Das Lied des Todes - Paul Harding - E-Book
SONDERANGEBOT

Das Lied des Todes E-Book

Paul Harding

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn Wissen zum Verhängnis wird … Der historische Kriminalroman »Das Lied des Todes« von Paul Harding jetzt als eBook bei dotbooks. England, 1302: Dichter Nebel hüllt die Küste Norfolks in einen geisterhaften Schleier. Für das Dorf bei Mortlake Manor erscheint er wie ein böses Omen – am Strand wird der aufgespießte Kopf eines Mannes entdeckt. Nur kurze Zeit später wird die Frau des Bäckers am Galgen aufgeknüpft gefunden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Toten? Sir Hugh Corbett, Meisterspion der englischen Krone und Hüter des Geheimsiegels, reist im Auftrag Edwards I. nach Mortlake Manor, um den Gräueltaten auf den Grund zu gehen. Doch schon bald wird die verschworene Dorfgemeinschaft von weiteren Morden erschüttert – und für Corbett beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Das Lied des Todes« von Paul Harding, Band 4 der historischen Krimi-Reihe um dem englischen Meisterspion Hugh Corbett, die unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 333

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

England, 1302: Dichter Nebel hüllt die Küste Norfolks in einen geisterhaften Schleier. Für das Dorf bei Mortlake Manor erscheint er wie ein böses Omen – am Strand wird der aufgespießte Kopf eines Mannes entdeckt. Nur kurze Zeit später wird die Frau des Bäckers am Galgen aufgeknüpft gefunden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Toten? Sir Hugh Corbett, Meisterspion der englischen Krone und Hüter des Geheimsiegels, reist im Auftrag Edwards I. nach Mortlake Manor, um den Gräueltaten auf den Grund zu gehen. Doch schon bald wird die verschworene Dorfgemeinschaft von weiteren Morden erschüttert – und für Corbett beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit …

Über den Autor:

Paul Harding ist ein Pseudonym des Schriftstellers Paul Doherty. Er wurde 1946 in Middlesbrough geboren und studierte Geschichte an der Liverpool University und in Oxford. Unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte er zahlreiche Bücher, so zum Beispiel mehrere historische Krimi-Reihen, für welche er vielfach ausgezeichnet wurde - unter anderem mit dem Pulitzer Preis. Viele seiner Fälle basieren auf ebenso wahren wie schockierenden Ereignissen.

Bei dotbooks erschien die mittelalterliche Spannungsreihe um den englischen Meisterspion Hugh Corbett:

»Die Tote im Kloster«

»Der Kapuzenmörder«

»Der Mörder von Greenwood«

»Das Lied des Todes«

»Der Schwur des Templers«

»Die Teufelsjagd«

Die Website des Autors: www.paulcdoherty.com/

***

eBook-Neuausgabe Februar 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »The Song of a Dark Angel« bei Headline, ein Imprint von Hachette, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Das Lied des dunklen Engels« bei Droemer Knaur, München.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1994 by P. C. Doherty

The right of P. C. Doherty to be identified as the Author of the Work has been asserted by him in accordannce with the Copyright,

Design and Patents Act 1988.

Übersetzung von Holger Wolandt

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 Droemersche Verlangsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung einer Illustration aus dem Codex Manesse

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-96655-936-2

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Das Lied des Todes« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Paul Harding

Das Lied des Todes

Ein Fall für Hugh Corbett, Meisterspion von Edward I - Band 4

Aus dem Englischen von Holger Wolandt

dotbooks.

Für Barbara und Rob von

»The Poisoned Pen«, Scotsville, Arizona, USA,

mit Dank für Unterstützung und Freundschaft.

Das Lied des dunklen Engels

Der schneidende, grausame Wind peitschte die bleigraue See an die weißen Felsen der Landzungen. Er riß den eisigen Schaum von den Wellen und wehte sie wie Schneeflocken an Land. Die Bewohner der Dörfer, die in der Nähe der Ostküste lagen, zogen ihre Mäntel enger um sich und rückten näher an den Kamin. Der Nordwind, der Dunkle Engel, wie sie ihn nannten, machte sich unangenehm bemerkbar. Er würde bald noch stärker werden und in mörderischen Böen übers Land fegen. Die Einwohner von Hunstanton zogen sich ihre Decken weiter über die Ohren und hofften, daß der Sturm vor Tagesanbruch seine Kräfte erschöpft haben würde. Der Wind pfiff jedoch unverdrossen weiter um die Hausgiebel, er wirbelte den Sand auf und zerzauste das Haar eines Kopfes, der auf einen Pfahl aufgespießt war. Daneben lag der blutige restliche Teil eines Leichnams auf dem Kieselstrand. Der Wind eilte weiter und versetzte die langhaarige Tote, die von einem Galgen auf dem Kliff herabhing, in Schwingungen.

Der Dunkle Engel sang sein schwermütiges Lied, er hatte bereits alles unter der Sonne gesehen, denn die große Wash-Bucht, die weit nach Norfolk hineinreichte, war ein heimtückisches Gewässer mit Springfluten, plötzlichen Strudeln, Sandbänken und immer wieder abbrechenden Kliffs. Die Wash-Bucht hatte bereits die Landung der Wikinger und die Invasion der Dänen erlebt. In der Regierungszeit des Großvaters des alten Königs war hier die königliche Armee geschlagen worden und eine ungeheure Kriegskasse verlorengegangen. Der Dunkle Engel bahnte sich einen Weg ins Landesinnere und überließ seine makabren Spielzeuge sich selbst. Die Frau tanzte immer noch am Ende des Galgenstricks, und die blicklosen Augen des Geköpften spähten weiterhin über das tosende Meer mit seinen Nebelfetzen, die ins Land getrieben wurden.

Kapitel 1

Eine Woche später, am Vorabend des Feiertages des heiligen Andreas, des Apostels von Schottland, galoppierten zwei Reiter den Weg auf dem Kliff entlang, fest entschlossen, ihr Ziel zu erreichen, bevor sich das Novemberdunkel über das Land senkte. Sie ritten über eine Hügelkuppe, bei der der Weg ins Landesinnere führte und die Bucht umging. Der erste der beiden Reiter zügelte sein Pferd. Er wartete, bis sein stöhnender und klagender Gefährte ihn eingeholt hatte.

»Verdammt noch mal!« murmelte dieser. »Wie lange noch, Herr? Ich weiß schon nicht mehr, wie ich noch sitzen soll, und mein Bauch denkt schon, jemand hätte mir die Kehle durchgeschnitten!«

Sir Hugh Corbett, der Hüter des Geheimsiegels und Sonderbeauftragter, grinste unter seiner Kapuze hervor und blies sich auf seine verfrorenen Finger.

»Komm schon, Ranulf«, trieb er den anderen an, »zumindest ist noch kein Schnee gefallen. Außerdem müßten wir in einer knappen Stunde dort sein!«

Corbett schob seine Kapuze zurück. Er wandte sich von seinem Diener Ranulf-atte-Newgate ab und schaute über das neblige Meer und auf die Brecher, die auf die Felsen unter ihnen schlugen.

»Ein kalter, düsterer Ort«, murmelte er.

Ranulf schob seine Kapuze ebenfalls zurück und dirigierte sein Pferd neben das seines Herrn.

»Ich hab Euch bereits gesagt, Herr, daß ich diese verdammten Landpartien hasse.« Er starrte über das Moor, über das sich der kalte Nebel langsam ausbreitete. Irgendwo in der zunehmenden Dunkelheit heulte ein Hund, als wolle er gegen das fürchterliche Wetter protestieren. »Ich hasse sie!« sagte Ranulf noch einmal mit Nachdruck. »Wo in aller Welt sind wir nur, Herr?«

Corbett deutete hinunter aufs Meer. »Wir sind an der Küste von Norfolk. Im Sommer soll sie wunderschön sein. Unterhalb von uns liegt die Hunstanton Bay.«

Er deutete über die Kliffs. Ranulf sah ein schwaches flackerndes Licht und erkannte die Umrisse eines Gebäudes.

»Mortlake Manor«, sagte Corbett, »und da ist die alte Eremitage. Kannst du sie sehen, Ranulf?«

Dieser kniff die Augen zusammen und konnte gerade noch die trostlosen Umrisse einer weitläufigen Ruine erkennen, die von einer hohen, teilweise beschädigten Mauer umgeben war.

»Weiter im Hinterland liegt das Dorf«, fuhr Corbett fort, »und da, weiter im Nebel, wahrscheinlich dort, wo der Hund bellt, liegt der Holy Cross Convent.«

Ranulf folgte den Blicken seines Herrn und sichtete hinter dem Kloster das Meer. Allein das Land haßte er, Ranulf-atte-Newgate, bereits, geboren in dem Gewirr enger Gassen Whitefriars, doch das Meer mit seiner grauen und kalten Endlosigkeit erfüllte ihn mit Entsetzen. Über dem Meer lag der Nebel wie ein Gespenst. Er hüllte die hungrigen und bedrohlichen Schreie der Möwen ein und ließ sie noch unheimlicher erscheinen. Der Donner der Brecher auf dem ausgestorbenen kieselübersäten Strand kontrastierte mit den öden Gebäuden, die sich schweigend wie der Tod oben auf dem Kliff festzuklammern schienen.

»Wo hat man den Kopf entdeckt?« fragte er.

Corbett deutete nach unten aufs Ufer.

»Dort. Am oberen Ende des Strands. Er war sauber vom Rumpf abgetrennt und auf einen kurzen Pfosten gespießt, der in den Sand eingegraben war. Der Körper lag daneben.«

»Armer alter Cerdic«, sagte Ranulf leise und schneuzte sich. Er blinzelte zu seinem Herrn hinüber. »Ich kannte ihn, müßt Ihr wissen. Falls je ein Mann beim Würfeln betrog, dann er. Er war ein solcher Betrüger, daß er schon nicht mehr geradeaus gehen konnte, ganz zu schweigen davon, daß er einem nie direkt in die Augen schaute.«

»Jetzt ist er auf jeden Fall tot, ermordet von einem oder von mehreren Unbekannten. Was mich stutzig macht, ist, daß am Strand keine Spuren eines Handgemenges zu sehen waren. Wie erklärst du dir das, Ranulf? Wie konnte ein junger Mann, so robust und stark wie Cerdic Lickspittle, an den Strand und um seinen Kopf gebracht werden, ohne daß es zu einem Kampf kam? Es gibt keine Fußspuren, weder von ihm noch von seinem Mörder.« Corbett biß sich auf die Unterlippe und zog die Kapuze wieder über den Kopf. »Außerdem«, sagte er trocken, »würde ich gern wissen, was Lavinius Monck hier zu suchen hat. Nun, wir werden es bald herausfinden.«

Corbett umfaßte die Zügel wieder fester und trieb sein Pferd den Pfad das Kliff entlang weiter. Er vermied es, nach rechts zu schauen. Hier ging es, nur wenige Fußbreit entfernt, steil in die Tiefe. Ranulf folgte ihm vor sich hin murmelnd. Es wurde dunkler, und der Nebel verdichtete sich. Gelegentlich drehte sich Corbett um, um Ranulf zur Vorsicht zu mahnen. Er hielt sein Pferd an und schaute, als sie den unheimlichen Galgen erreichten, der zwischen dem Pfad und der Spitze des Kliffs aufragte, zu den Resten eines Stricks hoch, der von einem rostigen Eisenhaken herabhing.

»Haben sie hier die zweite Leiche gefunden?« fragte Ranulf.

»Offensichtlich«, entgegnete Corbett. »Die Frau des hiesigen Bäckers. Sie verschwand einfach von zu Hause. Am nächsten Morgen fand man sie hier am Galgen baumelnd. Ein unschuldiges Opfer, hingerichtet an einem Ort, wo normalerweise Mörder aufgeknüpft werden.« Corbett drehte sich um. »Wer ist zu so etwas imstande, Ranulf? Wer käme auf die Idee, eine arme Frau so bestialisch zu ermorden?« Er schaute auf das Schafott, das ihn um mindestens fünf Fuß überragte.

»Ich vermute, daß sie bei Nacht ermordet wurde«, fuhr Corbett fort. »Aber warum ausgerechnet hier?«

Er schaute auf den Fuß des Galgens, stieg ab und warf Ranulf die Zügel zu. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er kniete sich hin und hob von der Erde neben dem Galgen einen Strauß welker Wiesenblumen auf.

»Was ist los?« fragte Ranulf ungeduldig.

»Wer hat die hierhergelegt?« fragte Corbett.

»Wer wird das schon gewesen sein, Herr, der Ehemann der armen Frau oder jemand aus ihrer Familie.«

Corbett schüttelte den Kopf. Er schnupperte an den braunen, verfaulten Stengeln.

»Nein, sie liegen schon seit Wochen hier.«

»Vielleicht die Verwandten von einem hingerichteten Schwerverbrecher«, murrte Ranulf durch zusammengebissene Zähne.

»Sir Hugh, um Himmels willen, ich erfriere! Ich habe schon kein Gefühl mehr in den Beinen und, was schlimmer ist, dazwischen!«

Corbett warf die Blumen zu Boden, wischte sich die Hände an seinem Umhang ab, ließ sich die Zügel geben und stieg wieder auf. »Soweit darf es wirklich nicht kommen, oder, Ranulf? Ein fürchterlicher Verlust für sämtliche Damen in London!«

Er gab seinem Pferd die Sporen. Ranulf streckte ihm hinter dem Rücken die Zunge heraus und trauerte im stillen um die dralle kleine Witwe – braunhaarig und fröhlich mit den süßesten Augen und weichsten Armen, die ihn jemals umfangen hatten. Er hatte sie in London kennengelernt und war gezwungen gewesen, sie zurückzulassen, weil Meister Langschädel, der jetzt vor ihm herritt, von König Edward den Befehl erhalten hatte, nach Norden zu ziehen.

»Ich hoffe«, murmelte Ranulf halblaut vor sich hin, »daß es ihm genauso kalt zwischen den Beinen ist wie mir!«

Er folgte seinem Herrn, der jetzt langsamer, im Trab, ritt, aus Sorge, sein Pferd könne den Halt oder die Richtung verlieren. Der Nebel war dichter geworden, und unterhalb von ihnen donnerte und krachte immer noch die wütende See. Die Ruinen der alten Eremitage kamen in Sicht. Das meiste lag jedoch hinter einer hohen Blendwand aus Sandstein verborgen. Corbett stieg der Geruch von Holzfeuer und Rinderbraten in die Nase. Sein Magen rumorte, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen.

»Gehen wir hinein, Herr?« flüsterte Ranulf.

»Nein, nein.«

Corbett folgte dem Pfad, der um die Eremitage herumführte, und trieb sein Pferd zum Galopp an. Er wollte hier nicht verweilen, ehe er mit Sir Simon Gurney gesprochen hatte. Ranulf war ihm dicht auf den Fersen. Er war sich sicher, einen Ruf hinter sich gehört zu haben, aber Corbett gab ihm einen Wink, weiterzureiten, und sie trabten auf die Lichter von Mortlake Manor zu. Schließlich führte der Pfad weg vom Meer und dann etwas bergab. Ranulf hätte fast vor Freude gebrüllt, als das Tor des Herrenhauses mit flackernden Wandleuchtern darüber in Sicht kam.

»Wehe, wenn Maltote noch nicht hier ist!« rief er. »Ich hoffe, dieses faule Subjekt hat ihnen gesagt, daß wir auf dem Weg sind.«

»Keine Sorge«, entgegnete Corbett.

Ralph Maltote, der Kurier des Bevollmächtigten, hatte vielleicht nicht viel im Kopf, aber er war ein ausgezeichneter Reiter und besaß den Instinkt eines Jagdhundes, wenn es darum ging, sich auf den verschlungenen Straßen und Wegen Englands zurechtzufinden. Ranulf stieg ab und hämmerte gegen die kleine Tür, die in das Haupttor des Herrenhauses eingelassen war.

»Komm schon! Komm schon!« murmelte er. »Ich erfriere!«

Das Tor wurde weit geöffnet. Ein geschäftiger Diener schaute ihnen entgegen und bat sie, auf den großen gepflasterten Hof zu reiten, der vor dem befestigten Herrenhaus von Sir Simon Gurney lag. Stallburschen eilten herbei und nahmen ihre Pferde. Ein Diener ergriff ihre Satteltaschen, und der Diener, der sie empfangen hatte, führte sie durch das Hauptportal ins Haus. Sie folgten einem gewölbten Gang, in dem es süßlich duftete, an der betriebsamen Küche vorbei. Die Gerüche, die ihnen in die Nase stiegen, verstärkten nur noch Corbetts und Ranulfs Hunger. Schließlich erreichten sie die Halle. Hier erwarteten sie der grauhaarige Sir Simon Gurney und seine Frau Alice bereits.

Der alte Ritter, einer der früheren Gefährten des Königs, lächelte und erhob sich von seinem Stuhl neben dem Feuer. Seine zierliche, hübsche Frau stand ebenfalls lächelnd hinter ihm.

»Hugh! Hugh!«

Gurney drückte Corbett die Hand. Er betrachtete das finstere, ernste Gesicht des Bevollmächtigten und dessen ergrauende Schläfen, die Falten um den Mund und die Ringe um die Augen, die es nicht gegeben hatte, als sie sich zuletzt in Westminster begegnet waren.

»Ihr seht müde aus, Sir Hugh.«

»Ein schlechter Tag, Sir Simon. Kalt und ungemütlich. Ich hatte schon erfreulichere Ritte über Land.« Corbett schaute dem Ritter in sein wettergegerbtes Gesicht mit den weißen buschigen Brauen und Augen, die immer noch jung zu sein schienen, sowie einem gepflegten Schnur- und Backenbart. »Ihr fehlt dem König«, fuhr er fort. »Er schickt seine Grüße und seine besten Wünsche an Euch und«, er wandte sich an Gurneys Frau, »an Lady Alice.«

Alice, die mindestens 20 Jahre jünger war als ihr Mann, trat heran und reichte Corbett eine zierliche Hand zum Handkuß. Dieser berührte die Finger äußerst zaghaft und geriet leicht in Verlegenheit, als Lady Alice seine Hand nahm und etwas zu fest drückte.

»Sehr erfreut, Hugh«, sagte sie mit ihrer tiefen und etwas heiseren Stimme.

Ihre dunkelbraunen Augen funkelten übermütig. Corbett ließ seinen Blick über ihre immer noch perfekte Erscheinung schweifen, den üppigen Mund, die schmale, fein geschwungene Nase, die gezupften Brauen und das dichte braune Haar, das jetzt teilweise von einem grünen und weißen Tuch verborgen wurde.

»Madame, Ihr seid wie immer zum Scherzen aufgelegt«, sagte er halblaut.

Er betete, daß Gurney nicht die Fassung verlieren würde. Alice geriet jedesmal seinetwegen etwas aus der Fassung. Corbett, der in Gesellschaft von schönen Frauen nie wußte, was er sagen sollte, war sich nicht klar darüber, ob er verlegen oder erfreut sein sollte. Ranulf-atte-Newgate hatte diese Probleme nicht. Nachdem Gurney ihm die Hand gedrückt und ihn mit freundlichem Spott begrüßt hatte – er meinte, Ranulf sähe immer noch aus wie ein Schurke –, sank Corbetts Diener auf ein Knie, um Alice die Hand zu küssen. Er hielt die Hand so lange fest, daß sie sie ihm schließlich lachend entzog und zu ihrem Stuhl am Kamin zurückging.

»Alles beim alten«, sagte Gurney trocken. »Ihr, Corbett, seid immer noch so schüchtern wie ein Kind in der Gesellschaft von Erwachsenen.« Er schob zwei Stühle zwischen seinen und den seiner Frau. »Ihr, Ranulf, seid wie früher, so unverfroren wie ein Klosterbruder auf Wanderschaft. Kommt, gebt mir Eure Mäntel!«

Er nahm sie entgegen und warf sie einem Diener zu. Corbett und Ranulf legten ihre Schwerter ab und hängten sie vorsichtig über Haken an der Wand.

Dann ließen sie sich auf die Stühle fallen, streckten die Beine aus und genossen die gewaltige Hitze des offenen Kamins. Ein Diener brachte Posset, ein heißes Getränk aus Milch und Wein. Es wurde in Zinnbechern serviert, die mit Servietten umwickelt waren, da das stark gewürzte Gebräu mit einem rotglühenden Schürhaken erhitzt worden war. Corbett trank langsam, er genoß jeden Schluck und spürte, wie seine Glieder langsam auftauten. Ihm wurde warm, und er wurde schläfrig, wollte sich aber nicht durch Einschlafen lächerlich machen. Ranulf schmatzte und ließ erkennen, daß es ihm gutging. Corbett schaute sich in dem dunklen Turmzimmer um. Es war verschwenderisch möbliert, die Wände mit Wollstoffen und Vorhängen aus Damast bedeckt. Die Fenster waren verglast, einige sogar farbig. Im Kandelaber steckten echte Bienenwachskerzen. Hier gab man sich nicht mit Talglichtern oder billigen Öllampen zufrieden. Corbett fuhr mit der Hand über den mit Schnitzereien verzierten Stuhl: Eiche oder Esche, überlegte er, und das galt auch für die Schränke und anderen Stühle, die im Zimmer verteilt waren. Unter seinen Füßen die Teppiche und Matten waren aus reiner Wolle. Ein Page befreite ihn eilig von seinen Stiefeln. Corbett schaute auf und bemerkte das riesige schwarz-weiß-goldene Wappenschild Gurneys über dem Kamin. Darunter funkelte das Tafelsilber im Schein der Kerzen. Gurney warf einen weiteren Holzklotz in das Feuer. In einer Kerbe steckten einige duftende Kräuter, und als die Flammen über den Block strichen und diese ansengten, verbreitete sich der Duft des Sommers im Zimmer. Corbett genoß sein Getränk und lauschte mit halbem Ohr Ranulfs launigem Bericht über ihre Reise. Von der anderen Seite des Kamins beobachtete ihn Lady Alice.

Ihr habt Euch verändert, dachte sie. Corbett war immer zurückhaltend, verschwiegen, auch schüchtern gewesen, aber jetzt entdeckte sie in seinen Zügen eine gewisse Härte. Die Lachfältchen um seinen Mund waren nicht so ausgeprägt wie früher, und die dunklen Augen, die sonst immer so sanft gewesen waren, wirkten gehetzt.

Alice hatte von Corbetts zweiter Ehe mit der walisischen Prinzessin Maeve gehört und wußte, wie innig er seine Frau und seine Tochter Eleanor liebte. Ihr waren aber auch andere Gerüchte zu Ohren gekommen, daß der ergraute König Edward immer größere Ansprüche stellte, da er jetzt einen erbarmungslosen Krieg gegen die Schotten und mit seinem Rivalen, Philipp von Frankreich, einen Kampf um Leben und Tod führte. Corbett sah so aus, als würde er einen hohen Preis für all das zahlen. Daran konnten auch der Adelstitel und alle Ehren und alle Gunst, die der König ihm erwiesen hatte, nichts ändern. Alice überlegte, was er wohl schon alles hatte mit ansehen müssen, da spürte sie seinen Blick.

»Hugh, wollt Ihr Euch zur Ruhe begeben?«

»Danke nein, edle Dame. Vielleicht später. Ich muß mir noch bestimmte Dinge ansehen und Fragen stellen.«

Alice spürte, wie sich ihr Inneres vor Angst zusammenzog. Corbett war ihr Freund gewesen. Jetzt hatte dieser Mann mit seinen scharfen Augen, seiner Nachdenklichkeit und seinen scharfsinnigen Fragen andere Gründe für seinen Besuch. Er würde anfangen, nach der Wahrheit zu forschen. Trotz der Wärme des Zimmers fühlte Alice, wie es ihr kalt den Rücken herunterlief. Was würde dieser intelligente Bevollmächtigte herausfinden? Sie fing einen Blick ihres Mannes auf und schaute ihn warnend an. Dieser bemerkte ihre Sorge und schaute weg. Er hatte ebenfalls Angst. Der Besuch Corbetts erfüllte ihn mit größter Sorge. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als mit Edwards Hof und Gefolge nichts zu tun haben zu müssen, um in Ruhe die fruchtbaren Felder bei seinem Herrenhaus bestellen, Schafe züchten und die Wolle gegen schwere Beutel Goldes nach Flandern exportieren zu können. Die Feldzüge des Königs gegen die Franzosen hatten dem allen einen Riegel vorgeschoben. Obwohl Edward und Philipp zumindest in der Theorie gerade Frieden miteinander hielten, war der Krieg dem Handel in der Praxis immer noch sehr abträglich. Gurney bekam wie viele andere die Folgen zu spüren. Jetzt war auch noch Corbett gekommen, der Hüter der königlichen Geheimnisse und, falls die Gerüchte stimmten, gleichzeitig das Gewissen des Königs. »Eine verdammte Geschichte!« stieß Gurney hervor, ehe er sich noch eines Besseren besinnen konnte.

Corbett wärmte sich seine Hände am Kamin und wandte sich dann seinem Gastgeber zu.

»Was?«

Gurney lachte säuerlich. »Hugh, ich bin Euer Freund. Kommt mir nicht mit solchen Spitzfindigkeiten.«

Corbett lächelte entschuldigend und neigte den Kopf.

»Eine verdammte Geschichte«, wiederholte Gurney. »Eine Frau am Galgen, ein Diener geköpft am Strand. Gräber geplündert. Geschichten über Schwarze Magie, über Feuer an Wegkreuzungen, seltsame Geräusche mitten in der Nacht und Hexen, die durch die Luft fliegen. Und jetzt auch noch diese verdammten Pastoureaux!«

»Eine schwierige Zeit, da gebe ich Euch recht, Sir Simon.«

Corbett drehte sich hastig um. Lavinius Monck lehnte mit verschränkten Armen nachlässig gegen den Türrahmen. Corbett erhob sich und ging auf ihn zu.

»Lavinius!« Er streckte die Hand aus. »Wir haben uns monatelang nicht gesehen.«

Monck nahm die ihm entgegengestreckte Hand und tätschelte sie.

»Mein lieber Hugh«, lispelte er, seine glasigen Augen schauten unbeweglich.

Corbett trat einen Schritt zurück. Warum finde ich diesen Mann immer so unheilvoll, überlegte er. Lavinius war bedrohlich in schwarzes Leder gekleidet und erinnerte Corbett mit seinem schwarzen fettigen Haar, glattrasierten säuerlichen Gesicht, seiner spitzen Nase und Augen, die nie zu schlafen schienen, an einen grausamen Raben. Lavinius schlug sich mit seinen ledernen Reithandschuhen auf die eine Handfläche und kam ins Zimmer.

»Sir Simon, Lady Alice.«

»Hattet Ihr einen guten Tag, Master Monck?«

Gurney erhob sich. Er hatte die Lippen zusammengepreßt und wirkte düster, was darauf schließen ließ, daß er den zurückhaltenden und verschlagenen Bevollmächtigten John de Warennes, des Earl of Surrey, ebenfalls nicht mochte. Monck lächelte, genauer gesagt, er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, zog seinen Mantel aus und warf ihn auf eine Bank. Er ließ sich von einem Diener einen Becher Posset geben und setzte sich auf einen Stuhl, den ein weiterer Diener an das Halbrund vor dem Kamin herangerückt hatte. Er schlug die Beine arrogant übereinander und schnippte einige Schlammspritzer von seinen Knien. Dann starrte er mit einem irritierenden Lächeln ins Feuer, das darauf schließen ließ, er sei der Hüter eines großen Geheimnisses. Gurney füllte seinen Becher erneut aus einem Krug, der auf einer Anrichte stand, und gesellte sich dann wieder zu seinen Gästen. Er ignorierte, daß ihm seine Frau warnend eine Hand auf den Arm legte.

»Ich habe Euch eine Frage gestellt. Hattet Ihr einen guten Tag?«

Monck lächelte und nippte an seinem Becher.

»Sir Simon, für mich sind alle Tage gute Tage. Ich bin Euren Besitz abgeritten, habe fürchterlich schlechtes Ale in der Schenke im Dorf getrunken, und ich habe zugehört.« Sein Gesichtsausdruck wurde mit einem Mal hart. »Ich werde so lange zuhören und so lange weitersuchen, bis ich den Mörder meines Dieners Cerdic gefunden habe und ihn von Eurem Galgen auf dem Kliff baumeln sehe!«

»Und die Pastoureaux?« fragte Alice.

»Sind wie die Kaninchen in ihren Löchern verschwunden«, entgegnete Monck verächtlich. »Sie scheinen ihre Eremitage nie zu verlassen. Und Ihr, liebster Hugh, wie war Eure Reise?« »Unbequem und kalt. Der König sendet Euch seine Grüße und der Earl of Surrey ebenfalls.«

Monck setzte sich auf seinem Stuhl zurecht, und seine Lederjacke knarrte. Trotz seiner schweren Kleider war dieser Mann vollkommen unempfindlich gegen die grausame Hitze des Feuers.

»Und warum seid Ihr hier, Hugh?« Monck starrte Ranulf an, und dieser schaute kühl zurück. »Warum durchstreifen Sir Hugh Corbett, der Hüter des Geheimsiegels des Königs, und sein ergebener, aber ziemlich liederlicher Diener Ranulf-atte-Newgate diese unwirtliche Region Norfolks?«

Corbett starrte in seinen Becher. Er haßte diesen Mann wirklich. Lavinius Monck war der wichtigste Bevollmächtigte des Earl of Surrey, ein Spion und ein professioneller Meuchelmörder. Er hatte in Cambridge studiert und sich einen Namen gemacht, was Gewissenlosigkeit und gleichzeitig unverbrüchliche Ergebenheit anging und eine Verschlagenheit, die jeden Fuchs hätte neidisch werden lassen. War John de Warenne die rechte Hand des Königs, dann war Monck der Dolch in dieser Hand. Corbett machte normalerweise einen Bogen um ihn, aber gelegentlich mußten sie auch zusammenarbeiten und Informationen austauschen.

»Warum, Hugh?« wiederholte Monck mit gespieltem Ernst.

Corbett öffnete die Brieftasche, die in seinem Gürtel steckte, und zog eine kleine Pergamentrolle daraus hervor. Monck ergriff diese begierig. Er brach das purpurrote Wachssiegel, rollte das Pergament auf und studierte es im Schein des Feuers.

»Gesiegelt vom König vor vier Tagen in Swaffham.« Er schaute auf und grinste. Seine weißen, ebenmäßigen Zähne erinnerten Corbett an die Jagdhunde des Königs. »Ich verstehe. Ihr sollt mich unterstützen.« Er betonte das vorletzte Wort. »Versteht Ihr, was das heißt, Sir Hugh?«

»Ja«, entgegnete Corbett. »Aber wobei soll ich Euch denn unterstützen, Lavinius?«

Monck zuckte mit den Achseln, rollte das Pergament wieder auf und steckte es in den Ärmel seines Lederwamses. Er lehnte sich zurück, preßte die Fingerspitzen gegeneinander und starrte ins Feuer.

»Ah!« seufzte er. »Das ist die Frage, Sir Hugh. Es wird wohl das beste sein, wenn wir uns nicht allzusehr in die Quere kommen. Darauf hat der Earl of Surrey auch sehr bestanden.«

»Ich dachte, Ihr wäret wegen der Pastoureaux hier?« warf Gurney ein.

Monck lächelte. »Vielleicht, vielleicht auch nicht, Sir Simon. Das wird sich zeigen.«

Corbett versuchte, keine Miene zu verziehen, nahm einen Schluck von seinem Posset und trat Ranulf leicht vors Schienbein, um seinen Diener, der langsam wütend wurde, daran zu hindern, sich für ihn in die Bresche zu schlagen.

Gurney und seine Frau lehnten sich in ihren Stühlen zurück. Alice warf ihrem Mann einen flehenden Blick zu, kein Wort zu sagen. Corbett konnte sich kaum halten. Er konnte Moncks selbstgefällige Geheimniskrämerei nicht ertragen und war gleichzeitig wütend über den König, der ihn hierhergeschickt und ihm kaum etwas erzählt hatte. Corbett fiel es schwer, daran zu glauben, daß er nur hier war, weil Moncks Diener ermordet oder weil die Frau eines Bäckers gehenkt worden war. Die Pastoureaux waren da schon etwas anderes. Sie waren gefährlich. Seine Spione in Frankreich hatten ihm berichtet, daß diese Fanatiker mit ihren seltsamen Träumen und unheimlichen Visionen von Stadt zu Stadt zogen, den Weltuntergang vorhersagten und gewalttätige Übergriffe auf Juden, Ausländer und die armen Ausgestoßenen der Gesellschaft anzettelten. Jetzt waren Gruppen von Pastoureaux, buchstäblich ganze Schiffe voll, in England eingetroffen. Anfänglich hielten sie sich noch ganz harmlos an unwirtlichen und wüsten Plätzen auf. Die Gruppe hier in Norfolk jedoch war immer größer geworden und hatte die Aufmerksamkeit der königlichen Bevollmächtigten auf sich gezogen. Anscheinend war Monck nach Norden geschickt worden, um einige Untersuchungen anzustellen.

Corbett rückte unangenehm berührt auf seinem Stuhl hin und her und versuchte, die halblauten Unterhaltungen um sich herum nicht weiter zu beachten. Monck, der zufrieden war, seine Bedeutung ins rechte Licht gerückt zu haben, hatte jetzt mit seinen Gastgebern eine oberflächliche Unterhaltung über Getreidesorten, Dorfskandale und die Erlaubnis, Ale zu brauen, begonnen. Corbett betrachtete den schwarzgekleideten Bevollmächtigten eingehend. Dieser hatte eine Schwäche: Er trank gern. Er trank Burgunder, Bier und Ale, wie ein Pferd Gras frißt, ohne daß das irgendeine Wirkung zeitigte. Corbett fragte sich, ob er nicht als Meisterspion des Königs etwas mehr Zeit darauf verwenden sollte, sich mit Monck zu beschäftigen, um seine Gewohnheiten und vielleicht weitere Schwächen kennenzulernen. Corbett mußte lächeln – Maeve zog ihn immer mit seiner eigenen Geheimniskrämerei auf und damit, daß er auch noch das scheinbar Unwichtigste genauer Prüfung unterzog.

Das Lächeln gefror ihm auf den Lippen. In dieser Angelegenheit war der König wirklich verschlagen und verschwiegen gewesen. Was hatte Monck in Wirklichkeit hier zu suchen? Einer von Corbetts Informanten im Schatzamt hatte berichtet, daß Monck mehrere Tage im Tower verbracht hatte, um Akten zu sichten und Informationen zu sammeln. Das war vor sechs oder sieben Wochen gewesen, nicht lange nach Michaeli. Monck war anschließend aus London verschwunden. Corbett hatte gerüchteweise gehört, daß er sich in Norfolk aufhalte, das aber unwichtig gefunden und nicht weiter beachtet. John de Warenne besaß dort Ländereien, und Monck hatte sich schon oft für den Earl als Verwalter betätigt. Corbett schloß halb die Augen. Er nahm seinen Becher von einer Hand in die andere. Warum ausgerechnet das Schatzamt? Gott wußte, daß es dort nichts zu holen gab. Edward befand sich in außerordentlichen Geldschwierigkeiten: Er mußte die Reste seiner Flotte finanzieren und außerdem einen verlustreichen Krieg gegen den schottischen Aufrührer William Wallace führen, der große Verluste verursachte. Corbett zuckte zusammen, als er Moncks kalte Finger auf seiner Hand spürte.

»Hugh, Hugh, träumt Ihr?«

Der Bevollmächtigte rieb sich die Augen und lächelte Sir Simon entschuldigend an.

»Nein, nein, ich bin müde.«

»Hoffentlich nicht zu müde, Hugh«, sagte Gurney. »Wir geben heute abend zu Euren Ehren ein Bankett. Ich habe Gäste geladen, Father Augustine, unseren Dorfgeistlichen, und Lady Cecily, die Priorin des Holy Cross Convent, und unseren Medikus, Selditch. Mein Gefolgsmann Catchpole wird ebenfalls erscheinen.«

»In diesem Fall ...«

Corbett erhob sich gerade, als Maltote mit zerzaustem Haar, den Schlaf noch in den Augen, in den Raum stürzte und Corbett flehend anschaute.

»Herr, es tut mir leid, ich wußte nicht, daß Ihr gekommen seid.

Ich war nach oben gegangen und eingeschlafen.«

Corbett lächelte beim Anblick der unschuldigen und offenen Züge seines Kuriers.

»Mach dir keine Sorgen, Maltote.«

Corbett gab Ranulf ein Zeichen, ihre Stiefel und Mäntel mitzunehmen. Er verbeugte sich in Richtung der anderen und gestattete es Gurneys Verwalter, sie zu einer Wendeltreppe zu ihrem Zimmer zu führen. Maltote, der immer noch nicht ganz wach war, hatte Schwierigkeiten, auf Ranulfs Spott zu reagieren, und hätte ohne Hilfe des Verwalters nicht wieder in das Zimmer zurückgefunden, das sie teilen sollten. Dieser erklärte, das Haus sei voller Besucher und Gäste, so daß nicht alle ein Einzelzimmer bekommen könnten. Corbett dankte ihm, drückte ihm eine Münze in die Hand und schloß dann leise die Tür hinter ihm.

In dem Zimmer standen drei Betten mit dicken Matratzen und schweren Keilkissen, die vermutlich mit Schwanenfedern gefüllt waren. Auf dem Holzfußboden lagen wollene Teppiche, und es brannten so viele Kerzen, daß sich Corbett an eine Kirche erinnert fühlte. Nach der strapaziösen Reise kam dem Bevollmächtigten dieser warme und süßlich duftende Raum äußerst luxuriös vor. Am Fußende eines jeden Bettes standen eine Truhe und außerdem an der Wand ein großer Schrank. An der Wand hingen zwei Gemälde: Christus’ Auseinandersetzung mit dem Teufel in so leuchtenden Farben, daß sich der schwarze Versucher wirklich vor dem Gottessohn zu winden schien. Das andere war eine friedlichere Szene, eine junge Frau mit Stickerei vor einem Fenster mit Blick auf die tiefblaue See.

Ranulf und Maltote waren bereits in eine Unterhaltung vertieft. Sie saßen auf einer Bettkante und stöhnten über den kalten und unwirtlichen Landstrich, in den es sie verschlagen hatte. Die Diener hatten bereits ihre Satteltaschen ausgepackt. Corbetts Urkundenbeutel war natürlich unberührt: Er war mit Schnallen versehen und mit einem persönlichen Siegel gesichert. Corbett durchquerte das Zimmer und öffnete eines der Bleiglasfenster. Er kümmerte sich nicht weiter um Ranulfs Proteste und ließ die kalte Nachtluft hereinströmen. Ihr Zimmer lag offensichtlich zum Meer hin, denn das Rauschen des Meeres war schwach zu hören. Der Nebel hob sich. Er konnte einen Flecken Wasser erkennen und hörte schwach den Schrei der Möwen. Gerade schloß er das Fenster wegen der Kälte, als eine große Motte, die vom Licht angezogen worden war, hereinflatterte.

»Warum sind wir hier, Herr? Ich meine, warum sind wir wirklich hier?« Ranulf stellte die Frage für sich, aber auch für Maltote.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete Corbett. »Ich weiß nur, daß der König und John de Warenne einen geheimen Plan haben, deshalb ist Monck auch hier. Wir werden es früher oder später schon erfahren.« Er starrte auf das Bleiglas. »In London ist es jetzt bereits dunkel. Maeve wird noch am Tisch sitzen. Und Uncle Morgan wird eine von seinen Geschichten erzählen.«

Corbett nagte an seiner Unterlippe. Maeves Onkel hatte nur ein paar Wochen bleiben wollen und wohnte jetzt schon fast ein Jahr bei ihnen. Der ausgelassene walisische Edelmann war immer voller Pläne, er stürzte sich begierig in die Londoner Gesellschaft und gab sich gern dem Genuß von Ale hin. Früher oder später torkelte er dann nach Hause und sang dann seine Großnichte, die kleine Eleanor, mit einem walisischen Wiegenlied in den Schlaf.

»Eigentlich sollte ich jetzt dort sein«, sagte Corbett halblaut.

»Wie bitte, Herr?«

Corbett machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen, sondern schüttelte nur den Kopf. Ranulf verzog das Gesicht und blinzelte Maltote zu.

»Der alte Meister Langschädel hat wieder eine von seinen Launen!« flüsterte er.

Zur Abwechslung hatte Ranulf einmal recht. Corbett machte sich Sorgen. Er hatte zuviel Zeit getrennt von Maeve und seiner Tochter verbracht. Oh, seine Frau wurde damit ohne Schwierigkeiten fertig. Sie kümmerte sich um ihre Geschäfte, und ihre Gerissenheit machte sie zum Schrecken aller Kaufleute. Das Gut Leighton hatte reiche Ernten zu verzeichnen. Aber der König wurde alt, und seine Launen gestalteten sich immer unberechenbarer und grausamer. Und wenn er starb, was dann? Würde der Prinz von Wales mit seiner Leidenschaft für Jagd, Musik und hübsche junge Männer die Dienste von Corbett immer noch benötigen? Der Krieg mit Frankreich würde ein Ende nehmen – der Prinz war bereits mit der Tochter Philipps IV., Isabella, verlobt. In Schottland würde Wallace früher oder später geschlagen werden – es war nur noch eine Frage der Zeit, wann die Truppen des Königs ihn fangen und dann töten oder zur Hinrichtung nach Süden bringen würden.

Vielleicht sollte ich die Dienste des Königs jetzt verlassen, dachte Corbett, sollte dem Beispiel Gurneys folgen und mich auf mein Gut zurückziehen, die Felder bestellen und Schafe züchten, Kaufmann werden und die Wolle an die Webstühle Flanderns verkaufen. Er mußte lächeln. Als er das einmal zu Maeve gesagt hatte, hatte diese sich vor Lachen nicht mehr halten können, sie war auf die Kissen zurückgesunken, ihr blondes Haar lag fächerförmig um ihren Kopf. Sie hatte so sehr gelacht, daß Corbett sie nicht einmal mehr durch Küssen zur Ruhe hatte bringen können. »Du als Bauer!« hatte sie mit Spott in der Stimme zu ihm gesagt. »Das kann ich mir wirklich vorstellen. Du würdest Berichte schreiben, wie sich die Böcke aufführen, wie die Äpfel gedeihen und ob sich der Obstgarten wirklich an der besten Stelle befindet«

»Gelegentlich habe ich meine Arbeit einfach satt«, hatte er damals hitzig erwidert.

Maeve war ernst geworden. Sie hatte in dem Himmelbett gelegen und die Decken enger um sich gezogen.

»Gefällt dir deine Arbeit nicht, Hugh? Du haßt vielleicht die Aufgaben, die der König dir zuteilt, aber möglicherweise bist du deswegen so geeignet für sie.« Sie hatte sich zu ihm hinübergebeugt und das gegerbte Gesicht ihres Mannes in beide Hände genommen. »Was immer du sagen magst, Hugh Corbett, du bist besessen vom Drang, die Wahrheit herauszufinden und ...«

»Und was?« hatte er sie unterbrochen.

Maeve hatte nur gekichert.

»Wie Ranulf sagt, du hast einen sehr langen Schädel!«

Corbett schaute auf, als die Motte gegen die Fensterscheibe schlug.

»Es ist sehr dunkel«, murmelte er. »Gott allein weiß, wann wir wieder Licht sehen.«

Ranulf sah ihn seltsam an. Er fragte sich, ob sein Herr über das Wetter sprach oder über die Geheimnisse, denen sie sich gegenübersahen.

Kapitel 2

Marina rannte um ihr Leben. Sie hatte die Augen aufgerissen, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Mund war trocken. Der eiskalte Stechginster schlug an ihre Beine und verfing sich in ihrem braunen Umhang. Sie blieb schwer atmend stehen und verfluchte den Nebel. Dann drehte sie sich um wie ein verängstigtes Reh.

»Wohin soll ich nur gehen?« Sie stöhnte.

Der Nebel um sie herum wurde dichter. Sie ließ sich auf alle viere fallen und rang nach Atem. Sie mußte sich in Sicherheit bringen, kauerte wie ein wildes Tier in der Dunkelheit und spitzte die Ohren. Eine Eule, die auf den flachen Landzungen jagte, stieß einen düsteren Schrei aus, und eine Füchsin, die in der Nähe des Dorfes umherstreifte, jaulte den nebligen Himmel an.

Die junge Frau leckte sich über ihre trockenen Lippen. Wohin sollte sie gehen? Die Dörfler würden sie davonjagen. Father Augustine? Er würde sie nur anbrüllen. Vielleicht sollte sie doch zur Eremitage zurückkehren! Dort würde man ihr möglicherweise helfen, wenn sie ihren Freunden erzählte, was sie wußte. Aber in welcher Richtung lag die Eremitage nur? Sie schaute sich um und erinnerte sich lebhaft an früher, als sie mit den anderen Kindern des Dorfes auf dem Kliff Feen und Elfen gespielt hatte. Sie hatten die Augen geschlossen und sich ihre Paläste vorgestellt. Aber was sollte sie jetzt tun? Sie ging weiter und erstarrte. Hinter ihr knackte ein Zweig.

»Marina!« rief eine Stimme leise. »Marina!«

Sie konnte es nicht länger ertragen. Sie rannte einfach los, es war ihr gleichgültig, ob sie in einen Teich fiel oder in einen Sumpf geriet. Solange sie rannte, war sie sicher. Der Boden unter ihren Füßen schien jedoch auf einmal zum Leben zu erwachen. Das Dornengestrüpp und der Ginster kratzten wie grausame lange Fingernägel an ihren Knöcheln. Sie sah in der Ferne ein Licht und hätte vor Freude schreien mögen. Ihre Beine wurden schwer. Sie rannte, aber ein Ginsterbusch verfing sich um ihren Knöchel wie eine Schlinge. Sie fiel auf die harte, kalte Erde. Sie versuchte gerade wieder auf die Füße zu kommen, als sie hinter sich die leichten Schritte hörte. Sie drehte sich noch halb um, da zog sich schon eine Schlinge um ihren Hals zusammen.

Das laute Klopfen des Verwalters rief Corbett und seine beiden Gefährten in die herrschaftliche Halle. Gurneys Diener hatten die große Tafel in der Mitte des Raumes gedeckt. Auf der grünen Tischdecke aus schwerem, golddurchwirktem Seidenstoff standen zweiarmige Leuchter, die ein behagliches Licht verbreiteten. Es duftete angenehm süßlich, aromatische Kräuter lagen in Tongefäßen unter der Tafel und waren außerdem auf das lodernde Feuer gestreut worden und auf die kleinen Kohlenbecken, die in den Ecken standen. Auf dem Boden lag einer der kostbarsten Teppiche, die Corbett je gesehen hatte. Kostbare türkische Stoffe, Wimpel mit Wappen und leuchtende Banner hingen von der Stichbalkendecke. Statt des Steinguts und der Zinnlöffel, mit denen sonst gedeckt wurde, zierten den Tisch Silberteller, goldene Messer und edelsteinbesetzte Gewürzdosen.

Gurney und seine Frau hatten sich umgezogen. Alice trug jetzt ein braunrotes Kleid, dessen hoher Kragen ihren schwanenhaften Hals noch betonte. Es wurde von einer Goldkordel in der Taille zusammengehalten. Eine Haube aus dichter Gaze verbarg ihr wunderschönes Haar. Sie war mit einer Silberschnur befestigt. Sir Simon trug ein rotbraunes Gewand, grüne Beinkleider und braune Lederstiefel. Das Gewand war vorne mit grüner Seide verziert und geschlitzt, die Ärmel waren aus dunkelblauem Taft. Corbett hoffte, daß er und seine beiden Getreuen dem kritischen Blick der Gesellschaft standhalten würden. Er kam sich in seinem dunkelbraunen Wams eher nachlässig gekleidet vor, bis er Monck erblickte, der wie gewöhnlich ganz in Schwarz erschienen war.