Das Mädchen mit den roten Schuhen - Jodi Picoult - E-Book

Das Mädchen mit den roten Schuhen E-Book

Jodi Picoult

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Beschreibung

Scharf beobachtet und bewegend geschildert - der alltägliche Rassismus, der uns alle angeht.

Die achtjährige Ruth Brooks wurde von einer Eliteschule in New York aufgenommen. Eine seltene Chance, denn sie ist Afroamerikanerin und lebt mit Mutter und Schwester in bescheidenen Verhältnissen. Und sie setzt alles daran, diese Chance zu nutzen. Je mehr sie sich jedoch bemüht, sich zu integrieren, umso deutlicher wird es, dass manche Menschen nicht beachten, was sie mit anderen verbindet, sondern nur, was sie unterscheidet. Mit der Zeit wird eine bittere Ahnung Gewissheit: in dieser neuen Umgebung zu sein, heißt noch lange nicht, ein Teil davon zu werden ….

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Seitenzahl: 92

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Zum Buch

Ruth Brooks ist acht Jahre alt, und es ist ihr erster Schultag in Dalton, einer Eliteschule in Manhattan, in der die Kinder der Reichen und Berühmten unterrichtet werden. Sie stammt aus Harlem, und lebt mit Mutter und Schwester in bescheidenen Verhältnissen. Deshalb hätte sie es sich niemals träumen lassen, so eine große Chance zu bekommen. Und sie ist fest entschlossen, diese zu nutzen. Aber vom ersten Schultag an wird Ruth anders behandelt als die übrigen Kinder. Je mehr sie sich bemüht, sich zu integrieren, umso deutlicher wird es, dass manche Menschen nicht beachten, was sie mit anderen verbindet, sondern, was sie unterscheidet – und da gibt es eine Menge zwischen Ruth und ihren Klassenkameradinnen. Mit der Zeit wird eine bittere Ahnung Gewissheit: in dieser neuen Umgebung zu sein, heißt noch lange nicht, ein Teil davon zu werden, im Gegenteil: das scheint geradezu unmöglich.

Die Autorin

Jodi Picoult, geboren 1967 in New York, hat weltweit eine riesige Fangemeinde und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Hanover, New Hampshire. Ihr neuer Roman Kleine große Schritte stand wochenlang an der Spitze der amerikanischen Bestsellerlisten, wurde von der LA Times zum »Pageturner des Jahres« gekürt und als zeitgemäße Nachfolge von Harper Lees Roman Wer die Nachtigall stört gefeiert. Das Mädchen mit den roten Schuhen erzählt die Vorgeschichte zu diesem Roman.

JODI PICOULT

Das Mädchen mit den roten Schuhen

Eine Kurzgeschichte zum Roman Kleine große Schritte

Aus dem Amerikanischen von Elfriede Peschel

C. Bertelsmann

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »Shine« als E-Book Only bei Ballentine Books, a division of Random House, New York.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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© 2016 by Jodi Picoult© 2017 by C. Bertelsmann Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbHNeumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: www.buerosued.de, MünchenThis translation is published by arrangement with Ballantine Books,an imprint of Random House, a division of Random House LLC.Redaktion: Gerhard SeidlSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-21960-4V002
www.cbertelsmann.de

SEPTEMBER 1979

An Ruth Brooks’ erstem Schultag in der renommierten Dalton School saß sie am Morgen in der Küche einer anderen Familie und wartete darauf, dass ihre Mutter ihr das Pausenbrot einpackte.

»Du verhältst dich wie ein Gast«, wies ihre Mutter sie an und strich die gleiche Erdnussbutter auf die gleiche Brotsorte, die auch in Christinas Pausenbrotdose gepackt wurde. »Du gibst ihnen keinen Anlass, dich nicht wieder einzuladen.«

In der Vergangenheit war Ruth nur gelegentlich ins Haus der Hallowells mitgekommen, aber das sollte sich nun ändern. Jetzt würde Sam Hallowells Chauffeur sie und Christina jeden Morgen in einem glänzenden schwarzen Auto durch den Central Park zur Upper East Side – einundneunzigste Straße – fahren, wo sie die dritte Klasse besuchen würde. Am Ende des Schultags würde sie zusammen mit Christina zurückkommen, um in deren Zimmer zu spielen oder in der Küche Hausaufgaben zu machen, bis ihre Mutter mit der Arbeit fertig war. Dann würden sie den Bus nach Harlem nehmen, zurück in ihre eigene Wohnung, wo Großmutter und Rachel auf sie warteten.

Ruth wusste, dass sie sich glücklich schätzen konnte, diese vornehme Schule zu besuchen. In der ersten Klasse hatten sie und ihre Schwester Rachel eine Schule besucht, auf die vorwiegend Kinder aus orthodoxen jüdischen Familien gingen. Ruth hatte es dort gefallen – alles, von den Steckwürfeln fürs Zählen bis zur Filztafel mit einer weichen Sonne, einer lustlosen Wolke, einem Blitz, einer Schneeflocke. Aber allein schon die Hin- und Rückfahrt im Bus dauerte jeweils zwei Stunden. In der zweiten Klasse kam Ruth dann auf die städtische Schule in Harlem. Ein krasserer Unterschied zu ihrer ersten Schule war kaum vorstellbar. In der Schulbücherei gab es keine Bücher, aus denen nicht die meisten Seiten herausgerissen waren. Die Lehrer verbrachten mehr Zeit mit Schreien als mit Unterrichten. Rachel war nie eine fleißige Schülerin gewesen, aber für Ruth war es, als würde man ihr die Lebenskraft rauben. Sie wusste nicht, welche Gespräche zwischen Ms. Mina und Mutter zu diesem Vollstipendium geführt hatten, aber sie hatte einen Test gemacht und diesen gut bestanden, und das war es dann – sie war angenommen. Und sie war dankbar.

Das jedenfalls sollte sie sein.

Sie schlenkerte mit den Beinen auf dem Küchenstuhl und dachte an Rachel, die nicht schon um 5.30 Uhr aufstehen musste, um zur Schule zu gehen. Rachel besuchte dieses Jahr die fünfte Klasse und glaubte, alles zu wissen. So klärte sie Ruth etwa vergangene Nacht darüber auf, dass sie vermutlich das einzige schwarze Mädchen in der ganzen Schule sei und keiner mit ihr reden würde. Auf der Busfahrt hatte Ruth dann ihre Mutter gefragt, ob das stimme. »Miss Christina wird mit dir reden«, hatte ihre Mutter erwidert. »Ihr beide kennt euch ja schon immer.«

Aber es war ein Unterschied, ob man zufällig an einem Samstag das Stadthaus besuchte, um mit Barbies zu spielen, oder tatsächlich auf dieselbe Schule wie Christina ging. Außerdem besuchte Christina diese Einrichtung schon seit dem Kindergarten und hatte dort bereits Freundinnen. Beim bloßen Gedanken daran schnürte es Ruth die Kehle zu.

Christina kam in die Küche gesprungen. Ihr Haar wurde von ihrer Lieblingshaarspange mit den aufgeklebten Seidenrosen am Hinterkopf zusammengehalten. Sie trug einen makellosen rosa Rucksack.

»Zeit zum Aufbruch«, flötete sie. »Bist du bereit Ruth?«

Ruth sprang vom Stuhl. Ihre Mutter strich ihr die Jacke glatt und reichte ihr eine der Dosen mit dem Pausenbrot. »Hier meine Kleine«, sagte Mutter dann zu Christina, »vergiss das nicht.«

Christina nahm die andere, gleich aussehende Dose. Als Ruth ihr in die Diele folgte, wartete dort Ms. Mina mit dem kleinen Louis im Arm. Er war erst drei, ging noch nicht einmal auf die Vorschule und war auch nicht besonders erfolgreich beim Töpfchentraining. »Bist du aufgeregt, Ruth?«, erkundigte sich Ms. Mina. »Dein erster Tag!«

»Ja, Ma’am«, sagte Ruth. Aufgeregt und ängstlich fühlten sich an, als wären sie ein und dasselbe.

Die Limousine wartete bereits vor dem Stadthaus. Sobald sie einen Fuß nach draußen setzten, sprang ein Mann aus dem Wagen wie ein aufplatzendes Popcorn. Er öffnete die hintere Tür und machte eine kleine Verbeugung. »Miss Christina«, sagte er. »Miss Ruth.«

Wenn Rachel das sehen könnte, würde sie sich ereifern. Können die nicht mal selbst Autotüren öffnen?

Ruth bedankte sich und schnallte sich an. Sie und Christina winkten ihren Müttern auf der Treppe so lange zu, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwanden. »Warte, bis du Lola kennenlernst«, sagte Christina. »Lola hat einen Affen als Haustier. Ich schwör’s. Der hat irgendwas mit der Arbeit ihres Dads zu tun.« Sie neigte sich Ruth zu. »Er trägt eine Windel.«

Ruth malte sich aus, wie sie zum Haus einer neuen Freundin ging und dort einem Affen in einer Windel begegnete. Sie stellte sich vor, wie sie ihm einen Trick beibrachte, etwa zu klatschen oder so, und ihre neue Freundin dann allen anderen erzählte, was Ruth getan hatte.

Und plötzlich waren sie da. Der Fahrer öffnete die Tür, und Christina schoss aus dem Wagen und schlang kreischend die Arme um ein Mädchen mit silberblonden Haaren. Vielleicht Lola? Sie sah sich nicht um. Sie redeten so schnell, dass es sich wie eine andere Sprache anhörte.

Der Fahrer reichte Ruth ihren Rucksack an, der im letzten Jahr Rachel gehört hatte. »Einen schönen Tag, Miss Ruth«, sagte er sanft.

Und in diesem Moment wurde Ruth bewusst, dass sie von ihrer Mutter auf ihre andere im Bus gestellte Frage keine Antwort bekommen hatte: Würde es auf der Dalton jemanden geben, der aussah wie sie?

Ruth betrat den Gehweg. Dann holt sie tief Luft und tauchte ein in eine Woge aus Weiß.

Auf der Dalton wurde man nicht dem Klassenzimmer eines Lehrers zugeteilt, sondern einem Haus – was, wie Ruth rasch herausfand, nur ein hochtrabender Begriff für einen Haufen Kinder war, die alle im selben Alter waren.

Christina gehörte zu ihrem Haus genauso wie das Mädchen mit dem silberblonden Haar – Lola. Ruth folgte ihnen in Ms. Thomas’ Zimmer und wartete dort auf eine Gesprächspause, damit sie sich vorstellen konnte, wie Mutter ihr das beigebracht hatte. Sie wartete darauf, dass Christina ihr beisprang und sagte: Das ist Ruth. Aber Christina duckte sich an ihr vorbei und rannte zu den Regalfächern. »Lola«, rief sie. »Wir haben unsere nebeneinander!«

Im letzten Jahr hatte Ruth kein Regalfach gehabt. Sie legte ihre Pausenbrotdose unten ab und hängte die Jacke auf einen Haken. Als sie sich umdrehte, sah sie sich einer hübschen Rothaarigen gegenüber, die ihr in Hockstellung eine Hand entgegenstreckte. »Ich bin Miss Thomas«, stellte sie sich vor. »Ich bin die Beraterin dieses Hauses.« Ruth vermutete, dass dies das Dalton-Wort für Lehrerin war. »Und wie heißt du?«

»Ruth«, sagte sie.

»Gut, Ruth, wir freuen uns sehr, dich in diesem Jahr bei uns zu haben.«

Ruth nickte. Aber sie fragte sich, von wem Ms. Thomas sonst noch sprach, wer mit diesem wir gemeint war.

Sie spielten ein Spiel, in dem jeder einen Rhythmus klatschte, der zu seinem Namen passte, und alle anderen mussten diesen nachahmen. Ruth klopfte sich auf ihr rechtes Knie, auf ihr linkes Knie und wedelte dann mit den Händen, als würde sie in der Kirche Halleluja singen. Ruth sagten alle und machten dann die Bewegungen nach, die sie gemacht hatte. Dabei musste sie an Großmutters Geschichte denken, wie diese einmal in den französischen Teil von Kanada gekommen war und nur mittels einer Scharade nach der Toilette fragen konnte.

Ms. Thomas trug eine doppelte Perlenschnur um den Hals, die im Nacken von einer glitzernden Spinnenspange zusammengehalten wurde, und Ruth zählte jedes Mal mit, wenn diese Spinne nach vorn rutschte und Ms. Thomas sie wieder zurechtrücken musste. Ms. Thomas zeigte allen ein Foto von ihr in einem weißen Prinzessinnenkleid mit einem hübschen Mann im Smoking an ihrer Seite. Es sah aus, als würde Schnee auf sie herabrieseln, aber es war Reis. Sie erzählte ihnen, dass der Name ihres Ehemanns David war, und reichte dann noch ein weiteres Foto mit einem sehr kleinen Hund namens Cäsar herum. »Das ist meine Familie«, sagte sie. »Und jetzt möchte ich, dass ihr mir ein Bild von eurer malt.«

Ruth wurde zusammen mit einem Jungen namens Marcus – einmal oben laut klatschen, unten leise klatschen – und einem Mädchen namens Maia – zartes Klatschen um das Gesicht herum, wie Blütenblätter einer Sonnenblume – an einen Tisch gesetzt. Ruth hatte gesehen, wie Marcus sich, während alle im Kreis saßen, in der Nase gebohrt hatte, und aufgrund dessen sowie der Tatsache, dass er ein Junge war, war ihr Interesse an ihm eher gering. Maia jedoch war die einzige andere Schülerin im Haus, die neu auf der Dalton war. Sie war von Dallas hergezogen. Ihre roten Haare waren wie ein Feuerfluss, den ein Haarreif aus Glitzersteinen zurückhielt. Sie hatte einen Akzent und sprach mit melodischer Stimme.