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Die Vorgeschichte zu Heidi Rehns großer Familien-Saga DAS LICHTSPIELHAUS - ZEIT DER ENTSCHEIDUNG aus den 20er Jahren exklusiv und gratis im eBook: Mehr über die Münchner Kinobetreiber-Dynastie Donaubauer von der Bestseller-Autorin Heidi Rehn, der Garantin für spannend erzählte Frauen- und Familiensagas im 20. Jahrhundert Elsa, die in Wien eine vielversprechende Karriere als Bühnenschauspielerin begonnen hatte, gibt die Bretter, die die Welt bedeuten, um mit dem Mann, den sie liebt, glücklich zu werden: Karl Donaubauer, der zusammen mit seiner Mutter in München einige Lichtspielhäuser betreibt. Zwar handelt es sich dabei um alles andere als glamouröse Etablissements, doch Karl und Elsa haben große Träume. Die Verwirklichung erweist sich jedoch als schwieriger als erwartet ...
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Seitenzahl: 49
Heidi Rehn
Das Lichtspielhaus
Knaur e-books
Die Vorgeschichte zu Heidi Rehns großem Kino-Roman Das Lichtspielhaus - Zeit der Entscheidung über die Münchner Kinobetreiber-Dynastie Donaubauer von der Bestseller-Autorin Heidi Rehn, der Garantin für spannend erzählte Frauen- und Familiensagas im 20. Jahrhundert
Elsa, die in Wien eine vielversprechende Karriere als Bühnenschauspielerin begonnen hatte, gibt die Bretter, die die Welt bedeuten, auf, um mit dem Mann, den sie liebt, glücklich zu werden: Karl Donaubauer, der zusammen mit seiner Mutter in München einige Lichtspielhäuser betreibt. Zwar handelt es sich dabei um alles andere als glamouröse Etablissements, doch Karl und Elsa haben große Träume …
Es ohne Rückenlehne auf den harten Holzbänken länger auszuhalten war eine echte Herausforderung. Noch dazu in Elsas derzeitigem Zustand. Und erst recht so eingezwängt zwischen raumgreifenden Sitznachbarn, deren Hintern weitaus mehr als die eigentlich pro Person zur Verfügung stehende Fläche beanspruchten. Zu allem Überfluss herrschte eine erdrückende Schwüle in dem niedrigen, lang gestreckten Raum, kräftig angeheizt vom dicken Zigarren- und Bierdunst sowie den unterschiedlichsten menschlichen Gerüchen und natürlich der schier unerträglichen Hitze des Vorführapparats. Doch der Film, der auf dem Abendprogramm stand, war die Beschwernisse wert und Elsas Neugier auf das, was sie an weiteren Überraschungen im Donaubauer Lichtspiel erwartete, erst recht.
Mit leuchtenden Augen hatte Karl ihr in den letzten fünf Monaten immer wieder von den beiden Ladenkinos erzählt, die seine Mutter vor sieben beziehungsweise drei Jahren in der Münchner Isarvorstadt eröffnet hatte. Ebenso begeistert hatte er ihr seine Pläne skizziert, wie er aus dem bisher recht bescheidenen Geschäft, in das er nach dem Tod seines Vaters eingestiegen war, ein über die Stadtgrenzen hinaus erfolgreiches Unternehmen zu machen gedachte. Nur zu gern besann Elsa sich deshalb nun auf das, was sie in den letzten Jahren an der Wiener Burg gelernt hatte: Selbstbeherrschung. Entschlossen streckte sie den Rücken durch, fächelte sich mit der Hand Luft zu und hob den Blick, um sich umzuschauen.
Zu ihrer Linken richtete sich eine füllige ältere Dame vom Typ Metzgersgattin in Sonntagsornat gemütlich ein. Voller Vorfreude auf den Film glänzten ihre runden Apfelwangen. Die Ausdünstungen, die sie verströmte, ließen auf ein Lavendelbad von der Dauer einer halben Ewigkeit schließen. Was dem Herrn zur Rechten kaum geschadet hätte, derart penetrant schwitzte er aus sämtlichen Poren. Abwechselnd führte er in den riesigen Händen eine dicke Zigarre oder einen Bierkrug an die fleischigen Lippen. Aufgrund seiner imponierenden Statur vermutete Elsa in ihm einen Tischler- oder Zimmerermeister, in jedem Fall jemanden, der kräftiges Zupacken gewohnt war.
Das Beruferaten war eine aufschlussreiche Beschäftigung, um sich die Warterei auf den Vorstellungsbeginn zu vertreiben. Zugleich erfuhr sie so mehr über das Publikum der Donaubauers. Vom Arbeiter über Dienstmädchen, Handwerksgesellen bis zur Tippmamsell und zum einfachen Angestellten schien im Kinosaal halb München vertreten, allerdings kaum jemand aus vornehmeren Kreisen.
Leichtes Unbehagen erfasste Elsa. Sie hasste es, im falschen Kostüm am falschen Ort aufzutreten. Kein Zweifel: Für diese Umgebung war das helle Sommerkleid aus glänzender Seide schlichtweg zu elegant. Ihre Finger begannen zu zittern, als sie sich eine widerspenstige rotblonde Locke aus dem fein geschnittenen Gesicht strich. Kurz schloss sie die Augen, konzentrierte sich ganz auf ihre Atmung.
Wie so oft ging es einzig darum, die zu sein, die sie in diesem Moment sein wollte, dann nahmen auch die anderen ihr die Rolle ab, ganz gleich, in welchem Aufzug. Gefühlte tausend Mal hatte sie die Aufgabe mit Bravour gemeistert und von einem weitaus kritischeren und wählerischeren Publikum Applaus dafür geerntet. Voller Zuversicht schlug sie die Augen wieder auf und ließ den Blick weiter wandern.
Es herrschte ein reges Kommen und Gehen um sie her. Noch flackerten die Glühbirnen in den Halterungen an den grob getünchten Wänden und tauchten den Saal in diffuses Licht. Noch zollte keiner der fleckigen, schlecht geflickten Leinwand an der Stirnseite sonderlich Beachtung. Unübersichtliche Straßenszenen aus Berlin sowie Aufnahmen eines auf freiem Feld startenden Flugzeugs flimmerten in viel zu hohem Tempo darüber. Der Filmerklärer spielte sich gänzlich unbemerkt von den Zuschauern mit mal laut, mal leise an- und abschwellenden Klängen auf dem verstimmten Klavier ein.
Das Hauptaugenmerk der Anwesenden galt der Suche nach dem besten Platz für das bevorstehende Vergnügen. Die verschiedensten Optionen wurden ausprobiert. Wie auf dem Jahrmarkt wurde fröhlich durcheinandergeschwatzt. Zwei junge Fräulein mit riesigen Schleifen im Haar tauschten kichernd ihre Tüten mit Süßigkeiten aus, während zwei ebenfalls junge Burschen in viel zu knappen Firmandenanzügen vergeblich versuchten, durch lautes Prahlen über die jüngst geleisteten Heldentaten ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ein dürres Weiblein mit einem ausgebleichten Kompotthütchen auf dem spärlichen Haar schlüpfte schüchtern an ihnen vorbei. Schon wies sie ein blasser Bürohengst mit schiefem Zwicker auf der Himmelfahrtsnase empört darauf hin, dass sie im Begriff stand, seinen Lieblingsplatz zu besetzen. Verschreckt kletterte die Alte eine Bank weiter nach hinten.
Als der Explikateur seine Etüden beendet hatte, bat er eine dralle Köchin in der ersten Reihe in breitem Münchnerisch, den üppigen Sommerblumenhut mit der ausladenden Krempe aus dem Vorjahresbestand ihrer Herrschaft vom Kopf zu nehmen. »Sonst werden S‹ gleich zur lebenden Zielscheibe der wilden Indianer. Von der Leinwand aus schießen s‹ ihre Pfeile grad auf Sie zu!«
Das Lachen des Tischlermeisters neben Elsa über den Spaß dröhnte so tief, dass die Bank unter ihrem Hintern zu vibrieren begann.
Endlich kehrte Karl zurück. Höflich bat er den Handwerker, ein wenig beiseite zu rutschen, damit er sich neben sie setzen konnte. Verblüffenderweise gelang das Kunststück, auch wenn Elsa dadurch dem gewagten Duftgemisch aus Lavendel und Bratwurst links von ihr noch ein wenig dichter auf die Pelle rücken musste. Dafür konnte Karl ihr den Arm um die Hüfte legen. Erleichtert bettete sie den Kopf an seine Schulter.