Der 30jährige Baukrieg - Paul-Rainer Zernikow - E-Book

Der 30jährige Baukrieg E-Book

Paul Rainer Zernikow

0,0

Beschreibung

Bauen in Hagen! Bauen in Deuschland? Ein wütender, genervter Bauheer. Ein bebauungsfähiges, schönes Grundstück. Korrespondenz, Bauplanungen, Bauanträge, Klageschriften, Akten- und Gesprächsnotizen in chronologischer Reihenfolge. Papierreste eines Bauwunsches dessen Durchsetzung gegen alle Widerstände der Politik, Stadtverwaltung und streibaren Nachbarn mehr als dreißig! Jahre gedauert hat.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 185

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



-Inhalt-

1. Der Weg bis zur Baugenehmigung. Bauwilliger: Vater, Antragsteller und Eigentümer eines Eckgrundstücks

2. Marktchancen für den Verkauf. Neuer Bauwilliger: Sohn und Erbe des Eckgrundstücks

3. Verwirklichung. Sponsoren und Investoren: Geldgeber und Planverwirklicher

-Teil I-

(Der Weg bis zur Baugenehmigung)

Man schrieb das Jahr 1989, genauer, den Monat April. Die Rezeptur war angerührt. Ein Architekt, der zum Bauträger mutieren wollte, ein wunderschönes, landschaftlich gut platziertes Eckgrundstück, ein paar nette und ein paar doofe Nachbarn und eine gerüttelte Mischung von Beamten auf Gemeinde- und Bezirksleben.

Der Bauboom war schon einige Jahre vorbei. Die guten Lagen der Gemeindeflächen strotzten vor Reihenhausanlagen und Eigentumswohnungen. Auch der letzte Häuslebauer hatte von Bauherren-Modellen, Steuerabschreibungen und staatlichen Bauprogrammen profitiert. Notare rieben sich die Hände und Bauträger tanzten vor Freude auf den Tischen. Die sogenannten „Baulöwen“ füllten ihre Taschen. Man kannte sich. Die Politiker, die etwas bewegen konnten und die Bauvereine oder Versicherungen, die wohlwissend in Grundstücke investiert hatten.

Jeder war stolz auf seine Beziehungen, ob auf Gemeinde-, Bezirks - oder Bundesebene. Die politische Arbeit lohnte sich. Ganze Landstriche wandelten sich um von Landwirtschaft in Bauwirtschaft und dieses auf so wundervolle Art und Weise.

Die Baudezernenten der Städte, damals noch Stadtbauräte genannt, konnten und wollten Zeichen setzen. Sie wollten Träume verwirklichen. Die Stadtplanung war die eleganteste Art, über Gemeindegrenzen hinaus bekannt zu werden, eigenen Stil zu entwickeln und für sich selbst Baudenkmäler moderner Prägung zu setzen!

Auch in einer kleinen Gemeinde des Ruhrgebiets, ganz am Rande des Sauerlandes, war es nicht anders. Man sehnte sich nach „Bauen für die Zukunft.“ Junge Familien sollten preiswerten neuen Wohnraum finden. Bauvereine sollten in sozialen Wohnungsbau investieren. Planungen über Planungen rollten heran. Die Beamten kamen gar nicht mehr nach, so viele Bauanträge wurden gestellt. Je mehr Finanzmacht in individuellen Händen steckte, desto mehr konnte verwirklicht werden.

Es war die Zeit der Planer und Macher mit Beziehungen zur Politik und Verbindungen zur Bauwirtschaft. Bauunternehmer jeglicher Schattierung hatten viel zu tun. Die Beziehungsdrähte glühten, jeder war sich nahe. An den Theken der Stadt boomten die Geschäfte. Abends gesoffen, morgens getroffen. So wurden Bürgermeister zu Machern und profitierten von chancenreichen Verbindungen. Ob Sonderpreise für private Baugrundstücke oder Schwimmbäder, die von bekannten Bauunternehmern in die große Bausumme gepackt wurden. Jeder bekam etwas ab vom großen Kuchen.

Manche Städte profitierten von diesen Entwicklungen, andere litten unter nicht mehr gut zu machenden Bausünden dieser Zeit. Auch der Stadtbaurat einer kleinen Stadt am Rande des Ruhrgebietes träumte den wunderbaren Traum einer Lebensverwirklichung in Steinen. Fest betoniert und für immer gegossen, so sollte sie aussehen die Traumwelt aus Zement.

Das erste Denkmal war bereits geschaffen. Eine sogenannte Hochstraße aus festem Beton, die Straßenfläche in Spuckweite von Wohnzimmerfenstern und Balkonfassaden. Grundeigentümer wurden abgefunden, um diese Bausünde abzusegnen. Sie sagten Ja zum schnellen Geld und übersahen das Nein für die Zukunft.

Ein Mensch, der mit seinen Untergebenen, Abhängigen gnadenlos umging und manchem für immer „seelisch das Rückgrat“ brach. Ein Chef und Vorgesetzter, der in hinterhältiger Weise einem sehbehinderten Beamten bei dessen Referat in die dunkelste Ecke zitierte und ihm damit jeden Nachteil gönnerhaft einräumte. Dieser Mensch, der jeden Architekten als armseligen Bittsteller behandelte, rühmte sich, in dieser kleinen Stadt Zeichen für die Zukunft zu setzen, für ihn und für ewig über die Stadtgrenzen hinaus. So sollte ein weiterer Traum in Erfüllung gehen. Fünf Säulen einer Stadt, am Horizont für jeden erkennbar.

Fünf mehrgeschossige Hochhäuser mussten es sein, die Zukunft verheißen sollten und Wohnraum bieten für die Bürger, die hoch hinauswollten.

Der Süden der Stadt war dafür auserkoren. Doch dieser Traum zerschlug sich an der unerbittlichen Realität, die wohl die Stadtplanung mit den aktuell kalkulierten Bevölkerungszuwächsen plötzlich nicht mehr zuließ. Eine weitere große Bausünde blieb der bereits hochgradig geschundenen Stadt erspart. Welch wunderbares Schicksal. Neue Stadtbauräte kamen, neue Träume wuchsen. Die Stadtplanung änderte sich. Andere Zeichen wurden gesetzt.

Im Schatten dieser ursprünglichen Hochhausplanung (die fünf Säulen einer Stadt) war ein wunderschönes Eckgrundstück verblieben. Es war eine ehemals verplante Freifläche zwischen den Hochhäusern, variabel und angedacht für Spielzwecke der Kinder, die in diesen Hochtürmen einmal glücklich aufwachsen sollten.

Die ursprüngliche Stadtplanung veränderte sich grundlegend. Wo Hochhäuser wachsen sollten, entstanden nunmehr Wohnbauten jeder Art und Prägung. Von acht- bis sechsgeschossigen Wohnhäusern bis hin zu Terrassenbauten und ausgeprägten Reihen- oder Gartenhofhäusern. Wundersame Neuerungen einer plötzlich geborenen Vermarktungsstrategie, die jede Art neuen Wohnraums für einen kaufwilligen Bürger, ob jung oder alt, an den Mann oder die Frau brachten.

Die sonst so gefällige Architektur gefühlten individuellen Wohnens wurde abgelöst durch massenhafte, gleichstrukturierte Außenfassaden und von vorgegebenen Musteraufteilungen der Wohnräumlichkeiten. Individuelle Wünsche der Bauherren wurden ausgetauscht durch vorgefasste rasterähnliche Grundrissflächen einer langweiligen, aber angeblich praktischen Wohnraumnutzung. Hat man eines gesehen, hat man alle gesehen!

Bauplanung vom Reißbrett der Architekten, die Massen verkaufen mussten, zu erschwinglichen Preisen.Pläne für eigenwilliges, extravagantes Wohnen waren unbezahlbar geworden.

Fluch der Marktwirtschaft und Herabstufung des Architekten zum „Klötzchenbauer“ mit oder ohne Garage. Hier wurden Wünsche vom Markt vorgegeben. Etwas anderes war nicht mehr im Angebot. Der Architekt war für die Masse der Bauwilligen nicht mehr finanzierbar.

Das in Spanien entdeckte und entwickelte Produkt eines Etageneigentums wurde zum Markenzeichen eines neuen Baustils in allen Städten. Jeder wollte Eigentum, ob im Reihenhaus oder in der Eigentumswohnanlage.

Aus Mietern wurden Eigentümer, die jeden Meter ihres erworbenen Wohnumfeldes gegen fremden Eingriff verteidigten.

Wo früher ein Hausmeister das Sagen hatte, nahm nunmehr der Verwalter seinen Platz ein. Eigentümerversammlungen wurden das neue Schlachtfeld von Vielrednern und Interessenvertretern.

Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum, Teilungsgenehmigung, Eigentümerbeschlüsse und Wirtschaftspläne waren neue Vokabeln für die, die sich plötzlich Eigentum leisten konnten.

Mit Argusaugen wurden kleinste Veränderungen am Baukörper verfolgt, Verwalter auf Missstände aufmerksam gemacht und Gerichte beschäftigt, sollte auch nur ein Eigentümer aus der Reihe tanzen und das Gesamtbild der Wohnanlage stören.

Jede Markise gleichfarbig, jeder Außenanstrich abgestimmt und für individuelle Ideen keinerlei Platz mehr.

Nachbarn für immer zerstritten, wo die Wasseruhr versagte oder Mehrkosten nicht mehr überprüfbar waren. Jeder Meter Sondereigentums verteidigt, jeder Gartenzaun argwöhnisch beäugt.

Neues Terrain für Erbsenzähler und Deutschtümler.

Selbst bei einer Veräußerung war man gesetzlichen Schranken unterworfen.

Jeder wollte gefragt sein und jeder wollte Einfluss nehmen auf die Mitbewohner bzw. Miteigentümer. So wechselten Wohngemeinschaften von bierseligem Vereinsgetue zu ewiger Zerstrittenheit, die nur mit Ausstieg gelöst werden konnten.

Neue Spielfelder für Notare und Rechtsanwälte, die das Wohnungseigentumsgesetz in ihrer praktischen Anwendung kennenlernen durften.

Selbst bei Anschaffung im Ausland, ob in spanischen Reihenhaussiedlungen oder Bauansiedlungen in der Türkei, übten sich deutsche Eigentümer in Kampferprobter Manier im Einsatz ihrer Glaubensgrundsätze in Eigentumsfragen.

Es entstanden Beziehungs- und Interessengemeinschaften, die meistens eines gemein hatten: „dagegen zu sein“.

War man untereinander schon zerstritten, so half hier immer ein drohender Feind von außen, der zu mindestens in dieser Schlagrichtung wieder alle vereinte. Was früher außenpolitisch fruchtete, klappte jetzt auch im kleinen, individuellen Kampf um Eigentumsfragen.

Dieses vorerwähnte wunderbare Eckgrundstück, ehemalige Schattenfläche turmähnlicher Hochhäuser, sollte eines Tages auch einer verdienten Bebauung zugeführt werden. War es doch als Restfläche einer jetzt abgeschlossenen Bebauung übriggeblieben. Ehemals unbewachsen als Abstellfläche für Baugerätschaften, Containern, Kränen und diversen Mischmaschinen, zeigte es nunmehr nach Jahren der Nachbarbebauung leichtes Grün, geprägt vom jungen Aufwuchs, von Bäumen und Sträuchern.

Ein scheinbares Kleinparadies in Grün. Umringt von Eigentümern, die akribisch darauf achteten, ob sich irgendetwas veränderte.

War es doch auch so verführerisch, seinen Gartenabfall alljährlich dort zu deponieren, ohne dass dieses auf den ersten Blick auffiel.

Wie schön war es, eine derartige Oase in seiner Nachbarschaft zu wissen. Ein grüner Fleck, der die feinstrukturierte Nachbarbebauung so reizvoll umgarnte. Ach, wie herrlich!

Doch insgeheim wusste jeder, der dort gekauft hatte, dass eine Bebauung in der Luft lag, ja, das Grundstück nahezu „nach einer Bebauung schrie“.

Nur diese Rufe wollte keiner mehr hören. Hatte man sich doch auf seiner Eigentumsparzelle so gut arrangiert, war doch alles inzwischen so vollendet und ruhig. Jeder der ursprünglichen Käufer und Eigentümer der Nachbarbebauung kannte den Passus in seinem Notarvertrag, der in ausdrücklicher Form auf die zukünftige, geplante Bebauung in zweigeschossiger Bauweise verwies und damit rechtlich bindend jedem klar machen musste, dass sich dort jederzeit etwas verändern konnte.

Aber Veränderungen wollte man nun nicht mehr. Hatte man sich doch selbst verändert in dieser Zeit. Hatte man sich doch eingerichtet, alles so schön fertig und wohlstrukturiert. Nein, verändern wollte sich keiner mehr, es war doch so anheimelnd, wie es sich nunmehr darstellte.

Als man noch einen eigenen Bauwunsch hatte und alles dafür in Kauf nahm, um seine individuellen Pläne zu verwirklichen, hatte man das in die weite Zukunft geschoben, so weit, dass man es gar nicht mehr wahrhaben wollte, dass sich etwas verändern könnte. Vielleicht kam so etwas auch gar nicht mehr?

Der Grundstückseigentümer, plötzlich verstorben, die Erben unauffindbar. Ja, so könnte es sein. So herrlich einfach.

Doch dann kam der Tag X, im April 1989.

Mit ihm der Wunsch des Grundstückseigentümers und Architekten, seine bereits lang geplante Bebauung zu verwirklichen und per Bauvoranfrage an die städtische Beamtenöffentlichkeit zu tragen.1/2/3/4/5

Die Stadtverantwortlichen witterten Problemstellungen, politische Einflussnahme, nachbarliche Interessenvertretungen.

Der Hinweis auf die rechtlichen Bindungswirkungen in den Notarverträgen interessierte letztlich nicht. Hier ging es um Interessen von Mehrheiten. Hier standen Wählerstimmen auf dem Spiel. Hier gab es einflussreiche Nachbarn.

Der Baudezernent krümmte sich wie ein Wurm. Er wollte „um Gotteswillen“ keine öffentliche Diskussion, keine neue politische Streitebene, besonders nicht vor den anstehenden Kommunalwahlen.

Sollte doch der Bauwillige verdammt nochmal erst einmal selbst mit den Nachbarn reden und sich selbst den Boden für eine zukünftige Bebauung bestellen.6

Nur keinen Stress!

Ja und ob man überhaupt bauen dürfe, das müsse erst die übergeordnete Behörde, der Regierungspräsident Arnsberg, entscheiden.

Und was war überhaupt mit dem Abstand zum Wald. Hier war die Forstbehörde gefragt.

Auch das Grünflächenamt könnte Bedenken haben, lauerte dort ein nicht erkannter Lurch oder ein Albino-Frettchen? War da vielleicht ein erhaltenswerter Baum? Vielleicht nicht da, aber dort!

Hindernisse über Hindernisse.

War es nicht die Stadtverwaltung selbst gewesen, die die ursprüngliche Stadtplanung verlassen hatte und Verantwortung dafür trug, dass dort etwas ganz anderes verwirklicht wurde als ursprünglich erdacht?

Waren es die gleichen Beamten, die jede Fläche einmal unbedenklich einer Bebauung zugeführt hatten und sich nunmehr sperrten? War so etwas überhaupt möglich?

Der Bauwillige registrierte dieses Verhalten mit einem gewissen Erstaunen, hatte er doch in seiner eigenen langen Schaffensphase als Architekt die wundersame Veränderung der Flächennutzung, mit der bedenkenlos Baurecht geschaffen wurde, haarklein miterlebt.

Und jetzt?

Das politische Klima hatte sich verändert.

Die Zeichen wurden plötzlich auf „Grün“ geschaltet.

Jeder Lurch, jeder Grashalm erschien plötzlich erhaltens- und schützenswert. Auch die ehemals gnadenlose Baupolitik musste sich anpassen, ging plötzlich auf Schmusekurs, den Förster an ihrer Seite.

Baugrenzen und Waldabstand, das waren die neuen Schlagwörter.

Wollte man dies alles ernst nehmen, so konnte man auf einer Fläche von immerhin ca. 3500 qm lediglich ein Zelt aufstellen. Ein Zelt, wo sich die Nachbarn besaufen konnten, um es anschließend wieder abzubauen.

Der Antragsteller, so ist es nun mal häufig, wollte lieb sein.

Er ist ja ein Bittsteller, kein Bauberechtigter, wie es das Gesetz an sich vorsieht.

Hier saß er nun, vom forschen Auftritt eines Bau-Wünschers zum devoten Bittsteller mutiert. Er wollte besonders brav sein und selbst mit den Nachbarn sprechen. Es waren ja alle an und für sich vernünftige Leute.

Im Beisein seines Sohnes, der selbst Anrainer war und die Nachbarn teils persönlich kannte, bat er um die erste Interessenversammlung.

Dabei wurde sofort klar, jeder Nachbar hatte individuelle Wünsche, aber alle nur einen gemeinsamen Wunsch: Jede Bebauung zu verhindern!

Was war denn eigentlich mit den Unterschriften in den Notarverträgen, was war denn mit der Aufklärung nach der Vertragszeichnung im Hinblick auf die geplante Nachbarbebauung. Nichts, vergessen, einem neuen Ziel geopfert! Vielleicht konnte man sich als Masse über Recht und Verträge hinwegsetzen?

Man hatte den Nachbarn im Übrigen bei entsprechender Zustimmung auch das Erstellen eines Stellplatzes oder einer Garagenanlage in Aussicht gestellt. Ja das war ein Angebot.

Jeder wollte eine Garage in Fertigbauweise gerne erhalten zum Vertragspreis oder aber vielleicht auch gratis?

Alles schien möglich.

Auch Angebote über Bargeldzahlungen als Entschädigung oder Schmerzensgeld standen bei den Nachbarn zur Diskussion. Wie hieß der Film eigentlich?

Der Bauwillige und sein Interessenvertreter verstanden die Welt nicht mehr. Alle hatten unterschrieben oder doch zu mindestens jeder der Voreigentümer hatte um die zukünftige Bebauung gewusst, bereits lange vor dem ersten Spatenstich.7

Hatten sie es vergessen? Nein, sie wollten vergessen, kraft ihrer Masse Mensch, die nunmehr eine andere Richtung vorgab.

Die Gespräche mit den Nachbarn, die anfangs in friedlicher und freundlicher Atmosphäre stattfanden, eskalierten immer mehr, so dass manche Sitzungen mit üblen Beschimpfungen endeten, obwohl doch jeder an sich eine „gute Kinderstube“ genossen hatte.

Die einen forderten und die anderen sahen, ob der gegebenen Rechtssituation nicht ein, dass man irgendwelche Geschenke machen sollte für das, was einem Antragsteller per Gesetz oder schuldrechtlicher Vereinbarung einfach zustand.

Man hörte Vorwürfe, wie Geschäftemacher, Bau-Mafia etc. Nachvollziehbar war das nicht, es sei denn, man stellte sich auf den Standpunkt, jeder habe das grundsätzliche Recht, eine Nachbarbebauung zu verhindern.

Irgendwann wurden diese Konsolidierungsgespräche wegen Erfolgs- und Aussichtslosigkeit eingestellt.

Nach längerer Zeit einer Denkpause ergriff auf Druck des Antragstellers die Stadt endlich die Initiative.

Nach der Erstbesprechung beim Baudezernenten am 26.04.1989 erfolgte eine umfängliche Korrespondenz mit der Stadt, um die einzelnen gesetzlichen Kriterien einer Bebauungsmöglichkeit abzustecken. Es wurde seitens der Stadt plötzlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, über die gemeindliche Ebene hinaus, die Bauplanung dem Regierungspräsidenten vorzustellen, der als Aufsichtsbehörde selbstverständlich ein erhebliches gesetzliches Mitspracherecht hatte.8

Mit dem Beschluss der zuständigen Bezirksvertretung auf politischer Ebene, den Vorschlag einer Bebauung zurückzuweisen, wurde der Versuch einer verwaltungsgerichtlichen Lösung unternommen.9

Mit ablehnendem Bescheid der Stadt Hagen vom 24.08.1990 wurde die rechtliche Voraussetzung dafür geschaffen, dass man die Frage einer grundsätzlichen Bebaubarkeit des Grundstücks nunmehr verwaltungsgerichtlich überprüfen konnte.10

Mit diesseitigem Widerspruch vom 11.09.1990 erfolgte die notwendige prozessuale Phase eines geplanten verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens.

Mit dem ablehnenden Bescheid des Regierungspräsidenten vom 31. Juli 1991 endete das sogenannte Widerspruchsverfahren, so dass mit dieser Ablehnung nunmehr das offizielle Klageverfahren unter dem 27.08.1991 begonnen werden konnte.11

Trotz verwaltungsrechtlichen Klageverfahrens belegen die Auszüge aus der Korrespondenz, dass die Gespräche mit der Stadt Hagen im Hinblick auf die Bebauung des Eckgrundstücks weitergeführt wurden.12

Es ging weiter.13/14/15/16/17

Die Stadt wurde darauf verwiesen, dass mit allen angrenzenden Eigentümern der Gartenhofanlage im Nachbarbereich dieses Grundstücks bereits ein Besprechungstermin in den Jahren 1977/1978 stattgefunden hatte.

Die aktuelle Parteienlandschaft ließ es plötzlich zu, dass der Baudezernent bei einer Bürgerversammlung am Dienstag, den 12.11.1991, 19.30 Uhr, die Vorstellungen der Stadtplaner im Hinblick auf die Bebauung des Eckgrundstückes vorstellte.

Heftige Diskussionen und Proteste waren die Folge. Man wollte im Grunde genommen keine Bauverwirklichung, gleich welcher Art.

Die Aktennotiz vom 12.11.1991 im AWO-Heim gab etwas Hoffnung. Mehr aber auch nicht.18

Die Stadt fand sich auf Drängen des Bauwilligen bereit, die Nachbar- Gespräche unter ihrer Begleitung in ihrem Hause weiterzuführen. Diese Gespräche wurden am 02.12.1991 bei der Stadtverwaltung aufgenommen.

Die Gespräche bei der Stadt waren so weit gediehen, dass man auch seitens der involvierten Richter beim Verwaltungsgericht Arnsberg darauf drängte, das verwaltungsgerichtliche Verfahren doch vergleichsweise zu beenden, insoweit, als die Stadt signalisierte, den Antrag des Bauwilligen positiv weiter zu begleiten und weiter zu verfolgen.19

Eine weitere Anliegerversammlung am 08.01.1992 ergab zu mindestens eine Gesprächsbereitschaft der involvierten Nachbarschaft.20 Inzwischen hatte sich auch ein Bauträger gefunden, der bereit war, die bisherige Planung des Architekten umzusetzen.

In einer heftigen Gesprächsrunde im Hause eines Nachbarn am 18.02.1992 konnte keine endgültige Einigung erzielt werden. Es wurden schriftliche Zusatzverträge ausgearbeitet, die angesprochene diverse Nachbarprobleme, wie Kanalpflege und Abstandflächen aufgriffen und intern regeln sollten.

Einige der angesprochenen Nachbarn fanden dies ausgesprochen gut, aber andere wiederum wollten etwas ganz anderes.

Aus Versehen entstand damals kurioserweise eine schriftliche Zustimmungserklärung für die Nachbarn, die in dieser Form aber nie vorgestellt oder gar zur Diskussion gestellt wurde. Unbemerkt landete die ausgearbeitete Zustimmungserklärung der Nachbarn auf der Rückseite einer Anwesenheitsliste, die von allen Anwesenden unterschrieben wurde, ohne dass sich irgendeiner für die zufällig entstandene, aber plötzlich brisante Rückseite interessierte. Mit großem Erstaunen musste der Antragsteller und seine Berater plötzlich feststellen, dass alle betroffenen Nachbarn mit der Zeichnung dieser Rückseite formell schriftlich einer Bebauung zugestimmt hatten, leider nur mit dem Hintergrund, dass keiner die Erklärung kannte, ja überhaupt jeweils angesehen hatte, so dass man von einer bewussten Zustimmung selbstverständlich juristisch nicht ausgehen konnte.21

Man hätte zwar mit vielen Tricks diese Erklärung rechtlich ausschlachten können, doch zu einer derartigen Dreistigkeit konnte sich der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt durchringen. Man hätte wahrscheinlich für immer den Respekt und das Vertrauen verloren.

Also hieß es, weiter planen, weiterreden.

Zwischenzeitlich gab es ca. 15 verschiedene Planungen für dieses Grundstück, einschl. der Planungen einer speziellen mit einer Baulast belegten Nachbarparzelle, die für Stellplätze oder eine Garagenanlage vorgesehen war.22

In erster Linie war dieses als seitlich gelegene von oben und unten befahrbare Garagenanlage angedacht.

Hangabwärts bei sehr starker Geländeneigung, mehrere verschieden gruppierte Reihenhäuser von anfangs 12 bis zuletzt nur noch 3 Häusern.

Die Nachbarn ließen sich letztendlich nicht überzeugen, wollten es auch wahrscheinlich gar nicht.

Der „Ball“ blieb im Raum der Stadt liegen, so dass nur hier der Hebel für eine zukünftige Bebauung des Grundstücks anzusetzen war.

Irgendwann entschied sich die Stadt bei mehrfach wechselndem Personal für die Durchführung eines „Vorhaben- und Erschließungsplanes“.

Dieser musste zwingend vom Rat der Stadt abgesegnet werden. Aber es gelang letztendlich nicht, zu einer Bebaubarkeit des Grundstücks zu kommen, da die Politik einseitig die Interessen der Nachbarn unterstützte.

Von guten Geschäften und Gewinnen in einer Bauangelegenheit bei zwischenzeitlich fast über 19 Jahren Laufzeit konnte selbstverständlich nicht mehr die Rede sein. Die umfassenden und sehr zeitaufwändigen Planungen blockierten das gesamte Architekturbüro des Architekten und Bauwilligen.

Man suchte immer wieder neue Planungsansätze, mit dem Ziel, vielleicht die Politik und die Nachbarn zu überzeugen. Auch die Hinweise in der Presse über beschleunigte Bauverfahren halfen nicht weiter. Sie blieben Schall und Rauch.23

Der Bittsteller/Bauwillige plante nun gemeinsam mit einem ehemaligen Schulfreund, der zwischenzeitlich pensioniert war, einen futuristisch anmutenden Rundbau, der nunmehr alle überzeugen sollte.

Doch auch dieser Plan fand nicht die Zustimmung der Stadt und der Nachbarn.

Verzweiflung war angesagt!

Sollte man das Grundstück endgültig als „Groschengrab“ so belassen?

Sollte man vor dem Nichtbau- und Verhinderungsbegehren der Nachbarn einknicken?

Sollte man die Menge an Zeichnungen, Bittschriften und Gesprächsnotizen für immer vergessen?

Sollte man sich wirklich der Masse opfern? Das Eigentum für Wünsche anderer aufgeben, nein.24

Sollte man für teures Geld den Nachbarn eine Grünzone erhalten? Eine Zone, die nach einer Bebauung schrie.

Bei Gott, das konnte nicht das private Ziel sein. Man wurde nochmals beim Planungsamt vorstellig.25

Es widersprach nicht nur einem normal ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, sondern in erster Linie auch dem Fakt, dass alle Nachbarn von Anfang an informiert und über die zukünftige Bebauung aufgeklärt waren, so dass die nunmehrigen Verhinderungstaten vor diesem Hintergrund schlichtweg unerträglich waren.

Da sich das ehemals nur leicht begrünte Grundstück nunmehr in ein dschungelartiges schnell- und hochwachsendes Gelände verwandelte, war es nötig, hier Einhalt zu gebieten.

Es war besonders wichtig darauf zu achten, dass die Grenzbereiche nicht so überwucherten, dass man sie unter Umständen mit zu den Waldrandzonen zählen konnte. Doch die Randsäuberung führte, wie fast absehbar, zu tumultartigen Aufständen in der Nachbarschaft, mit der Folge, dass durch die Polizei die Rodungsaktionen gestoppt wurden.26

Die Folge war die Einleitung eines Bußgeldverfahrens, da die Rodung außerhalb der durch das Naturschutzgesetz vorgegebenen Ruhezeiten für Vögel erfolgte.

In einem Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht Hagen konnte diese Angelegenheit dann durch Zahlung eines angemessenen Bußgeldbetrages erledigt werden.

Auch diese Nachteile drohen einem Grundstückseigentümer, der eben mit seinem Grundstück nicht machen darf, was er will, obwohl er über Jahre entsprechende Steuern und Grundbesitzabgaben in erheblicher Höhe bezahlt hatte.

Hier wurde steuerlich pragmatisch einfach von Bauland ausgegangen, obwohl man über Jahre gerade um die Bebauung des Grundstückes kämpfen musste.

Es war also faktisch noch gar kein Bauland. Irritationen der Finanzregularien.

Ein Nachbar, der von dem Sohn des Bauwilligen das Reiheneckhaus am Rande des geplanten Baugebietes erworben hatte, wurde plötzlich zu einem der größten Gegner der geplanten Nachbarbebauung. Und dieses, obwohl gerade er aktuell in seinem notariellen Kaufvertrag sein Einverständnis genau mit dieser geplanten Nachbarbebauung gegeben hatte.

Was herrschte plötzlich für ein Rechtsgefühl. Brachialgewalt gegen eine Bebauung, obwohl er sich rechtlich bereits gebunden hatte?

Dieses war nicht mehr hinnehmbar.

Der Antragsteller begann, sich jetzt juristisch zu wehren.

Er wollte nicht länger der Büttel von Nachbarwünschen sein.27

Das angerufene Landgericht ließ keinen Zweifel an der Wirksamkeit der notariellen Einverständniserklärung zur Bebauung im Notarvertrag und schlug eine entsprechende prozessuale Anerkennungserklärung des Beklagten vor.28

Der Bittsteller, der Architekt als Kläger, wollte durch ein positives Urteil nicht den Prozessgegner als Mensch für ewig verprellen und schloss sich am Ende einem vorgeschlagenen Prozessvergleich an, der dem Gegner und Nachbarn verbot, sich aufgrund seiner bindenden vertraglichen Erklärung weiter gegen eine Bebauung zu richten. Entsprechende negative Meinungsäußerungen wurden ihm verboten.

Nach ewigen Versuchen, die Bebauung doch zu verwirklichen, kam endlich, etwa nach siebzehn Jahren, die Wende.

Es war schlichtweg der Wachablösung geschuldet in einer bis dato verkrusteten Bauverhinderungsbehörde der Stadt.

Es wurde plötzlich ein Baudezernent etabliert, der „Bauen“ als legales Mittel einer Stadtplanung wieder zuließ und dieses auch zunehmend durch praktische Taten sichtbar machte.

Die ursprünglichen Bedenkenträger der Stadt, die bis vor kurzem noch die Ämter beherrschten, schienen wie umgewandelt. Man erwog plötzlich den Beschluss eines positiven Bauvorbescheides.

Die Nachbarn spielten eine völlig untergeordnete Rolle. Sie wurden gar nicht mehr gefragt.

In einer Baubesprechung im Jahre 2007 unter Beisein des Bauträgers und eines neuen Architekten,- der alte war inzwischen vor Gram gestorben-, und seines Sohnes, als Erbe der Gesamtbauproblematik, wollte man gemeinsam neue Zeichen setzen und die Bebauung endlich durchsetzen.29

Der eingereichte Bebauungsplan des neuen Architekten war im Gegensatz zum früheren nur noch ein Mosaik des schönen ehemaligen Bauwunsches. Bewusst noch einmal reduziert, um nun endlich in einen Bauvorbescheid gegossen zu werden, der tatsächlich verwirklicht werden sollte.

Aus der Nachbarschaft war zwischenzeitlich eine anwaltlich vertretene Interessengemeinschaft geworden, die auf jeden Fall die Bebauung, wie gehabt, verhindern wollte.30/31/32

Aber siehe da, die Stadt hielt fest an dem erlassenen Baubescheid und fand sich sogar bereit, dafür zu kämpfen. Aus einem legal rechtlich möglichen Nachbarwiderspruch wurde ein Verwaltungsgerichtsprozess gegen Bauträger und Stadt.33

Mit einem persönlichen anwaltlichen Schreiben richtete sich der Sohn und nunmehrige Baubittsteller an den Kläger, der von den streitbereiten Nachbarn als derjenige ausgesucht worden war, sich offiziell zur Wehr zu setzen.34