Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute - Mario Lichtenheldt - E-Book

Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute E-Book

Mario Lichtenheldt

0,0

Beschreibung

Eine Chronik der Fröbelstadt Oberweißbach - von den Anfängen bis zur Fusion mit den Nachbarorten Meuselbach-Schwarzmühle und Mellenbach-Glasbach zur Stadt Schwarzatal und darüber hinaus bis zum Jahr 2022.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 265

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mario Lichtenheldt

Die Fröbelstadt Oberweißbachvon den Anfängen bis heute

www.tredition.de

© 2023 Mario Lichtenheldt

Lektorat, Korrektorat: Andrea Lichtenheldt

weitere Mitwirkende: Winfried Bollmann, Rosemarie Dietz, Gerd

Eberhardt, Georg Franke, Michael Günther, Veronika Neupert, Bernhard Schmidt, Jana Söder, Torsten Sterzik, Jutta Walther, Klaus-Peter Walther

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN (Paperback): 978-3-347-57948-4

ISBN (Hardcover): 978-3-347-57949-1

ISBN (e-book): 978-3-347-57950-7

Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Ein paar Worte zuvor

Wie alles begann

Besessene Männer – Das 15. Jahrhundert

Wem gehört Oberweißbach – 16. Jahrhundert

Kirche, Klima, Bier & Pest – Das 17. Jahrhundert

Erdäpfel – Das 18. Jahrhundert (Teil 1)

Johann Paul Friedel – ein vergessener Pädagoge?

Der gesegnete Medizin- und Olitätenhandel

Oberweißbach und der Olitätenhandel

Einige Laboranten aus Oberweißbach

Die alte Oberweißbacher Kirche

Oberweißbach von Mitternacht

1744 – Der Klinkenberg-Komet

Feuer & Eis – Das 18. Jahrhundert (Teil 2)

Friedrich Fröbel und der Kindergarten

130 Jahre Fröbelturm 1890 – 2020

Täter & Tragödien – Das 19. Jahrhundert (Teil 1)

Die Revolution 1848

Oberweißbach brennt!

Zahlen & Schulen – Das 19. Jahrhundert (Teil 2)

Mittelweißbach – ein vergessenes Dorf?

Geheimnisvolles Mittelweißbach

Unruhige Zeiten – Das 20. Jahrhundert (Teil 1)

Kleiner Exkurs: Albert & Albertine

Unruhige Zeiten – Das 20. Jahrhundert (Teil 2)

Vergangenheit & Zukunft – Das 21. Jahrhundert

(N)irgendwann – ein Ausblick

Anhang 1: Neues vom „Schwarzen Doktor“

Anhang 2: Gespräch „Von dem Olitäten-Handel“

Anhang 3: Schultheißen & Bürgermeister

Anhang 4: Alt – Oberweißbach

Quellen

Bildnachweis

Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Ein paar Worte zuvor

Quellen

Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute

Cover

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

61

62

63

64

65

66

67

68

69

70

71

72

73

74

75

76

77

78

79

80

81

82

83

84

85

86

87

88

89

90

91

92

93

94

95

96

97

98

99

100

101

102

103

104

105

106

107

108

109

110

111

112

113

114

115

116

117

118

119

120

121

122

123

124

125

126

127

128

129

130

131

132

133

134

135

136

137

138

139

140

141

142

143

144

145

146

147

148

149

150

151

152

153

154

155

156

157

158

159

160

161

162

163

164

165

166

167

168

169

170

171

172

173

174

175

176

177

178

179

180

181

182

183

184

185

186

187

188

189

190

191

192

193

194

195

196

197

198

199

200

201

202

203

204

205

206

207

208

209

210

211

212

213

214

215

216

217

218

219

220

221

222

223

224

225

226

227

228

229

230

231

232

233

234

235

236

237

238

239

240

241

242

243

244

245

246

247

248

249

250

251

252

253

254

255

256

257

258

259

260

261

262

263

264

265

266

267

268

269

270

271

272

273

274

275

276

277

278

279

280

281

282

283

284

285

286

287

288

289

290

291

292

293

294

295

296

297

298

199

300

301

302

303

304

305

306

307

308

309

310

311

312

313

314

315

316

317

318

319

320

321

322

323

324

325

326

327

328

329

330

331

332

333

334

335

336

337

338

339

340

341

342

343

344

345

346

347

348

349

350

351

352

353

354

355

356

357

358

359

360

361

362

363

364

365

366

367

368

369

370

371

372

373

374

375

376

377

378

379

380

381

382

383

384

385

386

387

388

389

390

391

392

393

394

395

396

397

398

399

400

401

402

403

404

405

406

407

408

409

410

411

412

413

414

415

Ein paar Worte zuvor

Dieses Buch ist der bescheidene Versuch, in den Fußstapfen eines Mannes weiterzugehen, dessen Werk ich schon als Kind bewundert habe. Ich habe ihn nie kennengelernt, denn er starb, lange bevor ich geboren wurde: August Elsäßer. Und das kam so:

Meine Oma, Anna Lichtenheldt, geb. Gräf (1918 – 2010) hat mir in meiner Kindheit oft vorgelesen – aus dem dicken Wilhelm-Busch-Album, „Max & Moritz“ natürlich, „Hans Huckebein – der Unglücksrabe“, die Geschichte von Hans Dralle und seinen Bienen oder „Das Bad am Samstagabend“.

In der 2. Klasse konnten wir Kinder damals fließend lesen (ja, man glaubt es kaum, aber so war es wirklich) und so kam ich auf die Idee, mir das dicke Wilhelm-Busch-Album nunmehr selbst vorzunehmen. Doch was war das? Es ging nicht! Die Schrift sah ganz anders aus als die, die ich gelernt hatte – alte deutsche Druckschrift eben. Oder konnte ich das doch lesen?

Ich konnte! Meine Oma hatte mir die Geschichten nämlich so oft vorgelesen, dass ich sie fast auswendig kannte – und so war es kein Problem, mich allmählich an die seltsamen Buchstaben zu gewöhnen.

Und dann bekam ich August Elsäßers „Das Kirchspiel Oberweißbach im Wandel der Zeiten“ in die Finger – und konnte es lesen.

Erlebte Geschichte:Veronika beim Buttermachen

In der 8. Klasse stand Goethes „Faust“ auf dem Lehrplan. Der erinnerte mich daran, dass ein früherer Oberweißbacher Lehrer (Ernst Vogler) irgendwo geschrieben hatte, dass ausgerechnet dieser Faust in den Wäldern zwischen Ober- und Unterweißbach Unterschlupf gefunden haben könnte – und als „Schwarzer Doktor“ in der Sage fortlebt.

Nachdem ich 1982 – 1984 den Beruf des Archivassistenten erlernt hatte, konnte ich nun auch alte Handschriften lesen. Eine Welt tat sich mir auf, die heute kaum noch jemandem zugänglich ist – Menschen aus längst vergangener Zeit, die nie jemand gesehen hat und die doch zu mir „sprachen“. Einige werden Sie auf den folgenden Seiten kennenlernen. Von anderen sind nur „Schatten“ geblieben – alte Schwarz-Weiß-Fotos oder knappe Eintragungen im Kirchenbuch. Und doch hatten sie alle Träume, Ziele, Hoffnungen, erlebten Freud und Leid.

Wahrscheinlich werden die Älteren unter Ihnen nach der Lektüre des Buches anmerken, dass dieses oder jenes fehlt, dass man doch das eine oder andere Foto oder so manche Geschichte aus vergangenen Zeiten noch hätte mit aufnehmen können. Vielleicht finden Sie sogar Fehler? Das alles ist normal und kann wahrscheinlich gar nicht anders sein. Solche Versehen, Fehler oder notwendige Vervollständigungen lassen sich heute jedoch recht einfach korrigieren – etwa durch eine Neuauflage oder durch Ergänzungsbände, die sich mit speziellen Themen ausführlich befassen könnten. Das Buch ist also keineswegs „fertig“ – und schließlich geht Geschichte ja immer weiter. Lassen Sie mich oder meine Mitautoren also wissen, wenn Ihnen etwas derartiges auffällt.

Natürlich konnte ich dieses Buch nicht allein schreiben. Geholfen haben tatkräftig meine Frau Andrea, zuständig für die korrekte Rechtschreibung (sofern nicht alte Texte originalgetreu zitiert werden); Winfried Bollmann, Experte für Ahnenforschung; Rosemarie Dietz und Gerd Eberhardt, die in den 1990er Jahren die handschriftliche Chronik (Gemeindebuch) von Christian Gottfried Kiesewetter in mühevollster Kleinarbeit in ein lesbares Deutsch übertragen haben; Bernhard Schmidt, der viel persönliches Wissen und Fotos beigesteuert hat; Jana Söder, die mich auf das Kolonialwarengeschäft Adelbert Mohr und dessen Verbindungen zu bedeutenden Persönlichkeiten der örtlichen und regionalen Geschichte aufmerksam gemacht hat; unsere Ortschronistin Veronika Neupert, geb. Graf („Burggräfin“ – hier im Bild als Kind beim Buttern zu sehen); Torsten Sterzik, unser ehemaliger Kantor, der die Beziehungen zwischen der Mittelweißbacher Familie Schneider und der Familie von Johann Sebastian Bach erforscht; Jutta Walther, unsere ehemalige Ortschronistin; die mit einem eigenen Beitrag zur Geschichte des Fröbelturmes vertreten ist; und Klaus-Peter Walther („Ruppel“), der viel Material zur Geschichte der ehemaligen Gemeinde Mittelweißbach beigesteuert hat.

Und nun viel Vergnügen auf unserer Reise durch die Vergangenheit der Fröbelstadt Oberweißbach.

Wie alles begann

Aus einer Urkunde des Jahres 1071, welche auch die Ersterwähnung der Orte Schwarzburg und Cordobang darstellt1), lässt sich ableiten, dass spätestens in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts auf den Höhen des Thüringer Waldes eine rege Rodungstätigkeit im Gange war und sich entlang der Fluss- und Bachläufe immer weiter ins Gebirge vorschob.

Dabei ging es wohl nicht, wie man erwarten würde, vorrangig um den überreichlich vorhandenen Rohstoff Holz, sondern um Ackerland. Holz war zu dieser Zeit auch im Vorland des Thüringer Waldes noch genügend vorhanden, so dass ein Transport aus dem noch wenig erschlossenen unwegsamen Gebirge zunächst nicht lohnenswert gewesen sein dürfte, später aber erheblich an Bedeutung gewann.

Dass die im Wesentlichen agrarisch geprägte Siedlungstätigkeit zunächst keinen urkundlichen Niederschlag fand, lag wohl in der Eigenart der Siedler und der noch fehlenden Verwaltung und Organisation.

Politischer Mittelpunkt dieses Rodungsgeschehens war die Schwarzburg. Von hier aus gelangte schließlich das gesamte Schwarzatalgebiet von Schwarzburg aufwärts an die Grafen von Käfernburg-Schwarzburg2). Dabei spielte wahrscheinlich die uralte Westgrenze des vormaligen Orlagaues eine Rolle, die entlang einer Linie Neuhaus – Schwarzburg – Cordobang verlief und zugleich die Grenze der kirchlichen Sedesbezirke Alkersleben und Remda bildete3),4).

Der Raum Saalfeld lag zunächst im Einflussbereich des Erzbischofs von Köln, so dass die Schwarzburger in Richtung Gebirge „ausweichen“ mussten. Im Zuge der Reichsterritorialbildung unter Friedrich Barbarossa wurde der Raum um Saalfeld Krongutsbezirk und gelangte schließlich 1208 ebenfalls an Käfernburg-Schwarzburg, wo das Gebiet bis 1918 verblieb.

Für viele vormals schwarzburgische Orte, so auch für Oberweißbach, stellt die Urkunde vom 19. November 1370 die erste urkundliche Erwähnung dar5). Dabei handelt es sich um einen Teilungsvertrag zwischen Günther XXII., Herr zu Schwarzburg (geb. um 1322, gest. 4. Juli 1382), und dessen Vetter (Cousin) Johann II., Herr zu Wachsenburg (geb. 1327, gest. zwischen 28. Februar und 21. Mai 1407).

Neben der urkundlichen Ersterwähnung Oberweißbachs als „Vyzbach“ (für den Weißbach oder den Ort) finden sich in besagtem Dokument zahlreiche weitere Ersterwähnungen und frühe Erwähnungen, etwa von Katzhütte, Oelze, Meura und Quelitz sowie die folgenden Örtlichkeiten der näheren Umgebung:

• „Byzschofshayn“ und „dy Kurowe myt deme Langenbergk“, wobei ausdrücklich von „den holzeern und weldin“ (Hölzern und Wäldern) die Rede ist. Bischofshain als Siedlung hat demnach schon damals nicht mehr existiert,

• eine Flurstelle „da dy Lichta in dy Swartza vellet“,

• „der Muezelbach“, (Meuselbach schon früher erwähnt),

• „dy Ölsin“ (Oelze),

• „dy Kaczcza“ (Katze) und

• „dy massa“;

• „dy Lichta“,

• die nächste Furt über dem Wehr über der „Ztoepelssmytten“, dy vor der Queliczen (Quelitz) lyt“,

• „Sycsendorf“,

• „Thissowe (Dissau),

• „Aldindorf“,

• „Asscha“,

• „Lichta“,

• „nydern Schobelik“,

• „nydern Hayn“ (Unterhain),

• „obirn hayn“,

• „barg“ (Barigau),

• „Trebeschowe“ (Dröbischau),

• „Abrechtisdorf“,

• „Frydrichsdorf“,

• „Welmspringk“,

• „Glasebach“,

• „Melnbach“,

• „Muzsilbach“,

• „Mankenbach“,

• „Tammendorf“,

• „Schoenheyde“,

• „Ankenstete“ (Angstedt),

• „Loem“ (Wüstung zwischen Gehren und Langewiesen?),

• „Wynpach“ (Wümbach) … und

• „muore gemeyne“ (Meura), hier schon als Ortschaft.

Besessene Männer – Das 15. Jahrhundert

Nach Dr. Hans Eberhardt, dem früheren Direktor des Staatsarchives Rudolstadt, wird Oberweißbach als Pfarrei erstmals im Jahre 1412 genannt1).

Elsäßer schreibt, dass Oberweißbach im Jahre 1417 „in einem Teilungsvertrag der Schwarzburger Grafen als „Flecken“ erwähnt wird, wobei hier möglicherweise eine Verwechslung mit Weißbach (heute zu Remptendorf, Saale-Orla-Kreis) vorliegt2) 3).

Schon in dieser Zeit ist der noch Jahrhunderte später in unserer Heimat betriebene Flachsanbau nachweisbar (mindestens ab 1411). Man hat also schon damals erkannt, dass die hiesigen Böden nur für ganz bestimmte Früchte und landwirtschaftliche Produkte Ertrag versprechend sind.

Mit dem Holzabbau muss es, nachdem zunächst die Gewinnung von Ackerland im Vordergrund stand, dann doch recht schnell vorangegangen sein, denn schon 1496 werden „auf den hohen Wäldern“ 17 Schneidemühlen betrieben4). Im gleichen Jahr findet die Herstellung von Pech Erwähnung5). Eine Pechhütte befindet sich noch im vorletzten Jahrhundert nahe Oberweißbach in Richtung Solwiese.

Im genannten Jahr 1496 leben in Oberweißbach bereits 16 „besessene Männer“, woraus Dr. Hans Eberhardt auf eine ungefähre Einwohnerzahl von 80 schließt6).

Zunächst erweist es sich für die Siedler als notwendig, die einzelnen Besitzanteile abzugrenzen und so entstehen allerorten die über Generationen hinweg bewirtschafteten Erbgüter.

Angebaut wird zunächst wohl Getreide (Gerste, Hafer), doch stellt sich schnell heraus, dass der Ertrag kaum „das zweite Korn“ bringt. Nötig zum Überleben ist aber mindestens das „3. Korn“, d. h. eine Verdreifachung des Ertrages gegenüber der Saat.

Immer weiter eingeschränkt wird die Ertragsfähigkeit der einzelnen Güter zudem durch Erbteilungen. So bestehen im Jahr 1664 nur noch 5 ganze Güter, aber 11 halbe, 25 Viertelgüter und 20 Achtelgüter.

Weil die Landwirtschaft als Nahrungs- und Einnahmequelle allein nicht ausreicht, entwickeln sich zahlreiche orts- und regionaltypische Erwerbszweige, wie z. B. Harzgewinnung, Herstellung von Pech, Kienruß, Holz (Bretter, Schindeln) oder das Leineweberhandwerk.

Holzbauern und Holzfäller, Schindelmacher, Dielenschneider, Reifschneider (Herstellung hölzerner Fassreifen), Zimmerleute, Wagner, Tischler, Schreiner, Böttcher, Drechsler, Kammmacher, Schachtelmacher, Löffelmacher, Köhler, Rußbrenner, Besenbinder, Harzscharrer, Pechbrenner, Leineweber oder Schmied sind typische Berufe dieser Zeit.

Das für Mensch und Tier benötigte Getreide wird im Austausch gegen die hier produzierten Waren zugekauft, weshalb sich parallel zu den genannten Erwerbszweigen das Fuhrmannswesen entwickelt. Dabei sind die Fuhrleute meist auch zugleich Händler.

Wem gehört Oberweißbach – 16. Jahrhundert

1502 – In den Jahren 1464 – 1502 werden in den Wäldern unserer Gegend 22 Bären1) erlegt.

1503 – wird die Gemeinde Mittelweißbach erstmals urkundlich erwähnt.2) Zur Gemeinde gehören der Talweg sowie die Häuser der heutigen Rudolstädter Straße 1 – 2 (andere Angabe: bis 5).

1531/32 – In der Oberherrschaft Schwarzburg wird die Reformation eingeführt.

1550 – wird Oberweißbach als ein von den Herren von Greußen besessenes Gerichtsdorf erwähnt, worauf noch heute die Flurbezeichnung „Galgenhügel“ hinweisen mag.

Seit 1571 besteht das Gebiet der Grafschaft Schwarzburg aus zwei nicht zusammenhängenden Territorien. Die Grafschaften im Norden (Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Frankenhausen) werden als Unterherrschaft bezeichnet. Der Südraum mit Rudolstadt und Arnstadt bildet zunächst die Grafschaft Schwarzburg-Oberherrschaft, die nur bis 1574 besteht und sodann in die Grafschaften Schwarzburg-Arnstadt und Schwarzburg-Rudolstadt geteilt wird.

Nach einer nochmaligen territorialen Neugliederung durch den Stadtilmer Vertrag vom 21. November 1599 bleiben die Grafschaften (ab 1710 Fürstentümer, ab 1918 Freistaaten) Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen bis 1920 im Wesentlichen stabil.

Im Jahre 1600 kaufen die Grafen von Schwarzburg ihr Lehen Oberweißbach von den Herren von Greußen zurück. Georg von Greußen stellt dabei die Bedingung, dass die Rechte und Freiheiten der Oberweißbacher Untertanen – so das Mälzen, Brauen, Backen und Schlachten – nicht angetastet werden. Die Königseer sind jedoch der Ansicht, dass mit dem Rückkauf des Lehens auch diese Rechte erlöschen (die ihnen übrigens schon immer ein Dorn im Auge sind).

Kirche, Klima, Bier & Pest – Das 17. Jahrhundert

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist Oberweißbach ein kleines Dorf, in dem jährlich etwa 16 bis 18 Kinder geboren werden. Die Einwohner leben von Feldbau und Pechbrennerei; es gibt mehrere Pechhütten. Die Südostseite des Ortes (Kirchberg, Leibisberg) ist noch vollständig bewaldet.

1603 – In diesem Jahr erhält Oberweißbach das Recht bestätigt, für den Eigenbedarf aus selbst angebauter Gerste Bier brauen zu dürfen.

Vermutetes Aussehen der alten Oberweißbacher Kirche(Elsäßer, das Kirchspiel Oberweißbach…)

Dieses Recht wird seit 1600 von den Königseern immer wieder bestritten.

1606– 1612 wird die alte Kirche auf dem Friedhof umgebaut und vergrößert, was einem Neubau gleichkommt.

August Elsäßers „Kirchspiel Oberweißbach im Wandel der Zeiten“ enthält auf Seite 17 eine Zeichnung der alten Kirche, die im heutigen unteren Friedhof hinter dem Fröbelmuseum (früher Pfarrhaus) stand (vom Markt gesehen links vom Torhaus). Dort befindet sich auch ein letzter, von Pfarrer Mohr ganz bewusst belassener Stein der alten Kirche.

Die Zeichnung indes wirft einige Probleme auf: Sie zeigt die Kirche und den dahinterliegenden Friedhof. Aus dieser Perspektive steht der Kirchturm jedoch im Osten, der Altar demnach im Westen! Das ist unmöglich! Die Kirche ist demnach seitenverkehrt bzw. spiegelbildlich dargestellt! Berücksichtigt man jedoch, dass es sich hier um die Jahrzehnte alte Erinnerung eines alten Mannes handelt, so darf man diese „Kleinigkeit“ vielleicht verzeihen. Wie die alte Kirche tatsächlich aussah – dazu mehr auf S 54.

Die einzige für den Standort der alten Kirche infrage kommende ebene Fläche sowie der von Pfarrer Mohr niedergelegte Stein befinden sich östlich des Torhauses. Dort wurden nach Kenntnis des Verfassers in den 1970er Jahren Grüfte entdeckt und verfüllt, die auf Beerdigungen in oder nahe der alten Kirche deuten könnten.

1609 – wird mit Kantor Preunel der erste Lehrer in Oberweißbach angestellt und damit die erste Schule eingerichtet.1) Besucht wird sie von Kindern aus Oberweißbach, Lichte, Schmalenbuche, Unterweißbach, Cursdorf und Deesbach. (Der „Kanter“ (Kirchenmusiker) ist damals in Mitteldeutschland zugleich auch Lehrer).

1611 – Die Pest fordert zahlreiche Todesopfer; allein in Cordobang sind es 82. Weitere Pestepidemien gibt es 1588, 1611, 1626, 1635 und 1644.

1613 – Am 29. Mai verwüsten heftige Gewitter und Niederschläge („Thüringer Sintflut“) große Teile Thüringens. Insgesamt sterben dabei 2.261 Menschen.

1614 – Königseer Stadtsoldaten erzwingen die Herausgabe von 14 Fass Bier, weil die Oberweißbacher nicht, wie erlaubt, ihr Bier nur aus selbst angebauter Gerste brauen, sondern Getreide zukaufen. Das ergaunerte Bier wird an die Königseer Bürger verteilt.

1624 – Bereits im Mai dieses Jahres herrscht große Hitze, so dass es am 24. Mai zu einem verheerenden Waldbrand kommt. Auf „zwei Meilen Länge“ (das entspricht etwa 12 bis 14 km) tobt das Feuer im Raum Neuhaus (Wulst) bis ins Schwarzburgische (Fischbachwiesen) und in der anderen Richtung fast bis zu der erst 1597 gegründeten Glashütte Lauscha2). Etwa 200 Mann schlagen Brandschneisen und ziehen Gräben, um so dem Großbrand schließlich die Nahrung zu entziehen.

1 Meile entspricht zu dieser Zeit zwischen 6.800 m (Landvermessermeile Sachsen) und 7.500 m [Bayern, Württemberg, Hohenzollern, Böhmen, Sachsen, Preußen, Hamburg u. a.)3)

1626 – Nur zwei Jahre nach der folgenreichen Hitzewelle von 1624 herrscht im Mai 1626 große Kälte. Die Saat erfriert. Es folgt eine Missernte und dieser eine große Hungersnot. Elsäßer berichtet, dass aus Böhmen Getreide herangeschafft werden muss, um Mensch und Tier das Überleben zu sichern.

An der Nordsee tobt 1626 eine gewaltige Sturmflut, die als „Eisflut“ in die Geschichtsbücher Eingang findet. Dass dieses Unwetter direkte Auswirkungen in Thüringen hat, ist zwar nicht sicher, jedoch schlagen ab dieser Zeit auch in unserer Heimat die Auswirkungen der „Kleinen Eiszeit“ durch.

Die „Kleine Eiszeit“ (15. bis 19. Jahrhundert) umfasst zwei große Kälteperioden – die erste von etwa 1570 bis 1630 und die zweite von etwa 1675 bis 1715. Ursache des (für uns Menschen) extremen Klimas ist wahrscheinlich das unglückliche Zusammentreffen mehrerer Umstände, nämlich

• eine oder mehrere Phasen auffällig geringer Sonnenfleckenaktivität,

• Änderung(en) der Neigung der Erdachse zur Sonne bzw. des Umlaufs der Erde um die Sonne,

• gehäufte vulkanische Aktivitäten mit globalen Auswirkungen,

• ein um etwa 10 % abgeschwächter Golfstrom.

Verstärkt wird das Szenario durch eine Art Teufelskreis, die sogenannte Eis-Albedo-Rückkopplung, was nichts anderes bedeutet, als dass sich in Folge der niedrigen Temperaturen die Eisflächen an den Polen vergrößern und dadurch mehr Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektieren, was wiederum die Abkühlung weiter verstärkt.

1627 – Ein Steuerverzeichnis weist für Oberweißbach 63 Häuser und eine Badestube aus. Das ist erstaunlich, denn derartige Einrichtungen gibt es damals vorwiegend in den Städten. In einer Badestube wird aber nicht nur gebadet, sondern es werden hier auch andere Dienstleistungen erbracht, wie etwa Haare schneiden, rasieren sowie kleinere chirurgische und zahnärztliche Eingriffe. In größeren Städten – in Oberweißbach selbstverständlich niemals! – dienen Badestuben durchaus auch als Bordell.4)

1631 – Für dieses Jahr wird im Gemeindebuch5) der Schultheiß Fritz zu Oberweißbach erwähnt. Der älteste bislang bekannte Schultheiß ist Claus Wintruff, der von 1640 bis 1644 im Amt ist. Fritz könnte sein Vorgänger sein.

1635 – Erneut wird der Thüringer Wald von einer Pestepidemie heimgesucht, die sich im Zuge des 30-jährigen Krieges über ganz Deutschland ausbreitet. In Meuselbach sterben 127 Menschen.

1640 – Oberweißbach wird durch räubernde Banden des kaiserlichen Heeres geplündert und samt Kirche und der Schule „neben dem Markt“ niedergebrannt (siehe Titelbild). Dabei gehen sämtliche im Ort befindliche Aufzeichnungen und Kirchenbücher aus der Zeit vor 1640 verloren. Die Einwohner verbringen den größten Teil des Sommers im Wald.

Die Angabe bei Sigismund, es handle sich dabei um einen Angriff der Schweden, ist unzutreffend. General Octavio Piccolomini lagert zu dieser Zeit mit 16.000 bis 20.000 Mann bei Saalfeld, wo er einen Angriff der Schweden unter Feldmarschall Johan Banér erfolgreich abwehrt.

Piccolomini kommandiert bis 1634 die Leibgarde Wallensteins und kämpft auch später auf Seiten der kaiserlichen Truppen (Katholische Liga) u. a. gegen die Schweden. Aus Piccolominis Truppe stammen die räubernden Banden. Ihr Motiv: Rache!

100 Jahre später schreibt Pfarrer Friedel6):

„Und als eben dasselbst ein Müller aus der Schnepff-Mühle war auf dem Felde erstochen funden und sodann in die Kirche getragen worden, gaben die Soldaten für, es sey ihr Camerade, und nahmen Gelegenheit greulich mit Rauben, Plündern und Anstecken zu hausen. Sie verbranten auch unsere Kirche, Pfarr- und Schul-Häuser und wer des Lebens sicher seyn wollte flüchtete in den dicken Wald…“

Das war kein Heldenstück, Octavio!

1644 – Elsäßer berichtet über eine erneute Pestepidemie.

Im gleichen Jahr beantragt der damalige Pfarrer Möller für Oberweißbach zwei Jahrmärkte, wogegen die Stadt Königsee Einspruch erhebt.

1648 – In Großbreitenbach macht der Apotheker Mylius von sich reden. Er gilt als Begründer des Olitätenhandels. Lorentz Andres (Anders) und Hans Walther werden als erste Balsamträger aus Oberweißbach erwähnt.

1653 – Elsäßer berichtet über eine große Hungersnot in unserer Heimat.

1673 – werden der erste Organist und ein zweiter Lehrer angestellt. Beide Lehrer zusammen betreuen ca. 200 Kinder.

1679 – Für Oberweißbach werden in diesem Jahr 24 Balsamträger erwähnt. Sie liefern u. a. verschiedene Öle, Schwefel- und Fichten(nadel)balsam.

1683 – erhalten Neuhaus, Schmalenbuche und Lichte ihre eigenen Pfarrer. Vorher musste der Oberweißbacher Pfarrer diese Orte mit betreuen.

1690 – herrscht eine Heuschreckenplage (bis 1691).

Erdäpfel – Das 18. Jahrhundert (Teil 1)

1705 – Am 27. Mai liegt Schnee und es herrscht starker Frost.

1709 – Jahrtausend-Winter (Damals waren derartige Superlative noch keine maßlose Übertreibung): Der Winter 1708/1709 geht als Jahrtausendwinter in die Geschichte ein. Missernten, Teuerung und Hungersnöte sind die Folge. Selbst in Trier ist die Nacht zum 7. Juli die letzte Frostnacht des vorangegangenen Winters. Ursache des extremen Klimas ist wahrscheinlich das unglückliche Zusammentreffen zweier Umstände, nämlich zum einen die seit etwa 1675 anhaltende mittlere Periode der „Kleinen Eiszeit“ und eine Phase auffällig geringer Sonnenfleckenaktivität.

1720 – Elsäßer berichtet: Die seit ungefähr 1700 in Oberweißbach bestehende Oberförsterei wird aufgehoben. Sie stand auf dem sogenannten „Forstacker“ (heute Hotel „Burghof“). Stattdessen wird in Cursdorf ein Wildmeister namens Henne angestellt. Mit der Oberförsterei war ein Gestüt verbunden. Die Weide für die Stuten und Fohlen war auf den Fischbachwiesen1).

1722 – Die Knaben- und Mädchenschule sowie die Organistenwohnung brennen nieder und werden 1723 wieder aufgebaut. Die Hälfte der Kosten trägt die Kirche. Die Mädchenschule befindet sich zu dieser Zeit etwa an Stelle des heutigen Amtshauses.

1723 – Das Bannrecht für die (Königseer) Stadthandwerker wird erneuert. Damit wird ihnen eine Art Monopol gesichert. In den zum Amt Königsee gehörigen Dörfern, so auch in Oberweißbach, dürfen fortan keine Schuster, Schneider oder andere Handwerker ansässig sein. Ausgenommen sind nur solche Handwerke, die auf dem Lande unbedingt benötigt werden, wie z. B. Schmiede, Zimmerleute, Wagner, Böttcher und Drechsler. Mit dem Bannrecht hat es aber noch eine andere Bewandtnis: Es soll nämlich verhindern, dass Waren und Dienstleistungen durch dafür nicht qualifizierte Personen (Pfuscher) erbracht werden und dadurch das Handwerk in seinem Ruf geschädigt wird.

1726 – Bis zum Jahre 1730 herrscht in ganz Thüringen eine Raupenplage. Sämtliche Obstbäume werden vernichtet.

1729 – Als erster Diakon zu Oberweißbach wird Ludwig Friedrich Winzer erwähnt.

1730 – Um 1730 (nach Dr. Hans Eberhardt bereits um 17202)) werden im Thüringer Wald die Kartoffeln eingeführt, aber, wie Elsäßer bemerkt, noch lange mit Misstrauen betrachtet.

Noch größeres Misstrauen haben aber wohl die Preußen, denn erst in Folge der sogenannten „Kartoffelbefehle“ werden dort ab 1756 Kartoffeln als Nahrungsmittel angebaut. Einem sich hartnäckig haltenden Gerücht zufolge trickst Friedrich II. seine Bauern dabei geschickt aus, indem er einen Kartoffelacker vom Militär „streng“ bewachen lässt. Die Bauern, angelockt durch die vermeintlich wertvollen Pflanzen, stehlen die edlen Knollen und bauen sie nun sogar freiwillig an.

Ursprünglich stammt die Kartoffel aus den chilenischen und peruanischen Anden. Wie sie nach Europa kam, ist nicht abschließend geklärt. Die Legende, die Erdäpfel seien von Sir Francis Drake mitgebracht worden, stimmt jedoch nachweislich nicht.

In Deutschland soll die Kartoffel erstmals 1647 angebaut worden sein – und zwar gar nicht weit weg von unserer Heimat in Pilgramsreuth in Oberfranken (heute zu Rehau gehörig).

1731 – Wieder herrscht ein sehr harter und langer Winter. In Neuhaus kann man zu Pfingsten noch Schlitten fahren.

1732 – Für Oberweißbach werden in diesem Jahr 5 Laboranten und 76 Olitätenträger erwähnt.

1733 – Am St. Vitus Tage (15. Juni) brennen in Cursdorf nach der Explosion einer Destillierblase 65 Wohnhäuser ab. Dabei laufen große Mengen brennendes Harz und Pech das Dorf hinab. Mehrere Menschen kommen ums Leben.

1734 – Das zum Pfarrhaus (heute Fröbelmuseum) gehörige Backhaus wird von der Gemeinde angekauft und zum Gemeindekeller umgebaut. Das Backhaus stand demnach etwa dort, wo sich heute die AWO-Senioren-Wohngemeinschaft befindet. Es gab zwischen diesem Gebäude und dem Fröbelhaus damals noch ein Gebäude (Remise).

1737 – Am 14. März brennen 3 Häuser in Oberweißbach ab, darunter die Mädchenschule und Bäcker Wilhelms Haus.

Pfarrer Johann Paul Friedel tritt sein Amt in Oberweißbach an, das er 24 Jahre ausüben wird. In einem alten Lexikon lesen wir über ihn:

„Studirte zu Berlin und Jena, ward hernach Informator und Hofmeister adelicher junger Herren, von 1730 bis 1736 Instruktor des Erbprinzen Johann Friedrich zu Schwarzburg-Rudolstadt,

1738 Pfarrer zu Oberweißbach am Thüringer Walde, und 1761 Pfarrer und Adjunkt zu Königsee, geb(oren) zu Laasdorf im Fürstenthum Altenburg am 17. April 1694, gest(orben) …“ am 4. Mai 1776 zu Königsee.

Johann Paul Friedel – ein vergessener Pädagoge?

Im März 1740 erscheint in Jena ein Buch mit dem barocken Titel:

„Treue Hirtensorge vor die Lämmer,

Oder Deutlicher Unterricht, Wie Gemeiner Leute Kinder,

Zumal auf dem Lande, sollen christlich erzogen,

auch im Lesen, Schreiben und Rechnen gründlich unterwiesen werden;

Nebst beygefügter Nachricht vom Olitätenhandel derer sogenannten Königseer,

wohlmeinend entworfen von Johann Paul Friedel,

Pfarrer in Oberweißbach.“

Es ist Lese-, Rechen- und Geschichtsbuch in einem und zugleich eine Unterweisung für Eltern zur christlichen Erziehung der Kinder. Heute würde man wohl von fächerübergreifendem Unterricht sprechen und wäre stolz auf diese „neue“ pädagogische Erfindung.

Das 280 Jahre alte Büchlein hat nur 112 Seiten und enthält doch ein bemerkenswertes und vor allem praxisorientiertes Repertoire für den Unterricht im Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Rechnen und in Geschichte, wobei hier vor allem die Ortsgeschichte bzw. die Geschichte des Olitätenhandels im Vordergrund steht.

Kinderspiele für Jungen und Mädchen sind ebenso enthalten oder angedeutet, wie die Herstellung einer Feder (Schreibfeder, Federkiel).

Zum Lesenlernen rät Friedel zu einem ähnlichen Vorgehen wie wir das etwa aus DDR-Zeiten mit der Fibel kennen.

Friedel lässt Diktate schreiben, erklärt das Abfassen privater und geschäftlicher Briefe und den Satzbau – und dies alles ganz und gar ohne Fremdwörter! Er arbeitet mit Beispielen, die stets mit der Lebenswirklichkeit der Kinder zu tun haben.

Datenschutz war damals noch kein Thema, denn oft müssen tatsächlich existierende Personen als gute oder schlechte Beispiele herhalten:

„Der Apotheker Walther in Zerbst, der ein redlicher, verständiger und bescheidener Mann ist, kaufft viel Waaren, sonderlich aber Spiritus vor bar Geld von uns.“

Noch köstlicher lautet eine Art Strafanzeige, welche besagt:

daß Dero Knecht Hans Unbehauen sich gestern in hiesiger Schencke sehr ungebührlich aufgeführet, und fast alle Fenster eingeschlagen hat …“

Rechnen mit nichtdezimalen Währungen

Vielleicht hat man Friedel diese Offenheit übelgenommen, denn plötzlich wird er vorsichtiger. Nun heißen seine Beispielgeber etwa Nicol Unbedacht, Fritz Redlich oder Adam Aufrecht.

Rechnen lernen, Nummeration (Zählen), Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division – hier finden sich ein paar hübsche Beispiele, an denen sich selbst heutige Abiturienten die Zähne ausbeißen dürften, dann nämlich, wenn Friedel das Rechnen mit nichtdezimalen Währungen lehrt.

Die Förderung besonders talentierter Schüler gehört ebenso zu Friedels Lehrplan, wie Bruchrechnen und Dreisatz.

Großen Wert legt Friedel auch auf die richtige Berufswahl, darauf, dass die Eltern die Neigungen ihrer Kinder erkennen, fördern und sie zu „Professionen“ anhalten, die ihren individuellen Fähigkeiten und Talenten entsprechen und ihnen Freude bereiten, anstatt sie zu wesensfremden Tätigkeiten zu zwingen.

Ein langes, äußerst aufschlussreiches Gespräch zwischen einem Balsamträger und dem Pfarrer gewährt uns schließlich Einblicke in die Anfänge und die harte Realität des Olitätenhandels. Nebenbei erfahren wir etwas über den früher um Oberweißbach verbreiteten Flachsanbau sowie die erstaunliche Gesundheit der Kinder, die selbst im Winter barfuß herumlaufen.

 

Enthält diese Rechnung einen Fehler?

Schließlich berichtet Friedel ausführlich über die Gründe, die zu Plünderung und Brandschatzung Oberweißbachs 100 Jahre zuvor geführt haben (siehe dazu unter 1640).

Von 1737 bis 1761 ist Johann Paul Friedel Seelsorger des Kirchspiels Oberweißbach. Wer ist dieser Mann, der sich genau 100 Jahre vor der Gründung des Kindergartens durch Friedrich Fröbel mit Erziehungsfragen der dörflichen Schuljugend befasst – und heute so gut wie vergessen ist?