mit all meiner Liebe, für immer

Kapitel 1

Michael erwachte vom wütenden Donnern der Kanonen. Es war ein widerliches Ritual, mit dem die Artillerieverbände zu beiden Seiten der Hügelketten vor der Dämmerung den Kriegsgöttern ihre wilde Huldigung darbrachten.

Michael lag unter dem Gewicht von sechs Wolldecken in der Dunkelheit und sah das Artilleriefeuer wie ein schreckliches Nordlicht durch das Zeltdach flackern. Die Decken fühlten sich so kalt und klamm an wie die Haut eines Toten, und leichter Regen trommelte auf die Zeltleinwand. Die Kälte drang durch das Bettzeug, und dennoch empfand er einen Funken Hoffnung. Bei diesem Wetter konnten sie nicht fliegen.

Doch diese falsche Hoffnung verflüchtigte sich rasch, denn als Michael abermals und diesmal aufmerksamer den Geschützen lauschte, erkannte er am Klang des Sperrfeuers, aus welcher Richtung der Wind kam. Der Wind hatte sich wieder nach Südwesten gedreht, so daß er den Kanonendonner verstärkte; Michael schauderte und zog die Decken bis unter das Kinn. Wie um seine Vermutung zu bestätigen, ließ die leichte Brise plötzlich nach. Das Trommeln der Regentropfen auf dem Zeltdach wurde leiser und verstummte schließlich ganz. In der Stille hörte er die Tropfen von den Bäumen im Obstgarten fallen — dann kam ein plötzlicher Windstoß, so daß sich die Äste schüttelten wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt, und schwere Tropfen auf das Zeltdach fallen ließen.

Er beschloß, nicht nach seiner goldenen Taschenuhr zu greifen, die auf der als Nachttisch dienenden Packkiste lag. Es würde nur allzu bald Zeit sein. Also vergrub er sich in die Dekken und dachte über seine Angst nach. Alle litten unter dieser Angst, doch die strengen Regeln, unter denen sie lebten, flogen und starben, verboten es ihnen, darüber zu sprechen; verboten es ihnen, auch nur mit verstecktesten Andeutungen darauf hinzuweisen.

Michael überlegte, ob es ein Trost gewesen wäre, wenn er am vorangegangenen Abend, als er zusammen mit Andrew eine Flasche Whisky leerte und den Auftrag für diesen Morgen besprach, imstande gewesen wäre zu sagen: »Andrew, ich habe ein entsetzlich flaues Gefühl bei dem Gedanken an das, was wir vorhaben.«

Er grinste in die Dunkelheit, als er sich Andrews Verlegenheit vorstellte, doch er wußte, daß Andrew ebenso empfand. Das zeigte sich in seinen Augen und in der Art, wie ein kleiner Muskel in seiner Wange zuckte und hüpfte, so daß er ihn fortwährend mit den Fingerspitzen berühren mußte, um ihn zu beruhigen. Alle altgedienten Piloten hatten ihre Schrullen; bei Andrew waren es der zuckende Wangenmuskel und die leere Zigarettenspitze, an der er saugte wie an einem Schnuller. Dafür knirschte Michael im Schlaf so laut mit den Zähnen, daß er selbst davon aufwachte; außerdem zerkaute er den Nagel seines linken Daumens bis aufs Fleisch und blies alle paar Minuten über die Finger seiner rechten Hand, als hätte er heiße Kohlen berührt.

Die Angst machte sie alle ein wenig verrückt und trieb sie dazu, viel zuviel zu trinken — jedenfalls genug, um die normalen Reflexe normaler Männer zu zerstören. Aber sie waren keine normalen Männer, und der Alkohol schien sie nicht zu beeinträchtigen, er trübte weder ihre Sehkraft noch hemmte er die Reaktionsgeschwindigkeit ihrer Füße auf den Seitenrudern. Normale Männer starben in den ersten drei Wochen, ihre Maschinen stürzten brennend ab, wie Tannenbäume bei einem Waldbrand, oder sie zerschellten auf dem weichen, zerwühlten Boden, und zwar mit einer Wucht, die ihre Knochen total zerschmetterte und ihnen die Splitter durch das Fleisch trieb.

Andrew hatte vierzehn Monate überlebt, und Michael elf, und da war ein Vielfaches der Lebensdauer, die die Kriegsgötter vielen Männern zuerkannten, die diese zerbrechlichen Apparate aus Draht, Holz und Segeltuch flogen. Und so zappelten und zuckten sie, zwinkerten und tranken zu viel Whisky, lachten in schrillen, lauten Tönen und scharrten verlegen mit den Füßen, und bei Tagesanbruch lagen sie starr vor Angst auf ihren Feldbetten und lauschten den Schritten.

Michael hörte die Schritte nun; es mußte später sein, als er angenommen hatte. Draußen vor dem Zelt stieß Biggs einen unterdrückten Fluch aus, als er unversehens in eine Pfütze trat, und seine Stiefel gaben bei jedem Schritt im Schlamm ein leises, unanständiges Geräusch von sich. Seine Blendlaterne leuchtete durch die Zeltleinwand, als er nach der Klappe tastete, und dann trat er gebückt ins Zelt.

»Guten Morgen, Sir —« Seine Stimme klang fröhlich, aber gedämpft, aus Rücksicht auf die Offiziere in den benachbarten Zelten, die an diesem Morgen nicht fliegen mußten, »— der Wind hat auf Süd-Süd-West gedreht, Sir, und es klart ganz wunderhübsch auf, wirklich. Über Cambrai leuchten noch Sterne —« Biggs stellte das Tablett, das er mitgebrach hatte, auf die Packkiste und machte sich eifrig daran, Michaels Kleidung aufzusammeln, die dieser am Vorabend einfach zu Boden hatte fallen lassen.

»Wie spät ist es?« Michael gab sich den Anschein, aus tiefem Schlaf zu erwachen, streckte sich und gähnte; Biggs sollte nichts von der angstvollen Stunde bemerken, die Legende nichts von ihrem Glanz einbüßen.

»Halb sechs, Sir.« Biggs faltete die Kleidungsstücke zusammen und kam dann zurück, um ihm den dicken Porzellanbecher mit Kakao zu reichen. »Und Lord Killigerran ist auf und befindet sich bereits im Kasino.«

»Der verdammte Kerl ist aus Eisen«, knurrte Michael. Biggs hob die leere Whiskyflasche auf, die unter dem Feldbett auf dem Boden lag, und stellte sie auf das Tablett.

Michael schlürfte den Kakao, während Biggs im Rasierkrug Schaum anrührte, und dann hielt Biggs den polierten Stahlspiegel und die Laterne, während sich Michael, die Decken um die Schultern gelegt und aufrecht auf dem Bett sitzend, mit dem Messer rasierte.

»Wie stehen die Wetten?« fragte Michael mit nasaler Stimme, da er sich gerade die Nasenlöcher zuhielt und die Nasenspitze hob, um sich über der Oberlippe zu rasieren.

»Drei zu eins, daß Sie und der Major die beiden ohne Gemetzel nehmen.«

Michael wischte das Rasiermesser ab, während er die Gewinnchancen überdachte. Der Sergeant, der die Wetten veranstaltete, hatte vor dem Krieg in Ascot und Aintree eigene Wettbüros betrieben. Er hatte sich ausgerechnet, daß die Chancen eins zu drei standen, daß entweder Andrew oder Michael oder beide zu Mittag bereits tot sein würden — kein Gemetzel, keine Verluste.

»Recht unverschämt, meinen Sie nicht auch, Biggs?« fragte Michael. »Ich meine, warum gleich beide, verdammt nochmal?«

»Habe einen Halben auf Sie gesetzt, Sir«, murmelte Biggs.

»Nett von Ihnen, Biggs, setzen Sie einen Fünfer für mich.« Er deutete auf die Geldbörse, die neben der Uhr lag, und Biggs nahm fünf Goldmünzen heraus und steckte sie in die Tasche. Michael setzte immer auf sich selbst. Es war eine sichere Sache: Wenn er die Wette verlor, würde ihn das auf keinen Fall schmerzen.

Biggs wärmte Michaels Kniehose über der Laterne an und hielt sie ihm hin, während Michael sich aus den Decken schälte. Er stopfte das Nachthemd in die Hose; Biggs fuhr mit der komplizierten Prozedur fort, die das Ankleiden eines Mannes darstellte, der bei dieser tödlichen Kälte in einem offenen Cockpit flog. Über das Nachthemd kamen eine seidene Weste, zwei gesteppte, wollene Strickjacken, dann eine Lederweste und zum Schluß ein Offiziersmantel, dessen Ärmel abgesehnitten waren, damit sie nicht an den Steuerungsvorrichtungen des Flugzeuges hängenblieben.

Nun war Michael so dick gepolstert, daß er sich nicht mehr bücken konnte, um in Socken und Stiefel zu schlüpfen. Biggs kniete vor ihm nieder und zog ihm seidene Untersocken über die bloßen Füße, darüber zwei Paar wollene Jägersocken, und schließlich die hohen Stiefel aus gegerbter Kuduhaut, die sich Michael in Afrika hatte anfertigen lassen. Durch ihre weichen, geschmeidigen Sohlen konnte Michael das Seitensteuer ausgezeichnet ertasten und fühlen. Als er aufstand, wirkte sein schlanker, muskulöser Körper unter der Last der Kleidung plump und unförmig, und seine Arme standen ab wie die Flügel eines Pinguins. Biggs hielt die Zeltklappe auf und ging mit der Laterne vor ihm her auf den Laufbrettern durch den Obstgarten zum Kasino.

Als sie an den anderen dunklen Zelten unter den Apfelbäumen vorbeikamen, hörte Michael hin und wieder leises Husten und Scharren. Sie waren alle wach, lauschten seinen Schritten, fürchteten sich mit ihm, und manche empfanden vielleicht Erleichterung darüber, daß nicht sie es waren, die an diesem Morgen aufsteigen mußten.

Als sie den Obstgarten verließen, blieb Michael einen Augenblick stehen und betrachtete den Himmel. Die dunklen Wolken trieben zurück nach Norden, und die Sterne, in der beginnenden Morgendämmerung schon ein wenig blaß, schimmerten durch. Diese Sterne waren Michael noch immer fremd; mittlerweile kannte er zwar endlich ihre Konstellationen, doch sie waren nicht wie seine geliebten Sterne des Südens — Alpha, Argus, das Kreuz des Südens, und all die anderen — er senkte den Blick und marschierte schwerfällig hinter Biggs und der schwankenden Laterne her.

Als Kasino der Fliegerstaffel diente eine Hütte, die sie requiriert und frisch gestrichen hatten und deren zerfetztes Strohdach mit Leinwand abgedeckt worden war, so daß es drinnen nun recht gemütlich und warm war.

Vor der Tür trat Biggs zur Seite. »Werde Ihren Gewinn von fünfzehn Pfund bereithalten, wenn Sie zurück sind, Sir«, murmelte er. Niemals hätte er Michael »viel Glück« gewünscht, denn das war das Schlimmste, was er ihm wünschen hätte können.

Im Herd prasselte ein Feuer, und Major Lord Andrew Killigerran saß, die Beine, in den hohen Stiefeln gekreuzt, auf dem Herdrand gelagert, auf einem Stuhl davor, während ein Offiziersbursche die schmutzigen Teller spülte.

»Porridge, mein Junge«, er nahm die Bernsteinzigarettenspitze aus dem Mund, als er Michael begrüßte, seine Zähne waren weiß und ebenmäßig. »Mit heißer Butter und goldenem Sirup. Kipper, in Milch eingelegt —«

Michael schauderte. »Ich esse, wenn wir zurück sind.« Sein vor Spannung bereits überempfindlicher Magen zog sich bei dem starken Duft der Kipper zusammen. In Zusammenarbeit mit einem Onkel im Generalsstab, der einen Sondertransport arrangiert hatte, ließ Andrew die Staffel mit den besten Nahrungsmitteln versorgen, die seine Familiengüter im schottischen Hochland hervorbrachten — Rindfleisch, Hühner und Lachs, Eier, Käse und Marmeladen, eingemachtes Obst und ein ausgezeichneter, köstlicher goldgelber Whisky mit einem unaussprechlichen Namen, der aus der familieneigenen Brennerei stammte.

»Kaffee für Captain Courtney«, rief Andrew der Ordonnanz zu, und als das Gewünschte gebracht wurde, griff er in die tiefe Tasche seiner pelzbesetzten Fliegerjacke und brachte eine silberne Flasche mit einem großen, gelben Rauchquarz auf dem Verschluß zum Vorschein und goß flink einen kräftigen Schluck in den dampfenden Becher.

Michael behielt den ersten Schluck im Mund, gurgelte damit, ließ den angenehmen Geschmack auf der Zunge zergehen und schluckte erst dann; das heiße Getränk verteilte sich in seinem leeren Magen, und er fühlte fast augenblicklich die Wirkung des Alkohols in den Adern.

Er lächelte Andrew über den Tisch hinweg zu. »Wunderbar«, flüsterte er heiser und blies sich über die Fingerspitzen.

»Lebenssaft, mein Junge.«

Michael liebte diesen hübschen Kerl, wie er nie zuvor einen anderen Mann geliebt hatte — mehr als seinen Vater, und sogar mehr als seinen Onkel Sean, der früher einmal die Stütze seines Lebens gewesen war.

Das war allerdings nicht immer so gewesen. Als sie sich kennengelernt hatten, waren Michael Andrews extravagante, ziemlich unmännlich-schöne Erscheinung, seine langen, geschwungenen Wimpern, die weichen, vollen Lippen, der gepflegte, schlanke Körper, die zierlichen Hände und Füße und sein stolzes Gehabe nicht geheuer gewesen.

Eines Abends, schon bald nach seiner Ankunft in dieser Staffel, brachte Michael anderen Neuankömmlingen bei, wie man Bok-Bok spielt. Unter seiner Leitung formte die eine Mannschaft an der Wand des Kasinos eine menschliche Pyramide, während die andere Mannschaft versuchen mußte, die Pyramide zu stürzen, indem sie einen Anlauf nahm und zur Spitze der Pyramide hochsprang. Andrews hatte gewartet, bis das Spiel in einem lärmenden Chaos endete, und hatte Michael dann beiseite genommen und ihm erklärt: »Wir haben Verständnis dafür, daß Sie von irgendwo da unten jenseits des Äquators stammen, und wir versuchen wirklich mit euch Kolonisten Nachsicht zu üben. Aber —«

Ihre Beziehung war von da an recht kühl und distanziert gewesen, während sie einander beim Schießen und Fliegen beobachteten.

Andrew hatte bereits als Junge gelernt, ein Moorhuhn zu treffen, auch wenn es, vom Wind vorangetrieben, nur wenige Zentimeter über der Heide flog. Michael hatte sich die gleiche Geschicklichkeit bei der Jagd auf die blitzschnellen äthiopischen Schnepfen und Sandhühner angeeignet, die mit eiligem Flügelschlag in den afrikanischen Himmel stiegen. Sie waren beide imstande gewesen, ihre Geschicklichkeit dem Problem anzupassen, ein Vickers-Maschinengewehr von einer schwankenden Sopwith Pup aus abzufeuern, die durch den Raum brauste.

Dann beobachteten sie einander beim Fliegen. Fliegen ist eine Begabung. Jene, die diese Begabung nicht besaßen, gingen während der ersten drei Wochen zugrunde; und jene, die das Talent hatten, hielten etwas länger durch. Nach einem Monat war Michael noch immer am Leben, und Andrew sprach ihn das erstemal nach jenem Abend mit dem Bok-Bok-Spiel im Kasino wieder an.

»Courtney, Sie fliegen heute mit mir«, war alles, was er sagte.

Es sollte ein Routineflug entlang der Linien werden. Zwei Neuankömmlinge, die mit der Flugerfahrung von insgesamt vierzehn Flugstunden erst am Vortag aus England zu dieser Staffel gestoßen waren, mußen »eingeflogen« werden. Andrew bezeichnete sie als »Focker-Futter«; sie waren beide erst achtzehn Jahre alt, rosig im Gesicht und ungeduldig.

»Habt Ihr Kunstfliegen gelernt?« wollte Andrew wissen.

»Ja, Sir«, kam es wie aus einem Mund. »Wir sind beide den Looping geflogen.«

»Wie oft?«

Beschämt senkten sie den Blick. »Einmal«, gaben sie verlegen zu.

»O Gott!« murmelte Andrew und saugte laut an seiner Zigarettenspitze. »Sackflüge?«

Sie sahen beide verständnislos drein, und Andrew griff sich an die Stirn und stöhnte.

»Sackflüge?« warf Michael mit freundlicher Stimme ein. »Ihr kennt das doch, wenn man die Fluggeschwindigkeit drosselt und die Kiste fällt plötzlich aus dem Himmel.«

Wieder schüttelten beide einhellig den Kopf. »Nein, Sir, das hat uns niemand gezeigt.«

»Die Deutschen werden ihre Freude mit euch beiden haben«, murmelte Andrew, und dann fuhr er energisch fort: »Erstens, vergeßt alles über die Kunstfliegerei, vergeßt den Looping und all den Quatsch, sonst werden euch die Deutschen das Hinterteil durch die Nasenlöcher schießen, während ihr da oben verkehrt in der Luft hängt, verstanden?«

Sie nickten eifrig.

»Zweitens, fliegt hinter mir her, macht mir alles nach, seht auf meine Handzeichen und befolgt sie augenblicklich, verstanden?« Andrew setzte sich seine runde Wollmütze auf den Kopf und band sie mit dem grünen Schal, der sein Markenzeichen war, fest. »Vorwärts, Kinder.«

Mit den beiden Neulingen im Schlepptau flogen sie in zehntausend Fuß Höhe bis hinter Arras, die Le-Rhône-Motoren ihrer Sopwith Pups dröhnten mit ihren vollen achtzig Pferdestärken, ganz die Königinnen der Lüfte, die perfektesten Flugkampfmaschinen, die der Mensch jemals erfunden hatte, jene Maschinen, die Max Immelmann und seine berühmten Fokker-Eindecker abgeschossen hatten.

Es war ein strahlender Tag, und am Himmel standen nur ein paar Schönwetterwolken, viel zu hoch, um eine Jagdstaffel der Deutschen zu verbergen, und die Luft war so klar und rein, daß Michael den alten Rumpler-Doppeldecker schon auf eine Entfernung von fünfzehn Kilometern erspähte. Der Aufklärer kreiste tief über den französischen Linien, um das Geschützfeuer der deutschen Artillerie auf das Gebiet hinter den Linien zu leiten.

Andrew entdeckte den Doppeldecker nur einen Augenblick später als Michael und machte ihm rasch ein Zeichen. Er wollte den neuen Kameraden die Gelegenheit zu einem ersten Versuch geben. Michael hatte noch nie erlebt, daß ein Kommandant auf einen so leichten Sieg verzichtete, da eine hohe Trefferanzahl die sicherste Art und Weise war, um zu einer Beförderung und den begehrten Orden zu kommen. Aber er nickte zustimmend, und sie trieben die jungen Piloten hinunter und machten sie nachsichtig auf den schwerfälligen deutschen Zweisitzer unter ihnen aufmerksam, aber mit ihren ungeübten Augen konnte ihn keiner von den beiden ausmachen. Sie warfen den beiden älteren Piloten immer wieder verständnislose Blicke zu.

Die Deutschen waren so sehr mit den detonierenden Geschossen beschäftigt, daß sie die tödliche Formation, die rasch näher kam, nicht bemerkten. Plötzlich grinste der junge Pilot neben Michael erleichtert und deutete nach vorne. Er hatte die Rumpler endlich entdeckt.

Andrew stieß mit dem alten Kavallieriebefehl für »Angriff!« die Faust nach vorn, und der Junge drückte die Nase seiner Maschine nach unten, ohne die Geschwindigkeit zu drosseln. Die Sopwith ging so abrupt in den Sturzflug über, daß Michael erschrak. Der zweite Neuling folgte ihm ebenso überstürzt.

Die beiden jungen Poloten eröffneten das Feuer aus einer Entfernung von tausend Metern, und der deutsche Pilot wurde auf diese Weise rechtzeitig gewarnt; er wartete den richtigen Augenblick ab und legte sich unter den Nasen der herabstoßenden Aufklärer in die Kurve, wodurch sie blindlings an ihrem Ziel vorbeischossen, und, immer noch wild drauflosfeuernd, plötzlich achthundert Meter von ihrem Opfer entfernt waren. Michael sah, wie sie in den offenen Cockpits verzweifelt die Köpfe drehten, als sie sich bemühten, die Rumpler wiederzufinden.

Andrew schüttelte traurig den Kopf und stieß vor Michael hinunter. Sie ließen sich geschickt bis unter das Höhenruder der Rumpler fallen, und der deutsche Pilot zog sein Flugzeug steil nach oben, um es in eine Linkskurve zu legen, damit sein Schütze die Gegner anvisieren konnte. Andrew und Michael drehten gemeinsam in die entgegengesetzte Richtung ab, um ihn zu täuschen, aber sobald der deutsche Pilot erkannte, daß sein Manöver mißlungen war, und seine Flugrichtung korrigierte, rissen sie die Sopwiths hart nach oben und kreuzten sein Heck.

Andrew führte. Er feuerte aus dreißig Meter Entfernung eine kurze Salve aus dem Vickers ab, der deutsche Schütze bäumte sich auf und riß die Arme hoch, das Spandau-Geschütz pendelte ziellos in seiner Halterung, und die 3-mm-Geschosse rissen ihn in Stücke. Der deutsche Pilot versuchte wegzutauchen, und Andrews Sopwith wäre fast mit seiner oberen Tragfläche zusammengestoßen, als er über ihn hinwegflog.

Nun war Michael an der Reihe. Er schätzte die Abdrift der im Sturzflug befindlichen Doppeldecker, berührte das linke Ruderpedal, so daß seine Maschine leicht abschwenkte, so als würde er mit dem Gewehr auf eine fligende Schnepfe zielen, und feuerte eine kurze Serie ab — ein Hagel von 3-mm-Geschossen folgte. Er sah, wie der Stoff des Flugzeugrumpfes direkt unterhalb des Cockpitrandes, etwa dort, wo sich der Oberkörper des Piloten befinden mußte, zerfetzt wurde.

Der Deutsche hatte sich umgedreht und starrte Michael aus einer Entfernung von ungefähr fünfzehn Metern an. Michael konnte erkennen, daß seine Augen hinter den Linsen der Schutzbrille von einem auffallenden Blau waren und daß er sich an diesem Morgen nicht rasiert hatte, denn sein Kinn war mit einem kurzen, goldenen Flaum bedeckt. Als die Kugeln trafen, riß er den Mund auf, das Blut aus seinen zerfetzten Lungen schoß zwischen den Lippen hervor, dann war Michael vorbei und stieg hoch. Der Doppeldecker drehte sich träge auf den Rücken und raste, mit dem toten Piloten in den Gurten, auf die Erde zu. Er schlug inmitten eines offenen Feldes auf und zerschellte in einem traurigen Haufen von Stoff und Splittern.

Als Michael seine Sopwith wieder neben Andrews Flügelspitze setzte, blickte Andrew zu ihm hinüber, nickte kurz und bat ihn durch Handzeichen, ihm dabei zu helfen, die beiden Neulinge wieder aufzulesen, die noch immer in verzweifelten Kreisen nach der verschwundenen Rumpler suchten. Das dauerte länger, als sie erwartet hatten, und als sich die beiden endlich wieder sicher unter ihren Fittichen befanden, war die ganze Formation weiter nach Westen abgetrieben, als Andrew oder Michael je zuvor gekommen waren. Am Horizont zeichnete sich das dicke, glitzernde Band der Sonne ab, die sich auf ihrem Weg zum Meer durch die grüne Küstenlandschaft schlängelte.

Sie drehten ab und flogen in östlicher Richtung zurück nach Arras, stetig höher steigend, um die Möglichkeit eines Angriffes durch eine Fokker-Jagdstaffel zu vermeiden.

Als sie an Höhe gewannen, öffnete sich unter ihnen das Panorama von Nordfrankreich und Südbelgien; die Felder waren ein Flickwerk aus verschiedensten Grünschattierungen, durchsetzt mit dem dunklen Braun gepflügter Äcker. Die eigentlichen Kampflinien waren schwer auszumachen; aus dieser Höhe wirkte das schmale Band aufgewühlter Erde bedeutungslos, und das Elend, der Schlamm und das Sterben dort unten erschienen illusorisch.

Die beiden erfahrenen Piloten ließen den Himmel und den Luftraum unter ihnen keinen Augenblick aus den Augen. Sie drehten die Köpfe in einem regelmäßigen Rhythmus, um alles zu überblicken, und ihre Augen standen niemals still, blieben niemals auf einen Punkt fixiert und vermieden es, sich von dem rotierenden Propeller vor ihnen hypnotisieren zu lassen. Die beiden Neulinge hingegen waren sorglos und übermütig. Jedesmal, wenn Michael zu ihnen hinüberschaute, grinsten sie und winkten fröhlich. Schließlich gab er es auf, ihnen durch Handzeichen begreiflich zu machen, daß sie den Himmel um sie herum im Augen behalten sollten; sie verstanden seine Zeichen nicht.

Sie blieben auf fünfzehntausend Fuß Höhe, und das Unbehagen, das Michael beschlichen hatte, als sie so niedrig über unbekanntem Territorium geflogen waren, verschwand, als er die Stadt Arras unter sich auftauchen sah. Er wußte, daß in diesen hübschen Kumuluswolken über ihnen keine Fokker lauern konnten, weil sie ganz einfach nicht imstande war, so hoch zu fliegen.

Er ließ seinen Blick abermals prüfend über die Linien schweifen. Direkt südlich von Mons standen zwei deutsche Beobachtungsballons, und etwas weiter unten flogen Kameraden — ein Schwarm von DH2-Einsitzern auf dem Weg zurück nach Amiens.

In zehn Minuten würden sie landen. Michael konnte diesen Gedanken nicht mehr zu Ende denken, denn plötzlich war der Himmel um ihn herum wie durch Zauberei mit buntgestrichenen Flugzeugen und dem Knattern von Spandau-Maschinengewehren erfüllt.

Trotz seiner hochgradigen Verwirrung reagierte Michael instinktiv. Als er die Sopwith mit höchstem Einschlag in die Kurve legte, raste eine haifischförmige, rotschwarz-gewürfelte Maschine mit einem grinsenden weißen Totenschädel auf dem schwarzen Malteserkreuz direkt an seiner Nase vorbei. Eine Hundertstelsekunde später hätten ihre Spandaus Michael erwischt. Die feindlichen Flugzeuge waren von oben gekommen, erkannte Michael; es erschien ihm zwar unmöglich, aber sie waren über den Sopwiths gewesen, sie waren aus der Wolkenbank gekommen.

Eine dieser Maschinen, blutrot gestrichen, jagte hinter Andrew her, ihre MGs knatterten, zerfetzten bereits den äußeren Rand der unteren Tragfläche und schwenkten unerbittlich auf das offene Cockpit zu, in dem Andrew kauerte — sein Gesicht ein weißer Fleck zwischen der Wollmütze und dem grünen Schal. Instinktiv steuerte Michael auf ihn zu, und der Deutsche drehte ab, um eine Kollision zu vermeiden.

»Ngi dla!« Michael stieß den Kriegsruf der Zulu aus, als er bis auf Schußweite an die rote Maschine herankam, doch dann mußte er ungläubig zuschauen, wie sie davonraste, bevor er das MG in Stellung bringen konnte. Die Sopwith bebte unter dem Rückstoß, und über seinem Kopf riß singend wie eine Bogensehne ein Verspannungsdraht, als eine dieser schrecklichen Maschinen von hinten angriff.

Er drehte ab, und unter ihm versuchte Andrew einer anderen deutschen Maschine auszuweichen, die sich ihm rasend schnell näherte und schon bald in Schußweite sein mußte. Michael flog frontal auf den Deutschen zu, und die rotschwarzen Tragflächen zuckten an seinem Kopf vorbei — aber schon war die nächste deutsche Maschine da, um die andere zu ersetzen, und diesmal konnte Michael den Gegner nicht abschütteln, die helle Maschine war zu schnell, zu stark, und Michael wußte, er war ein toter Mann.

Plötzlich brach der Feuerstoß aus dem Spandau ab, und Andrew tauchte hinter Michaels Flügelspitze auf und vertrieb den Deutschen. Tollkühn legte sich Michael hinter Andrew in die Kurve, und sie bildeten eine Art Verteidigungsring, so daß einer des anderen Rumpf und Hinterteil deckte, während der Schwarm von deutschen Flugzeugen in mörderischem Tempo um sie herumkreiste.

Nur im Unterbewußtsein registrierte Michael, daß die beiden Neulinge abgeschossen worden waren, schon in den ersten Sekunden des Angriffs; der eine war mit Vollgas in den Sturzflug übergegangen, so daß sich die verstümmelten Flügel der Sopwith unter dem Druck verzogen und schließlich gänzlich abbrachen, während sich der andere in eine brennende Fackel verwandelt hatte, die in einer dichten Wolke schwarzen Rauchs auf die Erde zuraste.

Ebenso plötzlich, wie sie gekommen waren, verschwanden die Deutschen wieder — unversehrt und unangreifbar flogen sie zurück zu den eigenen Linien und ließen zwei arg mitgenommene, durchlöcherte Sopwiths zurück.

Andrew landete vor Michael, und sie hielten ihre Flugzeuge Seite an Seite am Rand des Obstgartens an. Beide kletterten aus dem Cockpit und gingen langsam um ihre Maschinen herum, um den Schaden zu begutachten. Und schließlich standen sie einander gegenüber, mit vom Schock versteinerten Gesichtern.

Andrew griff in seine Tasche und brachte eine silberne Flasche zum Vorschein. Er schraubte den Verschluß ab und wischte den Hals der Flasche mit dem Ende seines grünen Schales ab, dann reichte er sie Michael.

»Hier, mein Junge«, sagte er besorgt, »nimm einen Schluck. Ich denke, den hast du verdient — ja, wahrhaftig, das hast du.«

So waren sie an dem Tag, als die alliierte Übermacht im Luftraum über Frankreich durch die haifischförmigen Albatros-D-Aufklärer der Deutschen zerschlagen worden war, gezwungenermaßen Kampfgefährten geworden, und flogen von da an Seite an Seite. Anfangs gaben sie sich damit zufrieden, sich zu verteidigen, doch dann untersuchten sie gemeinsam die Fähigkeiten dieses neuen tödlichen Gegners, indem sie sich abends in die Berichte des Nachrichtendienstes vertieften, die etwas verspätet angekommen waren — so erfuhren sie, daß sie, was Motorleistung und die Geschütze betraf, der Albatros technisch hoffnungslos unterlegen waren. Die Albatros war außerdem wesentlich schwerer als die Pup und konnte einem ungeheuren Beschuß standhalten, bevor sie flugunfähig wurde.

»Also, alter Junge, da bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zu lernen, wie wir sie am besten abschütteln können«, erklärte Andrew, und sie flogen gegen die Jagdstaffeln und fanden schließlich ihre Schwachstellen. Es gab nur zwei Schwachstellen. Die Sopwith hatte einen kleineren Radius, und der Kühler der Albatros befand sich direkt über dem Cockpit in der oberen Tragfläche. Ein Schuß in den Tank, und ein Schwall kochendheißer Kühlerflüssigkeit würde sich über den Piloten ergießen und ihn tödlich verbrühen.

Diese Erkenntnisse nützend, gelangen ihnen ihre ersten Abschüsse, und sie stellten fest, daß sie sich beim Testen der Albatros auch gegenseitig auf die Probe gestellt und keinen Fehler gefunden hatten. Aus der Kameradschaft wurde eine Freundschaft, die sich zu einer Zuneigung und Wertschätzung vertiefte, wie sie zwischen zwei Brüdern kaum je vorkam. So saßen sie nun ruhig bei Tagesanbruch im Kasino, tranken Kaffee mit Whisky und warteten darauf, daß es Zeit zum Aufbrechen wurde. Ohne viel Worte gaben sie einander Mut und Kraft.

»Losen wir?« Michael unterbrach das Schweigen, es war fast schon Zeit zu gehen.

Andrew warf eine Goldmünze in die Luft, und bedeckte sie beim Aufprall auf der Tischplatte mit der Hand.

»Kopf«, sagte Michael und Andrew hob die Hand.

»Schwein gehabt!« brummte er, als sie beide auf das strenge, bärtige Profil Georges V. blickten.

»Ich nehme die zweite Spur«, sagte Michael, und Andrew öffnete den Mund, um zu protestieren.

»Ich habe gewonnen, also bestimme ich.« Michael stand auf, um den Streit zu beenden, bevor er richtig angefangen hatte.

Gegen die Ballons zu fliegen, war etwa so, als träte man auf eine schlafende Hakennatter, jene riesige, träge Schlange des afrikanischen Busches; sobald sie der erste Mann geweckt hatte, bog sie sich zu dem charakteristischen S und bohrte dem zweiten Mann die langen, gekrümmten Giftzähne in die Wade. Die Ballons mußten sie hintereinander in einer Linie angreifen; der erste alarmierte die Verteidigung, und der zweite zog die volle Ladung auf sich. Michael hatte freiwillig die zweite Position gewählt. Wäre Andrew der Gewinner gewesen, hätte er nicht anders gehandelt.

Sie blieben Seite an Seite vor der Tür des Kasinos stehen, zogen die Handschuhe über, knöpften die Mäntel zu, spähten in den Himmel, lauschten dem Donnern der Kanonen und begutachteten die Wetterlage.

»Der Nebel bleibt in den Tälern hängen«, murmelte Michael. »Der Wind wird ihn nicht auflösen können, noch nicht.«

»Hoffen wir’s, mein Junge«, erwiderte Andrew, und dann trampelten sie, durch die dicke Kleidung behindert, über die Laufplanken zum Standplatz der Sopwiths hinter den Bäumen.

Wie edel waren Michael diese Maschinen einst erschienen, und wie häßlich kamen ihm nun der riesige Radialmotor und das winzige Aussichtsfenster vor im Vergleich zur Albatros mit ihrer eleganten haiförmigen Nase und ihrem Mercedes-Reihenmotor. Wie zerbrechlich wirkten sie im Gegensatz zu den robusten Flugzeugen der Deutschen.

»Himmel, wann geben sie uns endlich richtige Flugzeuge«, brummte er, und Andrew erwiderte nichts. Zu oft hatten sie das endlose Warten auf die neue SE5a, die ihnen versprochen worden war, bereits beklagt — ein Flugzeug, das den Jagdstaffeln vielleicht gewachsen gewesen wäre.

Andrews Sopwith war passend zu seinem Schal hellgrün gestrichen, und am Rumpf hinter dem Cockpit prangten vierzehn weiße Ringe, einer für jeden gelungenen Abschuß, ähnlich den Kerben auf dem Gewehr eines Scharfschützen. Der Name des Flugzeuges stand auf dem Motorgehäuse: »The Flying Haggis.«

Michael hatte ein helles Gelb gewählt, und unterhalb seines Cockpits prangte eine Schildkröte mit Flügeln und besorgtem Gesichtsausdruck, sowie der Satz: »Frag mich nicht — ich tue nur meine Arbeit.« Den Rumpf zierten sechs weiße Ringe.

Mit Hilfe der Bodentruppe kletterten sie auf die untere Tragfläche und zwängten sich in das enge Cockpit. Michael stellte die Füße auf die Ruderpedale und prüfte sie auf ihre Funktionstüchtigkeit. Zufrieden gab er seinem Mechaniker mit dem erhobenen Daumen ein Zeichen. Der Mechaniker grinste und lief vor die Maschine.

»Schalter aus?« rief er.

»Schalter aus!« bestätigte Michael und lehnte sich aus dem Cockpit, um an der unförmigen Nase vorbeisehen zu können.

»Ansaugen!«

»Ansaugen!« wiederholte Michael und zog am Griff der handbetriebenen Treibstoffpumpe. Als der Mechaniker den Propeller anwarf, hörte er, wie der Treibstoff unter der Motorhaube in den Vergaser strömte, und der Motor zündete.

»Schalter an! Kontakt!«

»Schalter an!«

Bei der nächsten Umdrehung des Propellers sprang knatternd der Motor an. Blauer Rauch wirbelte aus den Abzugsöffnungen, und es roch nach verbranntem Rizinusöl. Die Maschine heulte auf, stotterte kurz, fing sich wieder und lief schließlich in gleichmäßigem Rhythmus.

Als Michael die letzten Kontrollgriffe vor dem Start ausführte, knurrte sein Magen und zog sich schmerzhaft zusammen. Als Schmiermittel für die Präzisionsmaschinen wurde Rizinusöl verwendet, und die Auspuffgase, die die Flieger einatmeten, verursachten allen einen ständigen leichten Durchfall. Die alten Hasen unter den Piloten lernten rasch, damit fertig zu werden; Whisky wirkte ausgezeichnet, wenn man ihn in ausreichender Menge genoß.

Michael setzte die Schutzbrille auf und blickte zu Andrew hinüber. Sie nickten einander zu, Andrew öffnete die Drosselklappe und rollte auf die sumpfige Wiese hinaus. Michael folgte ihm, und sein Mechaniker lief neben der rechten Tragfläche her, um ihm auf der schmalen, schlammigen Startbahn zwischen den Apfelbäumen beim Wenden zu helfen.

Als Andrews Maschine abhob, öffnete Michael die Drosselklappe. Die Sopwith hob fast augenblicklich ihr Hinterteil, wodurch der Blick nach vorne frei wurde, und Michael hatte seiner treulosen Gedanken von vorhin wegen ein schlechtes Gewissen. Die Sopwith war ein hübsches Flugzeug, und es war eine Freude, sie zu fliegen. In einer Höhe von hundert Fuß setzte sich Michael hinter Andrews grüner Maschine in Position. Es war gerade hell genug, daß er zu seiner Rechten den grünen, mit Kupferblech gedeckten Turm der Kirche des Dörfchens Mort Homme ausmachen konnte; vor ihm befand sich das T-förmige Wäldchen aus Eichen und Buchen, dessen lange Seite genau parallel zur Landebahn des Geschwaders verlief, eine sehr bequeme Navigationshilfe, wenn man bei schlechtem Wetter landen mußte. Jenseits der Bäume lag inmitten von Rasenflächen und Gärten das Landgut mit dem rosa Dach, und hinter dem Gut der kleine Hügel.

Andrew drehte ein wenig nach rechts ab, um über den Hügel hinwegzufliegen. Michael folgte ihm und spähte über den Rand des Cockpits nach vorn. Ob sie schon da sein würde? Es war zu früh — der Hügel war leer. Er fühlte einen leichten Stich der Enttäuschung und der Angst. Dann sah er sie — sie galoppierte den Weg hinauf zum Hügelkamm. Der große weiße Hengst holte unter ihrem schlanken, mädchenhaften Körper kräftig aus.

Das Mädchen auf dem weißen Pferd war Andrews und Michaels Talisman. Wenn sie dort auf dem Hügel wartete, um ihnen zuzuwinken, würde alles gutgehen. Gerade heute, da sie im Begriff waren, die Ballons anzugreifen, brauchten sie sie — Gott, wie nötig sie diesmal ihren Segenswunsch brauchten!

Sie erreichte den Hügelkamm und zügelte den Hengst. Nur wenige Sekunden, bevor sie an ihr vorüberflogen, riß sie den Hut vom Kopf, und das volle, dunkle Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie schwenkte den Hut, und Andrew wackelte mit den Flügeln, als er vorbeiraste.

Michael schob sich näher an den Hügelkamm heran. Der weiße Hengst bäumte sich auf und nickte nervös, als die gelbe Maschine dröhnend auf ihn zukam, aber das Mädchen konnte ihn mühelos beruhigen und winkte übermütig. Michael wollte ihr Gesicht sehen. Er war fast auf gleicher Höhe wie die Hügelkuppe und kam dem Mädchen sehr nahe. Für einen Moment blickte er ihr in die Augen. Sie waren groß und dunkel, und Michael fühlte, wie sein Herz pochte. Er legte grüßend die Hand an die Mütze, und nun wußte er, tief drinnen, daß an diesem Tag alles gutgehen würde — dann verbannte er die Erinnerung an diese Augen und konzentrierte sich auf die bevorstehende Aufgabe.

Fünfzehn Kilometer weiter, über den niedrigen Anhöhen aus Kalkstein, stellte er erleichtert fest, daß er recht behielt; der Wind hatte den Morgennebel, der in den Tälern lag, noch nicht vertreiben können. Das Granatfeuer hatte auf diesen Hügeln seine schrecklichen Spuren hinterlassen, es gab keine Vegetation mehr, keiner der Baumstümpfe der zerschossenen Eichen war höher als eineinhalb Meter, und die ineinander übergehenden Granattrichter waren bis zum Rand mit brackigem Wasser gefüllt. Um diese Hügel war monatelang gekämpft worden, aber im Augenblick befanden sie sich in den Händen der Alliierten, nachdem sie zu Beginn des vorangegangenen Winters unter unglaublich hohen Verlusten erobert worden waren. Legionen von Toten vermoderten in der feuchten Erde. Der Leichengeruch, den der Wind mit sich trug, erreichte auch die Männer in den tieffliegenden Maschinen — ein widerlicher Gestank, der sich hinten in ihren Kehlen festsetzte und ihnen Übelkeit verursachte.

Hinter der Hügelkette legten die alliierten Truppen — Südafrikaner und Neuseeländer der 3. Armee — Ausweichstellungen an, und während sie auf die Front zuflogen, sah Michael den gelben Dunstschleier der explodierenden Haubitzengeschosse wie eine Giftwolke zwischen den Hügeln hängen, und er konnte sich die Angst der Männer vorstellen, die sich, zermürbt vom unaufhörlichen Hagel der Granaten, durch den Schlamm arbeiteten.

Als Michael auf die Hügelkette zuflog, übertönte das Sperrfeuer sogar das Dröhnen seines Le-Rhône-Motors und den ohrenbetäubenden Lärm des Luftschraubenstrahls. Das Sperrfeuer klang wie die Brandung an einer Felsenküste bei Sturm, wie das Wüten eines wahnsinnigen Trommlers, wie der fiebernde Puls dieser kranken, verrückten Welt, und Michaels heftiger Unwille gegenüber den Männern, die ihnen den Befehl zum Angriff auf die Ballons gegeben hatten, verschwand, je lauter das Donnern der Kanonen wurde. Es mußte getan werden.

Die Ballons waren die am meisten gefürchteten und gehaßten Angriffsziele jedes Piloten — und gerade deshalb wollte Andrew Killigerran niemand anderen mit dieser Aufgabe beauftragen. Nun konnte Michael sie sehen, sie hingen wie dicke silberne Kugeln im dämmrigen Himmel über der Hügelkette. Ein Ballon befand sich direkt vor ihnen, der andere ein paar Kilometer weiter östlich. Aus dieser Entfernung waren die Taue, die sie mit der Erde verbanden, nicht erkennbar, und der Weidenkorb, aus dem die Beobachter einen hervorragenden Ausblick über das Hinterland der Alliierten hatten, war nur ein dunkler Fleck, der unter der glänzenden, wasserstoffgefüllten seidenen Hülle hing.

In diesem Augenblick ertönte ein ohrenbetäubender Knall, eine Druckwelle traf die beiden Sopwiths und zerrte an ihren Tragflächen. Fast gleichzeitig schoß vor ihnen eine Rauch- und Flammensäule in den Himmel, die sich, schwarz und hell orangefarben hoch über den tieffliegenden Sopwiths amboßförmig ausbreitete, so daß sie gezwungen waren, in einer sehr steilen Schräglage zu fliegen, um der Feuersäule zu entgehen. Eine deutsche Granate, die von einem der Ballons abgefeuert worden war, hatte ein Munitionsdepot der Alliierten getroffen, und Michael fühlte, wie seine Angst und sein Unwille verrauchten und einem tiefen Haß auf die Kanoniere Platz machten und auf die Männer, die mit Geieraugen hoch oben in der Luft lauerten und mit eiskalter Ruhe Tod ausstreuten.

Andrew drehte ab und flog zurück auf die Hügelkette zu, ließ die hohe Rauchsäule rechts liegen und ging tiefer und tiefer, bis das Fahrgestell seiner Maschine über die mit Sandsäcken befestigten Wälle hinwegfegte und er die Kolonnen südafrikanischer Soldaten in den Schützengräben sehen konnte — dunkle Lasttiere, die kaum noch etwas Menschliches an sich hatten und unter dem Gewicht ihrer Tornister und Waffen schwankten. Nur wenige machten sich die Mühe aufzuschauen, als die hellgestrichenen Maschinen über sie hinweg auf einem schmalen Paß in den Kalkhügeln zudonnerten. Sie hatten graue, schlammbedeckte Gesichter; ihr Blick war teilnahmslos und leer.

Dicht vor Michael ertönte das Knattern eines Vickers-Maschinengewehres. Andrew testete seine Waffe. Michael mußte ein wenig seitwärts schwenken, um sein Schußfeld freizumachen, und feuerte seinerseits eine kurze Salve ab. Die phosphoreszierenden Feuerkugeln legten hübsche weiße Spuren in die klare Luft.

Michael nahm seine Position hinter Andrew wieder ein, und sie stießen in den Nebel vor, wodurch sie in eine neue Dimension von Licht und gedämpftem Schall eintraten. Das diffuse Licht spann regenbogenfarbige Ringe um die beiden Flugzeuge, und die feuchte Luft beschlug Michaels Schutzbrille. Er schob sie auf die Stirn und spähte nach vorne.

Andrew und Michael hatten den schmalen Einschnitt zwischen den Hügelketten am vorangegangenen Nachmittag gemeinsam sorgfältig erkundet, um sich davon zu überzeugen, daß es keine Hindernisse oder Behinderungen gab, und um sich den Verlauf des Hohlwegs genau einzuprägen — trotzdem war es noch immer ein gefährlicher Flug, mit einer Bodensicht von kaum sechshundert Fuß und den steilen Wänden, die zu beiden Seiten der Tragflächen aufragten.

Michael hängte sich an den grünen Schwanz des Flugzeugs vor ihm im Vertrauen darauf, daß ihn Andrew hindurchlotste, während sich die eisige Kälte des Nebels durch seine Kleider bohrte und seine Fingerspitzen trotz der Lederhandschuhe starr wurden.

Andrew zog eine steile Schleife, und als Michael ihm folgte, sah er kurz auf den Stacheldraht, rostbraun und verwickelt wie der Farn unter seinen Rädern.

»Ein unmenschliches Land«, murmelte er, und dann tauchten die deutschen Linien unter ihnen auf — es war nur ein flüchtiger Blick auf die Befestigungen, hinter denen Männer in feldgrauen Uniformen und häßlichen, topfförmigen Helmen kauerten.

Sekunden später stießen sie aus der Nebelbank hervor in eine Welt, die von den ersten Strahlen der tief stehenden Sonne beleuchtet wurde, in einen Himmel, dessen Helligkeit sie blendete — und Michael stellte fest, daß ihnen die Überraschung gelungen war. Der Nebel hatte sie den Blicken der Beobachter in den Ballons verborgen und das Geräusch ihrer Motoren gedämpft.

Unmittelbar vor ihnen hing in einer Höhe von tausendfünfhundert Fuß der erste Ballon. Seine stählernen Ankertaue, fein wie die Spinnweben des Altweibersommers, reichten hinunter zu der häßlichen schwarzen Dampfwinde, die halb von Sandsäcken verdeckt war. All das wirkte sehr verletzlich, bis Michaels Blick auf die scheinbar friedlichen Felder unter dem Ballon fiel, und dort waren die Geschütze. Die Maschinengewehrstellungen ähnelten den Höhlen von Ameisenlöwen im afrikanischen Busch, es waren winzige, von Sandsäcken umgebene Gruben. Michael konnte sie in den wenigen Sekunden nicht zählen, es waren zu viele. Er entdeckte die Flakgeschütze, die groß und ungelenk wie Giraffen auf ihren kreisförmigen Grundplatten standen, die langen Rohre in den Himmel gerichtet und bereit, ihre in der Luft explodierenden Schrapnells sechstausend Meter hoch zu katapultieren. Sie warteten. Sie wußten, daß die Flugzeuge früher oder später kommen würden, und sie waren bereit. Michael erkannte, daß ihnen der Nebel nur eine Frist von wenigen Sekunden gewährt hatte, denn er konnte die Schützen zu ihren Waffen rennen sehen. Eines der langen Flakrohre begann sich zu bewegen und schwenkte in ihre Richtung. Als Michael den Hebel für die Drosselklappen hochdrückte und die Sopwith losraste, sah er eine weiße Dampfwolke von der Winde aufsteigen, als die Bodenmannschaft verzweifelt versuchte, den Ballon in das schützende Deckungsfeuer der Maschinengewehre zu ziehen. Die glänzende Kugel aus Seide sank rasch auf die Erde zu, und Andrew hob die Nase seiner Maschine an und raste aufwärts.

Mit Vollgas und so weit geöffneter Dieselklappe, daß der große Radialmotor aufheulte, folgte ihm Michael und flog auf die Mitte des Kabels zu, der Stelle, wo sich der Ballon befinden würde, wenn er dort ankam, und das war nur fünfhundert Fuß über den Köpfen der Schützen.

Andrew befand sich etwa vierhundert Meter vor Michael, und noch hatten die Kanonen das Feuer nicht eröffnet. Nun war er mit dem Ballon auf gleicher Höhe und griff an. Michael hörte deutlich das Knattern seines Vickers und sah die dünnen Phosphorspuren der Geschosse in der eisigen Morgenluft, die den Ballon und das schnelle grüne Flugzeug für Sekunden miteinander verbanden. Dann schwenkte Andrew ab, das Ende seiner Tragfläche streifte die gebauschte Seide, und der Ballon schwankte sanft in seinem Luftschraubenstrahl.

Nun war Michael an der Reihe, und als er den Ballon anvisierte, eröffneten die Schützen unter ihm das Feuer. Er hörte das Platzen der Schrapnells, und die Sopwith trudelte gefährlich im Sog der vorbeifliegenden Geschosse, aber die Zündung der Granaten war zu hoch eingestellt. Sie explodierten drei oder vierhundert Fuß über Michael zu hellen, silbernen Rauchbällen.

Die Maschinengewehrschützen trafen besser, weil er sich schon fast in Schußweite befand. Michael fühlte, wie die Kugeln hart in den Flugzeugrumpf einschlugen, und dicke, weiße Leuchtspurgeschosse umschwirrten ihn wie Hagelkörner. Er trat in das Seitenruderpedal und zog gleichzeitig den Steuerknüppel an, wodurch er ein tollkühnes, seitliches Abschmieren einleitete, um dem Kugelhagel für einen Augenblick zu entgehen, während er auf den Ballon zusteuerte.

Dieser schien auf ihn zuzurasen; die Seide hatte den ekelhaften, weichen Schimmer einer Made, die mit silbernem Schleim überzogen war. Michael sah die beiden deutschen Beobachter in ihrem offenen Weidenkorb baumeln, beide dick eingehüllt wegen der Kälte. Der eine starrte ihn ausdruckslos an, während das Gesicht des anderen vor Wut und Angst verzerrt war, als er ihm einen Fluch oder eine Herausforderung zuschrie, die sich im Dröhnen der Motoren und im ohrenbetäubenden Knattern der MGs verlor.

Es war kaum notwendig, genau zu zielen, denn der Ballon füllte sein ganzes Blickfeld aus. Michael öffnete den Sicherheitsbügel und drückte den Abzugshebel nieder; das Gewehr hämmerte, so daß das ganze Flugzeug zu zittern begann, und der Qualm vom brennenden Phosphor der Brandkugeln stieg ihm ins Gesicht und benahm ihm den Atem.

Da er nun geradeaus und in gleichbleibender Höhe flog, fanden ihn die Schützen am Boden wieder und schossen die Sopwith in Fetzen — aber Michael blieb oben, trat abwechselnd rechts und links auf die Seitenruderpedale, so daß die Flugzeugnase leicht hin und herschwankte, und schoß die Kugeln in den Ballon, als wäre seine Vickers ein zuckender Gartenschlauch.

»Brenn’!« brüllte er. »Brenn’! Verdammt noch mal, brenn’ doch endlich!«

Reiner Wasserstoff ist nicht leicht entzündbar. Er muß in einem Verhältnis von eins zu zwei mit Sauerstoff vermischt sein, bevor es zur Explosion kommt. Der Ballon schluckte die Kugeln ohne sichtbare Wirkung.

»Brenn’!« brüllte Michael. Seine Hand war um den Abzugsbügel gekrallt, das MG hämmerte, und das Verschlußstück spie die leeren Messinghülsen aus. Aus den Hunderten Einschußlöchern, die er und Andrew in die Seide geschossen hatten, mußte der Wasserstoff entweichen und sich mit der Luft vermischen.

»Warum brennst du nicht?« Er hörte selbst die Qual und Verzweiflung in seinem wilden Schrei. Er hatte den Ballon erreicht — nun mußte er abschwenken, er mußte abdrehen, um einen Zusammenstoß zu verhindern, und alles war umsonst. Und plötzlich wußte er, daß er niemals aufgeben würde. Er wußte, daß er, wenn es sein mußte, in den Ballon hineinfliegen würde.

Während er das noch dachte, explodierte der Ballon vor seinen Augen. Er schien zu einem Hundertfachen seiner Größe anzuschwellen, füllte den ganzen Himmel aus und ging gleichzeitig in Flammen auf. Wie der betäubende, feurige Atem eines Drachen leckte die Hitze über Michael und die Sopwith hinweg, versengte die bloße Haut an seinen Wangen, blendete ihn und wirbelte das Flugzeug hoch in die Luft. Michael hatte alle Hände voll zu tun, um es wieder unter Kontrolle zu bringen. Er fing es kurz vor dem Erdboden ab, und als er wieder aufstieg, blickte er zurück.

Der Wasserstoff war in dieser einen, teuflischen Explosion verbrannt, und die leere, lichterloh brennende Seidenhaut des Ballons sackte zusammen und breitete sich wie ein feuriger Schirm über den Korb und seine menschliche Fracht.

Einer der deutschen Beobachter sprang aus dem Korb, stürzte, verzweifelt um sich schlagend, mit flatterndem Mantel, hundert Meter in die Tiefe und verschwand geräuschlos und spurlos im kurzen grünen Gras der Wiese. Der zweite blieb im Korb und wurde von den Wogen brennender Seide eingehüllt.

Die Bodenmannschaft kroch von der Windenstellung fort, wie Insekten aus einem zerstörten Nest, aber die brennende Seide fiel zu schnell und fing sie in ihren tödlichen Falten. Michael wurde von einem wilden Triumphgefühl überwältigt — eine instinktive Reaktion auf seine eigene Angst. Er öffnete den Mund, um sein Kriegsgeschrei auszustoßen, doch in diesem Augenblick zerbarst ein Schrapnell, das von einem der Geschütze am Nordrand des Feldes abgefeuert worden war, direkt unter der Sopwith.

Wieder wurde das Flugzeug hochgeworfen, und pfeifende, zischende Granatsplitter aus Stahl bohrten sich in den Bauch des Flugzeugrumpfes. Während Michael sich bemühte, die außer Kontrolle geratene Maschine wieder abzufangen, riß der Boden des Cockpits auf, so daß er die Erde unter sich sehen konnte und ein eisiger Wind von unten in seinen Mantel blies.

Schließlich hielt er das Flugzeug auf ebenem Kiel, aber es war schwer angeschlagen. Unter dem Rumpf der Sopwith war irgend etwas abgebrochen, sie schwankte und wippte im Wind, und außerdem flog die Maschine seitenlastig, so daß er sie nur mit roher Gewalt gerade halten konnte — aber wenigstens befand er sich endlich außer der Reichweite der Geschütze.

Dann erschien Andrew an seiner Flügelspitze und starrte besorgt zu ihm herüber, und Michael grinste und brüllte triumphierend. Andrew versuchte durch Zeichen seine Aufmerksamkeit zu erregen und signalisierte ihm mit dem Daumen: »Zurück zur Flugbasis!«

Michael schaute sich um. Während er sich bemüht hatte, sein Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bringen, waren sie weiter nach Norden geflogen, tiefer und tiefer in deutsches Gebiet. Sie jagten über eine Straßenkreuzung, auf der sich eine Nachschubkolonne drängte; erschrockene feldgraue Gestalten rannten auf die Straßengräben zu, um Deckung zu suchen. Michael schenkte ihnen keinerlei Beachtung und drehte sich im Cockpit um; etwa fünf Kilometer entfernt über den flachen und gleichmäßig grünen Feldern schwebte gelassen noch immer der zweite Ballon.

Michael gab Andrew ein abwehrendes Zeichen und deutete auf den zweiten Ballon. »Nein — Angriff fortsetzen.«

Andrew signalisierte nochmals, dringlicher: »Zurück zur Flugbasis!« Er deutete auf Michaels Maschine und gab das Zeichen für »Gefahr!«

Michael blickte durch das Loch zwischen seinen Füßen, dort, wo die Plane fortgerissen worden war, hinunter. Das knallende Geräusch wurde wahrscheinlich von einem der Räder des Fahrwerks verursacht, das an den Streben baumelte. Tragflächen und Rumpf des Flugzeuges waren mit Einschußlöchern übersät, und der zerfetzte Stoff flatterte in losen Streifen im Luftschraubenstrahl wie buddhistische Gebetsfahnen, aber die Le-Rhône-Maschine brummte leiser und ohne Stottern in ihrem kriegerischen Rhythmus weiter.

Andrew signalisierte abermals und drängte Michael umzukehren, aber dieser wehrte mit einer kurzen Handbewegung ab — »Mir nach!« — und brachte die Sopwith in Schräglage, so daß sie sich in eine steile Kurve legte, was an ihrem schwerbeschädigten Rumpf zerrte.

Michael hatte einen Anfall von Kampfeswut, der wilden Leidenschaft des Berserkers, die die drohende Verwundung oder den Tod bedeutungslos macht. Sein Blick war unnatürlich geschärft, und er flog die beschädigte Sopwith, als wäre sie ein Teils seines eigenen Körpers, ganz leicht glitt er über die Hecken und fegte über die Stoppeln auf den Feldern, und sein Blick war so starr und grausam wie der eines Falken, als er auf den schwerfällig sinkenden Ballon zuflog.

Natürlich hatten die Deutschen die feurige Zerstörung des ersten Ballons gesehen und zogen nun den zweiten ein. Sie würden ihn am Boden haben, bevor Michael die Stelle erreichen konnte. Die Schützen würden in voller Alarmbereitschaft warten, den Finger am Abzug. Also mußten Michael und Andrew im Tiefflug angreifen. Aber trotz seiner selbstmörderischen Wut hatte Michael nichts von seiner Geschicklichkeit eingebüßt. Er benützte jedes Bäumchen als Deckung.

Vor ihm wand sich eine schmale Landstraße, und die Reihen schlanker, gerader Pappeln, die sie flankierten, waren das einzige, was dieser trostlosen Öde unterhalb der Hügelkette Charakter gab. Michael benützte die Bäume als Deckung, ging tief hinunter, flog parallel zu der Baumreihe und brachte sie zwischen sich und den Ballon; dann warf er einen Blick in den Spiegel, der an der Tragfläche über seinem Kopf befestigt war. Andrews grüne Sopwith war so dicht hinter ihm, daß der Propeller fast sein Seitenruder berührte.

Michael grinste wie ein Hai, nahm den Steuerknüppel seiner Sopwith in beide Hände und zog das Flugzeug über die Pappeln, etwa so, wie ein Jagdpferd in vollem Galopp über eine Hecke setzt.

Die Ballonstellung war dreihundert Meter von ihm entfernt. Der Ballon selbst hatte gerade den Boden erreicht. Die Bodentruppe half den Beobachtern aus dem Korb, und dann lief die ganze Gruppe auf den nächsten Schützengraben zu, um Deckung zu suchen. Die Schützen hatten endlich freies Schußfeld und eröffneten gemeinsam das Feuer.

Michael flog direkt in den Feuerstoß. Er erfüllte die Luft um ihn herum, und die Schrapnells verursachten im Vorbeifliegen einen solchen Sog, daß sein Trommelfell schmerzte. Er sah die Gesichter der Schützen in den Stellungen zu ihm heraufblikken; sie wirkten wie helle Farbflecken hinter den verkürzten Geschützrohren, die herumschwenkten, um ihm zu folgen, und das Mündungsfeuer war so hell und hübsch wie Wunderkerzen. Doch die Sopwith brauste mit über hundertsechzig Stundenkilometern auf den Ballon zu und hatte kaum noch dreihundert Meter zurückzulegen. Selbst das beängstigende Knirschen der Kugeln, die in den schweren Motorblock eindrangen, konnte Michael nicht ablenken, als er seine Waffe vorsichtig auf das Ziel einstellte.

Die rennenden Männer befanden sich direkt vor ihm und versuchten, so schnell wie möglich den Schützengraben zu erreichen. Die beiden Beobachter in der Mitte kamen nur langsam und mühselig voran — noch steif von der Kälte in der Höhenluft und behindert durch ihre schwere Kleidung. Michael haßte sie, wie er eine Giftschlange gehaßt hätte, er drückte die Nase der Sopwith vorsichtig nach unten und berührte den Abzug des Vickers. Die Männer stoben auseinander wie grauer Rauch. Michael hob sofort das Visier des MGs.

Der Ballon war am Boden befestigt und sah aus wie ein Zirkuszelt. Michael feuerte hinein, und die Kugeln mit den silbrigen Spuren des Phosphorqualms durchschlugen wirkungslos den Seidenstoff.

In seiner Wut war Michaels Gehirn so klar und seine Überlegungen so scharf, daß die Zeit sehr viel langsamer zu verrinnen schien. Die Bruchteile von Sekunden, die vergingen, bis er bei dem gestrandeten seidenen Monstrum angekommen war, schienen eine Ewigkeit zu dauern, so daß er den Flug jeder einzelnen Kugel aus dem Lauf seines Vickers verfolgen konnte.

»Warum brennt er nicht?« brüllte er abermals, und fast gleichzeitig fiel ihm die Antwort ein.

Das Wasserstoffatom hat das leichteste spezifische Gewicht von allen. Das austretende Gas steig daher nach oben und vermischte sich über dem Ballon mit Sauerstoff. Es war also ganz logisch, daß er zu tief schoß. Warum war ihm das nicht schon früher eingefallen?

Er zog die Nase der Sopwith hoch und zielte auf die bauchige Kappe des Ballons, wobei er ständig höher stieg, bis er über die Ballonkuppe hinweg in die Luft schoß — und die Luft stand augenblicklich in Flammen. Als die riesige Feuerzunge auf ihn zuraste, stieg das Flugzeug fast senkrecht nach oben, und Michael steuerte in die entgegengesetzte Richtung, geradewegs fort von dem ungeheuren Flammeninferno, das er geschaffen hatte. Er sah nur einen gleißenden grünen Blitz unter sich, als Andrew unmittelbar hinter ihm eine volle Drehung vollführte.

Die Geschütze hatten das Feuer eingestellt, und Michael konnte hinter den Pappeln in Deckung gehen. Kaum war alles vorüber, verrauchte seine Wut so rasch, wie sie gekommen war, und als sein Blick den Himmel streifte, wurde ihm bewußt, daß die Rauchsäulen wie Signale auf die Albatros-Jagdstaffeln wirken würden. Bis auf den Rauch war der Himmel klar, und er empfand Erleichterung und suchte Andrew, während er im Tiefflug über die Hecken hinwegfegte. Und da sah er ihn, er flog etwas höher und steuerte wieder auf die Hügelkette zu, aber so, daß sich ihre Flugbahnen kreuzen würden.

Dann waren sie wieder vereint. Seite an Seite brausten sie tief über die deutschen Linien, ohne auf das knatternde Gewehrfeuer zu achten, und als sie höher stiegen, um die Hügel zu überfliegen, begann der Motor von Michaels Maschine zu stottern und setzte aus.

Die Sopwith raste auf das Kalkgestein zu, doch dann sprang der Motor wieder an, heulte auf, die Maschine gewann an Kraft und flog gerade noch über den Bergkamm, bevor der Motor abermals zu stottern und zu knallen begann. Michael öffnete und schloß die Drosselklappe, versuchte es mit der Zündung und flüsterte der beschädigten Sopwith zärtlich zu: »Komm schon, mein Liebling. Laß dich jetzt bloß nicht unterkriegen, altes Mädchen. Wir sind ja bald zu Hause, meine Süße.«

Dann fühlte er, wie in ihrem Rumpf etwas brach, eines der Hauptgestänge zerriß, die Instrumente gaben unter seinen Händen nach, und dann sackte die Maschine ab. »Halt durch«, ermunterte sie Michael — doch plötzlich stieg ihm der beißende Geruch von Treibstoff in die Nase, und er sah ein dünnes, durchsichtiges Rinnsal unter der Motorhaube hervortreten und im Luftschraubenstrahl als weißen Dampf an seinem Kopf vorbeiströmen.

»Feuer!« Das war der Alptraum jedes Piloten, aber Michael hatte sich noch immer nicht ganz in der Gewalt und murmelte störrisch: »Wir sind auf dem Heimweg, altes Mädchen. Nur noch ein paar Minuten.«

Sie hatten die Hügelkette hinter sich gelassen, und vor ihnen lag das flache Land; Michael konnte bereits den dunklen, T-förmigen Wald erkennen, der den Anflug auf die Landebahn markierte. »Komm schon, mein Liebling.«

Die Männer unter ihnen waren aus den Schützengräben geklettert, standen neben den Brustwehren und winkten und applaudierten, als die schwer beschädigte Sopwith knatternd und knallend, mit nur einem Rad am herabhängenden Fahrwerk, dicht über ihre Köpfe hinwegflog.

Michael ließ sie hinter sich, und vor ihm lagen all die vertrauten Landmarken — der Kirchturm, das rosafarbene Dach des Gutes, der kleine Hügel.

»Wir schaffen es, mein Liebling«, rief er der Sopwith zu, aber unter der Motorhaube berührte ein freiliegender Draht das Metall des Motorblocks, und ein winziger blauer Funken sprang über. Der Treibstoff entzündete sich explosionsartig. Die Hitze strich über das offene Cockpit wie die Feuerzunge einer Lötlampe, und Michael ließ die Sopwith instinktiv seitlich abschmieren, so daß die Flammen durch den Luftdruck von seinem Gesicht weggetrieben wurden und er nach vorne sehen konnte. Nun mußte er die Maschine hinunterbringen, irgendwie und irgendwo, nur schnell, sehr schnell, bevor er in dem brennenden Flugzeugrumpf gekocht und geröstet wurde. Er hielt auf das Feld zu, das vor ihm lag, und dann begann sein Mantel zu brennen, der rechte Ärmel stand plötzlich in Flammen.

Er landete die Sopwith auf dem Feld und hielt dabei ihre Nase hoch, um die Geschwindigkeit zu verringern, aber sie krachte mit solcher Gewalt auf dem Boden auf, daß seine Zähne aufeinanderschlugen, drehte sich auf dem übriggebliebenen Rad um die eigene Achse und kam auf dem Flügelende auf, wodurch die Tragfläche abgerissen wurde und der Flugzeugrumpf in die Hecke raste, die das Feld umgab.

Michael stieß mit dem Kopf gegen die Cockpitkante und war halb bewußtlos, doch überall um ihn herum knisterten die Flammen. Irgendwie hievte er sich aus dem Cockpit, ließ sich über die zerknitterte Tragfläche hinunterrollen und landete im Schlamm. Eiligst kroch er auf allen vieren von dem brennenden Flugzeugwrack weg. Die glimmende Wolle seines Mantels flammte auf, und mit einem Schrei war er auf den Beinen. Er riß an den Knöpfen und lief, wild mit den Armen um sich schlagend, weiter, wodurch er die Flammen noch mehr anfachte, und das Feuer noch heftiger und heißer wurde.

Durch das laute Prasseln des brennenden Fluzeugwracks überhörte er das herangaloppierende Pferd völlig.

Das Mädchen trieb den großen weißen Hengst auf die Hecke zu und setzte mühelos hinüber. Roß und Reiterin landeten in vollendetem Gleichklang und stürmten unverzüglich weiter auf die brennende, schreiende Gestalt in der Mitte des Feldes zu. Das Mädchen hob ein Bein über den Sattelknopf des Damensattels, und als sie dicht hinter Michael war, zügelte sie den Hengst und sprang aus dem Sattel.

Sie riß sich den dicken Gabardinerock ihres Reitkleides vom Leib, um ihn über die brennende Gestalt zu werfen. Dann kniete sie neben Michael nieder und hüllte ihn fest in den bauschigen Rock ein, während sie mit bloßen Händen nach den kleinen Flammen schlug, die unter dem Rock hervorzüngelten.

Sobald die Flammen erstickt waren, zerrte sie den Rock fort und zog Michael von dem Schlammboden in eine sitzende Stellung hoch. Mit flinken Fingern knöpfte sie den qualmenden Mantel auf, streifte ihn von Michaels Schultern und warf ihn beiseite. Dann zog sie ihm die Strickjacke aus — die Flammen waren nur an einer Stelle bis zum Fleisch vorgedrungen. Sie hatten die Haut an der Schulter und am Arm verbrannt. Michael schrie vor Schmerz auf, als sie versuchte, ihm das Nachthemd auszuziehen. »Um Gottes willen!« Das Baumwollhemd klebte an den verbrannten Hautstellen.