Das Mädchen vom Siebenstern - Mario Lichtenheldt - E-Book

Das Mädchen vom Siebenstern E-Book

Mario Lichtenheldt

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Beschreibung

Vier Jahre sind vergangen, seit Moritz, Anne und Jakob allerlei spannende Abenteuer erlebt haben. Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an Herrn Zwiebelnase, der Moritz' Oma aus Versehen seinen Daumen verkauft hat, oder an die Hühner von Nachbar Hahnemann, in deren Nestern sich plötzlich gestempelte Eier fanden. Nun sind die drei Freunde in der 4. Klasse und haben alle Hände voll zu tun - bei der Suche nach Lena und Frechdachs zum Beispiel, einem Mädchen und seinem Pony, die im Wald verschwunden sind; oder bei der Jagd nach einem Umweltrowdy, der seinen Müll einfach in der Natur abkippt und dabei einen Waldbrand verursacht. Julia, die "Neue" in der Klasse, findet schnell Anschluss an die drei Freunde - dank Frieda und Herrn Neumann, den beiden verliebten Meerschweinchen. Gemeinsam mit Nene, einem teuflischen Mädchen aus dem Nachbardorf, versetzen Moritz, Anne, Jakob und Julia mitten in der Nacht zwei besonders dumme Holzdiebe in Angst und Schrecken und sie lernen Simon kennen, einen blinden Jungen, der mit den Fingern lesen kann und eine Geheimschrift entdeckt. Während einer Mondscheinwanderung begegnen die Kinder der buckligen Paula, die sie für eine Hexe halten, und sie entdecken ein in den Fels geritztes, rätselhaftes Zeichen, das ihnen den Weg zu einer geheimnisvollen Höhle weist. Mysteriöse Sternenbilder an den Höhlenwänden, ein uraltes Buch auf Omas Dachboden, in dem die berühmte Himmelsscheibe von Nebra zu sehen ist, und die Begegnung mit Charlotte, dem Mädchen vom Siebenstern, machen den Kindern schließlich bewusst, dass eine große Gefahr nicht nur die Wälder rund um ihren Heimatort, sondern die ganze Erde, das Leben, die Gesundheit und das Glück der Menschen, Tiere und Pflanzen bedroht, eine Gefahr, die man nicht sehen, hören oder anfassen kann...

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Seitenzahl: 216

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Meinen ElternRainer und Inge Lichtenheldtin Liebe und Dankbarkeitgewidmet

Mario Lichtenheldt

Das Mädchenvom Siebenstern

und weitere Geschichten vonMoritz und seinen Freunden

© 2014 Mario Lichtenheldt

Co-Autorin: Luisa Große

Illustration: Thelma-Louise Spiske

Verlag: tredition GmbH, Grindelallee 188, 20144 Hamburg

ISBN: 978-3-8472-8606-6 (Paperback)

ISBN: 978-3-7345-3738-7 (Hardcover)

ISBN: 978-3-7345-3763-9 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autoren unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

INHALT

Lena und Frechdachs

Die Umweltdetektive

Ein Meerschweinchen namens Frieda

Die bucklige Paula

Die Höhle im Saurierfelsen

Das Zeichen im Stein

Die Höhle im Saurierfelsen

Herr Pluto und Herr Kolumbus

Die Himmelsscheibe – Was ist Zeit?

Der Mondkalender

Der Sonnenkalender

Ein unsichtbarer Planet

Das Mädchen vom Siebenstern

Immer wieder Einstein

Nene und die weiße Taube

Geheimgang in die Tiefe

Ein unterirdischer Regenbogen

Die Taube in der Felsenschlucht

Clara und das Geheimnis der Brieftauben

Nene – das Teufelsmädchen

Nene, Wirbelwind und Josefine

Nene und die dummen Holzdiebe

Simon und das Buch mit Pickeln

Rumpelstilzchen im Freibad

Der außerirdische Herr Immelmann

Mission Erde

Herrn Zahl‘s Zahlensalat

Charlotte

Über dieses Buch

Bildnachweis

Lena und Frechdachs

Schnell wie ein Pfeil saust ein buntes Spielzeugboot über den kleinen See am Waldbach. Es heißt „Jenny“ und Jakob lenkt es vom Ufer per Fernsteuerung. Gestern hat er einen neuen, stärkeren Motor eingebaut und nun ist die „Jenny“ so schnell, dass sie ihre Höchstgeschwindigkeit auf dem kleinen See gar nicht erreichen kann, ohne am anderen Ufer auf Grund zu laufen. Trotzdem macht es Jakob, Anne und Moritz riesigen Spaß, das kleine Motorboot um Hindernisse herum zu steuern und so schnell fahren zu lassen, dass es manchmal sogar ein Stück übers Wasser fliegt.

Drüben, auf der anderen Seite des Waldbaches, beobachtet ein weißes Pony misstrauisch das auf dem Wasser hin und her schwirrende Schiffchen.

Manchmal bleibt die „Jenny“ im Ufergebüsch hängen. Dann springen Anne und Moritz ins Wasser und befreien das Schiff. Damit jeder einmal ans Steuer darf, wechseln sich die Kinder ab.

Vorsichtshalber haben Moritz, Anne und Jakob Badesachen angezogen; außerdem wollen sie später noch ein bisschen im Wasser herumtoben.

„Mayday!“, ruft Jakob plötzlich laut. „Motorschiff ‚Jenny‘ ist mit einem U-Boot zusammengestoßen!“

Mayday ist ein Notruf, den Schiffe und Flugzeuge überall auf der Welt benutzen, wenn sie in Not geraten. Ob die „Jenny“ wirklich mit einem U-Boot zusammengestoßen ist?

Sofort springen Moritz und Anne ins Wasser, um zu helfen. Anne kommt zuerst bei der „Jenny“ an. Aber was ist denn das?

„Das ist kein U-Boot!“, ruft Anne, „Es ist eine Flaschenpost!“

Doch im gleichen Moment wird die geheimnisvolle Flasche von einer großen Welle davongetragen. Anne kann gerade noch erkennen, dass sich im Inneren eine Papierrolle befindet, die von einem feuerroten Band zusammengehalten wird.

„Eine Flaschenpost?“, fragt Jakob unläubig.

„Ja, dort schwimmt sie!“, ruft Anne und zeigt aufgeregt flussabwärts, wo die Flasche soeben zwischen einigen großen Blättern verschwindet.

Die Kinder sind sofort begeistert und laufen und springen der Flaschenpost hinterher, erst im Wasser, das nach allen Seiten spritzt, dann am Ufer, wo sie viel schneller rennen können. Gebüsch und hohes Gras peitschen gegen ihre nackten Beine. Moritz, Anne und Jakob laufen über sumpfige Wiesen, runde Steine und sogar durch Brennnesseln. Das tut ein bisschen weh, aber vor lauter Aufregung spüren es die Kinder fast gar nicht.

„Wo ist sie?“, fragt Jakob ganz außer Atem, als er die Flasche nirgends mehr sehen kann.

„Wir waren zu langsam!“, schimpft Moritz.

Die Flasche ist weg. Auch Anne ist enttäuscht. Die Beine des Mädchens sind ganz schwarz vor lauter Schmutz. Anne ist durch den Schlamm am Ufer des Baches gerannt.

„Du siehst ja aus wie ein Schwarzfußindianer!“, lacht Jakob, als er Anne sieht. Das Mädchen überlegt eine Weile. Schwarzfußindianer? Die gibt es wirklich! Sie leben in Indianerzelten, die man Tipi nennt.

„Wollen wir ein Tipi bauen?“, fragt Anne plötzlich. Die Jungen sind begeistert.

„Auf der Wiese am Waldsee, das wäre toll!“, ruft Moritz.

Die Idee, ein echtes Indianerzelt zu bauen, tröstet die Kinder ein wenig darüber hinweg, dass sie die Flaschenpost nicht wiedergefunden haben.

Doch das Tipi muss warten, denn plötzlich blinkt und blitzt hinter einem riesigen grünen Blatt etwas auf und blendet Anne genau in ihr linkes Auge.

„Die Flaschenpost!“, schreit Anne aufgeregt.

Tatsächlich! Die Flasche ist gar nicht davon geschwommen. Sie hat sich am Ufer im Gebüsch verfangen.

Blitzschnell sind die Kinder wieder im Wasser und kämpfen sich prustend und spritzend zur Flasche vor. Diesmal entwischt ihnen die Flaschenpost nicht.

„Anne soll sie aufmachen!“, schlägt Moritz vor, nachdem alle drei Freunde schnaufend und pitschnass wieder am Ufer angekommen sind.

Heraus fällt ein zusammengerollter Brief. Schnell sind die beiden Stoffbänder geöffnet und das Blatt auseinandergerollt. Es enthält einen kurzen Text und darunter eine Zeichnung: ein Mädchen, das auf einem weißen Pony reitet.

„Merkwürdig“, sagt Moritz. „Das Pony sieht genauso aus, wie das auf der Wiese, das wir vorhin gesehen haben!“

Nun liest Anne vor, was in der Nachricht steht:

„Ich heiße Lena und bin 9 Jahre alt. Mein Pony heißt Frechdachs. Er ist weggelaufen, weil meine Eltern ihn verkaufen wollen.

Frechdachs ist schneeweiß und brav. Wenn Du Frechdachs findest, sei bitte lieb zu ihm und verstecke ihn!

Deine Lena“

***

„Wir haben eine Flaschenpost gefunden!“, rufen die Kinder wie aus einem Mund, noch bevor Annes Mutter überhaupt versteht, weshalb die drei Freunde so eilig ins Haus stürmen. Doch da liegt der geheimnisvolle Brief auch schon auf dem Küchentisch.

Es dauert einige Sekunden, bis Annes Mutter ihn gelesen hat. Ihr Gesicht sieht dabei sehr besorgt aus.

„Kennt ihr Lena?“, fragt sie dann.

„Ja! Lena geht in die 3. Klasse“, antwortet Moritz.

„Wir haben Frechdachs gesehen!“, ruft Jakob aufgeregt.

„Wir müssen ihn suchen, bevor er noch weiter weg läuft!“, meint Anne und möchte am liebsten sofort losradeln, um das Pony in Sicherheit zu bringen.

„Am besten, ihr fahrt gleich einmal zu Lena und erklärt ihren Eltern, wo ihr das Pony gesehen habt“, rät Annes Mutter.

„Ihren Eltern?“, fragt Moritz vorwurfsvoll zurück. „Aber dann wird Frechdachs verkauft! Wir dürfen es Lenas Eltern nicht verraten!“

„Doch, das müssen wir!“, antwortet Annes Mutter. „Wenn Frechdachs etwas passiert, ist das viel schlimmer! Vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, damit Frechdachs nicht verkauft werden muss?“

„Oh ja! Das wäre toll und Lena wäre nicht mehr traurig!“, freut sich Anne und ist fest davon überzeugt, dass Mama schon eine Idee hat, damit Lena ihren Frechdachs behalten kann.

Bevor die Kinder losfahren, rennt Moritz über die große Wiese nach Hause und holt seine Ausrüstung, die er immer dann bei sich trägt, wenn es gilt, besondere Aufgaben oder Abenteuer zu bestehen. In seinem Trekking-Rucksack hat er zum Beispiel eine Landkarte, einen Zirkel, ein echtes Schweizer Taschenmesser, Dreieck und Lineal, eine alte Zeigeruhr, einen Kompass, ein Seil und einen Feuerwehrgurt verstaut; dazu noch seine starke Spezial-Taschenlampe, die auch unter Wasser funktioniert.

Heute nimmt Moritz außerdem noch 3 kleine Handfunkgeräte mit, damit sich die Kinder bei der Suche nach Frechdachs verständigen können, auch wenn sie weit voneinander entfernt unterwegs sind.

Und schon sausen die drei mit ihren Fahrrädern ins Tal hinunter.

„Lena!“, ruft Anne schon von weitem, doch statt des Mädchens öffnet ein streng dreinblickender Mann die Haustür.

„Lena ist nicht da. Habt ihr sie irgendwo gesehen?“, fragt der Mann noch ein bisschen strenger.

„Nein, wir wollten … es ist … wegen der Flaschenpost …“, stottert Jakob.

„Flaschenpost? Was denn für eine Flaschenpost?“, fragt der Mann ungeduldig.

„Von Lena!“, antwortet Jakob. Doch schon hält Anne ihm den Mund zu.

„Das ist doch geheim!“, schimpft sie.

„Eine Flaschenpost von Lena?“, fragt der Mann aufgeregt und ist plötzlich gar nicht mehr unfreundlich. Er hat wohl gemerkt, dass er den Kindern Angst eingejagt hat.

Jakob nickt nur und schämt sich vor Moritz und Anne, weil der das Geheimnis aus Versehen verraten hat.

„Kommt erst mal rein. Ich bin Lenas Vater. Es ist etwas Schlimmes passiert!“, sagt der Mann an der Tür. „Lena ist verschwunden!“

„Lena auch?!“, wundert sich Moritz.

Wortlos legt Anne den Zettel aus der Flaschenpost auf den Tisch. Lenas Vater liest. Dann schlägt er die Hände vors Gesicht – und weint. Die Kinder sind völlig verdutzt. Noch nie haben sie einen Mann weinen sehen.

„Lena ist weggelaufen! Wahrscheinlich sucht sie Frechdachs. Wir müssen ihn verkaufen, weil wir in eine andere Wohnung umziehen und es dort keinen Stall für ihn gibt. Wir haben auch kein Geld mehr für das Futter, das Heu und das Stroh. Sogar unser Auto haben wir schon verkauft“, schluchzt Lenas Vater.

„Und wenn wir alle unser Taschengeld geben …?“, überlegt Anne laut.

„Ich bekomme kein Taschengeld“, antwortet Jakob traurig.

„Frechdachs könnte bei Nachbar Hahnemann wohnen. Der hat doch auch einen Stall!“, schlägt Moritz vor.

„Das ist eine gute Idee!“, antwortet Lenas Vater. „Ich werde Herrn Hahnemann fragen. Aber zuerst müssen wir Lena und Frechdachs finden.“

Nun kommt auch Lenas Mutter ins Zimmer. Sie hat die Stimmen der Kinder gehört, aber als sie sieht, dass es nicht Lena ist, schluchzt sie.

„Wir haben Frechdachs gesehen!“, erzählt Anne aufgeregt. „Er war am Bach, am kleinen Waldsee, als wir Jakobs Motorboot ausprobiert haben!“

„Moritz hat Funkgeräte mit! Wir können sofort mit der Suche beginnen!“, sagt Jakob.

„Ihr seid ja wirklich auf alles vorbereitet! Gut, dann lasst ihr eines hier bei meiner Frau und die anderen nehmen wir mit auf die Suche“, schlägt Lenas Vater vor. „Wenn ihr wollt, gehen wir gleich los!“

„Bitte findet die beiden, sonst müssen wir die Polizei rufen!“, flüstert Lenas Mutter weinend.

„Moment noch!“, ruft Moritz und packt seine Ausrüstung aus. „Zuerst müssen wir doch wissen, wo wir überhaupt suchen sollen!“

„Da hat er Recht!“, findet Lenas Vater.

Gespannt schauen die Kinder und Lenas Eltern zu, wie Moritz seine Landkarte ausbreitet und darauf einen ganz bestimmten Punkt einzeichnet.

„Was machst du da?“, fragt Anne.

„Wir sind hier.“ Moritz tippt mit der Zirkelspitze auf den Punkt. „Lena geht zu Fuß, also höchstens 4 Kilometer pro Stunde. Wie lange ist sie schon weg?“, möchte Moritz dann wissen.

„Ungefähr zwei Stunden!“, schluchzt Lenas Mutter.

Nun stellt Moritz seinen Zirkel auf 8 km ein. Dazu gibt es am Rand der Landkarte eine Maßstabsleiste.

Schließlich zeichnet der Junge einen Kreis von 8 Kilometer Durchmesser um Lenas Elternhaus auf die Landkarte.

„Hier haben wir Frechdachs gesehen.“ Moritz zeichnet einen zweiten Punkt ein – genau dort, wo auf der Karte der Waldbach zu sehen ist. Dann verbindet er beide Punkte mit einer Linie. „Sie geht also in Richtung Norden! Hier müssen wir suchen!“, verkündet Moritz und klopft wie ein General auf die Landkarte.

Lenas Eltern staunen.

„Nun noch die Codenamen für die Funkgeräte“, bestimmt Moritz:

Nun düsen die Kinder los. Zum Glück haben sie Mountainbikes! Damit kann man durch Schlamm, über große Steine und Wurzeln fahren oder – wie Moritz, Anne und Jakob kreuz und quer über die Wiese zum Bach. Weiter geht es am Bach entlang bis zum Waldsee, wo die Kinder das Pony gesehen haben. Doch jetzt können sie weder Frechdachs noch Lena irgendwo entdecken.

Lenas Vater sucht derweil im Wald auf der anderen Seite des kleinen Waldbaches, wo es steil bergauf geht.

„Basis ruft Adler 1!“ schallt es plötzlich aus den Funkgeräten. „Hier Adler 1“, antwortet Lenas Vater.

Dann werden auch Adler 2 bis 4 gerufen.

„Hier Adler 3. Lena und Frechdachs noch nicht gefunden! Wir suchen weiter!“, antwortet Jakob und fühlt sich dabei wie ein richtiger Polizist.

Die Kinder fahren talabwärts, versinken bis zu den Knien im Sumpf, kämpfen sich wieder frei, müssen die Fahrräder schieben und rufen immer wieder nach Lena und Frechdachs.

„Hier kommen wir mit den Fahrrädern nicht weiter“, stellt Moritz fest, als dichtes Gebüsch den Kindern den Weg versperrt. Rechts geht es steil aufwärts, links fließt der Bach.

„Oh doch!“, widerspricht Anne und was nun passiert, darüber können die beiden Jungen nur staunen. Anne fährt einen Bogen und dann mitten durch den schäumenden Waldbach ans andere Ufer. Das Wasser spritzt nach allen Seiten, aber das Mädchen schafft es!

Nun folgen auch die beiden Jungen.

„Das macht Spaß!“, ruft Moritz den anderen zu und möchte es am liebsten gleich nochmal probieren. Doch dazu ist jetzt natürlich gar keine Zeit. Am anderen Ufer fahren die Kinder weiter.

„Dort! Seht doch!“, ruft plötzlich Jakob. Unter einer Trauerweide kauert Lena. Daneben auf der Wiese steht Frechdachs und stupst das Mädchen mit seiner großen Nase liebevoll an.

Lena weint und Anne setzt sich gleich zu ihr und nimmt sie ganz fest in den Arm.

„Ich geh nicht nach Hause, nie mehr!“, schluchzt Lena traurig, „…nur wenn ich Frechdachs behalten darf.“

„Dein Vater hat gesagt, dass er Herrn Hahnemann fragen will, ob Frechdachs in seinem Stall wohnen darf. Dann kannst du ihn jeden Tag besuchen!“, tröstet Moritz das weinende Mädchen.

„Ja und dann erzählen wir allen im Dorf von Frechdachs und Lena und wenn jeder nur ganz wenig Gras, Heu, Futter oder ein bisschen Geld für Frechdachs gibt, reicht es vielleicht und du kannst ihn behalten!“, schlägt Jakob vor. „Er wohnt dann eben bei Herrn Hahnemann und wir besuchen und füttern ihn jeden Tag!“

„Herrn Zwiebelnase können wir auch fragen! Der hat manchmal Salat in seinem Laden, den er nicht mehr verkaufen kann, weil er nicht mehr ganz frisch ist!“, meint Anne.

„Herr Zwiebelnase ist nicht mehr ganz frisch?“, wundert sich Moritz.

„Nein! Nicht Herr Zwiebelnase! Der Salat ist nicht mehr frisch und deshalb kauft ihn niemand mehr und Herr Zwiebelnase muss ihn in den Müll werfen, obwohl er doch noch gut schmeckt!“, erklärt Anne genervt.

„Manchmal hat Herr Zwiebelnase auch eine große Tonne voller Blätter und Grünzeug, das er z. B. von den Karotten abmacht, den Radieschen oder vom Blumenkohl, weil niemand die Blätter kaufen will“, erinnert sich Moritz.

„Und wir könnten Löwenzahn-Blätter sammeln! Pferde fressen doch gerne Gras!“, meint Jakob.

Lena schaut die Kinder ungläubig an.

„Das würdet ihr alles für Frechdachs tun?“, fragt sie leise und hat nun wieder ein bisschen Hoffnung, dass sie ihr Pony vielleicht doch behalten darf.

„Wir lassen Frechdachs nicht im Stich! Und dich auch nicht!“, antwortet Anne entschlossen und dann legen alle ihre Hände auf Lenas Hände – zum Zeichen, dass die vier Kinder von nun an fest zusammenhalten und für Frechdachs kämpfen wollen.

„Hier Adler 4! Lena und Frechdachs gefunden!“, ruft Moritz nun stolz in sein Funkgerät.

„Wo seid ihr? Geht es Lena gut?“, fragt Lenas Mutter aufgeregt und vergisst dabei doch glatt ihren Codenamen.

Lena weint nun nicht mehr. Aber sie hat sich am Fuß verletzt. Wie soll Lena Frechdachs nach Hause führen, wenn sie nicht richtig laufen kann?

„Sie könnte auf dem Pony reiten“, schlägt Moritz vor. Doch Lena schafft es nicht allein auf den Rücken von Frechdachs und für die Kinder ist das verletzte Mädchen zu schwer.

„Ein kluges Mädchen hat immer einen Faden in der Tasche!“, scherzt Lena nun schon wieder – trotz ihrer Schmerzen. Dann kramt sie ein dünnes Seil hervor, bindet eine Schlinge und reicht sie Anne.

„Du musst sie Frechdachs ganz oben um den Hals legen, dann kannst du ihn führen“, erklärt Lena.

„Ich?“, fragt Anne schüchtern zurück. „Du meinst, ich kann … ich habe noch nie ein Pferd geführt!“

Ein bisschen Angst hat Anne schon, als sie ganz nahe an Frechdachs heran tritt – von links, so wie es Lena gesagt hat. Zuerst wuschelt Anne vorsichtig durch die schönen langen Haare der Mähne, dann streichelt sie das Pony, vom Kopf zum Hals und dann den Bauch. Dadurch lernt Frechdachs das fremde Mädchen kennen und spürt, dass Anne lieb ist. Nun kann Anne das Seil über Frechdachs‘ Kopf streifen.

Jakob hat unterdessen Lenas Eltern per Funk benachrichtigt, dass Lena verletzt ist.

Mutig führt Anne das Pony. Im hohen Gras ist das Mädchen kaum zu sehen, aber das Pferd folgt ganz brav. Frechdachs weiß, dass Lena in der Nähe ist. Wenn Lena bei ihm ist, dann ist alles gut.

Moritz schiebt Annes Fahrrad. Sein eigenes hat er im Wald versteckt, genauso wie Jakob. Der hat Lena an die Hand genommen. Das Mädchen hat schlimme Schmerzen im Fuß und kann nur ganz langsam gehen. Die anderen müssen oft auf Lena und Jakob warten.

Die drei Freunde sind von oben bis unten nassgespritzt und voller Schlamm und sehen nun wirklich aus wie Schwarzfußindianer. Ob die Kinder ihr Tipi doch noch bauen?

„Schaut mal!“, ruft Moritz staunend, als den Kindern plötzlich ein großer Geländewagen entgegenkommt – ein Polizei Jeep mit Blaulicht!

Das Polizeiauto fährt durchs hohe Gras, über Wurzeln und Steine und mitten durch den tiefen Schlamm am Bach.

Vor lauter Angst hat Lenas Mutter doch lieber die Polizei gerufen, aber zum Glück haben Moritz, Anne und Jakob das Mädchen und Frechdachs schon gefunden.

Zwei Polizisten, eine Frau und ein Mann, steigen aus dem Polizeiauto.

„Hallo! Ich heiße Marina! Das habt ihr toll gemacht!“, lobt die Polizistin die Kinder. Sie möchte Lena mit dem Polizeiauto nach Hause fahren, doch daraus wird nichts. Kaum ist Lena ein paar Schritte weggegangen, wird Frechdachs sehr unruhig und Anne kann ihn kaum noch halten.

Deshalb fährt der Polizist mit Moritz und Jakob alleine los und holt die Fahrräder, die die beiden Jungen zurücklassen mussten. Moritz und Jakob müssen sich anschnallen und werden im Auto hin und her geschubst, denn der Polizei-Geländewagen fährt, ohne abzubremsen, mitten durch den steinigen Waldbach.

„Kannst du reiten?“, fragt Marina unterdessen das verletzte Mädchen.

„Na klar!“, antwortet Lena stolz, „Sogar ohne Sattel!“

Die Polizistin lächelt und hebt Lena ganz vorsichtig auf den Rücken des Ponys. Lena hält sich an der Mähne fest.

Anne darf Frechdachs mit Lena auf dem Rücken bis nach Hause führen und Marina läuft nebenher, damit nichts passiert.

***

Lenas Fußverletzung heilt schnell und schon nach ein paar Tagen kann sie wieder spielen, herumtoben – und reiten!

Auch Moritz, Anne und Jakob möchten nun gerne reiten lernen. Voller Stolz erklärt Lena den Kindern, wie es gemacht wird.

Bevor es losgeht bekommen alle einen Reiterhelm und Handschuhe. Die Kinder lernen, dass man das Pferd zuerst striegelt und bürstet, damit es seinen Reiter kennenlernt.

Das ist so ähnlich wie liebevolles Streicheln. Lena zeigt den Kindern, wie man die Hufe reinigt, wie das Pferd gesattelt wird und wie man das Zaumzeug anlegt. Dabei muss ihr Vater helfen.

Aber nicht nur Lenas Vater hilft den Kindern, sondern auch Marina, die Polizistin, die ganz in der Nähe wohnt und Lena manchmal besucht. Sie erzählt den Kindern, dass man bei der Polizei auch reiten können muss.

Die Kinder lernen, dass man von links aufsteigt und wie das gemacht wird; dass man gerade sitzen muss, wo Arme und Beine hingehören und wie man die Zügel hält.

„Es ist ganz leicht“, freut sich Lena und bald haben Anne und die beiden Jungen es auch gelernt. Das sieht richtig toll aus! Ihren ersten Ausritt machen die Kinder an der Longe. Das ist ein langes Seil, an dem Frechdachs im Kreis läuft. Marina hält das andere Ende der Leine fest und passt auf die Kinder auf.

Als Lenas Vater nach Hause kommt und die Kinder mit Frechdachs spielen sieht, wird er plötzlich ganz still und traurig.

„Papa, was ist denn? Warum sagst du denn nichts?“, wundert sich Lena.

Auch Moritz, Anne, Jakob, Marina und Frechdachs sind nun herbeigekommen und merken, dass irgendetwas nicht stimmt.

„Herr Hahnemann kann Frechdachs nicht aufnehmen. Sein Stall ist viel zu klein für ein Pony“, erklärt Lenas Vater.

„Und was machen wir nun?“, fragt Anne und schaut besorgt zu Lena.

„Ich kenne eine Frau, die auch einen Pferdestall hat“, sagt Marina plötzlich ganz leise. „Sie hat sich schon als kleines Mädchen immer ein Pony gewünscht und sie würde euch bestimmt jeden Tag mit Frechdachs spielen lassen, wenn er bei ihr wohnt…“

„Wer ist die Frau? Wer? Wie heißt sie? Wo wohnt sie? Kennst du sie?“, fragen nun alle Kinder aufgeregt durcheinander. Nur Lena ist ganz still und klammert sich an Frechdachs.

„Oh, ich glaube, sie heißt … Marina?“, antwortet Marina und lächelt.

„Marina…?“ Moritz versteht nicht, was Marina meint.

„Du?“, fragt Anne ungläubig und schaut die Polizistin mit großen Augen an.

„Ja, ich! Wenn Lenas Eltern es erlauben und Frechdachs bei mir wohnen darf, kann Lena ihn jeden Tag besuchen und mit ihm spielen und ihn reiten – und ihr, Moritz, Anne und Jakob, natürlich auch!“, erklärt Marina.

„Das glaub ich jetzt nicht!“, haucht Jakob. Der Junge ist so überrascht, dass er sekundenlang mit offenem Mund dasteht.

„Dann ist Frechdachs von heute an ein Polizei-Pferd!“, stellt Moritz fest und sieht dabei sehr ernst und wichtig aus.

Doch dann können die Kinder nicht mehr an sich halten.

Immer wieder umarmen sie Marina, werfen sie dabei fast um, jubeln und schreien und machen dabei einen Lärm wie eine Horde wilder Indianer.

Verdutzt bleiben zwei alte Omas vor Lenas Haus stehen, betrachten Marinas Polizei-Geländewagen, schauen zu Frechdachs, Marina und den Kindern herüber – und gehen kopfschüttelnd weiter.

***

Die Umweltdetektive

Fassungslos steht Anne vor einem großen Haufen Müll, der sich zwischen hohem Gras und Heidelbeersträuchern auftürmt. Er stinkt so schlimm, dass sich das Mädchen die Nase zuhalten muss.

„Seht nur!“, schimpft sie los. „Hier standen gestern noch wunderschöne Blumen – und jetzt hat irgendwer seinen Müll darauf gekippt!“

Tatsächlich! Am Wegesrand liegen wild durcheinander zerbrochene Glasflaschen, leere Blechdosen, alte Autoreifen, ein halbes Fahrrad ohne Sattel, Plastiktüten, die mit Papier vollgestopft sind, ein alter Teppich, ein Kinderwagen ohne Räder und vieles mehr. Gestern war hier alles noch sauber. Das wissen Moritz, Anne und Jakob deshalb so genau, weil sie jetzt, in den Sommerferien, fast täglich hier vorbei radeln zum Freibad ins Nachbardorf. Auch jetzt sind sie wieder unterwegs dorthin.

„Wer das wohl gewesen ist?“, fragt Jakob.

„Wenn wir das wüssten, könnten wir ihn dem Förster melden oder der Polizei!“, überlegt Anne.

„Lass uns erst mal weiter fahren“, meint Moritz, der sich schon aufs Schwimmbad freut. „Ich werde es heute Abend meinem Vater sagen. Der kennt den Förster.“

Zuerst fahren die Kinder nun aber Baden und genießen das schöne Wetter.

Als sie ein paar Stunden später wieder an der Stelle vorüberkommen, wo der unbekannte Fremde seinen Unrat abgeladen hat, ist der Müllberg noch größer geworden. Noch mehr Glasscherben, zerbrochene Tassen und Teller, schmutzige Kleidung mit Löchern, stinkende Farbdosen und sogar ein alter Sessel liegen nun im Gebüsch am Wegesrand.

So schnell wie möglich möchte Moritz nun seinem Vater von dem Unbekannten erzählen, der mit seinem Müll den Wald verschmutzt. Die Kinder haben es jetzt sehr eilig. Sie wollen verhindern, dass der Fremde noch mehr Abfall in den Wald schleppt.

Gerade wollen sie lossausen, als Anne plötzlich so scharf abbremst, dass sich ihr Fahrrad quer stellt und die beiden Jungen beinahe in sie hineingekracht wären. Das riskante Bremsmanöver hat eine große Staubwolke aufgewirbelt.

„Da!“, schreit Anne, lässt ihr Fahrrad mitten auf dem Weg liegen und rennt los. Mit den Füßen trampelt sie wie wild im hohen Gras am Wegrand herum. Nun verstehen auch Moritz und Jakob:

Das ist gar keine Staubwolke! Das ist Rauch! Der Müllhaufen brennt!

Bald schon beginnen die schnell größer werdenden Flammen, das hohe dürre Gras am Waldrand aufzufressen.

Anne hustet, weil der Rauch immer dichter wird und im Hals brennt, wenn man ihn einatmet.

Moritz packt Anne am Arm, zieht sie weg vom Feuer, heraus aus dem gefährlichen Rauch, hin zu ihrem Fahrrad.

„Weg hier! Das schaffen wir nicht alleine!“, ruft er. Dann holt er sein Handy heraus und wählt den Notruf 112, so wie er es bei der Jugendfeuerwehr gelernt hat. Ganz genau erklärt Moritz der Frau am Telefon, was passiert ist und wo es brennt. Er vergisst auch nicht zu erzählen, dass außer Moritz, Anne und Jakob noch andere Kinder im Wald unterwegs sind – zum Schwimmbad oder nach Hause. Alle sind jetzt in großer Gefahr, wenn das Feuer sich weiter ausbreitet!

„Der Waldsee ist etwa 2 Kilometer entfernt. Hier gibt es kein Wasser!“, ruft Moritz ins Handy. „Wir brauchen Tanklöschfahrzeuge und Schlauchwagen. Außerdem liegt die Brandstelle unter einer großen Stromleitung“, erklärt Moritz.

„Wow! Du kennst dich aber gut aus!“, staunt Anne und auch die Frau am Telefon wundert sich darüber, wie gut Moritz die gefährliche Situation beschrieben hat.

„Bleibt zusammen, fahrt heraus aus dem Wald, weg vom Feuer und warnt alle Kinder und Erwachsenen, denen ihr unterwegs begegnet!“, sagt sie. Im gleichen Moment beginnt fauchend und knisternd das Gebüsch neben dem Müllhaufen zu brennen.

„Jetzt aber weg hier!“, ruft Jakob den anderen beiden zu und schon sausen sie los in Richtung Dorf.

„Der Wald brennt! Sie können hier nicht weiter!“, ruft Anne einem Mann und einer Frau zu, die im Wald spazieren gehen.

„Das müssen wir uns anschauen!“, antwortet der Mann, nimmt seine Frau bei der Hand und geht nun noch schneller in Richtung des Feuers.

„Hallo? Sie können da nicht lang gehen!“, ruft Anne den beiden noch einmal hinterher.

Doch die beiden Erwachsenen beachten das Mädchen gar nicht und laufen einfach weiter – geradewegs in die Gefahr!

Weit kommen sie allerdings nicht, denn in diesem Moment kommt auch schon ein Polizeiauto mit Blaulicht den Weg entlang gesaust und bremst scharf ab.

„Hallo Marina!“, freut sich Anne, als sie ihre Lieblingspolizistin im Auto erkennt. „Die Verrückten da vorne laufen genau ins Feuer!“, schimpft das Mädchen.

„Das haben wir gleich!“, antwortet Marina und gibt Vollgas, dass die Reifen quietschen und jede Menge Staub aufwirbeln.

Ein paar Minuten später kommen die beiden Erwachsenen zurück, gehen an den Kindern vorüber, ohne sie zu beachten und sehen jetzt aus wie zwei begossene Pudel.

„Ja, ja, wer nicht hören will…“, scherzt Anne und freut sich, dass Marina ihnen die Meinung gesagt hat. Wütend dreht sich der Mann noch einmal zu Anne herum, aber seine Frau zerrt ihn weiter: „Komm jetzt, Dieter, die Kleine hat ja Recht!“