Die Tage des Pharao - Wilbur Smith - E-Book
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Die Tage des Pharao E-Book

Wilbur Smith

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Beschreibung

Hochspannend und bildgewaltig erweckt Wilbur Smith das antike Ägypten in all seiner Pracht zum Leben: »Wilbur Smith ist der beste historische Romanautor«, urteilt Stephen King. Ein altes Königreich – ein mächtiger Feind … 1500 vor Christus: Das Reich ist in zwei Teile zerfallen; ein falscher König sitzt auf dem Thron von Memphis und sagt dem Rest Ägyptens den Kampf an. In dieser Welt lebt der Sklave Taita. Doch Taita ist weit mehr als ein einfacher Leibeigener – der hochgelehrte Eunuch ist ein Experte in der Poesie, Medizin und Technik, ein Hüter wichtiger Geheimnisse – und persönlicher Diener und Lehrer der schönen Adligen Lostris. Als diese mit dem rechtmäßigen Pharao verheiratet wird, findet Taita sich schon bald in einer Welt voller Täuschung und Verrat wieder. Doch dem großen Königreich droht nicht nur von innen, sondern auch von außen Gefahr: Feinde kündigen sich von allen Seiten an, und Taita muss das Spiel der Throne spielen, um seine Heimat vor dem Untergang zu bewahren … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der prachtvolle Ägypten-Roman »Die Tage des Pharao« von Bestseller-Autor Wilbur Smith ist der Auftakt seiner epischen Reihe um den Machtkampf im alten Ägypten – Fans von Mika Waltari und Robert Fabbri werden begeistert sein! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1080

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Über dieses Buch:

1500 vor Christus: Das Reich ist in zwei Teile zerfallen; ein falscher König sitzt auf dem Thron von Memphis und sagt dem Rest Ägyptens den Kampf an. In dieser Welt lebt der Sklave Taita. Doch Taita ist weit mehr als ein einfacher Leibeigener – der hochgelehrte Eunuch ist ein Experte in der Poesie, Medizin und Technik, ein Hüter wichtiger Geheimnisse – und persönlicher Diener und Lehrer der schönen Adligen Lostris. Als diese mit dem rechtmäßigen Pharao verheiratet wird, findet Taita sich schon bald in einer Welt voller Täuschung und Verrat wieder. Doch dem großen Königreich droht nicht nur von innen, sondern auch von außen Gefahr: Feinde kündigen sich von allen Seiten an, und Taita muss das Spiel der Throne spielen, um seine Heimat vor dem Untergang zu bewahren…

»Die Tage des Pharao« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany.

Über den Autor:

Wilbur Smith (1933–2021) wurde in Zentralafrika geboren und gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Gegenwart. Der Debütroman seiner Jahrhunderte umspannenden Südafrika-Saga um die Familie Courtney, begründete seinen Welterfolg als Schriftsteller. Seitdem hat er über 50 Romane geschrieben, die allesamt Bestseller wurden, und in denen er seine Erfahrungen aus verschiedenen Expeditionen in die ganze Welt verarbeitete. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt. Wilbur Smith starb 2021 in Kapstadt im Kreise seiner Familie.

Die Website des Autors: www.wilbursmithbooks.com/

Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/WilburSmith/

Der Autor auf Instagram: www.instagram.com/thewilbursmith/

Die große Südafrika-Saga des Autors um die Familie Courtney erscheint bei dotbooks im eBook und bei SAGA Egmont im Print:

»Das Brüllen des Löwen« (auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich)

»Das Grollen des Donners«

»Der Sturz des Sperlings«

»Das Erbe der Steppe«

»Der Zorn der Wildnis«

»Das Vermächtnis der Savanne«

»Der Schatten des Mondes«

»Das Zeichen des Fuchses«

»Flug des Seeadlers«

»Tage des Monsuns«

»König der Wüste«

»Der Triumph der Sonne«

Weitere Bände sind in Vorbereitung.

Die große Ägypten-Saga über den Eunuchen Taita ist bei dotbooks als eBook erhältlich und bei SAGA Egmont als Printausgabe:

»Die Tage des Pharao« (auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich)

»Die Schwingen des Horus«

»Die Söhne des Nils«

»Das Erbe des Magus«

Weitere Bände sind in Vorbereitung.

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eBook-Ausgabe Juli 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1993 unter dem Originaltitel »River God« bei Macmillan Ltd., London. Die deutscher Erstausgabe erschien 1994 unter dem Titel »Das Grabmal des Pharao« bei Blanvalet, München.

First published in 1993 by Macmillan Publishers Ltd

Copyright © Wilbur Smith 1993

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1994 by Blanvalet Verlag GmbH, München

Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Petr Malyshev, Anton_Ivanov, Nik Merkulov, Igor Zh, tan_tan, Praew stock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98952-248-0

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Dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13, 4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/egmont-foundation. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Wilbur Smith

Die Tage des Pharao

Die große Ägyptensaga

Aus dem Englischen von Franziska Götze

dotbooks.

Widmung

Dieses Buch ist, wie so viele zuvor,

meiner Frau Danielle Antoinette gewidmet.

Der Nil, der durch diese Geschichte fließt,

hat von uns beiden Besitz ergriffen.

Glückliche Tage voller Muße verbrachten wir

auf seinen Wassern und an seinen Ufern. So

wie wir, ist auch er ein Geschöpf unseres

ganz persönlichen Afrika.

Und doch ist dieser große Strom nicht so

stark und tief wie meine Liebe zu Dir, mein

Herz.

Kapitel 1

Mächtig zog sich der Fluß durch die Wüste, gleißend wie Metall aus einem Schmelzofen. Der Himmel war blaß über der flimmernden Hitze, und mit der Wucht eines Schmiedehammers fuhr die Sonne auf alles hernieder. In der Luftspiegelung schienen die kahlen Berge, die den Nil säumten, unter den Schlägen zu erbeben.

Unser Boot glitt zügig nahe des Papyrusdickichts am Ufer dahin; nahe genug, daß das Knarren der Wassereimer am Schaduf von den Feldern übers Wasser zu uns herüberdrang. Das Geräusch vermischte sich mit dem Gesang des Mädchens am Bug.

Lostris war vierzehn Jahre alt. Die letzte Nilüberschwemmung hatte an ebendem Tag begonnen, da ihr roter Frauenmond zum erstenmal blühte – ein Zusammentreffen, das die Hapi-Priester für überaus günstig gehalten hatten. Lostris, der Frauenname, den sie anstelle des früheren Kindernamens für sie ausgewählt hatten, bedeutete »Tochter der Wasser«.

Ich weiß noch, wie lebendig Lostris an jenem Tag war. Sie wurde schöner im Laufe der Jahre, wurde selbstsicherer und hoheitsvoller, aber nie wieder ging der Glanz jungfräulicher Weiblichkeit so überwältigend von ihr aus. Alle Männer an Bord spürten es, selbst die Ruderer. Weder sie noch ich konnten den Blick von ihr wenden. Meine Unzulänglichkeit wurde mir bewußt, und ich empfand ein tiefes, schmerzliches Sehnen. Ich bin zwar Eunuch, doch ich wurde es erst, nachdem ich die Freuden erfahren hatte, die ein Frauenkörper zu spenden vermag.

»Taita!« rief Lostris. »Sing mit mir!« Und als ich gehorchte, lächelte sie voller Freude. Meine Stimme war einer der vielen Gründe dafür, daß sie mich in ihrer Nähe hatte, wann immer sie konnte; mein Tenor ergänzte ihren bezaubernden Sopran zur Vollkommenheit. Wir sangen eines der alten Liebeslieder, die ich sie gelehrt hatte:

Mein Herz flattert auf wie eine verwundete Wachtel,

wenn ich das Angesicht meines Liebsten sehe,

und meine Wangen röten sich wie der Abendhimmel

im Sonnenschein seines Lächelns ...

Vom Heck her fiel eine dritte Stimme ein, eine Männerstimme, tief und kräftig, aber nicht so klar und rein wie meine. Wenn meine Stimme die einer Drossel war, die den Morgen begrüßt, dann war dies die Stimme eines jungen Löwen.

Lostris wandte den Kopf, und nun schimmerte ihr Lächeln wie die Sonne auf dem Wasser des Nils. Und obwohl der Mann, dem sie dieses Lächeln schenkte, mein Freund war, vielleicht mein einzig wahrer, brannte mir die bittere Galle des Neides in der Kehle. Doch ich zwang mich, Tanus liebevoll anzulächeln – wie sie.

Tanus’ Vater, Pianki, der edle Herr Harrab, hatte zu den Großen des ägyptischen Adels gehört, seine Mutter aber war die Tochter eines freigelassenen Tehenu-Sklaven gewesen. Wie so viele ihres Stammes hatte sie blondes Haar und blaue Augen gehabt. Sie war am Sumpffieber gestorben, als Tanus noch ein Kind war, und ich hatte nur eine vage Erinnerung an sie. Doch die alten Frauen sagten, eine Schönheit wie die ihre habe man in beiden Reichen nur selten gesehen.

Tanus’ Vater dagegen hatte ich gekannt und bewundert, ehe er sein schier unermeßliches Vermögen und die weiträumigen Besitzungen verlor, die sich einst beinahe mit denen Pharaos hatten messen können. Sein Gesicht war dunkel gewesen, seine Augen von der Farbe polierten Obsidians, ein Mann von mehr körperlicher Kraft als Schönheit, aber freigebig und von edler Gesinnung – so mancher würde sagen, zu großzügig und vertrauensvoll, denn er war mittellos und einsam gestorben, mit gebrochenem Herzen, fern dem Sonnenschein von Pharaos Gunst. Und dies war das Werk von Menschen gewesen, die er für seine Freunde gehalten hatte.

Tanus hatte, den Reichtum ausgenommen, offensichtlich das Beste von seinen Eltern geerbt. Seinem Wesen und seiner Kraft nach war er wie sein Vater; an Schönheit glich er seiner Mutter. Warum also hätte es mir mißfallen sollen, daß meine Herrin ihn liebte? Auch ich liebte ihn und wußte wohl, armes geschlechtsloses Wesen, das ich bin, daß ich sie nie würde besitzen können, auch dann nicht, wenn die Götter mich über den Sklavenstand hinaus erhoben.

Lostris saß auf ihrem Kissen am Bug, zu ihren Füßen die Sklavinnen, zwei kleine schwarze Mädchen aus dem Lande Kusch, geschmeidig wie Raubkatzen und nackt bis auf ein goldenes Band um den Hals. Lostris selbst trug nur einen Rock aus gebleichtem Leinen, steif und weiß wie ein Reiherflügel. Ihre Haut, von der Sonne liebkost, war von der Farbe geölten Zedernholzes aus den Bergen bei Byblos. Ihre Brüste hatten die Größe und Gestalt reifer Feigen, die Spitzen waren wie rosenrote Granate.

Sie hatte die Perücke abgelegt und ihr Haar seitlich zu einem Zopf geflochten, der ihr wie ein dickes dunkles Seil über die Brust fiel. Das Silbergrün zerstoßenen Malachits, mit dem ihre Oberlider kunstvoll getönt waren, betonte die Schrägstellung ihrer Augen. Sie hatte grüne Augen, doch es war das dunklere, klarere Grün des Nils, wenn das Hochwasser zurückgegangen ist und seine Fracht, den kostbaren Schlamm, abgelagert hat. Zwischen ihren Brüsten trug Lostris an einer goldenen Kette eine Figurine von Hapi, der Göttin des Nils, aus Gold und Lapislazuli gefertigt. Natürlich ein Meisterstück, ich hatte es mit meinen eigenen Händen für sie gemacht.

Plötzlich hob Tanus die Rechte und ballte sie zur Faust. Wie ein Mann hielten die Ruderer inne und kehrten die Blätter ihrer Riemen empor. Dann riß Tanus das Steuerruder herum, und die Männer auf der Backbordbank tauchten die Riemen zum Rückschlag ein. Das Boot setzte zu einer so scharfen Drehung an, daß sich das Deck besorgniserregend neigte. Dann ruderten beide Bänke im Gleichtakt, und wir schossen vorwärts. Der spitze Bug, mit den blauen Augen von Horus bemalt, schob die dichten Papyrusstauden beiseite, und das Boot bahnte sich seinen Weg aus der Strömung des Flusses ins stille Wasser der Lagune seitab.

Lostris verstummte und beschattete ihre Augen, um besser sehen zu können. »Da sind sie! « rief sie und zeigte es mit anmutig kleiner Hand. Die anderen Boote von Tanus’ Geschwader lagen am südlichen Ende der Lagune und versperrten den Hauptzugang zum Fluß, schnitten jeden Fluchtweg in diese Richtung ab.

Tanus hatte sich für die nördliche Position entschieden, denn er wußte, hier würde es die wildeste Jagd geben. Ich wünschte, es wäre anders gewesen. Nicht daß ich ein Feigling bin, aber ich habe für die Sicherheit meiner Herrin Sorge zu tragen. Sie hatte mich, wie sooft, in viele Ränke verstrickt und sich schließlich an Bord der Atem von Horus eingeschlichen, Wenn ihr Vater erfuhr – und damit war zu rechnen –, daß sie mit auf der Jagd gewesen war, würde es mir schon schlecht genug ergehen, doch wenn ihm auch noch zugetragen wurde, daß ich sie einen ganzen Tag lang in Tanus’ Nähe gelassen hatte, würde mich nicht einmal meine privilegierte Stellung vor seinem Zorn bewahren. Seine Weisungen, was diesen jungen Mann betraf, waren unmißverständlich.

Aber ich schien der einzige auf der Atem von Horus zu sein, der beunruhigt war. Die anderen fieberten vor Spannung. Mit herrischer Gebärde gebot Tanus den Ruderern Einhalt, das Boot drehte langsam bei und blieb sacht schaukelnd im grünen Wasser liegen. Die Oberfläche war spiegelglatt, und als ich hineinblickte, war ich erstaunt zu sehen, wie wenig meine Schönheit im Laufe der Jahre gelitten hatte. Mein Gesicht erschien mir hübscher als die himmelblauen Lotosblüten, die es rahmten. Doch ich hatte kaum Muße, es zu bewundern, denn alle an Bord waren äußerst geschäftig.

Ein Stabsoffizier hißte Tanus’ Wimpel am Masttopp. Er zeigte ein blaues Krokodil mit gerecktem Schweif und weitaufgerissenen Kiefern. Nur ein Offizier im Rang eines Führers von Zehntausend war berechtigt, einen eigenen Wimpel zu haben. Tanus hatte diesen Rang, mit dem das Kommando über die Division der Blauen Krokodile, eine von Pharaos Elitetruppen, verbunden war, schon vor seinem zwanzigsten Geburtstag erreicht.

Der gehißte Wimpel signalisierte, daß die Jagd beginnen sollte. Am Horizont lag, fern und klein, der Rest des Geschwaders, doch nun begannen die Ruderer mit ihrem rhythmischen Schlag, die Riemen hoben und senkten sich wie die Flügel von Wildgänsen. Die zahllosen kleinen Wellen ihrer Kielspur breiteten sich über den Fluß aus und kräuselten die stille Wasseroberfläche.

Am Heck ließ Tanus den Gong, eine lange Bronzeröhre, herunter, bis das Ende ins Wasser tauchte. Mit einem Bronzehammer geschlagen, würden die schrillen, hallenden Töne unter Wasser weitergeleitet werden und unsere Beute aufschrecken. Ich wußte – und dachte alles andere als gleichmütig daran –, daß dieser Schreck leicht in mörderischen Zorn umschlagen konnte.

Tanus lachte mich aus. Trotz seines Jagdfiebers spürte er meine Bedenken. Für einen rauhbeinigen Soldaten war er ungewöhnlich feinfühlig. »Komm auf den Heckturm, Taita!« befahl er. »Du kannst den Gong schlagen. Das wird dich von der Sorge um deine schöne Haut ablenken.«

Tanus’ loses Mundwerk kränkte mich, aber ich war erleichtert über seine Aufforderung, denn der Heckturm ragt hoch über das Wasser. Ohne unwürdige Hast machte ich mich daran, Tanus’ Befehl zu gehorchen, und als ich an ihm vorüberging, hielt ich inne, um ihn zu ermahnen: »Gib auf meine Herrin acht. Hörst du mich, Junge? Bestärke sie nicht in ihrem Leichtsinn; du weißt, sie ist genauso ungebärdig wie du.« Ich konnte so zu einem erlauchten Befehlshaber von Zehntausend sprechen, weil er mein Schüler gewesen war und ich ihm mehr als einmal den Rohrstock übers Gesäß gezogen hatte. Frech wie eh und je grinste er mich an.

»Bitte überlaß die Dame meiner Obhut, alter Freund. Glaub mir, nichts würde ich mehr genießen!« Ich verwies ihm den respektlosen Ton nicht, denn ich war in einiger Eile, meinen Platz auf dem Heckturm einzunehmen. Von dort aus beobachtete ich, wie Tanus zu seinem Bogen griff.

Dieser Bogen war berühmt beim ganzen Heer, ja überall am großen Fluß von den Katarakten bis zur See. Ich hatte ihn für Tanus, der mit den vorhandenen schweren Waffen unzufrieden war, entworfen. Es war meine Idee gewesen, aus neuen Werkstoffen einen Bogen zu bauen, aus anderen als den weichen Hölzern, die in unserem schmalen Niltal wachsen; aus dem Kernholz des hethitischen Ölbaums und kuschitischem Ebenholz, aus Rhinozeroshorn und Elfenbein. Der Weg war weit, aber am Ende hatten wir eine schimmernde Waffe, so ungewöhnlich stark, daß nur ein Mann von all den Hunderten, die es versuchten, sie ganz spannen konnte.

Beim Bogenschießen, wie die Ausbilder des Heeres es lehren, besteht das Vorgehen darin, Ziel zu nehmen, den gekerbten Pfeil bis ans Brustbein heranzuziehen, das Ziel eine Weile zu halten und dann den Pfeil fliegen zu lassen. Doch nicht einmal Tanus hatte die Kraft, diesen Bogen ganz zu spannen und das Ziel zu halten. Er mußte eine völlige neue Technik entwickeln. Seitlich zum Ziel stehend und es über die linke Schulter anvisierend, hob er den Bogen mit ausgestrecktem linkem Arm und zog mit einem Ruck den Pfeil zu sich, bis die Federn daran seine Lippen berührten. Im selben Augenblick schoß er, scheinbar ohne zu zielen.

Am Anfang flogen seine Pfeile aufs Geratewohl, wie wilde Bienen ausschwärmen, aber er übte Tag für Tag, Monat für Monat. Die Finger seiner rechten Hand wurden wund und bluteten, weil die Bogensehne – aus dem Gedärm eines Löwen gefertigt – so tief einschnitt, doch sie heilten und wurden härter. Die Innenseite seines linken Armes war verschrammt und aufgeschürft an der Stelle, wo die Sehne vorbeifetzte, aber ich machte zu seinem Schutz eine Ledermanschette. Unverdrossen stand Tanus vor den Zielscheiben und übte.

Selbst ich verlor den Glauben daran, daß er die Waffe je meistern würde, doch Tanus gab nicht auf. Langsam gewann er Gewalt über sie, bis er schließlich drei Pfeile mit solcher Geschwindigkeit abschießen konnte, daß sie fast im selben Augenblick in der Luft waren. Und immer trafen mindestens zwei das Ziel, eine kupferne Scheibe, so groß wie ein Männerkopf und fünfzig Schritt von der Stelle entfernt, an der Tanus stand. Die Pfeile hatten solch eine Wucht, daß sie das fingerdicke Metall geradewegs durchschlugen.

Tanus hatte seiner mächtigen Waffe den Namen Lanata gegeben – den Kindernamen meiner Herrin. Nun stand er wartend am Bug, die Frau an seiner Seite und ihren Namensbruder in der Linken. Sie waren ein prachtvolles Paar, wenn auch zu prachtvoll für meinen Seelenfrieden.

Ich rief in scharfem Ton: »Herrin! Komm sofort hierher! Wo du stehst, ist es zu gefährlich.« Sie würdigte mich keines Blickes, sondern machte hinter ihrem Rücken ein Zeichen in meine Richtung. Die ganze Mannschaft der Galeere sah es, und wer dreist genug war, wieherte vor Lachen. Eines von den kleinen schwarzen Ludern, ihren Dienerinnen, mußte Lostris diese Geste gelehrt haben; eine Geste, die den Damen aus den Schenken am Fluß besser angestanden hätte als einer hochgeborenen Tochter aus dem Hause Intef. Ich spielte mit dem Gedanken, ihr Vorhaltungen zu machen, verwarf ihn aber sofort wieder, denn meine Herrin läßt sich dergleichen nur sagen, wenn sie dazu aufgelegt ist. Statt dessen schlug ich den Gong mit solcher Heftigkeit, daß mein Ärger verflog.

Der schrille Klang hallte übers spiegelglatte Wasser der Lagune, und sofort erfüllte ein Schwirren von Flügeln die Luft, und ein Schatten legte sich vor die Sonne, als eine riesige Wolke von Vögeln aus dem Papyrus aufstieg. Es waren hunderterlei Arten: schwarze und weiße Ibisse mit geierähnlichen Köpfen, der Göttin des Flusses heilig; Gänse im rotbraunen Federkleid, jede mit einem rubinroten Tropfen auf der Brust; Reiher von grünlichem Blau und nächtigem Schwarz mit Schnäbeln wie Schwerter und schwerem Flügelschlag; und Enten in solcher Menge, daß es kaum zu fassen war.

Die Vogeljagd ist eine der liebsten Beschäftigungen des ägyptischen Adels, aber an jenem Tag verfolgten wir ein anderes Wild. Weit vor mir sah ich, wie sich unter der stillen Wasseroberfläche etwas regte, plump und schwer, und ich zitterte insgeheim, denn ich wußte, welches furchtbare Tier das war. Tanus hatte es auch gesehen, doch er reagierte ganz anders als ich. Er gab Laut wie ein Jagdhund, und seine Leute brüllten mit ihm und legten sich in die Riemen. Die Atem von Horus schoß voran, als wäre sie einer von den Vögeln, die den Himmel verdunkelten. Meine Herrin stieß erregte Schreie aus und schlug mit ihrer zierlichen Faust auf Tanus’ muskulöse Schulter ein.

Wieder regte sich etwas im Wasser, und Tanus bedeutete seinem Rudergänger, darauf zuzuhalten, während ich mir Mut machte, indem ich auf den Gong hämmerte. Wir erreichten die Stelle, an der wir zuletzt Bewegung gesehen hatten, und das Boot glitt langsam aus.

Ich warf einen Blick ins Wasser, das seicht war und sehr klar. Ich schrie laut auf, wie vorher meine Herrin, und sprang von der Reling zurück, denn das Ungeheuer war unmittelbar unter uns.

Das Nilpferd steht unter dem Schutz von Hapi, der Göttin des großen Flusses, nur mit ihrer Erlaubnis konnten wir es jagen. Deshalb hatte Tanus am Morgen im Tempel der Göttin gebetet und ihr ein Opfer dargebracht. Meine Herrin hatte ihn begleitet. Natürlich ist Hapi ihre Schutzgöttin, aber ich bezweifelte, daß sie nur deshalb so begeistert mit Tanus gegangen war.

Das Tier unter uns war ein alter Bulle. Mir erschien er so groß wie unsere Galeere, ein Koloß, der auf dem Grund der Lagune entlangtrampelte. Durch den Widerstand des Wassers gehemmt, bewegte er sich langsam wie ein Wesen aus einem Alptraum, und seine Hufe wirbelten gewaltige Schlammwolken auf.

Tanus riß das Steuerruder herum, das Boot wendete, und wir sausten dem Bullen, der sich trotz des Wasserwiderstandes rasch von uns entfernte, nach. Schon verschwamm seine dunkle Gestalt in den grünen Tiefen der Lagune.

»Rudert! Bei Seths stinkendem Atem, rudert!« schrie Tanus seine Leute an, aber als einer der Offiziere die Peitsche schwingen wollte, runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf.

Plötzlich tauchte der Bulle vor uns auf und stieß eine Wolke übelriechenden Dampfes aus. Einen Augenblick bildete sein Rücken eine naßglänzende Insel in der Lagune. Dann holte er pfeifend Atem und verschwand.

»Ihm nach! « brüllte Tanus.

»Da ist er!« rief ich und zeigte zur Seite. »Er kommt zurück.«

»Gut gesehen, alter Freund«, sagte Tanus lachend. »Wir werden doch noch einen Krieger aus dir machen.« Das war natürlich eine alberne Bemerkung, denn ich bin Schreiber, Weiser und Künstler. Meine Heldentaten sind solche des Geistes. Trotzdem empfand ich wie immer, wenn Tanus mich lobte, freudige Erregung, ließ mich vom Jagdfieber anstecken und vergaß meine Bangigkeit.

Südlich von uns hatten sich die anderen Galeeren des Geschwaders der Hatz angeschlossen. Die Hapi-Priester hatten die Nilpferde in der Lagune gezählt und dann gestattet, daß fünfzig für das bevorstehende Osiris-Fest erlegt würden. An die dreihundert Tiere von der Herde der Göttin würden übrigbleiben, gerade so viele, wie nötig waren, um die Fahrrinnen von Schlingpflanzen freizuhalten; um zu verhindern, daß der Papyrus aufs Ackerland übergriff; und um die Versorgung des Tempels mit Fleisch zu sichern. Allein die Priester durften auch an anderen Tagen als denen des Osiris-Festes Nilpferdfleisch essen.

Wie nach einem komplizierten Muster breitete sich die Jagd über das Wasser aus; die Boote tänzelten, schlängelten dahin und drehten sich, während die Tiere wie rasend flohen, tauchten, schnaubend und grunzend an die Oberfläche stießen und wieder verschwanden. Doch in immer kürzeren Abständen mußten sie auftauchen, denn sie konnten ihre Lungen nicht mehr ganz füllen, so schnell hielten die Boote auf sie zu und zwangen sie erneut unter Wasser. Unaufhörlich dröhnten die Bronzegongs auf dem Heckturm einer jeden Galeere, ihr Klang vermischte sich mit den erregten Rufen der Ruderer und den Befehlen der Rudergänger. Und inmitten des Aufruhrs und der Verwirrung merkte ich, daß ich schrie und jubelte wie die Blutgierigsten an Bord.

Tanus hatte seine Aufmerksamkeit auf den ersten und größten Bullen gerichtet; die kleineren und jüngeren Tiere, die in Schußweite an die Wasseroberfläche kamen, schien er gar nicht wahrzunehmen. Er folgte dem Bullen auf seinen gewundenen Wegen, näherte sich ihm unerbittlich, wann immer er auftauchte. So erregt ich war, ich konnte nicht umhin zu bewundern, wie geschickt Tanus die Atem von Horus steuerte und wie flink die Mannschaft seinen Weisungen nachkam. Doch er hatte sich stets darauf verstanden, aus den Leuten, die er befehligte, das Beste herauszuholen. Wie sonst hätte er ohne Vermögen und ohne Gönner so rasch zu so hohem Rang aufsteigen können? Er hatte alles aus eigener Kraft erreicht, und das trotz mächtiger Feinde, die ihm, im Verborgenen agierend, jedes nur erdenkliche Hindernis in den Weg legten.

Plötzlich tauchte der Bulle keine dreißig Schritt vom Bug entfernt auf, schwarz und fürchterlich wie jenes Wesen aus der Unterwelt, das die Herzen der bei den Göttern in Ungnade Gefallenen verschlingt.

Tanus setzte einen Pfeil an, hob seinen Bogen und ließ das Geschoß sofort fliegen. Ein zweites und ein drittes folgten. Die Bogensehne summte wie die Saite einer Laute, und die Pfeile trafen, einer nach dem anderen. Der Bulle brüllte, als sie sich in seinen Rücken bohrten. Kurz darauf tauchte er wieder unter.

Diese Pfeile hatte ich eigens für die Nilpferdjagd erfunden. Die Federn waren entfernt und durch kleine Schwimmer aus dem Holz des Affenbrotbaumes ersetzt worden, wie sie die Fischer verwenden, um ihre Netze am Treiben zu halten. Sie lösten sich vom Pfeilschaft, sobald das Tier tauchte, waren aber durch einen feinen, um den Schaft gewundenen Leinenfaden mit der Pfeilspitze verbunden. Dieser Faden wickelte sich nun ab. Und so stiegen, während der Bulle unter Wasser floh, die drei kleinen Schwimmer an die Oberfläche und wippten hinter ihm drein. Ich hatte sie leuchtend gelb bemalt, damit die Position des Tieres sofort erkennbar würde.

So konnte Tanus jede Bewegung des Bullen vorausahnen und ihm jedesmal, wenn er auftauchte, weitere Pfeile in den Rücken schießen. Inzwischen zog der Bulle eine Girlande von gelben Schwimmern hinter sich her, und das Wasser hatte sich rot verfärbt. Ich empfand unweigerlich Mitleid mit der gequälten Kreatur. Meine Herrin teilte solche Anwandlungen nicht; sie war mit Leib und Seele dabei und schrie vor wonniger Angst und Erregung.

Wieder tauchte der Bulle unmittelbar vor uns auf, doch diesmal hatte er seinen Kopf der Atem von Horus zugewandt. Er riß sein Maul so weit auf, daß ich ihm tief in den Schlund blicken konnte, in dem ein ausgewachsener Mann mit Leichtigkeit Platz gefunden hätte. Der Anblick seiner Zähne ließ mir den Atem stocken. Im Unterkiefer waren es große elfenbeinfarbene Sicheln, mit denen das Tier die harten, knorrigen Stengel des Papyrus schnitt. Im Oberkiefer waren es schimmernd weiße Schäfte, von der Dicke meines Handgelenks, die die Planken der Atem von Horus so leicht durchbohren konnten, wie ich von einem Brotfladen abbiß.

Nun kam dieses ergrimmte Ungeheuer mit den fürchterlichen Zähnen auf uns zu, und obwohl ich hoch oben auf dem Heckturm stand, war ich starr vor Entsetzen.

Wieder schoß Tanus einen Pfeil ab, geradewegs in das offene Maul, doch die Schmerzen des Tieres mußten schon gräßlich genug sein. Es schien diese zusätzliche Verletzung gar nicht zu bemerken, obwohl sie mit Sicherheit zu seinem Tod führen würde. Außer Rand und Band griff der Bulle die Atem von Horus an. Er stieß ein so markerschütterndes Gebrüll aus, daß eine Schlagader platzte und Blut aus den weitaufgerissenen Kiefern spritzte. Im Sonnenschein verwandelte es sich in roten Nebel, schön und schrecklich zugleich. Dann prallte der Bulle gegen den Bug unserer Galeere.

Die Ruderer fielen von ihren Bänken, und ich wurde mit solcher Wucht gegen die Reling des Heckturms geschleudert, daß mir die Luft wegblieb und ein jäher Schmerz sich in meiner Brust ausbreitete. Doch selbst in dieser Not galt meine ganze Sorge meiner Herrin. Unter Tränen sah ich, wie sie durch die Luft geschleudert wurde. Tanus breitete die Arme aus, um sie zu retten, aber auch er war aus dem Gleichgewicht geraten, und der Bogen in seiner Linken behinderte ihn. Er konnte Lostris’ Schwung nur einen Augenblick abfangen. Dann taumelte sie, verzweifelt mit den Armen rudernd, rückwärts auf die Reling zu.

»Tanus!« schrie sie und streckte die Rechte nach ihm aus. Er gewann mit der Gelenkigkeit eines Akrobaten sein Gleichgewicht wieder und versuchte, ihre Hand zu fassen. Einen Augenblick berührten sich ihrer beider Finger, dann wurde sie fortgerissen – und ging über Bord.

Von meinem erhöhten Platz aus konnte ich ihren Sturz genau verfolgen. Sie drehte sich in der Luft wie eine Katze, und der weiße Rock flatterte empor, so daß ihre köstlichen Schenkel zu sehen waren. Mir schien, als fiele sie in alle Ewigkeit, und mein gequälter Schrei vermischte sich mit ihrer verzweifelten Wehklage.

»Mein Kind!« rief ich. »Mein Kleines!« Ich glaubte fest, daß sie verloren war. Ihr ganzes Leben lief noch einmal vor meinem inneren Auge ab. Ich sah sie als kleines Kind und hörte die Koseworte, mit denen sie mich, ihr bewundertes Kindermädchen, bedachte. Ich sah sie zur Frau heranwachsen und erinnerte mich an jede Freude, die sie mir bereitet, an jeden Kummer, den sie mir gemacht hatte. Ich liebte sie in dem Augenblick, da ich sie zu verlieren meinte, noch mehr als in den vierzehn langen Jahren davor.

Sie fiel auf den breiten, blutbespritzten Rücken des Bullen und lag eine Weile mit von sich gestreckten Armen und Beinen da wie ein Menschenopfer auf dem Altar einer barbarischen Religion. Der Bulle wirbelte herum, bäumte sich auf und drehte seinen großen mißgestalteten Kopf in dem Versuch, Lostris zu packen. Seine blutunterlaufenen kleinen Augen funkelten vor rasender Wut, und seine Kiefer schlugen gegeneinander, als er nach ihr schnappte.

Dann gelang es Lostris, sich zu sammeln und sich an zwei von den Pfeilschäften, die aus dem Rücken des Bullen ragten, festzuklammern. Sie schrie nicht mehr, sondern setzte all ihre Kraft und Geschicklichkeit daran, am Leben zu bleiben. Die krummen Hauer des Bullen prallten aufeinander wie die Schwerter von Kriegern im Zweikampf. Bei jedem Biß schienen sie meine Herrin nur um einen Fingerbreit zu verfehlen, und ich rechnete jeden Augenblick damit, daß ihr eines ihrer schönen Glieder abgerissen wurde und ihr süßes junges Blut sich mit dem des Bullen mischte.

Tanus stand immer noch am Bug. Er fing sich rasch. Den Bogen, der ihm nun nichts mehr nützte, warf er beiseite. Statt dessen griff er zu seinem Schwert und zog mit wilder Bewegung blank. Es war eine schimmernde Bronzewaffe, so lang wie Tanus’ Arm, und die Schneiden waren so scharf, daß sie ihm die Haare vom Handrücken hätten abrasieren können.

Tanus sprang aufs Dollbord, verharrte dort einen Augenblick und beobachtete genau, wie sich der tödlich verletzte Bulle im Wasser drehte und wand. Dann sprang er, stieß nieder wie ein Falke. Mit beiden Händen umklammerte er das Schwert, dessen Spitze nach unten gerichtet war.

Er landete auf dem speckigen Nacken des Bullen – rittlings saß er da, als wollte er das Ungetüm in die Unterwelt lenken. Sofort stach er zu, sein ganzes Körpergewicht und die Wucht des Sprungs einsetzend. Er trieb dem Tier die halbe Klinge in den Nacken. Als der Bulle das Schwert spürte, begann er zu toben. Er bäumte sich auf, reckte seinen ungeheuren Leib empor, schwang den Kopf hin und her, wirbelte Wasser auf, daß es in Fahnen durch die Luft trieb und aufs Deck niederprasselte.

Ich mußte mit ansehen, wie das Paar auf dem Rücken des Ungeheuers erbarmungslos geschüttelt und gerüttelt wurde. Der Schaft von einem der Pfeile, an denen Lostris sich festklammerte, zerbrach, und sie rutschte ab. Wäre sie im Wasser gelandet, der Bulle hätte sie gewiß in Stücke gerissen. Tanus griff hinter sich, packte sie und gab ihr Halt, während er mit der Rechten die Bronzeklinge immer tiefer in den Nacken des Bullen trieb.

In seiner Raserei schlug sich das Tier die Hauer ins eigene Fleisch und fügte sich so furchtbare Verletzungen zu, daß sich das Wasser auf fünfzig Schritt im Umkreis der Galeere rot färbte. Lostris und Tanus waren vom Scheitel bis zur Sohle mit Blut besudelt.

Während der Todeskampf des Bullen tobte, entfernten sie sich immer weiter vom Boot, und ich war der erste an Bord, der seine fünf Sinne wieder beisammen hatte. Ich rief den Ruderern zu: »Folgt ihnen! Wir dürfen sie nicht verlieren!«, und sie setzten sich gehorsam auf ihre Bänke und brachten die Atem von Horus in Fahrt.

Wir hielten direkt auf das Paar zu. Es schien, als hätte Tanus mit der Spitze seines Schwerts die Verbindung zwischen zwei Halswirbeln des Bullen durchtrennt. Der ungeheure Leib erstarrte, und der Bulle drehte sich langsam auf den Rücken. Dann versank er und zog Lostris und Tanus mit sich in die Tiefe.

Ich versagte mir einen Verzweiflungsschrei und brüllte statt dessen den Ruderern Befehle zu: »Halt! Zieht sie nicht unter den Kiel! An den Bug, wer schwimmen kann!« Ich war selbst verblüfft von der gebieterischen Kraft meiner Stimme.

Die Galeere wurde langsamer, und ehe ich noch darüber nachdenken konnte, ob klug war, was ich da tat, fand ich mich an der Spitze einer Schar von Kriegern wieder, die über die Decksplanken eilten. Wäre ein anderer Offizier ertrunken, so hätten sie es wohl nur beobachtet und möglicherweise gejubelt, doch hier ging es um ihren Tanus.

Was mich betraf, so hatte ich bereits meinen Schurz abgelegt. Unter anderen Umständen hätte mich nicht einmal die Androhung von hundert Peitschenhieben dazu gebracht, mich nackt zu zeigen. Einen einzigen Menschen hatte ich je die Verstümmelungen sehen lassen, die der Scharfrichter mir vor langer Zeit zugefügt hatte, und dies war derjenige gewesen, der befohlen hatte, daß ich kastriert würde. Aber in diesem Moment vergaß ich die grausame Entstellung meiner Männlichkeit.

Ich bin ein guter Schwimmer, und obwohl es mich im Rückblick schaudert vor soviel Tollkühnheit, glaube ich wirklich, daß ich über Bord gesprungen und in die blutgefärbten Tiefen hinabgetaucht wäre, um meine Herrin zu retten. Doch als ich mich an der Reling bereitmachte, teilte sich die Wasseroberfläche unter mir, und zwei Köpfe tauchten auf, einander so nahe wie Otter bei der Paarung. Der eine hatte einen dunklen, der andere einen blonden Schopf, und aus den beiden Mündern drang ein unglaublicher Laut: Sie lachten. Sie heulten und kreischten vor Gelächter, als sie auf die Bordwand zuzappelten, so fest umschlungen, daß ich sicher war, sie würden einander ersäufen.

Angesichts dieser Leichtfertigkeit schlug meine Besorgnis augenblicklich in Empörung um. Ich hörte, wie meine Stimme ihre gebieterische Kraft verlor und schrill wurde. Und ich hatte noch nicht aufgehört, meine Herrin wortreich zu schelten, als ein Dutzend hilfsbereiter Hände Tanus und sie an Bord zog.

»Du gedankenloses Ding!« zeterte ich. »Du leichtsinniger, selbstsüchtiger, zuchtloser Wildfang! Du hast mir etwas versprochen! Du hast bei der Jungfräulichkeit der Göttin geschworen ...«

Sie kam zu mir gerannt und warf mir ihre Arme um den Hals. »O Taita!« rief sie, immer noch lachend. »Hast du das gesehen? Hast du gesehen, wie Tanus ins Wasser sprang, um mich zu retten? War das nicht die mutigste Tat, die du je erlebt hast? Er war wie der Held aus einer unserer besten Geschichten!«

Daß ich beinahe ähnlich heroisch gehandelt hätte, vergaß sie, und das steigerte meinen Unmut. Außerdem merkte ich plötzlich, daß Lostris ihren Rock verloren hatte. Der kalte, nasse Körper, der sich gegen meinen preßte, war vollständig nackt. Sie bot dem rüden Blick von Offizieren und Mannschaft das hübscheste Gesäß von ganz Ägypten dar.

Ich riß einen Schild an mich, um unser beider Blöße zu bedecken, und rief ihren Sklavinnen zu, sie sollten einen Rock für sie holen. Das Gekicher der kleinen Luder brachte mich noch mehr auf, und als Lostris und ich wieder schicklich bekleidet waren, ging ich Tanus an.

»Was dich betrifft, du unbedachter Rüpel, so werde ich die Sache meinem edlen Herrn Intef melden! Der läßt dir die Haut vom Rücken peitschen!«

»Nichts wirst du melden.« Tanus lachte mich an, legte mir seinen Arm um die Schultern und zog mich so fest an sich, daß es meine Füße vom Boden hob. »Denn er würde dich ebenso auspeitschen lassen. Hab trotzdem Dank für deine Besorgnis, alter Freund.«

Er blickte um sich und runzelte die Stirn. Die Atem von Horus hatte sich weit von den anderen Booten entfernt. Die Jagd war beendet, und außer der unseren hatten sich alle Galeeren ihren Teil der von den Priestern bewilligten Beute genommen.

Tanus schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht alles herausgeholt, was möglich gewesen wäre, wie?« knurrte er und befahl einem Offizier, das Signal zum Rückruf des Geschwaders zu hissen.

Dann quälte er sich ein Lächeln ab. »Laß uns einen Krug Bier zusammen trinken; wir müssen sowieso eine Weile warten, und die Arbeit hat uns durstig gemacht.« Er ging zum Bug, wo sich die Sklavinnen um Lostris kümmerten. Ich war noch so zornig, daß ich mich ihnen, die an Deck schmausen wollten, nicht anschließen mochte. Statt dessen blieb ich am Heck, unnahbar und in würdevolles Schweigen gehüllt.

»Laß ihn schmollen«, flüsterte Lostris weithin hörbar Tanus zu, als sie seinen Becher mit schäumendem Bier füllte. »Der alte Schatz hat sich arg geängstigt, aber er wird es überwinden, sobald ihn der Hunger zwackt. Er liebt doch sein Essen sosehr.«

Meine Herrin ist der Inbegriff der Ungerechtigkeit. Ich schmolle nie, ich bin kein Vielfraß, und ich war damals kaum dreißig Jahre alt – wenn auch für eine Vierzehnjährige jeder Mensch über zwanzig ein Greis ist und ich gestehen muß, daß ich den verwöhnten Gaumen des Kenners habe, was Speisen und Getränke betrifft. Die gebratene Wildgans mit Feigen, auf die Lostris ostentativ wies, war, wie sie sehr wohl wußte, eines meiner Lieblingsgerichte.

Ich ließ sie noch eine Weile leiden; erst als Tanus mir eigenhändig einen Becher Bier brachte und all seinen Charme einsetzte, um mich milde zu stimmen, gab ich nach und folgte ihm zum Bug. Aber ich blieb reserviert, bis Lostris mich auf die Wange küßte und – so laut, daß es alle hören mußten, sagte: »Meine Mädchen berichten, du hättest wie ein altgedienter Krieger den Befehl über das Boot übernommen und wärest beinahe ins Wasser gesprungen, um mich zu retten. O Taita, was würde ich ohne dich tun?« Erst da lächelte ich wieder und nahm eine Scheibe von der gebratenen Gans. Das Fleisch schmeckte köstlich, und das Bier war von erlesener Güte. Trotzdem aß ich sparsam, denn ich möchte kein Fett ansetzen. Außerdem wurmte mich Lostris’ Spott über meinen Appetit immer noch.

Tanus’ Geschwader, das weit über die Lagune verstreut gewesen war, begann sich zu sammeln. Ich sah, daß einige Galeeren Schaden genommen hatten wie unsere. Zwei waren im Jagdeifer zusammengestoßen, vier weitere von Nilpferden angegriffen worden. Doch nun bezogen sie rasch die gewohnten Positionen. Dann glitten sie in einer Reihe an uns vorbei, farbenfrohe Wimpel am Masttopp, die anzeigten, wieviel Beute sie gemacht hatten. Die Mannschaften jubelten, wenn sie auf einer Höhe mit der Atem von Horus waren. Tanus entbot ihnen mit geballter Faust seinen Gruß, und der Wimpel mit dem blauen Krokodil wurde auf und nieder geholt, als hätten wir soeben einen strahlenden Sieg errungen. Vielleicht war das knabenhaft, aber ich bin selbst noch Knabe genug, um Freude am militärischen Zeremoniell zu haben.

Schließlich nahmen die Boote ihre Position wieder ein. Von den erlegten Nilpferden war noch nichts zu sehen. Zwar hatte jede Galeere mindestens eines getötet, doch die Kadaver waren in den grünen Tiefen der Lagune versunken. Ich wußte, Tanus bedauerte insgeheim, daß die Atemvon Horus nicht das erfolgreichste Boot war und wir nur den einen, wenn auch riesigen Bullen als Beute aufweisen konnten. Ohnehin war er nicht so munter wie sonst und verließ uns bald, um die Ausbesserungsarbeiten am Rumpf der Atem von Horus zu überwachen.

Der Bulle hatte die Beplankung unter Wasser aufgerissen, und wir waren so leck, daß der Kielraum pausenlos mit ledernen Eimern ausgeschöpft werden mußte – eine lästige Tätigkeit, die etliche Männer von ihren Pflichten als Ruderer und Krieger abhielt. Dies kann gewiß verbessert werden, dachte ich mir.

Und so schickte ich, während wir darauf warteten, daß die Kadaver an die Oberfläche stiegen, eine der Sklavinnen den Korb mit meinem Schreibzeug holen. Ich überlegte eine Weile und zeichnete schließlich auf, wie das Leckwasser einer Galeere auf mechanischem Wege auszuschöpfen wäre, so daß sich nicht die halbe Mannschaft damit abzumühen brauchte. Die Vorrichtung sollte nach dem Prinzip des Schadufs funktionieren. Nach meiner Vorstellung würden nur zwei Männer nötig sein, statt wie bisher ein halbes Dutzend.

Als die Zeichnung fertig war, sann ich über den Zusammenstoß nach, der den Schaden verursacht hatte. Die bei Schlachten zu Wasser verfolgte Taktik ist immer dieselbe gewesen wie die bei Gefechten zu Lande. Die Schiffe lagen längsseits, und die Krieger beschossen einander mit Pfeilen. Dann wurde das feindliche Boot geentert und der Kampf mit dem Schwert zu Ende gebracht. Stets achteten die Kapitäne darauf, Zusammenstöße zu vermeiden, da diese als stümpferhaft galten.

Aber was wäre, wenn ..., dachte ich weiter und begann eine Galeere mit verstärktem Bug zu zeichnen. Die Idee nahm Gestalt an, und ich fügte dem Bug auf Höhe der Wasserlinie ein Horn hinzu, dem des Rhinozeros ähnlich. Es konnte aus Hartholz geschnitzt und mit Bronze beschlagen werden. Solch ein leicht gekrümmtes Horn würde den Rumpf eines jeden feindlichen Schiffes aufreißen können. Ich war so in meine Arbeit vertieft, daß ich nicht hörte, wie Tanus hinter mich trat. Plötzlich nahm er mir die Papyrusrolle aus der Hand und warf einen Blick darauf.

Natürlich begriff er sofort, worum es ging. Als sein Vater alles Vermögen verloren hatte, hatte ich versucht, was in meiner Macht stand, um einen Gönner zu finden, der es Tanus ermöglicht hätte, bei einem der Tempel als Schreiber anzufangen und sich weiterzubilden. Ich war überzeugt davon, daß er gute Aussichten hatte, sich zu einem der großen Köpfe Ägyptens zu entwickeln, sich zu, gegebener Zeit vielleicht einen ebensolchen Namen zu machen wie Imhotep, der vor tausend Jahren die ersten herrlichen Pyramiden von Sakkara entwarf.

Mein Vorhaben war gescheitert, was nicht wundernahm, denn der Feind, der Tanus’ Vater mit Haß und Arglist vernichtet hatte, war nun darauf bedacht, auch Tanus Steine in den Weg zu legen. Kein Mensch in Ägypten hätte sich gegen einen solch bösen Einfluß durchzusetzen vermocht. So hatte ich Tanus den Weg ins Heer geebnet, wofür er sich – ungeachtet meiner Enttäuschung und meiner Zweifel – ohnehin entschieden hatte, seit er zum erstenmal spielerisch ein Holzschwert geschwungen hatte.

»Bei den Pusteln auf Seths Hintern!« rief er aus, als er meine Zeichnungen betrachtete. »Du und dein Malpinsel – ihr seid mir zehn Geschwader wert!«

Es erfüllt mich immer wieder mit Besorgnis, wenn Tanus den großen Gott Seth lästert. Zwar sind wir beide Anhänger von Horus, aber ich halte nichts davon, bei den anderen Bewohnern des ägyptischen Götterhimmels so offen Anstoß zu erregen. Ich gehe nie an einem Heiligtum vorbei, ohne zu beten oder ein kleines Opfer darzubringen, und sei der Gott, dessen Stätte es ist, auch noch so gering. Für mich ist dies ein Gebot der Klugheit. Man hat schon genug Feinde unter den Menschen, ohne daß man sich welche unter den Göttern macht. Gegen Seth bin ich besonders unterwürfig, denn sein furchtbarer Ruf erschreckt mich. Ich vermute, Tanus weiß das und setzt sich absichtlich darüber hinweg, um mich zu ärgern. Doch diesmal vergaß ich mein Unbehagen bald, so warm wurde mir bei seinem Lob ums Herz.

»Wie stellst du das an?« fragte er. »Schließlich bin ich hier der Soldat. Warum fällt mir so etwas nicht ein?«

Und schon waren wir in ein lebhaftes Gespräch über meine Pläne verwickelt. Natürlich konnten wir Lostris nicht lange davon ausschließen, sie kam bald zu uns herüber. Ihre Dienerinnen hatten ihr das Haar getrocknet, es wieder geflochten und sie neu geschminkt. Ihre Schönheit lenkte mich ab, zumal sie neben mir stand und ihren schmalen Arm lässig um meine Schulter legte. Nie hätte sie so in der Öffentlichkeit einen Mann berührt – es wäre ein Verstoß gegen die guten Sitten gewesen. Aber ich bin eben kein Mann, und ihr Blick ruhte, obwohl sie sich gegen mich lehnte, unverwandt auf Tanus’ Gesicht.

Sie war in ihn vernarrt gewesen, kaum daß sie das Gehen gelernt hatte. Anbetungsvoll war sie hinter dem hochmütigen Zehnjährigen hergestolpert; getreulich hatte sie versucht, jede seiner Gebärden, jedes seiner Worte nachzuahmen. Wenn er ausspie, spie auch sie aus. Wenn er fluchte, hauchte sie dieselben Kraftausdrücke, bis Tanus sich eines Tages bitterlich bei mir beklagte: »Kannst du nicht dafür sorgen, daß sie mich in Ruhe läßt, Taita? Sie ist doch noch ein kleines Kind!« Jetzt beklagte er sich nicht mehr.

Schließlich wurden wir vom Ruf des Ausgucks am Bug unterbrochen. Wir eilten nach vorn und spähten gespannt hinaus auf die Lagune. Der erste Nilpferdkadaver stieg an die Oberfläche. Den Bauch nach oben gekehrt, tauchte er auf und schaukelte mit steif ausgestreckten Beinen auf dem Wasser. Eine Galeere fuhr hinüber, um ihn zu bergen. Einer der Männer beugte sich über die Reling, warf eine Leine aus und machte sie an einem Bein des Kadavers fest. Dann schleppte die Galeere die Beute zum fernen Ufer.

Unterdessen tauchten ringsumher immer neue gewaltige Kadaver auf. Die Boote sicherten sie und zogen sie davon. Tanus befestigte zwei an unserer Ankertrosse, und die Ruderer mußten sich tüchtig in die Riemen legen.

Als wir uns dem Ufer näherten, schirmte ich meine Augen gegen die schräg einfallenden Sonnenstrahlen ab und hielt Ausschau. Sämtliche Männer, Frauen und Kinder von Oberägypten schienen sich versammelt zu haben. Es waren Unzählige, die sangen und tanzten und zur Begrüßung der kleinen Flotte Palmzweige schwenkten. Ihre wogenden weißen Gewänder muteten an wie eine stürmische Brandung.

Sowie die Galeeren anlandeten, wateten mit kurzen Lendenschurzen bekleidete Männer tief ins Wasser hinein, um die aufgedunsenen Kadaver mit Hilfe von Seilen zu bergen. In ihrer Erregung vergaßen sie sogar die in den trüben grünen Gewässern lauernden Krokodile. Alljährlich verschlingen diese grimmigen Bestien Hunderte von unseren Leuten. Manchmal sind sie dreist genug, aufs Trockene zu stürmen und ein Kind zu packen, das am Ufer spielt, oder eine Bäuerin, die Wäsche wäscht.

In ihrer Gier nach Fleisch hatten diese Menschen nur noch eines im Sinn. Sie ergriffen die Seile und zerrten die Kadaver ans Land. Männer und Frauen, Messer oder Äxte schwingend, schwärmten nun aus. Hungrig zischten und heulten sie einander an wie Geier und Hyänen bei der Beute des Löwen. Sie hieben auf die Kadaver und stritten um jeden Leckerbissen. Blutklumpen und Knochensplitter flogen. Noch am selben Abend würden sich lange Reihen von Verletzten vor dem Tempel einfinden und darauf warten, daß die Priester sie behandelten, denn oft genug glitten Klingen aus, und es entstanden klaffende Wunden.

Auch ich würde die halbe Nacht hindurch beschäftigt sein. In manchen Kreisen übertrifft mein Ruf als Arzt den der Osiris-Priester bei weitem. In aller Bescheidenheit muß ich sagen, daß dieser Ruf nicht unverdient ist, und Horus weiß, ich fordere weniger Geld als die heiligen Männer. Mein edler Herr Intef gestattet mir, ein Drittel von allem, was ich verdiene, selbst zu behalten. Und so verfüge ich über ein gewisses Vermögen, obwohl ich nur ein Sklave bin.

Vom Heckturm der Atem von Horus aus verfolgte ich das Schauspiel menschlicher Schwäche. Das Volk – dies ist ein alter Brauch – darf sich nach einer solchen Jagd am Ufer satt essen, solange es nichts von der Beute davonträgt. Da wir in einem grünen Land leben, das der große Fluß fruchtbar macht, sind unsere Leute wohlgenährt. Die Ärmeren müssen allerdings in der Hauptsache mit Getreide vorliebnehmen und haben oft monatelang keinen Bissen Fleisch. Während des Osiris-Fests aber gelten die üblichen Einschränkungen nicht. Übermaß in allen Leibesdingen ist erlaubt, sei es Speise und Trank, sei es sinnliche Begierde. Am Morgen würde so mancher einen verdorbenen Magen, einen brummenden Schädel und ein eheliches Zerwürfnis zu beklagen haben, doch dies war der erste Tag des Festes, und jedem Gelüst konnte nachgegeben werden.

Ich mußte lächeln, als ich eine Frau, nackt bis zu den Hüften und mit Blut und Fett beschmiert, aus der Bauchhöhle eines Nilpferds auftauchen sah, ein Stück Leber zwischen den Fingern, das sie nun einem der Kinder inmitten der kreischenden, sich um den Kadaver drängelnden Schar zuwarf. Die Mutter verschwand wieder, und das Kind flitzte, die Beute fest umklammert, zu einem der nach Hunderten zählenden Kochfeuer am Ufer. Dort nahm ihm sein älterer Bruder die Leber ab und warf sie auf die glühenden Kohlen. Ungeduldig drängte sich eine Meute jüngerer Rangen immer dichter um das Feuer.

Schließlich holte das älteste Kind die fast noch rohe Leber mit einem Zweig aus der Glut, und die ganze Schar fiel darüber her. Das Fleisch war kaum verzehrt, als die Kinder auch schon nach mehr schrien, während Fett und Bratensaft ihnen vom Kinn tropften. Vermutlich hatten die jüngeren unter ihnen noch nie vom köstlichen Fleisch des Nilpferds gekostet. Es ist süßlich und zart, aber vor allem ist es fett, fetter als Rind und Eselsfleisch; und die Markknochen sind eine Leckerei, die selbst dem großen Gott Osiris mundet. Unsere Leute sind ausgehungert nach tierischem Fett, und sein Geschmack machte sie schier rasend.

Ich war es zufrieden, mich von dem wilden Haufen fernzuhalten, glücklich in dem Wissen, daß die Büttel meines edlen Herrn Intef die feinsten Stücke für die Palastküche sichern würden. Die Köche würden mir eine herrliche Fleischplatte zubereiten. Ich habe im Haushalt des Großwesirs Vorrang vor allen anderen, selbst vor seinem Hofmeister und dem Befehlshaber seiner Leibgarde, die beide frei geboren sind.

Nun beobachtete ich die Büttel bei der Arbeit. Sie forderten den Anteil meines Herrn, des Großwesirs der zweiundzwanzig Gaue von Oberägypten. Zielsicher schwangen sie ihre Knüppel – sie verfügten über reiche Erfahrung –, schlugen auf jeden Rücken und jedes bloße Gesäß ein, das sich ihnen als Ziel bot, und brüllten ihre Befehle.

Die Hauer der Nilpferde gehörten dem Wesir, und die Büttel sammelten sie ein. Diese Hauer sind ebenso wertvoll wie die Elefantenstoßzähne, die aus Kusch – jenseits der Katarakte – eingeführt werden. Natürlich wurde von meinem Herrn erwartet, daß er einen Teil der Jagdbeute den Hapi-Priestern überließ, denn sie sind Hirten der Nilpferdherde der Göttin. Doch wieviel er ihnen gab, lag in seinem Ermessen, und ich, der ich das Rechnungswesen des Palastes unter mir hatte, wußte, wer den Löwenanteil bekam. Mein edler Herr Intef ist nicht über die Maßen großzügig, nicht einmal einer Göttin gegenüber.

Was die Nilpferdhäute betraf, so gehörten sie dem Heer und würden für die Offiziere der Garderegimenter zu Schildern verarbeitet werden. Also nahmen Feldzeugmeister die Häute, deren jede fast so groß war wie ein Beduinenzelt, an sich.

Das Fleisch, das unverzehrt blieb, wurde gepökelt, geräuchert oder gedörrt. Vorgeblich diente es zur Versorgung des Heeres, der Tempel, der Richter und anderer Beamten. Aber in Wirklichkeit wurde ein erheblicher Teil davon unter der Hand verkauft, und der Erlös wanderte auf verschlungenen Wegen in die Geldtruhen meines Herrn. Er war nach Pharao der wohlhabendste Mann des Oberen Königreichs, und sein Vermögen mehrte sich von Jahr zu Jahr.

Hinter mir gab es einen Tumult, und ich drehte mich um. Tanus’ Geschwader war noch im Einsatz, die Galeeren lagen fünfzig Schritt vom Ufer entfernt. Auf jedem Boot standen Harpuniere, die Waffen bereit. Das Blut hatte die Krokodile angelockt. Nicht nur aus allen Winkeln der Lagune, sondern auch vom Lauf des großen Flusses her waren sie ausgeschwärmt. Die Harpuniere erwarteten sie. Die langen Harpunenstangen waren mit einer kleinen, widerhakenbewehrten Spitze versehen. Durch ein Öhr im Metall zog sich ein derber Strick aus Flachs.

Die Geschicklichkeit der Harpuniere war in der Tat eindrucksvoll. Zunächst ließen sie das Krokodil unter der Galeere hindurchschwimmen; tauchte es dann auf der anderen Seite auf, die Galeere im Rücken, so beugte sich einer der Harpuniere über die Reling und stieß zu. Es war kein heftiger Stoß, sondern eine beinahe zarte Berührung. Die Bronzespitze am Ende der langen Stange war scharf wie das Messer eines Arztes, sie drang tief in die dicke, geschuppte Haut des Reptils ein. Der Harpunier zielte auf den Nacken, und führte er seine Waffe gut, dann durchbohrte die Spitze das Rückgrat und tötete das Tier auf der Stelle.

Wenn aber ein Stoß sein Ziel verfehlte, schien das Wasser plötzlich zu kochen, so wild waren die Zuckungen des verletzten Krokodils. Mit einer raschen Drehung löste der Harpunier die Stange von der Metallspitze, die im gepanzerten Nacken des Reptils steckenblieb. Dann packten vier Männer den Strick und versuchten, das Tier zu bändigen. Geschah dies, so hielt die hungrige Menge am Ufer inne, feuerte die Männer an und verfolgte den Kampf, bis das Krokodil schließlich überwältigt war. Wenn es den Männern gelang, den Kopf des Tiers in ihre Richtung zu drehen, konnte es nicht mehr entkommen. Dann zogen sie es längsseits, wo andere Männer bereitstanden, um ihm den Schädel mit Keulen einzuschlagen.

Als die Kadaver einiger Krokodile am Ufer lagen, ging ich an Land, um sie zu untersuchen. Die Abdecker von Tanus’ Truppe waren bereits bei der Arbeit. Der Großvater unseres jetzigen Königs hat dem Regiment den Ehrentitel »Die Blauen Krokodile« verliehen. Die Rüstung der Truppe ist aus dem Leder dieser Bestien gefertigt. Richtig gegerbt, wird es so hart, daß Pfeile es nicht mehr durchdringen können und Schwerter sich daran verbiegen. Es ist leichter als Metall und vermag die Wüstensonne besser abzuschirmen. Mit seinem Krokodillederhelm, dem Busch aus Straußenfedern daran und seinem Krokodillederbrustharnisch, poliert und mit Bronzerosetten geschmückt, bietet Tanus einen Anblick, der dem Herzen des Feindes Furcht einflößt und jedes Mädchen erregt.

Während ich Länge und Umfang der Kadaver vermaß und die Abdecker bei der Arbeit beobachtete, empfand ich, anders als bei den abgeschlachteten Nilpferden, nicht die flüchtigste Regung von Mitgefühl. Für mich gibt es kein hassenswerteres Tier als das Krokodil, die Uräusschlange vielleicht ausgenommen.

Als ich mit dem Vermessen am Ende war, griff ich zu meinem Pinsel und meiner Papyrusrolle und begann alles aufzuzeichnen, was sich rings um mich her abspielte, vom Harpunieren über das Abhäuten und Zerlegen der Nilpferd- und Krokodilkadaver bis zur Hemmungslosigkeit des schlemmenden, feiernden Volkes.

Schon schnarchten die, welche sich den Bauch mit Fleisch vollgeschlagen und im Übermaß Bier getrunken hatten. Sie schliefen da, wo sie zu Boden gesunken waren, und merkten nicht, wie sie von den anderen, die sich noch auf den Beinen halten konnten, gestoßen und getreten wurden. Die Jüngeren und Schamloseren tanzten und umarmten einander oder nutzten die einbrechende Dunkelheit, um sich hinter kargen Büschen und niedergetrampelten Papyrusstauden zu paaren. Diese Liederlichkeit war nur eines von vielen Anzeichen der Mißstände, die im ganzen Lande herrschten. Hätten wir einen starken Pharao und eine sittenstrenge und rechtschaffene Verwaltung gehabt, wäre es anders gewesen. Die einfachen Leute nehmen sich im Guten wie im Bösen ein Beispiel an ihrer Obrigkeit.

Obwohl ich all das mißbilligte, zeichnete ich es getreulich auf. So verging eine Stunde wie im Flug, während ich – wieder auf dem Achterdeck der Atemvon Horus sitzend – teils schrieb, teils skizzierte. Die Sonne sank und schien sich im großen Fluß selbst auszulöschen. Sie hinterließ einen Schimmer wie von Kupfer auf dem Wasser und am westlichen Himmel eine rauchige Glut.

Das Treiben am Ufer wurde immer zügelloser, die Huren hatten leichtes Spiel. Ich beobachtete, wie eine feiste Liebespriesterin, das blaue Amulett ihres Standes an der Stirn, einen mageren jungen Mann von einer der Galeeren in den Schatten jenseits des Feuerscheins führte. Dort ließ sie ihren Rock fallen, kniete sich in den Staub und reckte dem jungen Mann ein bebendes Paar gewaltiger Hinterbacken entgegen. Mit einem glücklichen Schrei war der Bursche auf ihr. Ich wollte die Posse skizzieren, aber das Licht schwand rasch, und ich mußte aufhören.

Als ich meine Papyrusrolle beiseite legte, wurde mir plötzlich bewußt, daß ich meine Herrin seit mindestens einer Stunde nicht mehr gesehen hatte. Länger noch! In blankem Entsetzen sprang ich auf. Wie hatte ich nur so pflichtvergessen sein können? Lostris war streng erzogen, dafür hatte ich gesorgt. Sie war tugendhaft und kannte die Obliegenheiten, die Gesetz und Sitte ihr auferlegten. Auch das Ansehen der hohen Familie, der sie angehörte, und ihr gesellschaftlicher Rang waren ihr bewußt. Und sie fürchtete die Macht und den Zorn ihres Vaters ebenso wie ich. Natürlich vertraute ich ihr.

Ich vertraute ihr in dem Maße, in dem ich jedem eigenwilligen Mädchen vertraut hätte, das an einem Abend wie diesem in der ersten Wallung der Gefühle irgendwo in der Dunkelheit mit einem stattlichen, nicht minder leidenschaftlichen und obendrein innig geliebten Soldaten allein war.

Ich war weniger wegen der zu hütenden Jungfräulichkeit meiner Herrin in Sorge als wegen der großen Gefahr, die mir selbst drohte. Am Morgen würden wir nach Karnak zurückkehren, in den Palast meines edlen Herrn Intef, und dort gab es Klatschmäuler genug, die ihm jeden Fehltritt, jedes Versäumnis unsererseits zutrugen.

Die Spitzel meines Herrn waren im ganzen Land zu finden, von den Hafenanlagen und Feldern bis zu Pharaos Palast. Sie waren noch zahlreicher als meine eigenen, denn er hatte mehr Geld, um sie zu entlohnen, wenn auch etliche von ihnen uns beiden dienten. Falls Lostris uns allen Schande bereitet hatte – ihrem Vater, ihrer Familie und mir, ihrem Lehrer und Hüter –, würde mein edler Herr Intef es am Morgen wissen. Und ich ebenso.

Ich eilte vom einen Ende des Schiffes zum anderen. Ich stieg auf den Heckturm und suchte das Ufer ab. Ich sah weder Lostris noch Tanus, und meine düsteren Befürchtungen erhielten neue Nahrung.

Wo ich sie suchen sollte, wußte ich nicht. Ich ertappte mich dabei, wie ich verzweifelt die Hände rang, und untersagte es mir sofort. Ich bin stets bemüht, jeden Anschein von weibischem Wesen zu vermeiden. Zu sehr verabscheue ich die fettleibigen, zimperlichen, gezierten Geschöpfe, die genauso verstümmelt worden sind wie ich. Ich habe immer versucht, mich als Mann zu betragen und nicht als Eunuch.

So beherrschte ich mich und bewahrte die kühl entschlossene Haltung, die ich in der Hitze des Gefechts bei Tanus beobachtet hatte. Mein Kopf wurde wieder klar, und ich überlegte, was meine Herrin am ehesten tun würde. Sie war viel zu wählerisch, um sich unter das betrunkene, ungehobelte Volk zu mischen oder sich in die Büsche zu schlagen und das Tier mit den zwei Rücken zu machen. Ich wußte, ich konnte niemanden bitten, mir bei der Suche zu helfen, denn dies hätte unweigerlich bedeutet, daß mein edler Herr Intef davon erfuhr.

An welchen heimlichen Ort hatte Lostris sich entführen lassen? Wie die meisten Mädchen ihres Alters war sie entzückt von der Vorstellung der gefühlsseligen Liebe. Ich bezweifelte, daß sie je an die irdischeren Seiten des körperlichen Vollzugs gedacht hatte, auch wenn ihre kleinen schwarzen Luder sich durchaus bemüht hatten, sie aufzuklären. Nicht einmal als ich sie, wie es meine Pflicht war, warnte, um sie vor sich selbst zu bewahren, hatte sie sich für die physischen Aspekte der Sache interessiert.

Ich mußte also an einem Ort suchen, der Lostris’ Vorstellungen von der Liebe entsprach. Hätte es auf der Atem von Horus eine Kabine gegeben, so wäre ich dorthin geeilt, aber unsere Galeeren sind kleine, rein zweckmäßige Kriegsschiffe, nur mit dem Nötigsten versehen. Die Mannschaft schläft an Deck, und selbst der Kapitän und seine Offiziere haben für die Nacht nur ein Sonnensegel. Es war im Augenblick nicht aufgespannt, und damit gab es an Bord keinen Platz, an dem das Paar sich verstecken konnte.

Die Sklaven fingen gerade erst an, unsere Zelte auf einer dem Ufer vorgelagerten Insel – wo wir in angemessenem Abstand zum Pöbel die Nacht verbringen würden – aufzuschlagen. Das war nachlässig, aber sie hatten mitgefeiert und sich verspätet. Im Fackelschein sah ich, daß ein paar von ihnen mehr als unsicher auf den Beinen waren. Sie hatten Lostris’ Zelt noch nicht aufgebaut, also stand den Liebenden der Luxus der Teppiche und bestickten Wandbehänge, der Daunenbetten und weichen Matratzen nicht zur Verfügung. Wo mochten sie sein?

In diesem Augenblick erregte ein warmes gelbes Licht weit draußen auf dem Wasser meine Aufmerksamkeit. Mir schwante etwas. In Anbetracht der Verbindung meiner Herrin zu Hapi mochte der Tempel dieser Göttin auf der malerischen kleinen Granitinsel inmitten der Lagune genau der Ort sein, der Lostris unwiderstehlich anzog. Ich sah zum Ufer. Zwar waren Unmengen von kleinen Booten an Land gezogen worden, doch die Fährleute waren fast alle betrunken.

Da entdeckte ich Kratas. Die Straußenfedern an seinem Helm wippten über den Köpfen der Menge, und er hob sich durch seine stolze Haltung von den anderen ab.

»Kratas!« rief ich, und er spähte sogleich herüber und winkte. Kratas war Tanus’ Stellvertreter und neben mir der verläßlichste unter seinen vielen Freunden. Ich konnte Kratas in einem Maße vertrauen, wie ich es bei keinem anderen wagte.

»Besorg mir ein Boot!« schrie ich. »Irgendeines!« Es war bezeichnend für den Mann, daß er keinen Augenblick mit Fragen oder Zaudern vergeudete. Er schritt zum nächsten Kahn. Der Fährmann lag wie ein Holzklotz darin. Kratas packte ihn und warf ihn in den Sand. Der Mann rührte sich nicht, sondern blieb, benommen von billigem Wein, so liegen, wie Kratas ihn abgeladen hatte. Kratas ließ das Fahrzeug selbst zu Wasser, stakte einige Male mit der Ruderstange und ging längsseits zur Atem von Horus. In meiner Hast stürzte ich vom Heckturm und fiel geradewegs in den Kahn.

»Zum Tempel, Kratas«, bat ich, »und möge die gütige Göttin Hapi geben, daß wir nicht schon zu spät kommen!«

Der Abendwind blähte unser Segel, und wir wurden schnell über das dunkle Wasser zu der steinernen Mole unterhalb des Tempels getragen. Kratas vertäute den Kahn an einem Muringsring und machte Anstalten, mir zu folgen, doch ich gebot ihm Einhalt.

»Nicht um meinetwillen, sondern um Tanus’ willen«, sagte ich. »Bleib hier.«

Kratas zögerte einen Augenblick, aber dann nickte er. »Ich werde lauschen, ob du rufst.« Er zückte sein Schwert und reichte es mir. »Brauchst du’s?«

Ich schüttelte dein Kopf. »Es droht nicht diese Art von Gefahr. Außerdem habe ich meinen Dolch. Aber ich danke dir für dein Vertrauen.« Ich ließ Kratas im Kahn zurück und eilte die Treppe zum Eingang des Hapi-Tempels empor.

Die Fackeln an den hohen Säulen gaben ein rötliches, flackerndes Licht, das die Flachreliefs an der Wand lebendig zu machen schien. Hapi ist eine der mir liebsten Gottheiten. Genaugenommen ist sie weder Gott noch Göttin, sondern ein seltsames, bärtiges, zwittriges Wesen. Sie besitzt sowohl Penis als auch Vagina und üppige Brüste, die allen Menschen Milch spenden. Sie ist die Göttin des Nils und der Ernte. Beide ägyptischen Königreiche und ihre Bewohner sind ganz und gar auf sie und die regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen des großen Flusses angewiesen. Sie kann ihr Geschlecht ändern und wie viele ägyptische Gottheiten Tiergestalt annehmen. Die von ihr bevorzugte ist die des Nilpferds. Auch wenn Hapis Geschlechtlichkeit doppeldeutig ist, hat meine Herrin sie immer als Frau betrachtet, und ich halte es ebenso. Die Hapi-Priester mögen darin anderer Meinung sein.