Antiochia - Paul Rainer Zernikow - E-Book

Antiochia E-Book

Paul Rainer Zernikow

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Beschreibung

Alexander von Grüningen macht sich im Jahr 1189 als Ritter und Söldnerführer im Kreuzfahrerheer des Kaisers Friedrich I. Barbarossa auf, Jerusalem von den Muslimen zurückzuerobern. Als der geliebte Herrscher unterwegs in den Fluten des Flusses Selef verstirbt, erhebt sich dessen Sohn Friedrich VI. von Schwaben zum neuen Oberbefehlshaber. Von Grüningen weigert sich, den herrschsüchtigen Friedrich mit seinem Bannerheer nach Jerusalem zu begleiten. Daraufhin legen dessen Häscher ihn und seine Waffenbrüder in Ketten. Die Gefangenschaft bedeutet für die Söhne bekannter deutscher Adelsgeschlechter nicht nur eine tiefe Demütigung, sondern auch grausame Folter. Allein die aufopferungsvolle Liebe einer Muslima aus Antiochia hilft von Grüningen dabei, das Elend und die Bestalität seiner Gefangenschaft zu ertragen. Als Friedrichs Folterknechte sie in ihrer rasenden Wut verschleppen, begibt er sich auf die Spur dieser geheimnisvollen Fru durch das Heilige Land bis vor die Mauern Akkons und Jerusalems. Mit allen Mitteln kämpfz er um Sefura, um die Liebe seines Lebens wieder in seine Arme schließen zu können.

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PAUL RAINER ZERNIKOW

ANTIOCHIA

1. Auflage 2022

ISBN 978-3-947706-50-1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de

© Plattini-Verlag – Alle Rechte vorbehalten.https://www.plattini-verlag.de

Lektorat: Silvia Hildebrandt (Reutlingen)Korrektorat: Jana Oltersdorff (Dietzenbach)Umschlaggestaltung: Renee Rott (Eitzweiler)Layout: Sabine Abels (Hamburg)

Vorwort

Mit dem Aufruf Papst Urbans II. am 27. November 1095 beim Konzil von Clermont wurde nicht nur die Befreiung der Pilgerstätten im Heiligen Land von den Muslimen und die Hilfe für die christliche Kirche im Osten eingefordert. Man beschwor zudem insgeheim die Hoffnung des Papsttums, durch die Hilfe des Westens für die Christen des Ostens eine Wiedervereinigung der Ost- mit der Westkirche zu erreichen, um die seit dem Schisma von 1054 erlittene Spaltung unter dem Primat Roms rückgängig zu machen.

Aufgebrachte Massen fielen nach dem Aufruf zur Befreiung Jerusalems in deutschen, französischen und englischen Städten mordend und plündernd über Judenviertel her.

Der größte Erfolg bestand darin, dass es der Kirche meistens gelang, die beteiligten Herrscher zum Frieden im Abendland zu zwingen. Der Klerus wusste jedoch nicht zu verhindern, dass es vor Ort zu Gewaltausbrüchen aufgrund der Verschiedenheit der ethnischen Gruppen untereinander kam.

Die Kämpfe in Palästina im Namen Gottes zeichneten sich durch ungezügelte Aggressionen aus, die mit den Werten des Christentums nicht das Geringste zu tun hatten. Es ging immer nur um Macht, Einfluss und die Anhäufung von Reichtümern. Der Schein des Mäntelchens der Barmherzigkeit war zu kurz, um all die menschlichen Abgründe zu verdecken. Das galt aber in gleichem Sinne auch für die muslimische Seite.

Das Spital von Akkon, das in dieser Geschichte einen Ort der Ruhe, der Besinnlichkeit und der Linderung darstellt, ist in seiner Bedeutung deshalb hervorzuheben, weil es mit der Gründung 1189/1190 durch fromme Bremer und Lübecker Kaufleute zum Grundstein für die Bruderschaft des Deutschen Ritterordens wurde – eines der mächtigsten mittelalterlichen Bündnisse mit wachsenden Privilegien, wie sie auch die Templer und Johanniter besaßen. Das Spital von Akkon ist erstmals bei Heinrich von der Champagne im Oktober 1194 urkundlich erwähnt.

Die historischen Aufzeichnungen haben Lücken hinterlassen, die sich für die Platzierung erdachter Geschehnisse anbieten. Warum hat sich Barbarossas Kreuzfahrerheer tatsächlich in Antiochia aufgelöst? Eine der Fragen, die bis heute unbeantwortet geblieben sind. Warum ist Richard Löwenherz in Istrien gelandet? Was hat ihn dazu bewogen, verkleidet durch Feindesland zu ziehen? Ansatzpunkte für Spekulationen aller Art, die einen Autor beflügeln, seine Phantasien spielen zu lassen. Darüber hinaus zwingt der Stoff in ein Meer von Blut einzutauchen, in Intrigen, Bündnisbrüche, Mordkomplotte, Vorkommnisse, die sich weit außerhalb jeglicher christlicher Moral abspielten. Man steht staunend vor Abgründen der Menschheit, begegnet Individuen, die sich gegenseitig an Brutalität übertreffen.

Inmitten dieser unglaublichen Gewaltausbrüche hat der Autor eine Liebesgeschichte platziert, die so vielleicht hätte passieren können, zumindest, wenn man heutige Maßstäbe und Emotionen unterstellen würde. Ob sich das zu der Zeit tatsächlich hätte ereignen können, begegnet erheblichem Zweifel. Da war für Liebe, wie man sie heute kennt und erlebt, wenig Platz. Frauen wurden auf höherer Ebene für politische Bündnisse benutzt, meist begleitet von Zwangsehen. Beim niederen Volk wurden sie für Arbeiten jeglicher Kategorie missbraucht und erfuhren oftmals Demütigungen jeder Art und Weise. Andererseits gibt es in den historischen Abläufen immer wieder gerade Frauen, die, mit grandiosen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet, in der Lage waren, auf weltgeschichtliche Ereignisse Einfluss zu nehmen.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind weder gewollt, noch möglich.

Ich bedanke mich bei meiner Ehefrau Bernadette, sowie bei meinen historischen Beratern Dr. Justus Senska, Dierk Bergen und Stefan Bauer. Ebenso danke ich meinem Sohn Nikolai für seine Ratschläge und dem Verantwortlichen für den Cover-Entwurf, Renee Rott. Für die Kartendarstellungen Yoko Goliath. Ein besonderer Dank gilt meiner Lektorin, Frau Silvia Hildebrandt, die mir in penibler Kleinarbeit wichtige Schritte der Schreibkunst beigebracht hat.

Kapitel I

Deus lo vult

Gott will es.

Mein Name ist Alexander von Grüningen, Kreuzritter und Söldnerführer im Heer des Kaisers Friedrich I, genannt Barbarossa.

Nach dem Tod seines Vorgängers und Onkels Konrad III. im Jahr 1152 hatte er den Thron bestiegen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch gar nicht auf der Welt. Ich wurde erst etwa zwölf Jahre danach geboren als eines von sieben Kindern des Adelsgeschlechts derer von Grüningen.

Jetzt stand ich hier als junger Mann herum, einer der vielen jungen Ritter des Kaisers, der bei seinen Heeresbesprechungen die Nähe junger, frischer Gesichter suchte.

Der Vorteil meines Adelsgeschlechts, genauer, die Kriegseinsätze meines Vaters, des Markgrafen und meiner älteren Brüder an der Seite des Kaisers in verschiedenen Schlachten in Oberitalien, führten dazu, dass ich meinem Herrscher ganz nah sein durfte.

Der Kaiser war ein mittelgroßer Mann mit blonden, in die Stirn gelockten Haaren, einem rötlichen Backen- und Kinnbart mit Lippenbärtchen. Eine respektvolle Erscheinung, die man immer für etwas Besonderes halten musste. Mir fiel jedes Mal bei seinem Anblick auf, dass er seinen Bart stets ordentlich geschnitten, ja tadellos kurzhielt. Darauf, so schien es mir, legte er ganz besonders viel Wert. Sein Gesicht wurde dominiert von den scharfen, durchdringenden Augen.

Die persönlichen Begrüßungen untereinander waren zum Stillstand gekommen, als der Kaiser sich den Anwesenden zuwandte: »Edle Ritter und Gefolgsleute, ich habe mich entschlossen, dem Aufruf Papst Gregors VIII. zum Dritten Kreuzzug zu folgen, nachdem er mit der Bulle Audita tremendi zu einem allgemeinen Waffenstillstand in Europa aufgerufen hat.

Nachdem der Aufruf Papst Urbans auf dem Konzil von Clermont die Christenheit bereits 1095 zu den Waffen gerufen hatte, ist eine erhebliche Zeitspanne vergangen, beinahe hundert Jahre. Es ist, so muss man rückblickend sagen, zu einer grandiosen christlichen Bewegung geworden. Deus lo vult, Gott will es! Ihr wisst, wie ich immer zu den mächtigen Päpsten gestanden habe, die mir mein Dasein als Kaiser unbeschreiblich schwer gemacht haben. Trotzdem fühle ich große Verantwortung für die Kirche. Respekt vor den wiederholten Hilferufen der Byzantinischen Herrscher, sich gegen die drängenden Heerscharen der muslimischen Seldschuken zur Wehr zu setzen, insbesondere, weil die zwei Kreuzzüge zuvor nicht den notwendigen Erfolg erzielen konnten.«

Eine leichte Rötung am Hals des Kaisers machte sich bemerkbar, als würde er eine Neigung zu schnell verfliegenden Hitzewellen verspüren.

Er schaute über die Anwesenden hinweg und machte einen Schritt nach vorne. Der Kaiser hatte etwas vorfallende Schultern, einen gewohnt festen Schritt und sehr lange Beine, für jeden eine ritterliche Erscheinung mit königlichem Auftreten und hellem Verstand.

»Ich sehe hier in der Runde nicht nur neue, teils unbekannte Gesichter, sondern auch erfahrene Männer, die mich bereits beim Eroberungsfeldzug nach Oberitalien erfolgreich begleitet haben. Ich verdanke ihnen so manche klugen Ratschläge bei meinen Allianz-Schlüssen, insbesondere bei den Vereinbarungen mit den verschiedenen Päpsten zur Erhaltung Roms und des Heiligen Stuhls. Trotz mancher Kämpfe gegen die Kirche bis zu meiner Exkommunizierung 1160 und meiner Wiederaufnahme in die Kirche nach dem Waffenstillstand mit Papst Alexander III. Sei es, wie es sei, ganz egal, welche Machtansprüche die Kirche auch stellen mag. Es muss aufhören damit, dass wilde Muslim-Horden Christen, Kirchen und Altäre schänden, wehrlose Pilger ausrauben, sie töten und versklaven.«

Er schüttelte sich und zog die Luft scharf durch die Nase.

»So mancher möge sich daran erinnern, wie mühsam die Rückeroberung von Jerusalem war. Die Belagerung hatte damals Monate gedauert. Nach sage und schreibe vierhundert Jahren muslimischer Herrschaft war die Stadt endlich wieder in christlicher Hand. Auch andere muslimische Gebiete fielen noch in unsere Hände. Fast die gesamte Mittelmeerküste, 1124 die Städte Tyros und 1154 die Hafenstadt Ascalon.«

Er hielt kurz inne und räusperte sich. »Jetzt, meine Ritter, gibt es einen neuen starken Gegner. Saladin. Als 1186 in der Heiligen Stadt der Streit um die Thronfolge ausbrach, nach dem Tod des Königs von Jerusalem, Balduin V., nutzte dieser Mann die bürgerkriegsähnlichen Zustände, um die Stadt wieder zurückzuerobern. Ein Mann, den man niemals unterschätzen darf, ein Neffe des kurdischen Generals Schirkuh. Dieser hatte bereits die Macht in Ägypten an sich gerissen. Als sein Nachfolger Saladin am 2. Oktober 1187 die Heilige Stadt für die muslimische Welt zurückgewann, ging ein Schrei unvorstellbaren Aufmaßes durch das Abendland. Bereits der Fall Edessas 1144, einem der ersten Outremer, hatte schon einen Schock für die Christenheit bedeutet und war der Beginn umwälzender Vorgänge in Palästina.

Ich stehe zu meinem Gelübde, welches ich im März 1188 auf dem Reichstag in Mainz abgegeben habe. Wir werden nach der Schätzung meiner Berater am 11. Mai 1189 von Regensburg aus aufbrechen. Ich habe meinem Sohn Heinrich VI. für die Zeit meiner Abwesenheit im Reich die Regierungsgeschäfte übertragen. Einzelheiten zu unserem geplanten Kreuzzug erklärt Euch nun Ritter Bertold von Brühaven.«

Der Kaiser trat einen Schritt zurück, und es bestätigt sich für mich, was manche von seinem Gesicht sagten. Es schien immer heiter zu sein, als wollte es stetig lachen, von Schmerzen nie verdunkelt, von Zorn nicht gespannt und nicht entspannt von Freude. Andererseits hatte man auch schon erlebt, dass er in Extremsituationen sein Gesicht festmachen konnte wie Stein, völlig unbewegt, wo andere weinten. Es jagte mir einen Schauer über den Rücken, wenn ich neben diesem bedeutenden Mann stand.

Von Brühaven, der den meisten aus diversen Schlachten und Lagebesprechungen hinlänglich bekannt war, erhob jetzt seine Stimme. »Ritter und Edelleute, nun hat nicht nur Papst Gregor zum Kreuzzug aufgerufen, sondern auch sein Nachfolger Papst Clemens. Als erster Herrscher hat sich der normannische König Wilhelm von Sizilien dem angeschlossen. Er sandte bereits fünfzig Galeeren zur Verteidigung der Stadt Tripolis. Auch der englische König Heinrich und der französische König Philipp haben ihren schwebenden Konflikt um die englischen Lehen in Westfrankreich beendet und nahmen im Januar 1188 in Gisors in der Normandie gemeinsam das Kreuz. Männer, es wird ein Unternehmen wie eine große, betäubende Welle, die alle Dämme niederreißen wird. Bereitet Euch sorgfältig auf den Mai 1189 vor. Stellt Eure Bannerheere zusammen. Zur Finanzierung der Unternehmung wird jedem Teilnehmer auferlegt, drei Mark Silber an Ausgaben aufzubringen.«

Eine gewisse Spannung befiel mich. Worauf ließ ich mich da ein? Andererseits spürte ich die Abenteuerlust in mir, mit so einem gewaltigen Heer loszuziehen. Wer würde uns überhaupt die Stirn bieten können?

Ein Raunen ging durch die Reihen der Ritter. Jetzt hatte das Rechnen begonnen.

Kapitel II

Vorbereitungen für den Dritten Kreuzzug

Ich hatte mit einigen Rittern noch zusammengestanden und Einzelheiten besprochen, kurz nachdem der Kaiser mit führenden Männern aus dem Raum gegangen war. »Die Pferde müssen allesamt neu beschlagen werden«, rief einer. Ein anderer, mir bekannter älterer Ritter: »Meine gesamte Ausrüstung muss ersetzt werden, von den Lanzen über die Schwerter bis zu den Schilden. Das wird nicht billig werden.«

Aber bis zum vorgesehenen Abmarsch war noch etwas Zeit.

Zwischenzeitlich besprach ich noch Einzelheiten mit dem Herrn Vater, ein angesehener Markgraf, der als Ratgeber und Finanzier unseres Bannerheeres unersetzlich war. Er war auch damals dabei gewesen, als ich auf einem der bedeutenden Hoftage in Mainz vom Kaiser persönlich die Schwertleite, den Ritterschlag, bekommen hatte. Das Ergebnis einer dreizehnjährigen Ausbildung, die mir alles abverlangt hatte und mich manchmal am Glauben an die Menschheit zweifeln ließ.

»Hat der Kaiser wieder seine leichte Röte am Hals bekommen?«, fragte mich der Vater leicht belustigt.

»Ja«, antwortete ich gedankenverloren, weil ich schon mitten in den Vorbereitungen war.

Der Kaiser hatte übrigens oft auch seinen ausgezeichneten Jagdverstand bewiesen. Er jagte gern zu Pferd mit Hunden und Falken. Er war ein Genießer, hatte Freude an gutem Essen und liebte Spiele jeglicher Art, allesamt nur ohne blutigen Ernst. Es ist kein Geheimnis, dass er mehr als üblich auf das Urteil seiner jungen, schönen und sehr gebildeten Frau, Beatrix von Burgund, hört, die ihm immerhin elf Kinder geschenkt hat. »Gut zu wissen«, antwortete ich etwas gelangweilt.

»Übrigens, mein Sohn, noch etwas von unserem Kaiser, jetzt wirklich nur noch das. Er verfügt über ein präzises, ja geradezu phänomenales Gedächtnis. Ich habe es oft erlebt, dass er bei einer einmal vorgestellten Person auch nach gewissen Zeitabläufen in der Lage war, sie mit deren Namen anzusprechen. Er ist schon jetzt aufgrund seines langen Lebens, seiner Lernfähigkeit und seiner Größe eine legendäre Gestalt, ja, so kann man es wohl sagen.«

»Ja, weiß ich doch.«

»Du kannst froh sein, mit einem derartigen charismatischen und klugen Feldherrn in den Kreuzzug zu ziehen. Er ist übrigens sehr fromm und wusste die Kirche mit Geschenken teilweise für sich zu gewinnen. Es gelang ihm zwar nicht immer, doch seine Handlungen muss man ohne Zweifel als gerecht bezeichnen. Ich war mit ihm im Zweiten Kreuzzug unter Konrad III. schon zusammen. Jetzt ist er immerhin siebzig Jahre alt. Es soll der krönende Abschluss seines Lebenswerks sein.«

»Ja, Vater, bei der nächsten Lagebesprechung soll ein Kreuzritter vorsprechen, der persönlich an der Schlacht von Hattin teilgenommen hat. Ich bin äußerst gespannt.«

Nachdem ich mich in den Stallungen mit der Auswahl der Pferde für den Kreuzzug beschäftigt hatte, musste ich mich noch der Überprüfung der Waffenarsenale widmen.

Ich wurde immer angespannter, je näher ich dem Tag des Aufbruchs kam. Ich fand des Nachts wenig Schlaf und vermochte dann morgens nicht aus meiner Bettstatt zu kommen.

Vater fand es eher belustigend, weil es ihm damals genauso gegangen war.

Kapitel III

Ein Hauch von Palästina

Einige Tage vor unserem geplanten Abmarsch bat uns die Heerführung noch einmal zu einer Zusammenkunft.

Dabei sollten die letzten Befehle ausgegeben und die Gelegenheit für die Ritter der Bannerheere geschaffen werden, sich untereinander ein letztes Mal auszutauschen.

Da standen sie nun alle, mit gespannten, teilweise finsteren, entschlossenen Gesichtern. Ich hatte das Gefühl, sie waren mir weit voraus und überlegen. Meine Laufbahn als Ritter unter dem Kaiser hatte gerade erst begonnen, und meine ersten forschen Auftritte entstammten eher meinen jungmännerhaften Gelüsten nach Abenteuer und Kräftevergleich.

Inzwischen waren die mir fast peinlich.

Nach einigen erfolgreichen Schlachten mit dem Kaiser wuchs in mir eher die Gelassenheit eines kampferprobten Ritters heran, die von Kampfeinsatz zu Kampfeinsatz größer geworden war. Die Erfolge gaben mir mehr Selbstsicherheit, insbesondere in der Nähe der guten, erfahrenen Ritter, auf die der Kaiser immer hörte.

Ich hoffte so sehr, dass ich durch mein eigenes Zutun Anerkennung fand. Es hätte mich gekränkt, wenn man mich nur respektierte, weil mein Vater und meine Brüder schon in der Vergangenheit erfolgreiche Ritter beim Kaiser gewesen waren. Die Erfolge in den Schlachten gaben den Ausschlag, dort konnte und musste man sich beweisen und sich einen eigenen Namen und Ruf erarbeiten.

Es wurde ruhiger im Saal, als der Kreuzritter eintrat, der von seinen Erfahrungen bei der verlorenen Schlacht von Hattin berichten sollte.

Ein älterer, hagerer Mann versuchte, erste, angemessene Worte zu finden. »Edle Rittergemeinschaft, ich stehe hier zwar nicht als gebrochener Mann, doch als einer, der dem Herrgott danken muss, dass er aus Hattin lebend herausgekommen ist. Unser damaliger Heerführer, der König von Jerusalem, Guido von Lusignan, hatte sich, in schlichte Worte gefasst, herauslocken lassen. Wir waren es in Palästina eher gewohnt, hinter festen Mauern unserer Anlagen auf feindliche Anstürme zu warten. Doch dann meinte unser Heerführer, die Truppen des Feindes in offener Feldschlacht stellen und vernichten zu können. Entgegen dem Rat so mancher gestandener Ritter führte er uns in der heißesten Zeit des Jahres über die Straße von Darb al-Hawarnah, die schon von den Römern errichtet worden war, zwischen der Furt des Flusses Jordan, dem See Genezareth und der Mittelmeerküste.«

Er senkte seinen Blick, als würde er die Bilder wieder genau vor sich sehen.

»Wir waren es in der Schlachtenaufstellung gewohnt und lebten von der Strategie, mit unseren gepanzerten Rittern die gegnerische Formation aufzubrechen und die Überreste einfach niederzureiten. Hinter uns die Fußsoldaten, meist Lanzenträger und Armbrustschützen.«

Er hielt wieder inne und grinste schelmisch: »Meist schlecht koordiniert und disziplinlos, aber mit viel Mut und absolut aggressiv, sag ich Euch.«

Seine Stimme wurde plötzlich lauter als er ausrief: »Was stand dagegen? Eine Vielzahl von beweglichen, gut ausgebildeten muslimischen Milizen, leicht bewaffnete Einheiten, diszipliniert und gut organisiert. Sie waren, so schien es mir zumindest, aus Syrien und Ägypten rekrutiert worden, ausgerüstet mit Kettenhemden, Bogen, Lanze und Schild. Reiterheere, dann noch gut unterstützt durchorganisierte, im Nahkampf erprobte Reiter, meist angeworbene Beduinen, Kurden und Türken.

Ein Schreckensbild, sag ich Euch.

Das Sprachenwirrwar und die Uneinigkeit unserer teilweise rivalisierenden Führer gab es bei denen eben nicht. Ihre Leitung war geschickt und einheitlich.

Unser verdammtes Heer war dagegen schwerfällig. Gegen einen Gegner, der einem direkten Angriff auswich und mit Scheinangriffen immer wieder zuschlug. Die elende Hitze und der unendliche Durst gaben uns den Rest. Weiß jemand von Euch, wie heiß und eng es in so einer schrecklichen Eisenrüstung werden kann?«

Er schaute sich um und sah in den Gesichtern der älteren Ritter ein gewisses überlegenes Schmunzeln.

»Um der Hitze noch größere Wirkung zu geben, ließ Saladin das Strauch- und Buschwerk in der Nähe der Marschroute rigoros abbrennen. Pfeile prasselten von allen Seiten auf uns nieder, immer und immer wieder. Ein dichter Hagel auf Pferde und Reiter.«

Er schüttelte immer noch ergriffen den Kopf und rang nach Luft. Als ihm aus unserer Mitte ein Becher Wein gereicht wurde, nahm er einen tiefen Schluck.

»Saladins Truppen verstellten uns den Zugang zu den Wasserquellen. Die Vorhut befand sich im nur eine Meile vom Seeufer entfernten Maskana, einem Stromknie, ohne die geringste Aussicht, dort an Wasser zu gelangen. Eine verzweifelte lange Nacht lag vor uns, wir kamen fast um vor Durst. Er presste uns die Kehlen zusammen. Bei einem verzweifelten Ausfallversuch Richtung See Genezareth wurden wir von den Truppen aus dem Rauch der brennenden Büsche heraus mit Pfeilen eingedeckt. Danach gerieten wir völlig erschöpft ohne jegliche Orientierung in ihre verfluchten, mörderischen Hände.« Er hielt kurz inne und fuhr dann fort:

»Merkt Euch daher eines, lasst es nie wieder so weit kommen, dass vor aller Augen die Ordensritter abgeschlachtet werden. Gerade die, die Gottes Namen in ihren Herzen tragen. Es sind die, die besonders tapfer ihr kostbares Blut für ihre Glaubensbrüder hingeben. Ich persönlich musste mit ansehen, wie die meisten geköpft oder in die Sklaverei geschickt wurden.

So eine Schande darf es nie wieder geben. Hütet Euch.« Sein Blick wurde zornig und seine Hände reckte er als drohendes Zeichen gen Himmel.

»Ausgerechnet unser Heerführer, der die Katastrophe, so meine ich, durch seine Leichtfertigkeit verursacht hat, wurde verschont. Denkt bitte in zukünftigen Auseinandersetzungen immer an diese Schmach eines Christenheeres. Zieht mutig gegen die Muslime, um unsere Schmach für immer vergessen zu machen. Der Kampf um Palästina konnte nicht in einer Schlacht entschieden werden. Seitdem die muslimischen Kräfte ihre inneren Streitigkeiten ruhen lassen, sind sie eine ernst zu nehmende Macht im Heiligen Land geworden.

Schirkuh hatte schon Ägypten an sich gerissen. Jetzt ist ihm sein Neffe Saladin gefolgt. Er strebt nach Höherem und ist der neue Schlächter der Kreuzfahrer. Die erfahrenen Ritter und Berater, die schon länger in Palästina weilten, oder sogar dort geboren waren, rieten damals vergeblich, in ihren festen Städten und Burgen erst einmal auszuharren. Nur die verfluchten Falken und Kriegstreiber, die meist nur kurz im Heiligen Land waren, suchten nach schnellen Lösungen, geblendet von religiösem Eifer. Hütet Euch vor dem unseligen Drang, möglichst viel Blut von Ungläubigen zu vergießen.«

»Was, meint Ihr nach Euren Erfahrungen, ist der strategische Schluss aus Euren Überlegungen über dieses Unglück?«, fragte der Ritter von Wallenrode.

»Mit der Niederlage des großen, schlagfertigen Heeres unter dem ehrgeizigen Guido von Lusignan waren die meisten Festungen im Heiligen Land ihrer Besatzungen beraubt, was sich später noch als größter Fehler herausstellen sollte. Panzerreiter«, so endete sein Vortrag, »brauchen ein passendes Gelände für eine derartig groß angelegte Schlachtenbewegung, insbesondere, wenn sie wie hier gegen eine Übermacht geführt werden soll.

Darüber hinaus aus einer territorialen Basis wie die vor Hattin. Eine bessere hat es bis heute nicht gegeben, insbesondere eine, die uns ermöglicht hätte, die christliche Herrschaft im Orient auf Dauer zu gewährleisten. Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit, edle Ritter.«

Jetzt kam Bewegung in die Runde der interessierten Ritter, die sich fragend an den Redner wandten.

Der Ritter von Brühaven bat um Ruhe. »Wir haben dankbar Euren Vortrag zur Kenntnis genommen und werden auch unter momentaner Abwesenheit des Kaisers unseren gemeinsamen, dringenden Wunsch äußern, dass uns eine derartige deprimierende Niederlage für unsere christlichen Heerscharen erspart bleibe. Gott segne die Kreuzfahrer!«

Mit diesem Gruß löste Ritter von Brühaven die Versammlung auf und ging davon aus, dass alle anwesenden Ritter ihre Lehren daraus ziehen würden.

Nun wurde es an der Zeit, die letzten Vorbereitungen für den Aufbruch des großen Kreuzfahrerheeres in Regensburg zu treffen.

Kapitel IV

Aufbruch in den Krieg

Es war ein grandioses Schauspiel, als sich die deutschen Ritter des Reiches unter dem Oberbefehl Barbarossas am 11. Mai 1189 in Regensburg versammelten. Die Banner der einzelnen Geschlechter waren aufmarschiert. Die Bannerherren, die sie anführten, standen davor. Die Fahnen mit ihren Wappen flatterten im Wind eines frühen Frühlingsmorgens. Die spannungsreichen Tage einer umfänglichen Vorbereitung waren endlich zu Ende.

Ich befand mich staunend in einem Gewimmel von an die fünfzehntausend Menschen, das größte Heer, das jemals ein Herrscher zu unserer Zeit zum Kreuzzug aufgeboten hatte.

Unter ihnen bekannte Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen und Herzöge, bedeutende Vertreter des deutschen Hochadels. Nach einer imposanten Abschiedszeremonie machten wir uns auf durch Bayern, an der Donau entlang, auf Wien zu, in Richtung Ungarn auf den langen Weg nach Palästina.

Meine Knappen legten mir jeden Morgen die Rüstungsteile an, ein Kettenhemd zum Schutz für die Arme und den Leib, das mir bis zum Knie reichte. Ergänzt wurde diese Bekleidung durch Kettengamaschen als Schutz für die Beine. Eine Kettenhaube, eine Art Kapuze schützte meinen Kopf und den Halsbereich. Darüber wurde der Topfhelm gestülpt.

Ich musste so verdammt schwer sein in meiner Rüstung, dass mir mein Schlachtross Rosine fast leidtat.

In Ungarn kam es zum ersten Mal zu Auseinandersetzungen. In Formation ritten wir auf die Reiterheere der Nomadenvölker zu, bis sie an unseren Lanzen hingen. Bei der Wucht des Anrittes hatten wir die leicht gepanzerten Gegner glatt durchbohrt.

Nach den ersten heftigen Lanzenstößen zog ich mein Schwert aus meiner Rückenscheide und schlug den anreitenden Kämpfern die Köpfe ab. Schweiß tropfte mir in die Augen. Die Bewegungen fielen mir immer schwerer. Die beidseitig geschärfte Schwertklinge mit den Parier-Stangen zischte todbringend durch die Luft. Ich fühlte, wie mir der Schweiß unaufhaltsam auch in die Eisenfaust rann, und war froh, dass der verzierte, raue Knauf sicher in meiner Hand lag. Ich rang mit aufkommender Verzweiflung die letzten, sich aufbäumenden Krieger der ungarischen Reiterscharen nieder, bevor sie sich dann doch entschlossen, die Flucht anzutreten.

Endlich war es soweit. Unter ohrenbetäubenden Schreien stoben sie auseinander und suchten das Weite.

Ich ließ mich erschöpft vom Pferd sinken und war froh, dass mich mein Knappe dabei festzuhalten vermochte. Zumindest gab er die Richtung vor, in die ich rutschte. Ich ließ mich ins Gras fallen und mir die Rüstungsteile vom Körper ziehen. »Was für ein elendes Handwerk, was für eine brutale, rücksichtslose Gewalt«, schrie ich mir die Wut aus dem Leib.

Sobald die schweren Rüstungsteile abgelegt waren, untersuchte ich mein Pferd Rosine nach äußeren Verletzungen und strich ihr dankbar über die flatternden Nüstern. »Gutes Pferd«, flüsterte ich, nachdem ich mich beruhigt hatte, und streichelte den Kopf meines Schimmels.

Von Wallenrode, der zufällig in der Kampfformation neben mir platziert worden war, schaute herüber und rief: »Na, junger Freund, alles überstanden? Ihr habt Euch tapfer geschlagen, von Grüningen. Euer Einsatz hat mir imponiert.«

»Es ist und bleibt ein Spiel mit dem Tod, edler Ritter von Wallenrode. Mancher Pfeil hat schon die Metallringe der Kettenhemden durchschlagen«, erwiderte ich freundlich. »Sie sind dennoch besser als die Schuppenpanzer, in denen man sich kaum zu bewegen vermag« stellte er mürrisch fest.

»Was ist eigentlich mit dem Schwert auf Eurem Rücken? Eine ungewöhnliche Trage-Art«, stellte er fest und hob erwartungsvoll seine Augenbrauen.

»Mein Langschwert stammt aus Familienbesitz, hat so manche Schlacht geschlagen. Ich trage es in einer Scheide auf dem Rücken, weil ich meine Arme dann besser bewegen kann und es beim Galopp nicht an meiner Hüfte hin und her geschaukelt wird. Ich meine, auf dem Rücken gibt es einfach mehr Halt«, erwiderte ich. »Im Übrigen ist es auch eine Frage von Tradition und Gewohnheit. Mein Vater und auch meine Brüder haben ihre Schwerter allesamt auf dem Rücken getragen, werter von Wallenrode.«

Er brummte irgendetwas Unverständliches vor sich hin und wandte sich seinem Pferd zu.

Meinen Schild mit dem unübersehbaren Familienwappen darauf hatte ich zusammen mit der Lanze zur Entlastung ins Gras geworfen. Auf meinem Waffenrock, der um die Schulter gegürtet war, prangte ebenfalls das Wappen, ein wichtiges Kennzeichen im Kampfgetümmel. Mit Hilfe meines Knappen zog ich auch das schwere Kettenhemd aus, so dass ich nunmehr nur noch in meinem Unterkleid, dem Gambeson, aus dickem Leder da lag. Es diente der Abpolsterung des Kettenhemdes.

Ich schaute zu meinem Knappen hinüber, der emsig dabei war, die Einzelteile meiner Ausrüstung aufzusammeln und rief ihm zu: »Glück gehabt, mein Bursche, das gehört immer dazu, so der Herrgott will.« Wie oft wird sich so ein Kampf wohl in nächster Zeit wiederholen, dachte ich bei mir.

Wir lagerten in der Nähe des Schlachtfeldes, ließen gewohnheitsmäßig die Gefangenen zusammentreiben und versorgten die Verwundeten. Davon gab es diesmal in unseren Reihen nicht viele.

Etwas weiter am Rand hatte man zwischenzeitlich große Kessel auf die Feuer gestellt, die ein wundersames Aroma nach Essen verbreiteten, gepaart mit dem Geruch von süßem Leichenduft und Pisse. Man gewöhnte sich verdammt schnell daran.

Da die Heeresverpflegung nun mal nicht die Beste war, wurde man dieses verfluchte Hungergefühl nie los. Bei dem vorwiegend grützenartigen Essen kein Wunder.

»Erinnert Euch an das phantastische Gesöff, das wir in unserem Feldlager bei Wien genießen durften, paradiesische Zustände wie in besten Friedenszeiten«, rief ich in die Runde der herankommenden Ritter, die sich mit ungelenken Fingern am Trog bedienten. Die Männer mit den großen Kellen am Kessel waren wie immer zu langsam.

»Ein Traum«, schallte es herüber. »Ein Traum, den wir genießen sollten, solche Momente wird es kaum noch lange geben« erwiderte ein anderer Ritter, der eifrig seine Grütze mit gurgelnden, schmatzenden Geräuschen genüsslich zu sich nahm.

An einigen anderen Feuern in der Nähe hatte es sich unser Fußvolk bequem gemacht. Ihre meist leichteren Rüstungen mit ihren Waffen, wie Bögen und Armbrüste lagen in großem Haufen daneben. Die Armbrust, fiel mir plötzlich wieder ein, die Lieblingswaffe des englischen Königs, Richard Löwenherz, wurde nur hier im Morgenland gegen Ungläubige eingesetzt. Der Gebrauch dieser Waffe bei uns im Abendland war gegen Ritter verpönt bis verboten, da sie ohne weiteres die schweren Rüstungen durchschlagen konnte.

Dabei fiel mir wieder die Demütigung unserer christlichen Kämpfer bei Hattin ein, die noch bei der letzten Lagebesprechung vor den Toren von Wien zu der Frage geführt hatte, ob wir wie üblich in offener Feldschlacht in einer geschlossenen Formation auftraten oder in breiter Front die Lanzen einlegen sollten, um wie eine Flut von Eisen und Metall auf die Gegner einzustürmen.

War das noch zeitgemäß gegen eine Vielzahl von leichter ausgerüsteten Gegnern auf ihren schnellen Wüstenpferden? Ich würde es sehen. Ein muslimischer Edelmann hatte mal gesagt: »Die fränkischen Eisenleute scheinen unverwundbar, eine eiserne Masse, von der alle Schläge abgleiten.«

Man war durch die verlorene Schlacht bei Hattin inzwischen eines anderen belehrt worden.

Meine Gedankengänge wurden durch lautes Gelächter von einigen Rittern unterbrochen. »Habt ihr schon gehört«, brüllte einer herüber, »bald gibt es ein rauschendes Fest für den Kaiser in Gran. Dort soll sein Sohn Friedrich von Schwaben mit der ungarischen Königstochter Konstanze verlobt werden.«

Diese Nachricht löste bei den Rittern, ja bei allen, die zufällig hier an diesem Platz versammelt waren, eine gewisse Heiterkeit und Vorfreude aus. Endlich das normale Leben wieder spüren, mit Lust und Laune genießen.

Bereits 1188 hatte Kaiser Barbarossa mit König Bela III. von Ungarn, Kaiser Isaak II. Angelos von Konstantinopel und mit dem Isaak bekannten Sultan Kilic, Arslan von Iconium verhandelt, die ihm den freien Durchzug des Kreuzfahrerheeres zugesagt hatten. Diese Zusage schien bisher tatsächlich zu halten.

Dietrich, mein Verbindungsmann zum Bannerheer, der schon meinem Vater gedient hatte, richtete sich abends vor meinem Zelt an mich mit den Worten: »Mein Befehlshaber, gerüchteweise ist jetzt im Lager durchgesickert, dass ein Weissager Barbarossa den Tod durch Ertrinken vorausgesagt hat. Deswegen ziehen wir die Donau entlang. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Der Weg über das Meer hätte zwar viel mehr Aufwand bedeutet, wäre aber weitaus schneller gewesen. Wenn ich mich aber an die Überfahrten mit den Pferden im Schiffsbauch erinnere, an all die üblen Gerüchen von Mist und Erbrochenem, so ist der Landweg für mich doch die weitaus bessere Wahl.«

Ich musste laut lachen, als ich das verdrehte Gesicht meines Unterbefehlshabers vor mir sah.

»Am 22. Mai, Dietrich, werden wir mit unserem großen Heer die deutsch-ungarische Grenze überschreiten und das Pfingstfest vor den Toren von Pressburg feiern«, fasste ich zusammen »und jetzt, guter Dietrich, steht das größte Fest an, die Verlobung des Friedrich von Schwaben in Gran.«

Zu Beginn des Sommers war es dann soweit.

Das ungarische Königspaar bot uns einen pompösen, grandiosen Empfang. Die Bevölkerung stand an den Wegen, als wir mit unserem großen Tross unter Fanfarenklängen vorbeizogen.

Sie hatten Holzbänke vor weißen, festlich geschmückten Zelten aufgestellt, worauf wir in langen Reihen Platz nehmen durften. Wann würde ich solch ein Essen nochmal in nächster Zeit serviert bekommen? Es war eine üppige, beeindruckende Bewirtung. Es schmeckte wie Vogelfleisch mit Couscous, wie die das nannten, eine Art Weizenbrei. Eichhörnchen, mein Lieblingsgericht oder Krähen wären zu aufwendig gewesen. Es war jedenfalls ein Hauch von Fleisch im Holznapf.

Die männlichen Bediensteten schufteten bis zum Umfallen. Wir nutzten es weidlich aus. Es lag ein Schmatzen, Lachen, Rülpsen und Furzen in der Luft.

Wir soffen wie die Ketzer, denn anders konnte man unser Gelage nicht bezeichnen. Es war ein Johlen dort und ein lautes Singen da. Eine brodelnde Masse von Pilgern, Kirchenoberen, Kämpfern und Rittern, alles grölte durcheinander

Bei meinem wiederholten Blick durch die Reihen der Feiernden musste ich erstaunt feststellen, dass die Anzahl der Kreuzfahrer durch einen Zustrom von Menschen aus den österreichischen Landen und Ungarn erheblich angestiegen war. Mein Herz ging beim Anblick all dieser Menschen auf, die uns ins Heilige Land begleiten wollten, so unterschiedlich auch ihre Gründe sein mochten.

Bei diesem Fest erlebte ich ein nie zuvor gehörtes Sprachwirrwarr. Es war ein ergreifendes Gefühl von Einstimmigkeit und Hoffnung. Die Menschen hatten sich alle gefunden, so schien es, und dienten nur einem gemeinsamen Ziel. Der Ankunft im Heiligen Land. Ich genoss das alles als Neuling und reagierte noch mit gebotener Zurückhaltung, obwohl es mich seit langem mal wieder reizte, mich dem Alkohol wehrlos hinzugeben. Was sprach gegen ein gediegenes Besäufnis?

Die ungarischen Hochzeitsgäste waren deutlich getrennt von den Kreuzfahrern. Man konnte jetzt schlecht beurteilen, bei wem die Stimmung ausgelassener war.

Aber auch dieser grandiose, vielleicht letzte schöne Tag musste irgendwann einmal zu Ende gehen.

Das Feldlager hatte sich gegen Morgen mit zurückkehrenden, lärmenden Trunkenbolden gefüllt, neben Gruppen von Pilgern, die auf Knien gottesfürchtig zum Herrn beteten. Keiner wusste, was uns tatsächlich erwarten würde.

Wir brachen auf, nachdem das Lager geräumt war und die Ausrüstungsgegenstände wieder in unseren Karren lagen. Ein schier endloser Zug, der sich unaufhaltsam seinen Weg ins Morgenland bahnte.

Schließlich, nach endlosen Märschen, hatten wir Belgrad erreicht. Bei unserem Tross befand sich auch Geza, der Bruder des ungarischen Königs. Bisher blieb es ruhig.

Doch sobald wir mit unserem Heer byzantinisches Gebiet erreicht hatten, fingen die Feindseligkeiten wieder an.

Alle Ritter der führenden Bannerheere wurden in das Zelt des Kaisers beordert.

Diesmal war es Ritter Dietrich von Barnheim, der uns auf die zu erwartenden Kampfhandlungen einstimmen sollte. Er war ein ruhiger, besonnener Mann, schätzungsweise an die vierzig Jahre alt, ausgezeichnet in diversen Schlachten des kaiserlichen Heeres und Beobachter der päpstlichen Welt. Ich kannte ihn noch von meiner Ausbildungszeit, den ersten militärischen Schritten meiner Laufbahn.

Er schaute uns eindringlich an. »Edle Ritter und Kampfgenossen. Mein Kaiser, unser Oberbefehlshaber, hat mich gebeten, Euch bestimmte Perspektiven an die Hand zu geben. Gegenseitiges Misstrauen, insbesondere die Probleme mit einigen Lokalverwaltungen, führten nach Ankunft unseres Kreuzfahrerheeres zu Irritationen. Die Bevölkerung ist überrascht und weiß nichts von unserem Durchmarsch. Einmal freundlich, einmal feindlich gesinnt. Manche sahen es als Bedrohung an, so dass zum Beispiel die Bewohner von Adrianopel aus ihrer Stadt geflohen sind. Thrakien wurde daraufhin von einem Teil des Kreuzfahrerheeres geplündert. Das gilt als ein Zeichen für die spürbare Verunsicherung der Leute in diesem Land und war die Folge größter Anspannung.«

Er hielt kurz inne, bis sich einige wieder beruhigt hatten.

»Bei einem Gespräch unseres Kaisers mit dem byzantinischem Herrscher Isaak zu dem Zweck, die langwierige Auseinandersetzung zwischen den Häusern zu beenden, gab es eine Annäherung. Isaak gestattet Barbarossa, zumindest den Titel Kaiser des Alten Roms zu tragen, was wir akzeptiert haben. Nach weiteren, zähen Verhandlungen, die zunächst zu scheitern schienen, war er bereit, siebzig Lastschiffe, fünfzehn Galeeren und einhundertundfünfzig weitere Schiffe für die Überfahrt unseres Heeres zur Verfügung zu stellen.« Er unterbrach kurz, da Bravorufe ein Reden zunächst nicht mehr möglich machten.

»Ihr als Führer Eurer Bannerheere werdet angewiesen, ab jetzt jede Wegstrecke, sei sie auch noch so kurz, in voller Ausrüstung zu bestreiten. Die Kampfbereitschaft muss jederzeit gewährleistet sein. Wir werden ab jetzt immer wieder mit Angriffen oder Scharmützeln im Feindesland rechnen müssen. Seid deshalb wachsam und verteidigungsbereit. Es ist geplant, in etwa fünf Wochen überzusetzen. Bei der Belegung der Schiffe sollen die Männer eng bei ihren Tieren bleiben. Sie sind mit das kostbarste Gut, das wir haben. Kampfelefanten sind zum Glück nicht dabei. Danke, meine edlen Ritter, bis dahin viel Glück, Gottes Gnade und viel Geschick beim Übersetzen!«

Nach kurzem Gemurmel löste sich die Versammlung auf. Ich blieb noch stehen, um mich mit den verbliebenen Rittern zu unterhalten. Die meisten kannte ich bereits aus den Einsätzen in der Zeit vor meiner Schwertleite, von den Treffen bei meinem Vater auf unserer Burganlage mit dem Gestüt. Viele waren nur zu uns gekommen, um die besten Pferde aus unserer Zucht zu kaufen.

Dietrich von Barnheim machte mich freundlicherweise mit den verbliebenen Männern der direkten Führungsebene um Barbarossa bekannt: »Meine edlen Ritter, schenkt mir noch kurz Eure Aufmerksamkeit. Ich habe die Ehre und möchte die Gelegenheit nutzen, Euch einen aufstrebenden jungen Ritter vorzustellen, dessen Name im Reich und beim Kaiser einen klangvollen Namen erworben hat: Es handelt sich um den Ritter Alexander von Grüningen. Sein Vater, Markgraf Georg II. von Grüningen, sowie seine Brüder und nicht zuletzt seine Pferde dürften in dieser Runde jedem bekannt sein.«

Wendt von Wallenrode, ein Mann wie ein Baum, von ungewöhnlicher Körpergröße, begrüßte mich per Handschlag. Sein Gesicht war mit Narben übersät, Zeichen mancher schmerzhaften Kampfeinsätze. Die abschreckende, respektvolle Erscheinung wurde abgemildert, wenn man die wohlgesetzten, bedächtigen Worte hörte, mit einer sympathischen Stimme vorgetragen. Ich kannte ihn von manchen Lagebesprechungen im Zelt des Kaisers.

»Ein junger Mann mit Zukunft, auf den man achten sollte.«

Ich bedankte mich und sah mich einem weiteren Ritter gegenüber, August von der Schewe, ein Mann von mittlerer Größe, schlank und wendig mit kräftigen Oberarmen, die in der Lage waren, vortrefflich mit dem Zweihandschwert umzugehen, was ich auf dem Schlachtfeld schon oft erleben durfte. Er sah mich mit hintergründigem Grinsen an. »Ich kenne Euch, Ihr seid der Mann mit der Rückenscheide, unverkennbar. Habe Eure Waffenkunst auf dem Feld schon des Öfteren bewundern dürfen. Mein Respekt, junger Mann.«

Dann kam Berthold von Brühaven, ungefähr neununddreißig Jahre alt, ein erfahrener Ritter von hoher, herausragender Intelligenz und Kämpferqualität. Ein ständiger, enger Berater des Kaisers und aktueller Sprecher der führenden Ritterschaft.

»Angenehm, Eure Bekanntschaft zu machen, Ritter von Grüningen, habe mit Ihrem Vater in Oberitalien aufgeräumt und an seiner Seite mit dem Kaiser den zweiten Kreuzzug erlebt. Ich freue mich, dass junge aufstrebende, Kräfte unser Heer beleben.«

Die Herren schienen zu bemerken, wie ihre Lobeshymnen mir schmeichelten.

Mit dem Gruß »Gott segne die Ritterschaft und die Kreuzfahrer«, verließ ich hoffnungsfroh das Oberbefehlshaberzelt des Kaisers.

Nach vierzehn Tagen befand sich unser Heer auf direktem Weg zum Hafen.

Wir marschierten eingerüstet in langer, lockerer Reihe, als ich am Horizont die ersten Staubwolken wahrnahm. Eine Horde von wilden Reitern, die meisten in Kettenhemden, die bis zur Taille gingen und die Oberarme bedeckten, manche trugen auch gar keine Rüstung. Alle mit leichten Lederhelmen bekleidet und ihre kleineren, runden Buckelschilde auf der Innenseite mit Lederriemen gehalten, sehr viel beweglicher als unsere, den klimatischen Verhältnissen viel besser angepasst.

Die Krummsäbel in ihren Fäusten, ihre Scheiden und Rüstungen mit Silber, Gold und Edelsteinen geschmückt, blinkten in der hochstehenden Sonne. Sie waren jetzt so nah, dass ich ihre Ornamente auf Schilden und Rüstungen erkennen konnte, meistens in Form von Tierfiguren oder Inschriften aus dem Koran.

Ich brüllte zu Dietrich hinüber: »Sammle drei Reiterspitzen mit je zwei Hundertschaften und geh auf die Flanken, ich nehme hundert Männer und reite genau durch ihre Mitte.«

Wie oft und lange eingeübt, gab Dietrich die entsprechenden Zeichen und brach in wildem Galopp mit den Kämpfern in weitem Bogen auf, um die überschaubare Horde der Gegner weitläufig zu umgehen.

Ich ritt mit meiner bewaffneten Streitmacht auf die Spitze ihrer Reiter zu.

Meine schwere Lanze lag beweglich in meinen Eisenfäusten, jederzeit bereit, mit aller Wucht des Aufpralls die Gegner auseinanderwirbeln zu lassen. Mit berstendem Krach knallten unsere mit Teilpanzern geschützten Tiere auf die kleineren unscheinbaren Wüstenpferde. Menschen und Material wurden wuchtig auseinandergesprengt und Gliedmaßen und Köpfe flogen wie dicke Schneeflocken durch die heiße, stickige Luft. Als mich ein gegnerischer Lanzenangriff aus dem Sattel von Rosine hob, fiel ich scheppernd mit der verdammten Rüstung auf das dürre Gras und wälzte mich, so gut ich konnte, über einer Schulter ab. Ich befreite mich von der schweren Lanze und zog, so schnell es ging, mein Schwert aus der Rückenscheide. Ich stellte mich sofort den anrennenden Gegnern. Schlag um Schlag haute ich blutige Schneisen in die Ansammlung von Angreifern, bis ich nicht mehr zu atmen vermochte. Ich riss meinen verfluchten Topfhelm vom Kopf, der die Sicht rundherum nur erschwert hatte, und schlug einen Feind nach dem anderen von den Beinen. Wie ein blutgieriger Wüterich arbeitete ich mich durch ihre Reihen, bis ich den mir bekannten Helm von Dietrich erkannte, der mit seinen Männern endlich für die ersehnte Entlastung sorgte. Die Leichenhaufen waren unübersehbar, und es dauerte nicht lange, bis die restlichen Angreifer auch darauf lagen.

Als wir mit den ersten Aufräumarbeiten fertig waren, kamen einige der älteren Ritter zu mir und klopften mir auf die Schultern. »Ein hervorragender, beispielhafter Waffengang, Ritter von Grüningen«, murmelte Wendt von Wallenrode mit anerkennendem Blick.

»Ihr habt die Schweine allein durch den exzellent geführten Angriff Eures Bannerheeres zerrieben. Das war gehobene Strategie«, meinte von Barnheim und gab mir die Hand.

Ritter August von der Schewe ließ mich hochleben. »Wir waren gerade Zeugen einer meisterhaften, gelungenen Zangenbewegung und das in atemloser Schnelligkeit. Absolute Bewunderung, junger Mann.«

»Meine edlen Ritter, die Ehrbekundungen sollten nicht mir, sondern in erster Linie meinen tapferen, geschulten Männern gelten, die hervorragende Arbeit geleistet haben, danke für Euer ehrenhaftes Lob.«

Als wir danach wieder auf dem Weg zur Küste waren, erreichten wir endlich unseren Zielhafen, wo das Überfahrtmanöver stattfinden sollte.

Es gestaltete sich so, wie Dietrich erzählt hatte. Ich schlief im Schiffsbauch mit unserer wertvollen Pferdeladung. Dietrich ließ es sich nicht nehmen, bei mir aufzutauchen. »Gibt es neue Befehle, edler Ritter von Grüningen?« Ich meinte, sein breites, hinterhältiges Grinsen dabei erkannt zu haben. »So eine überflüssige Frage kannst du dir verkneifen. Du wolltest nur in mein bleiches, kotzbereites Gesicht schauen, du gemeiner Hundsfott.«

Ich war heilfroh, nach der Überfahrt wieder Licht zu sehen und saubere Luft zu atmen. Mir drehte es den Magen um, als ich mit ansehen musste, wie die torkelnden Pferde nach und nach von den schaukelnden Schiffen geführt werden mussten.

Als wir an Land gegangen waren, griff ich mir wieder Dietrich, meinen Unterführer. Er schaute schräg auf den Boden, weil er eine Schelte von mir erwartete. »Dietrich, alter Haudegen, du warst und bist immer noch ein überragender Kämpfer und Stratege. Vater hatte dich schon immer in brenzligen Situationen um Rat gefragt. Du hast naturgegebenes strategisches Geschick und bist, trotz zunehmenden Alters, von einer körperlichen Robustheit, die ich selten bei einem Kämpfer gesehen habe. Ich danke dir für deinen unerschrockenen Einsatz. Treib die Männer gleich kurz zusammen und dann ziehen wir weiter. «Jetzt sah er mich schuldbewusst mit breitem Grinsen an und trollte sich. Ich wusste, er freute sich diebisch, dass mein Zustand nach der Überfahrt seine Erwartungen noch übertroffen hatte. Er hatte wohl selten so ein fahles Gesicht gesehen.

Als sie im imposanten Halbrund um mich herum versammelt waren, sagte ich: »Männer, Ihr seid bisher mit bewunderungswürdiger Tapferkeit mit mir und dem kaiserlichen Heer durch die halbe Welt gezogen. Ihr habt nicht nur bei der letzten Schlacht Eure militärischen Fähigkeiten bewiesen, sondern seid auch jetzt bei der Überfahrt besonders sorgsam mit den Pferden umgegangen. Ich danke Euch für so eine bewundernswerte Umsicht. Die Pferde, besonders die, die unserem Gestüt entstammen, sind unsere wichtigsten Kriegsgeräte. Ihre bedeutende Schnelligkeit, Wendigkeit und Robustheit sind Charaktereigenschaften, die den entscheidenden Unterschied zu den Pferden des Feindes ausmachen dürften. Meine Gefolgsleute, gleich auf welchem Posten, egal in welcher Position, alle, die sich unter meinem Banner versammelt haben, können sich meiner Fürsorge gewiss sein. Euch gelten weiterhin meine höchste Aufmerksamkeit und Anerkennung. Ich bin für Euch da und ihr hoffentlich für mich. Der Herrgott sei mit Euch.«

Sie brachen in Jubel aus, und ein Kribbeln lief mir durch den Körper.

Ich meinte, bemerkt zu haben, dass manche Augen nass geworden waren, genau wie bei mir. Ich schämte mich deshalb nicht im Geringsten.

Dietrich ließ sie abtreten und jeder widmete sich wieder seiner eingeübten, gewohnten Aufgabe.

Ja, sie begleiteten mich in meinen Kampfeinsätzen, Seite an Seite, und sorgten noch des Nachts für die Bereitstellung des Befehlshaberzeltes mit meinem Geschlechtsbanner und einer aufmerksamen Wachmannschaft. Sie wussten um meine Eigenarten, kannten meinen Geschmack beim Saufen. Und bei der Auswahl der Lagerhuren.

Kapitel V

Vormarsch über Kleinasien nach Palästina

Bei den wöchentlichen Zusammenkünften im Zelt des Oberbefehlshabers hatte ich die Ehre, meinem Kaiser sehr nahe zu sein. Dies war einerseits dem Namen meines Geschlechts zu verdanken, andererseits wohl meinem Ruf aufgrund der bisherigen Erfolge bei den Schlachten.

Dort stand er nun im Kreise seiner führenden Ritter und ich etwas am Rande, aber mit erheblichem Stolz, den Schritt auf die Führungsebene geschafft zu haben.

Ich wusste genau, dass ich meine bisherigen Erfolge in erster Linie den tapferen Einsätzen meiner fast zweitausendfünfhundert Männern zu verdanken hatte.

Das wiederum lag an den guten und vielseitigen Übungen an den Waffen mit den vielgestaltigen Manövern, die mein Vater fast wöchentlich zu Hause hatte durchführen lassen. Die Qualität unserer Pferde für den Einsatz verdankten wir ebenfalls der guten Aufzucht auf unserem Rittergestüt, das seinesgleichen suchte. Ich ahnte aber auch, dass die besondere, wachsende Sympathie des Kaisers mir gegenüber von manchen mit Argusaugen beobachtet wurde, ein allgegenwärtiger Neid, der von Kampf zu Kampf spürbarer wurde, besonders bei den Rittern, die wie Schmeißfliegen um den Sohn von Barbarossa, Friedrich von Schwaben, herumschwirrten. Ein elender, größer werdender Haufen, dessen Gestank jeden Tag deutlicher wurde und die Rittergruppierung um Barbarossa zu spalten drohte. Von Schwaben fühlte sich als echter Sohn von Barbarossa nicht vom Vater anerkannt und gönnte niemandem, besonders mir nicht, dessen Nähe. Ich musste auf der Hut sein.

Wir marschierten weiter auf dem langen Weg nach Jerusalem.

Nichts schien uns aufhalten zu können. Ich stand in der Kampfformation vor der Stadt Philadelphia in ersten Kämpfen mit den Turkmenen.

Mit der Kampfmoral meiner Männer würde ich auch die ersten Seldschuken und andere Nomadenvölker in die Flucht schlagen, da war ich mir mit Dietrich vollkommen sicher.

Unser Leben bestand aus einem Hin und Her von guten Marktangeboten, Entbehrungen und loyaler Hilfe der Einheimischen, aber auch aus schweren Kämpfen, die unser Heer im griechischen und seldschukischen Kleinasien Tag für Tag erleben musste. Diese Gefühlsschwankungen waren allein der Tatsache geschuldet, dass weder die seldschukische Verwaltung noch die griechische ihre nomadisierenden Volksteile beherrschten. Es gab einfach keine einheitliche Linie zwischen den beteiligten Volksstämmen.

Eines Abends kamen die Ritter der wiederholten Aufforderung nach, umgehend im Zelt des Oberbefehlshabers zu erscheinen. Dort wartete von Barnheim als Heeressprecher und nahm sofort seine Aufgabe wahr: »Wir haben aktuell Scherereien mit dem Sultan von Ikonium, der es offensichtlich auf einen Vertragsbruch anlegt. Er soll zwischenzeitlich Schwiegersohn Saladins geworden sein, mit der Folge, dass der ursprünglich vereinbarte freie Durchzug sich nun als trügerisch erweist. Der Sultan von Konya hatte zwischenzeitlich sein Reich unter seinen elf Söhnen aufgeteilt. Der älteste der Söhne schert sich nun nicht mehr um die Vereinbarungen, die sein Vater mit uns getroffen hatte.«

Im aufbrausenden Stimmengewirr wurde eines sofort klar. »Die Männer lassen sich so etwas nicht bieten.«

Vor Ikonium zeigten wir mit unseren Schlachtenreihen, was die Nichteinhaltung von Verträgen für Folgen haben kann. Ich kämpfte gemeinsam mit den anderen Rittern des Reiches. Schlag für Schlag, Lanzenstich für Lanzenstich zeigten wir die verheerende Wirkung eines offensichtlichen Vertragsbruches.

Als wir im Blut stehend Jubelgesänge anstimmten, stellte sich der Kaiser in die Steigbügel seines stattlichen Pferdes, wie gewohnt in vorderster Reihe, und schrie, deutlich hörbar für Freund und Feind: »Wir dulden keinen Vertragsbruch. Ich gebe diese Stadt zur Plünderung frei.« Ich wusste, das war das Schlimmste, was der Bevölkerung Ikoniums passieren konnte. Massaker und Massenvergewaltigungen spülte das ausgehungerte Heer in die Gassen. Ich hasste das wilde, zügellose Treiben. Das Abschlachten der Männer und die Vergewaltigung ihrer Weiber. Ich hielt mich möglichst davon fern, zog mich in mein Zelt zurück.

Dann ging es ein paar Tage später in raschem Marsch ins christliche Armenien. Hier am Mittellauf des Selef von Leon II. von Mopsuesta herzlich aufgenommen, ließ ich mich mit dem Heer die steilen Taurus-Hänge vom Fluss Selef abwärts nach Seleukia ziehen.

Ich ritt wie gewohnt an der Seite meines Kaisers. Jeden, der es wagte, sich uns in den Weg zu stellen, ritten wir in schwerer Rüstung und strotzend vor Waffen mit unseren Pferden nieder. Die Blutspritzer an meinem weißen Gewand mit dem roten Kreuz zeugten von meinen harten, unerbittlichen Kämpfen im Hohen Taurus.

Kapitel VI

Das Schicksal schlägt zu

Zwischenzeitlich hatten wir bei der Überquerung zahlreicher Berghänge große Teile unserer Ausrüstung verloren.

Verdammt, war das unerträglich heiß. Ich schnappte nach Luft unter meiner Rüstung wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die Leute fielen plötzlich und unerwartet vom Pferd. Ich rief verzweifelt nach vorne zu den Helfern. »Kommt ran, hier gibt es wieder etwas zu tun, reißt ihm die Rüstung vom Leib und tragt ihn sofort in den Schatten. Mir ist es jetzt gleich, ob der Zug ins Stocken gerät.« Wir hatten im Heer besondere Helfer abgestellt, die nur dafür zuständig waren, Gestrauchelte hastig in den Schatten zu schleppen, ihnen die Kleider vom Leib abzulösen und sie mit Wasser zu übergießen. Sie konnten oft selbst nicht mehr marschieren. Die Wege durch das Gebirge waren steinig und rutschig. Loses Geröll brachte die Pferde zum Straucheln und ließ die Reiter wie reife Früchte in den Abgrund fallen. Es war ein grausames, abstoßendes Durcheinander. Ein Chaos von stürzenden Tieren und schreienden Menschen.

Ich drehte mich betroffen und angewidert zur Seite.

Wer jetzt nicht körperlich geübt war, konnte oft nicht mehr dem Tod entkommen. Krankheiten grassierten und mehrere Bischöfe starben vor Erschöpfung. Hitze und Wassermangel zerstörten unsere Marschordnung. »Holt Ledereimer mit Wasser vom Fluss«, schrie ich immer wieder verzweifelt dazwischen, wenn wieder einer der Soldaten vor mir zusammenbrach. Es war aber verdammt schwer. Der Fluss war zwar in Sichtweite, aber tief unten im Tal. Wie zum Trotz schimmerte er als fließender Wurm in meiner ständigen Begleitung.

Zum ersten Mal wurde mir klar, wie es den Rittern und dem Fußvolk bei der vernichtenden Niederlage gegen Sultan Saladin in Hattin ergangen war.

Nun saß ich hier endlich am Flussufer des Selef. Die schnaufenden, rasselnden Geräusche meines Pferdes beim Saufen drangen an mein Ohr. Alles andere ging in dem Tosen des reißenden Gewässers unter. Ich war erschöpft. Meine Augen fielen mir immer wieder zu.

Meine Rüstung, Stück für Stück um mich herum verstreut, glänzte mit ihren Metallteilen unerträglich in der hochstehenden Mittagssonne. Ich schaute nach unten, um das Brennen in meinen Augen zu vermeiden. Mir ging spontan die Kühle des Winterquartiers im südlichen Bulgarien durch den Kopf, die ich so verflucht hatte. Jetzt würde ich gern noch einmal tauschen. Körperlich erschöpft und in Gedanken verloren am Ufer sitzend, hörte ich plötzlich ein wildes, brachiales Geschrei ganz in meiner Nähe. Was war das? Ich konnte es mir im ersten Moment nicht erklären.

Ich taumelte unsicher auf meine schweren, bleiernen Füße. Mit letzter Kraft riss ich mich zusammen und versuchte, den steinigen Weg am Ufer entlangzulaufen. Als ich mit unsicheren Tritten zu einer Flussbiegung gelangte, sah ich eine Gruppe von Männern dort am Wasser stehen, hilflos brüllend und wild gestikulierend. »Was ist hier los?«, rief ich verzweifelt mit einem aufsteigenden, bangen Gefühl in mir, dass hier etwas ganz Schreckliches passiert sein musste.

Ich bahnte mir schubsend und fluchend den Weg durch die Männer. Sie standen so dicht beieinander, dass es mir kaum gelang, durchzukommen. Ich schrie völlig verzweifelt: »Verdammt, was ist denn da los?« Endlich konnte ich mir eine Gasse durch dieses verfluchte Menschenknäuel bahnen. Die Leute standen sichtlich unter Schock. Das war das, was ich auf den ersten Blick erkennen konnte. Als ich mir endlich den Weg in die vordere Reihe freigekämpft hatte, entdeckte ich, wie einer unserer Ritter den Körper des Kaisers von seiner Kleidung befreite und unter Tränen und lautem Fluchen seine Hände gegen dessen Brust drückte. »Lass mich durch«, schrie ich ihn an und bearbeitete wie in Trance den Körper des Kaisers immer wieder, unaufhörlich, bis mich einer der herumstehenden Männer unterbrach: »Hör jetzt auf, da gibt es nichts mehr zu retten, Rittersmann.«

Ich sackte schluchzend zusammen und schlug mit dem Kopf auf das steinige Flussufer. Mein Kopf war leer. Ich spürte nur noch tiefen Schmerz und unendliche Trauer.

Alle Bemühungen erwiesen sich als vergeblich. Man zog Barbarossa weiter zum Flusshang und bettete ihn auf seinen Umhang.

»Er hat nicht auf unseren Rat hören wollen«, schrie einer der Panzerreiter in wütender Ohnmacht. »Verdammt, verdammt. Ich begreife das nicht. Gott, was hast Du uns angetan! Unser geliebter Kaiser.« Mit schaurigem Klang hallte dieser Ruf durch das ganze Flusstal. Ein Aufschrei tiefen Entsetzens.

Die Männer stammelten zur eigenen Beruhigung immer wieder gleichlautende Erklärungen:

»Der Kaiser wollte sich nach einem opulenten Mahl in der glühenden Mittagshitze am Flussufer etwas abkühlen und hat dabei offensichtlich einen Herzschlag erlitten. Die reißenden Fluten des Selef haben ihn dann kurz abgetrieben. Unsere Ermahnungen hat er einfach in den Wind geschlagen, immer wieder hat er beteuert, dass er des Schwimmens fähig sei. Warum tut er so etwas, warum lässt er uns im Stich, Großer Gott was hast Du da zugelassen?«

Immer die gleichen Sätze der Verzweiflung.

Trauer und Schmerz legten sich wie ein bleierner Mantel über mich. Ich war noch nicht in der Lage, klar zu denken. Man wusste überhaupt nicht, was der Tod Barbarossas für unsere Unternehmung bedeuten konnte. Ich bemerkte, wie die Menschen in gedämpften Gesprächen versuchten, ihre Betroffenheit über das plötzliche Schicksal des geliebten Kaisers zu verarbeiten.

Das leise Wimmern oder auch das laute, hemmungslose Schluchzen in den Reihen des Heeres gingen mir ans Herz und trübten mir mehr und mehr die Sinne.

Es war unfassbar, wie so ein bedeutender Mann, ein Vorbild als Kämpfer, von uns gehen konnte. Er war es, der mit seinem Einsatz in den ersten Linien für die tägliche Moral im Heer gesorgt hatte.

Ab jetzt, so wurde mir schlagartig klar, waren wir ein verlorener Haufen. Die Qualen und Entbehrungen, die jeder bis dato klaglos auf sich genommen hatte, kamen in ganzer Wucht hervor und lähmten jede Betriebsamkeit im Lager.

Die Leute begannen, sich in die Vorbereitungen für die Totenfeier zu stürzen, nur um sich vom Schmerz abzulenken.

In aller Eile errichteten wir einen provisorischen Versammlungsort, der einigermaßen Platz für die Trauernden bot.

In der Führung des Heeres zeigte man sich unentschlossen, was genau mit dem Leichnam passieren sollte. Deshalb wurde der Körper lediglich aufgebahrt, damit man während eines feierlichen Gottesdienstes vom Kaiser Abschied nehmen konnte.

Die Planungen hierzu liefen überraschend störungsfrei, berichtete mir Dietrich: »Weil sich bei der großen Anzahl von Kirchenvertretern und Würdenträgern jeder darum reißt, seinen Teil zum Abschied beizusteuern, laufen die Planungen wie die Räder einer Mühle. Da die Zeremonie nicht Hals über Kopf stattfinden kann, haben wir mit der Hilfe unserer Männer noch an Ort und Stelle ein Lager aufgeschlagen, damit die Vorbereitungen den geordneten Rahmen erhalten konnten.«

Dietrich verabschiedete sich kurz und zog sich wieder zurück.

Wir saßen noch draußen vor meinem Zelt und genossen die leichte, kühle Brise, die aus dem Flusstal zu uns emporstieg.

Um mich herum die führenden Ritter, die dem Kaiser sehr nahegestanden hatten und, das war das Wichtigste, Männer, zu denen ich schon seit Beginn des Kreuzzugs ein besonderes Vertrauensverhältnis aufzubauen vermochte.

Es waren hochwohlgeborene Edelleute, die nicht wie ich erst seit kurzem in Diensten des Kaisers standen. Nein, es waren auch Ritter dabei, die sich schon in den Feldzügen nach Oberitalien an der Seite des Kaisers ihre ersten Meriten verdient hatten.

Sie trugen wohlklingende Namen. Geschlechter, die in der einen oder anderen Weise in der Geschichte des Reiches eine Rolle gespielt hatten und immer noch spielten.

Das Entscheidende, hier waren die Führer der Bannerheere deutscher Adelsgeschlechter versammelt, Befehlshaber von fast sechstausend kampferfahrenen Soldaten, mehr als ein Drittel des gesamten Kreuzfahrerheeres, eine Macht, die vereint viel zu bewirken vermochte.

Direkt an meiner Seite Wendt von Wallenrode.

Er war seinem Kaiser loyal gegenüber gewesen und hatte jedes Hindernis weggeräumt, das der Durchsetzung seiner Ideen im Wege gestanden hatte.

Er sprach nicht sehr viel, doch seine Lageeinschätzung traf meistens den Punkt.