un-heil - Mario Lichtenheldt - E-Book

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Mario Lichtenheldt

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Beschreibung

Trotz moderner nichtoperativer und vorhauterhaltend operativer Behandlungsmöglichkeiten mit hervorragenden Ergebnissen werden auch in Deutschland noch immer zahllose Jungen wegen einer oft harmlosen Phimose an ihrer Vorhaut beschnitten. Die Tatsache, dass eine symptomfreie verengte oder verklebte Vorhaut bis zur Pubertät gar keiner Behandlung bedarf, weil es sich um einen entwicklungsphysiologisch völlig normalen Zustand handelt, erfahren Eltern und Jungen nur selten. Genauso wenig sind ihnen die möglichen physischen, sexuell-funktionellen und psychischen Folgen bewusst, die eine Beschneidung neben dem üblichen Operations- und Narkoserisiko verursachen kann. In Übersee machen Pharma- und Kosmetikkonzerne das große Geschäft mit der Vorhaut und den Schmerzen männlicher Neugeborener. In Afrika und Australien ist die Beschneidung von Jungen ein grausames Ritual, das jährlich viele Tote fordert, und für Juden und Moslems ist der beschnittene Penis ein identitätsstiftendes Symbol, auf das man keinesfalls verzichten kann. Die oft erschreckend oberflächliche Sexualaufklärung von Jungen trägt ein Übriges dazu bei, dass Erwachsene weltweit, fast selbstverständlich und ungestraft an der Verstümmelung kindlicher Genitalien festhalten können. Die einzigen, die bei all dem nicht gefragt werden, sind die betroffenen Jungen selbst.

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”Es ist Zeit, anzuerkennen, dass das Recht auf genitale Selbstbestimmung allen Kindern zusteht, unabhängig von ihrer Rasse, ihrer Kultur und ihrem Geschlecht.”

Naana Otoo-Oyortey

Trägerin des britischen Ritterordens und geschäftsführende Direktorin von FORWARD (The Foundation for Women’s Health, Research and Development)

Mario Lichtenheldt

un – heil

Vorhaut, Phimose & Beschneidung Zeitgemäße Antworten für Jungen,

© 2014 Mario Lichtenheldt

Autor: Mario Lichtenheldt

Lektorat und Korrektorat: Dr. rer. nat. Meike Beier

Titelbild: S. Hofschlaeger/pixelio.de, bearbeitet von Meike Beier

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-7731-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Dieses Buch dient ausschließlich der Information und ist nicht dazu geeignet, einen Arztbesuch zu ersetzen. Sein Inhalt ist nicht als medizinische Beratung zu verstehen.

Inhalt

Vorwort

Der Penis

„Kleiner Mann“ mit vielen Namen

Aufbau des Penis

Groß oder klein – wie soll er sein?

Penisschaft und Schwellkörper

Die Eichel – Sensibelchen in Violett

Das Geheimnis der Raphe

Erektion – Warum der Penis „Männchen“ macht

Die Vorhaut – kein Fehler der Natur

Was ist die Vorhaut?

Wozu brauchen Jungen die Vorhaut?

Das Vorhautbändchen

Die Vorhaut im Kindes- und Jugendalter

Vorhautpflege – sanft und richtig

Smegma – natürliche Feuchtigkeitscreme

Geheime Jungensache – Wissen für Jungs ab 4

Phimose & Co. – Heilen statt abschneiden

Was ist eine Phimose?

Ausprägung der Phimose

Phimosebehandlung

Entzündungen von Eichel und Vorhaut

Vorhautverklebung – Schutz für die Eichel

Verkürztes Vorhautbändchen (Frenulum breve)

Notfall Paraphimose

Vorhautproblem – was nun?

Wie sage ich es meinen Eltern?

Mit dem Spickzettel zum Arzt

Die Untersuchung

Tipps für die Zeit nach der OP

Jungenrechte – Mein Körper gehört mir!

Jede Operation ist eine Körperverletzung

Medizinische Notwendigkeit

Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit

Persönliche und umfassende Aufklärung

Folgen mangelhafter Aufklärung

Wirksame Zustimmung

Beschneidung – kein heiliger Heileingriff

Was ist eine Beschneidung?

Abschneiden ist kein Heileingriff

Beschneidungsmethoden in Deutschland

Unerwünschte Beschneidungsfolgen

Psychische Aspekte einer Beschneidung

Vergessene Opfer

„Neues“ aus Opas Bio-Lehrbuch

Fantasie & Lotion – Tipps für beschnittene Jungen

Beschneidungsvorteile – Ende einer Legende

Götter, Dollars und Moral

Historische Wurzeln der Beschneidung

Grausam: Weibliche Genitalverstümmelung

Gezähmte Lust: Männliche Genitalverstümmelung

Routinebeschneidung von Neugeborenen

Blutige Rituale

Vorhauternte – weil’s schön macht!

Religion und Gewohnheit – kritisch hinterfragt

Beschneidung in der DDR

Quellen

Vorwort

Die Vorhaut – um sie dreht sich alles in diesem Buch! Das hat seinen Grund, denn auch im 21. Jahrhundert wird sie weltweit täglich unzähligen Jungen entfernt, in den allermeisten Fällen ohne medizinische Notwendigkeit und oft sogar ohne Betäubung.

In Deutschland werden trotz moderner nichtoperativer und vorhauterhaltend operativer Behandlungsmöglichkeiten mit hervorragenden Erfolgsaussichten noch immer zahllose Jungen leichtfertig an ihrer Vorhaut beschnitten, meist wegen einer völlig harmlosen Phimose (Vorhautverengung) oder einer Vorhautverklebung. Dass eine symptomfreie verengte oder verklebte Vorhaut bis zur Pubertät überhaupt keiner Behandlung bedarf, weil es sich um einen entwicklungsphysiologisch normalen, naturgewollten Zustand und nicht um eine Krankheit handelt, erfahren Jungen und Eltern nur selten. Genauso wenig sind ihnen die möglichen körperlichen, insbesondere sexuellfunktionellen und/oder psychischen Folgen bewusst, die eine Beschneidung neben dem üblichen Operations- und Narkoserisiko haben kann.

Angebliche gesundheitliche und hygienische Vorteile der Beschneidung, die sich bei näherer Betrachtung als hohle Rechtfertigungsversuche entpuppen, halten sich indes hartnäckig im öffentlichen Bewusstsein.

Jungen und Männer, die tatsächlich und nachhaltig unter den Folgen ihrer Beschneidung leiden, sehen sich daher nicht selten mit einer gesellschaftlich weit verbreiteten Einstellung konfrontiert, die ihre Probleme ignoriert, belächelt, in Zweifel zieht oder versucht, die eindeutig vorhandenen Nachteile schönzureden.

Die erschreckend oberflächliche Sexualaufklärung von Jungen in Schule und Medien trägt ein Übriges dazu bei, dass eine seit mindestens 30 Jahren nicht mehr zeitgemäße Operationsmethode regelrecht idealisiert, die Vorhaut als latente Gefahr für die Gesundheit von Jungen verteufelt und deren Entfernung (Beschneidung) gleichsam als Wohltat dargestellt wird.

Juristisch betrachtet handelt es sich bei einer Beschneidung allerdings um eine Körperverletzung, die nur dann straffrei bleibt, wenn die Rechte des Patienten dabei strengstens beachtet werden. Die religiös motivierte Beschneidung von Jungen verletzt Tag für Tag deren Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, das in Deutschland Bestandteil des Grundgesetzes ist. Dieses im mehrfachen Sinne des Wortes einschneidende Ritual ist weder durch das Recht auf freie Religionsausübung, noch durch das elterliche Erziehungsrecht gedeckt. Die Justiz aber schaut weg und schafft damit eine Rechtswirklichkeit, in der Unrecht geduldet wird, wenn man es nur religiös begründet; Unrecht, für das jeder andere unter Umständen mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen hat.

Doch die Genitalverstümmelung von Jungen und Männern – denn nichts anderes ist Beschneidung ohne medizinische Notwendigkeit – ist auch ein weltweites Phänomen mit vielen Facetten, die zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Bekannt ist z. B. die in den USA übliche Praxis, männliche Säuglinge unmittelbar nach der Geburt zu beschneiden. Weniger verbreitet ist hingegen das Wissen um den Ursprung dieses Brauchs, der in der Bestrafung und Erschwerung der Selbstbefriedigung liegt

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit machen Pharma- und Kosmetikkonzerne höchst profitable Geschäfte mit der Vorhaut neugeborener Jungen und die oft als exotische Initiations- und Mann-werdungsfeiern romantisierten Beschneidungspraktiken in Afrika und Australien sind in Wirklichkeit grausame Rituale, die jährlich viele Tote fordern.

Und so haben Erwachsene weltweit ihre Gründe, an der beinahe schon selbstverständlichen Verstümmelung kindlicher Genitalien festzuhalten. Die einzigen, die bei all dem nicht gefragt werden, sind die betroffenen Jungen selbst.

Dieses Buch soll dazu beitragen, die verklärendverharmlosende Sicht auf die Beschneidung vor allem minderjähriger Jungen zu korrigieren. Es soll Jungen und Eltern über ihre Rechte aufklären und ihnen die Informationen liefern, die sie brauchen, um für sich selbst oder ihren Sohn die individuell richtigen Entscheidungen bei Vorhautproblemen zu treffen. Es soll verdeutlichen, dass die medizinisch unnötige Beschneidung von Jungen weder harmlos, noch rechtlich irrelevant, sozialadäquat, hygienisch oder gar gesundheitsfördernd ist, dass sie vielmehr einen krankhaften, un-heilen Zustand ausgerechnet an den Genitalien von Kindern hinterlässt.

Es gibt nur eine strafbefreiende Rechtfertigung für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit Minderjähriger, mithin auch für die Beschneidung wie auch jede andere Operation, nämlich eine zweifelsfreie und strengen rechtlichen Vorgaben entsprechende medizinische Indikation.

Mario Lichtenheldt, März 2012