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In der alten Stadt Thonis, einst eine blühende Metropole am Rande des Meeres, herrscht Freude und Festlichkeit. Doch unter der Oberfläche lauert eine drohende Katastrophe. Während die Bürger das Osiris-Fest feiern, spürt die Priesterin Senira eine wachsende Unruhe. Die Zeichen der Natur deuten auf ein bevorstehendes Unheil hin, das die Stadt zu verschlingen droht. Doch als sie versucht, die Menschen zu warnen, stößt sie auf ein dunkles Geheimnis. Wird Senira rechtzeitig handeln können, oder wird Thonis für immer in den Fluten verschwinden?
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Inhaltsverzeichnis
Gezeitenkarte
Vision
Paser
Marktplatz
Zeichen
Fest
Rückzug
Zerstörung
Welle
Epilog
Impressum
Das Licht der aufgehenden Sonne legte einen goldenen Schimmer über die ruhige Wasseroberfläche der Bucht von Abukir. Von weitem betrachtet, schien die Stadt Thonis still und friedlich, als würde sie für immer im Schutz der Götter stehen. Die mächtigen Mauern des Amun-Gereb-Tempels erhoben sich über den Hafen, wo Händler und Seeleute bereits in den Tag starteten. Der Klang der Wellen, die sanft gegen die steinernen Ufer schwappten, vermischte sich mit den Rufen der Markthändler, die ihre Waren feilboten.
Senira, eine junge Priesterin des Amun-Gereb, stand auf der steinernen Terrasse des Tempels und beobachtete die Ankunft eines großen Handelsschiffs. Die Barke war mit kostbaren Gütern beladen – feines Leinen, Amphoren voller Öl und Wein aus Griechenland, und feingliedrige Bronzegegenstände, die im Morgengrauen glitzerten. Der Duft von Räucherwerk und frischem Brot lag in der Luft, während die Stadt zu neuem Leben erwachte.
Doch etwas fühlte sich anders an. Senira spürte es tief in ihrem Inneren. In den letzten Wochen hatte sich das Meer anders verhalten – die Gezeiten waren unregelmäßiger geworden. Es waren keine dramatischen Zeichen, nichts, was die anderen Priester beunruhigte. Aber Senira war anders. Sie war nicht nur eine Dienerin der Götter, sondern auch eine Beobachterin der Sterne und der Natur, verantwortlich dafür, die Zeichen der Götter zu deuten.
Sie drehte sich um und ging die breiten Marmorstufen hinunter in den Tempel. Dort, inmitten der prächtigen Hallen, lag der Naos von Amun-Gereb, das heiligste Heiligtum der Stadt. Große Statuen flankierten den Naos, und das rote Licht der aufgehenden Sonne ließ sie wie lebendig wirken. Die Luft war kühl und roch nach Weihrauch und Stein. Senira kniete sich vor den Altar, schloss die Augen und murmelte ein leises Gebet.
„Großer Amun-Gereb, Herr über Himmel und Erde, schütze deine Stadt.“
Als sie die Augen öffnete, spürte sie ein Flattern in der Luft. Etwas war im Raum, eine Präsenz, die sie nur erahnen konnte. Die Stille war bedrückend, und das Licht, das durch die hohen Fenster fiel, wirkte anders, als ob die Götter auf etwas warteten. Senira erhob sich und trat hinaus, um sich wieder dem Alltag zu stellen, doch die Unruhe in ihr ließ sie nicht los.
Die Priesterin ließ ihren Blick über den Tempelhof schweifen. Die Morgensonne hatte die Steine aufgewärmt, und überall herrschte geschäftiges Treiben. Novizen eilten mit Opfergaben, Priester sprachen leise Gebete, während einige der älteren Gelehrten sich auf die bevorstehenden Rituale vorbereiteten. Alles schien wie immer – ruhig, geordnet, im Einklang mit den uralten Traditionen.
Doch in Senira brodelte etwas, ein leises Gefühl, das sie nicht ignorieren konnte. Es war nicht greifbar, eher eine Ahnung, ein Flüstern im Wind, das sie seit Tagen begleitete. Ihre Gedanken kehrten immer wieder zu den Sternen zurück, die sie in den vergangenen Nächten beobachtet hatte. Die Bewegungen schienen nicht ganz richtig, kleine Abweichungen, die nur wenige wahrnahmen. Die Sterne lügen nicht, dachte sie sich.
Senira ging langsam die Stufen hinunter in den äußeren Bereich des Tempels, wo die Stadt näher an sie heranrückte. Sie konnte das bunte Treiben des Marktes in der Ferne hören und das Rufen der Händler, die den Beginn eines neuen Tages ankündigten. Aus der Nähe drang das plätschernde Geräusch der Kanäle, die durch die Stadt zogen, wie Lebensadern, die Thonis mit dem Meer und der weiten Welt verbanden. Ein leicht salziger Geruch lag in der Luft, vermischt mit den Aromen von Kräutern und Gewürzen, die die Händler feilboten.
Ihre Schritte führten sie zum Rand des Tempelgeländes, wo sich der Blick über den Hafen öffnete. Die große Prozessionsbarke des Osiris lag fest vertäut am Steg, noch leer und unscheinbar, aber bald würde sie geschmückt und in den Mittelpunkt des bevorstehenden Festes gerückt werden. Die Osiris-Mysterien waren nur noch wenige Tage entfernt, und die Stadt war in gespannter Vorfreude. Es war die Zeit des Jahres, in der Thonis aufblühte – Schiffe aus Alexandria und von weiter her würden bald eintreffen, die Straßen und Kanäle wären voll von Menschen.
Senira atmete tief ein und ließ ihren Blick über das ruhige Meer schweifen, als sich ein Gedanke in ihrem Kopf formte. Sie musste die Gezeitenkarten überprüfen. Das war ihre Aufgabe als Beobachterin der Sterne und der Natur. Und wenn die Berechnungen nicht stimmten, bedeutete das vielleicht mehr als nur eine kleine Abweichung im Ablauf des Festes.
Ohne weiter zu zögern, drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zurück in die inneren Hallen des Tempels. Sie schritt schnellen Schrittes durch die kühlen Gänge, vorbei an Statuen, die wie stille Beobachter über den Ort wachten. In einer kleinen Kammer am Rand des Tempels bewahrten die Priester die alten Schriftrollen und Berechnungen der Gezeiten auf, die seit Generationen geführt wurden.
Senira kniete sich vor den fein beschriebenen Pergamenten nieder und breitete die Karten aus. Ihre Augen glitten über die sorgfältigen Aufzeichnungen, während ihre Gedanken die Muster suchten, die sie in den letzten Nächten beobachtet hatte.