Dein Leben hat Sinn  -  für deine Ausbeuter - Rolf Friedrich Schuett - E-Book

Dein Leben hat Sinn - für deine Ausbeuter E-Book

Rolf Friedrich Schuett

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Beschreibung

Die ältesten Aphorismen waren einzelne Lehrsätze, die jüngeren sind doktrinäre Feinde von Doktrinen. Bis heute doktern sie an uns herum. Wer Aphorismen schreibt, philosophiert ohne Argumente, weder gute noch schlechte. (Gut begründen oder widerlegen lässt sich schließlich fast alles.) Ihre beanspruchte Allgemeingültigkeit lässt sich auch daran erkennen, dass sie von der geltungssüchtigen Allgemeinheit gerade nicht anerkannt wird. Das aphoristische Gesamtwerk eines Autors bildet ein apodiktisches, ja, dogmatisches geistiges System, welches alle Gesellschaftssysteme anarchistisch in Frage stellt. Bei Lebensweisheiten der Weltklugheit geht es um den Witz bei der Ursache, um bewussten Esprit contra Geisteswissenschaft: Isolierbar vieldeutige und s(pr)achpointierte Mikroprosa zwischen Bild und Begriff, Metapher und Metaphysik, thematisiert den unschlichtbaren Konflikt zwischen rationaler Urteilskraft und ästhetischer Einbildungskraft, zwischen Allgemeinheit und Individuum.

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INHALT

Kapriolen und Purzelbäume der Erkenntnis

Kurzwellensendung

Priameln und verblasene Ungefährheiten

Sprichwörter

Subtexte ohne Kontexte

Verstaubtes Gold oder vergoldeter Staub?

Systematisiertes Ich, individualisiertes System

Ah, Phorismen und Antiphorismen

Kurzgeschichte des Aphorismus

Kultur heute : E oder U, Top oder Pop?

Hohe Kunst und Seelentiefe

Meinen Eltern

in Dankbarkeit

„Der Aphorismus ist der Knoblauch der Literatur, eine uralte, heilsame Kulturpflanze. Er frischt die Lebensgeister auf, aber alle guten Geister meiden ihn wie der Teufel das Weihwasser. Der Knoblauch widersteht – wie der Aphorismus – allen Giften der Welt, weil er selbst Gift ist. (…) Als übelriechende, anrüchige Beigabe wird er von Rezensenten immer ganz am Ende erwähnt. (…) Er ist grob, anmaßend, selbstherrlich; meist sinnig, selten sinnlich, auch größenwahnsinnig, doch fast nie unsinnig.“

(Claus Wendt: „Literaturbotanik“, 1980)

„Soll eine Veränderung möglichst in die Tiefe gehen, so gebe man das Mittel in den kleinsten Dosen, aber unablässig auf weite Zeitstrecken hin!“

„Es ist ein Nachteil für gute Gedanken, dass sie zu rasch aufeinanderfolgen; sie verdecken sich gegenseitig die Aussicht. – Deshalb haben die größten Künstler und Schriftsteller reichlichen Gebrauch vom Mittelmäßigen gemacht.“ (Friedrich Nietzsche)

„ … wohl in keiner anderen Form vollzieht sich die Vereinigung von Dichten und Denken derart sinnfällig wie im Aphorismus.“ (Gerhard Baumann, 1975)

„Kein guter Leser ist, wer Aphorismen nicht fortlaufend lesen kann – mit ebenso viel Aufmerksamkeit wie einen philosophischen Text und ebenso viel Vergnügen wie einen guten Roman. Erst bei solcher Lektüre gewinnt die Physiognomie des Autors Profil.“

(Alfred Behrmann : „Umrisse“, 2010)

Kapriolen und Purzelbäume der Erkenntnis

Kategorische Embleme, aphoristische Doktrinen

„Aphorismen, ein Namen wie von Prokustes.“ (E. Canetti)

Kunst : Form als Hülle des Stoffs.

Mode : Stoff als Hülle der Form.

Make it or fake it. Leute mit zwei linken Händen sind noch keine reinen Grundlagenforscher.

Kein kultivierter Mensch sucht sein Glück, doch es genügt nicht, unglücklich zu sein, um gebildet zu wirken.

Der Optimist gibt sich mit dem Guten zufrieden, der Pessimist mit dem Schlechten.

Gib dein Bestes, es kostet dich am wenigsten.

Der Herr (an)erkennt nicht, dass er ausbeutet, der Knecht aber, dass er ausgebeutet ist.

Im Kommunisten bekämpfte man den Arbeiter und im Arbeiter den Maschinenstürmer.

Zum Leiden muss man sich weniger anstrengen und verpflichten als zur Leidenschaft.

Die ganze Nachricht ist nicht mehr als die Summe ihrer Mitteilungen.

Das ganze Kapital ist mehr als die Summe seiner Verteilungen.

Der ganze Verlust ist am Ende mehr oder weniger die Summe seiner Vorteile.

Die ganze Verurteilung ist weniger als die stumme Summe unserer Vorurteile.

Computer sind nur Werkzeuge wie Bohrer. Wer sie nutzt, macht alles zum Zahn der Zeit.

Der Leib blüht auf im Glück, der Geist im Unglück?

Eigene Erfahrungen wollen sich Denken sparen.

Morgen werden wir diesen Satz wohl ganz anders verstehen als heute und das Verständnis gar nicht.

Gäbe es keine Tiere mehr, wäre die Welt bestialischer.

Allzu menschlich bist du, human sollst du sein, Humor hast du, und Humus wirst du.

Ein Buch soll einem die Zeit lang werden lassen.

Freiheit 2020 : Willpflicht zur Sollkür.

Jede Stunde sieht das Kind durch seine Hoffnungen, der Greis durch seine Erinnerungen hindurch

Würden Migranten sich dort mehr Einheimische wünschen, als diese sich hier jene verwünschen?

Auch die Heiterkeit der Kunst will nicht zu ernst genommen sein.

Der Aphorismus hält kleine Stücke aufs Ganze und große Stücke auf die ausgeschlossenen Teile.

Das Unendliche kommt auch zu Ende in dir.

Bück dich nur vor mir, zeig anderen den Hintern!

Meine Verzärtelung härtet ab gegen ein hartes Wort und Leben, das sich gegen sie verhärtet.

Jeder Tag ist der Jugend zu lange Jahre zu kurz und dem Alter zu wenige Jahre lang zu lang.

Das Wissen kleidet die nackte (frierend geile) Wahrheit, Bewusstlosigkeit enthüllt die nackten Untatsachen.

Vorschrift: Wissenschaftliche Geistesblitzableiter gehören auf alle Gedankengebäude!

Ein Egoist will selbst selbstloser sein als andere.

Menschliches Dasein ist ein Fort- und Dortsein, das nie so ganz hier und da ist im Dagegensein.

Es gibt fünf Kontinente und wie viele Inkontinente?

Der Geist weicht nicht mehr ab, sondern nur noch auf und aus.

Gegen die Kirche spricht nicht länger Dogma, Askese oder Strafpredigt, sondern eher Petri Selbstverleugnung.

Was mir abgeht, entgeht mir; was dich angeht, übergeht dich.

Die Jugend weiß, was Alte tun sollten; der Greis weiß, was er in der Jugend hätte tun sollen.

Beide sind einig: Opa glaubt dasselbe Schöne hinter sich, was sein Enkel Böses vor sich hat.

Erkennen kann etwas nur, wer sich nicht ganz auskennt und Vorkenntnisse aberkennt.

Jedes Ding macht seine Ursachen unmöglicher und seine Folgen etwas unwahrscheinlicher.

Ostern feiern Weicheier den geheiligten Zeitgeist, der nicht sein Mittelmaß heil(ig)t.

Das Heute wird bald auf ewig wie nie gewesen sein, aber wie wird ein Morgen ewig nachfolgen?

Wer sehen darf, was er ist, ist es schon gewesen, denn er muss nie sein, was er gesehen hat.

Ist Welt eher für Geld oder den Held zu haben?

Man hört Schriften, sieht Begriffe, liest Bilder und fühlt Stimmen, ehe man noch ganz da ist.

Die Künstler und Philosophen fühlen sich zu dem berufen, wofür Menschen nicht gemacht sind.

Der Mensch beherrscht als Sklave Gottes die Welt und dient als Satans Domherr.

Erkenntnis : ein Erlebnis, das sich nicht erlaubt.

Ich bin dir gut oder böse oder egal, also denke ich (mir etwas aus).

Eigenliebe hasst Unbeliebtes, Liebe vereint wahllos Beliebiges.

Hingabe heißt alles im Voraus vergeben; hassen heißt alles im Voraus bestrafen.

Glück verkleidet sich als Pech, um zu überleben; Pech verkleidet sich als Glück, um zu prahlen.

Besitz ist Sehnsucht nach dem, was man hat; Hoffnung ist Besitz dessen, was man nicht hat.

Jeder Lebenslauf ist auf Freund Hein gerichtet, seine Mündung wie seine Quelle ein Muttermund.

Liebe und Industrie haben eins gemeinsam: sie decken nur Bedürfnisse, die sie erst wecken.

Vor Kunst dünkt man sich Kitsch, vor Kunststoff und Kunstgewerbe ein Stück Natur.

Aphoristiker oder Sentenzenschleifer ist, wer den geistigen Ausnahmezustand verhängen kann und über Menschenfreund und -feind entscheidet.

Unfreiheit ist oft Flucht vor dem eigenen IQ.

Natur : immer dieselben Gesetze immer neuer Dinge. Geschichte : immer neue Kombinationen immer derselben Dinge.

Der Sinn deines Lebens enthüllt sich nie deinen Sinnen und die Sinnlichkeit nie deiner Klugheit.

Der Reiche lebt umsonst, der Arme vergebens.

Wer länger leben will, muss zur Strafe als ekler Untoter herumhumpeln.

Wer die Welt nicht ausreden lässt, kann nicht von ihr sprechen und sie ausdrücken.

Lebens- und Todesstrafe bewahren voreinander.

Müsste Gott blöde und geil, neidisch und gewalttätig werden, wenn er Mensch werden wollte?

Frei ist, wer zum Schicksal noch Stellung nimmt.

Man findet nur Lügen und erfindet dann Wahres.

Humor haben nur pedantische Griesgrame.

Viele meistern ihr Pech besser als ihr Glück.

Ohne Hoffnungslosigkeit denkt niemand, ohne Lähmung handelt keiner verzweifelt.

Deine Armut schändet alle Reichen, dein Wohlstand alle Habenichtse.

Wer nicht gut ist, muß hoffen, dass alles gut wird.

Kurzwellensendung

Kommt in den Himmel, wer sein Leben opfert oder für seine Opfer lebt?

Nur das allmächtige Böse in der Welt beweist den Allmächtigen, nur Satan unsere Allunwissenheit.

Der Gott ist in dir so gestorben, wie seit zwei Jahrtausenden der Mensch in Gott.

Einsamkeit und Gemeinsamkeit sind Schulen füreinander.

Der Dreckspatz kommt dem aufs Dach, der die Friedenstaube mit der Hand fängt.

Der Aphoristiker ist mit deiner Weisheit immer am Anfang.

Habe ich meine Kindheit erzählt, vergesse ich sie.

Erinnere ich mich an meine Pläne, zähle ich sie.

Ordnet kein Gott die Welt auf uns hin, muss man es selber tun.

Geh mit unbarmherziger Natur unbarmherzig um, auch mit der eigenen – aus Notwehr statt Hybris.

Macht erst der Techniker aus böser Natur eine gute Mutter, die Gottvater ihm nicht gegeben hat?

Humor haben nur Sauertöpfe, ernst machen nur Clowns.

Was steht an Gegenständen fest – gegen unsere Feststellungen? Was feststeht und wir feststellen, sind nicht wir, sondern unsere Festsetzungen.

Macht sachliche Haltung für deine Verhältnisse Halt vor Sachverhalten, die sie nicht enthalten?

Wer nur Hoffnungen hat, macht seine Lage verzweifelt. Aussichten hätte, wer ganz resignierte.

Mit der Hoffnung auf den Himmel ist die Höllenangst leider auch verschwunden.

Einst war die Seele die Form des Leibes und der Rohstoff des Geistes. Heute ist sie Psychologin.

Arbeiter stehen vor Marxisten oft elender als vor Bürgern.

Die Popkultur ist gar nicht vom Volk geschaffen, sondern für die Unterschicht produziert, um sie unten zu halten.

Wer zu viel Seele in der Natur entdeckt, behält davon zu wenig übrig in sich selbst.

Viele meistern eher ihr Pech als ihr Glück undüben Kritik an glücklichen Kühen, sich in Geduld

Kunst geht zu weit, soweit, wie die Justiz erlaubt.

Alles fließt. Und bleibt ewig im Fluss stecken.

Du kommst erleichtert aus Jahrtausenden und gehst ängstlich in Jahrzehnte.

Aufrechter Gang wurde Fortschritt, gerade noch aufgefangener Sturz (nicht Flucht) nach vorn.

Wir leben schon nach der Zukunft, nicht mehr vor der Vergangenheit.

Descartes? Ich denke, also bin ich des Teufels.

Wenn die Herkunft keine Hauptrolle mehr spielt, dann auch nicht das Naturtalent.

Die Geschichte verlässt, wer alles hat, ohne dafür zu arbeiten.

Sitzenbleiber sind aufgestiegen, wenn der Primus der Schulklasse später zum gebildetsten Penner ihrer sozialen Klasse wird.

Priameln und verblasene Ungefährheiten

„… lieber hätte ich gar keinen Erfolg, als nicht zu den Größten zu gehören.“ (John Keats)

„Der andere kann kämpfen, aber er kann nicht meine Verse schreiben. Lasst mich in Ruhe.“ (John Milton)

Démon de monde. Gehört wird nur, wer schweigt, also nicht gehörig angehört werden muss.

Nichts Böses kommt ohne Widerstand des Guten zustande.

Der Ewige schuf die Welt, ohne ihre Ursache zu sein, die vor dem Urknall läge.

Erst Nomaden gegen Sesshafte, dann Arbeiter gegen Bürger, nun Eingeborene gegen Ausländer.

Was man nicht sagen mag, soll man schreiben; was man nicht schreiben kann, muss keiner tun.

Übermorgen wird morgen schon wie von gestern sein, wenn du dich dir anpasst und nicht aufpasst.

Ich kann nicht schreiben, was ich lese, und nicht gut lesen, was ich schreibe.

Lässt sich innere Leere mit dem Nichts füllen, dem das All entstammt?

Wer nicht seiner Schwächen Herr wird, wird Sklave seiner eigenen Macht.

Alten fällt nur ein, an Alten fällt nur noch auf, dass sie immer eher altklug als blutjung waren.

Wächst Wohlwollen besser auf Wohlstand?

Klugscheißer und Dummköpfe verhalten sich wie Einfaltspinsel und Schlaumeier.

Ihr wart vor allem schon überall, hier und da, doch überhaupt nicht u. a. oder über allem.

Ein Vermögen lässt sich besser verstecken als sein Gegenteil.

Es gab immer zu viele Bücher, d.h. zu wenige gute.

Aphoristiker sind noch alte Maschinenstürmer und verdrängte Wissens- und Geltungsdränger.

In meinem Buch ist das Leben wichtiger als in deinem Leben das Buch.

Tiefenkommunikation : „Was habt ihr?“ – „Nichts.“ – „Was ist denn?“ – „Was soll sein?“

Queerdenker. Ich staune nur noch darüber, was mich einmal in Erstaunen versetzen konnte.

Spekulative Denker investierten ein System, um drei Aphorismen zu gewinnen – oder umgekehrt.

Ich denke, dass Gefühle uns Gedanken machen, oder denke dem nach, was ich mir so ausdenke.

Erhabenes bedrückt, Tiefsinn erhebt, Weite engt