Der Baumeister des Pharaos - Siegfried Obermeier - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Baumeister des Pharaos E-Book

Siegfried Obermeier

0,0
6,99 €
2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Er war Vertrauter des berühmtesten aller Pharaonen: Das historische Epos »Der Baumeister des Pharaos« von Siegfried Obermeier als eBook bei dotbooks. Das antike Ägypten im 13. Jahrhundert vor Christus. Obwohl er der Sohn einer Sklavin ist, macht sich der junge Piay einen Namen als kunstfertiger Baumeister. Bald schon darf er unter dem edlen Ramses II. dienen – und wird schließlich vom Pharao zu seinem persönlichen Berater erhoben. Für seinen Herrn erschafft Piay prachtvolle Bauten und Denkmäler, die die Jahrtausende überdauern und dessen Ruhm unsterblich machen sollen. Sein brennender Arbeitseifer gerät ins Wanken, als er Merit-Amun kennenlernt, die Tochter des gottgleichen Herrschers. Obwohl ihre Verbindung gegen das Gesetz des Himmels verstößt, verlieben sich der Handwerker und die Sonnentochter. Doch dem allsehenden Auge des Ramses entgeht nichts – und die Strafe des Gottes ist zurecht gefürchtet … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Roman »Der Baumeister des Pharaos« von Siegfried Obermeier erweckt das antike Ägypten in all seiner Pracht zum Leben - Fans der Bestseller von Mika Waltari und Christian Jacq werden begeistert sein! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 1009

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Das antike Ägypten im 13. Jahrhundert vor Christus. Obwohl er der Sohn einer Sklavin ist, macht sich der junge Piay einen Namen als kunstfertiger Baumeister. Bald schon darf er unter dem edlen Ramses II. dienen – und wird schließlich vom Pharao zu seinem persönlichen Berater erhoben. Für seinen Herrn erschafft Piay prachtvolle Bauten und Denkmäler, die die Jahrtausende überdauern und dessen Ruhm unsterblich machen sollen. Sein brennender Arbeitseifer gerät ins Wanken, als er Merit-Amun kennenlernt, die Tochter des gottgleichen Herrschers. Obwohl ihre Verbindung gegen das Gesetz des Himmels verstößt, verlieben sich der Handwerker und die Sonnentochter. Doch dem allsehenden Auge des Ramses entgeht nichts – und die Strafe des Gottes ist zurecht gefürchtet …

Über den Autor:

Siegfried Obermeier (1936–2011) war ein preisgekrönter Roman- und Sachbuchautor, der über Jahrzehnte zu den erfolgreichsten deutschen Autoren historischer Romane zählte. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Bei dotbooks veröffentlichte Siegfried Obermeier die historischen Romane »Die freien Söhne Roms«, »Der Botschafter des Kaisers«, »Blut und Gloria: Das spanische Jahrhundert«, »Die Kaiserin von Rom«, »Salomo und die Königin von Saba« und »Das Spiel der Kurtisanen« sowie die großen Romanbiographien »Sappho, Dichterin einer neuen Zeit« und »Mozart, Komponist des Himmels«. Weitere Titel sind in Vorbereitung.

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2021

Dieses Buch erschien bereits 1987 unter dem Titel »… und baute ihr einen Tempel« bei edition meyster.

Copyright © der Originalausgabe 1987 edition meyster in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Daria Volyanskaya, Bibitmateng

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96655-795-5

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Versand zweimal im Monat – unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Baumeister des Pharaos« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Siegfried Obermeier

Der Baumeister des Pharaos

Ein Roman aus der Zeit Ramses II.

dotbooks.

Für Susanna

Prolog

Piramesse-Meriamun, die lebhafte und glanzvolle Stadt im Norden des Landes Kemi, von seiner Majestät User-Maat-Re setepen-Re Meri-Amun-Ramses vor über einem halben Jahrhundert im östlichen Nildelta gegründet, hatte vor einigen Tagen ihr Dankopfer an den Nilgott Hapi abgestattet, denn die Überschwemmung war pünktlich eingetroffen. Lachend und jubelnd hatten die Menschen Früchte, Brote, Blumen, geschlachtete Tauben und andere Opfergaben ins ansteigende Wasser geworfen, denn Hapi liebte solche Geschenke, und je mehr er davon bekam, desto höher ließ er den Nil schwellen.

Der Königspalast, das »Haus der Verehrung« nahm einen beträchtlichen Teil der Stadt ein – ja, er war eigentlich eine Stadt für sich mit den Häusern für König und Königin, dem Harem, den Prinzenhäusern, den Verwaltungsgebäuden, Kornkammern, Ställen, Dienerwohnungen, Gästehäusern, Gärten, Kapellen und was der König, der Gute Gott, sonst noch für seinen Haushalt benötigte.

Dieser hatte sich schon vor Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, das bisher letzte und dreizehnte Sed-Fest hatte der Erbprinz Merenptah vollzogen, auch er schon ein alter Mann, der wohl inzwischen die Hoffnung aufgegeben hatte, jemals auf den Thron zu gelangen. Denn sein Vater, der Sohn der Sonne, Herr beider Länder, der Gute Gott und Mächtige Stier User-Maat-Re setep-en-Re Meri-Amun-Ramses, war unsterblich. Er selbst glaubte daran, seine Familie glaubte es, der Hof und das Land glaubten es. Kein einziger Mensch lebte noch in Kemi, der die ersten Regierungsjahre des Königs miterlebt hatte. Die Enkel und Urenkel seiner Hofbeamten bedienten ihn. Ramses hatte hundertzweiundsechzig Kinder mit fünf Haupt- und zahlreichen Nebenfrauen gezeugt, und die meisten von ihnen, darunter zwölf Kronprinzen, hatte er bereits überlebt. Als er sein erstes Sed-Fest feierte, teilten die Götter ihm mit, daß sie seine Unsterblichkeit beschlossen hätten. Gott Ptah selbst sprach zu ihm: »Ich habe dich als König der Ewigkeit und als immerwährenden Herrscher eingesetzt. Ich habe deinen Leib aus Gold gebildet und deine Knochen aus Kupfer und deine Glieder aus Eisen. Ich gebe dir mein göttliches Amt, damit du die Krone der beiden Länder trägst …«

Daraufhin hatte der König den Bau seines schon halbfertigen Grabs einstellen lassen, denn er brauchte es ja nicht mehr. Zwar hätte niemand es gewagt, dem Gewaltigen zu widersprechen, doch insgeheim dachte so mancher: Auch mit dir, mächtiger Ramses, werden die Götter keine Ausnahme machen, und eines Tages mußt du das Haus der Ewigkeit im Westen beziehen, ob du willst oder nicht. Die das dachten, wurden unsicher, als der König sein fünftes, sechstes, zehntes Sed-Fest feierte – im siebenundfünfzigsten Jahr seiner Herrschaft. Allmählich starben sie weg, die Zweifler, die Söhne nahmen ihren Platz ein, danach die Enkel. Und niemand mehr im ganzen Land Kemi konnte sich daran erinnern, daß es je einen anderen König gegeben hätte als den Guten Gott Ramses. Und so taten sie alle im Palast ihren Dienst, der Aufseher und Verwalter, die Wäscher, Perückenmacher, die Sänften- und Wedelträger, die Priester und Beamten, die Sklavinnen und Sklaven.

An diesem Tag im ersten Achet-Monat kündigte ein silbernes Dämmerlicht das Erscheinen des Re von seiner nächtlichen Fahrt.

Im Palast begann es sich zu regen, die »geheimen Räte des hohen Hauses« – die persönlichen Diener des Pharao – trafen alle Vorbereitungen für den Guten Gott, der bald aus seinem Horizont hervortreten würde, so, wie er es immer und schon seit unvordenklichen Zeiten getan hatte.

Doch der König verließ heute sein Lager nicht. Auch als Re schon hoch am Himmel stand, erging kein Befehl, und das längst bereitete Bad erkaltete wieder. Der Leibarzt und der Erbprinz traten an das Bett des Königs, der sie mit müden altersblinden Augen gleichgültig musterte. »Ich wünsche, in Ruhe gelassen zu werden, bis ich diesen Befehl widerrufe!«

Der Arzt verbeugte sich tief, der Kronprinz nickte und seufzte leise. Als sie draußen warteten, sagte der Arzt:

»Mir gefällt Seine Majestät nicht; diese plötzliche Schwäche …«

Merenptah lachte bitter:

»Meinst du, mir gefällt es? Er wird mich auch noch überleben wie meine zwölf Brüder vor mir, aber der Palast wimmelt ja von Prinzen, die auf seinen und meinen Tod warten. Ich glaube, es sind noch zwanzig oder dreißig …«

»Dein Vater liegt im Sterben, Hoheit«, sagte der Arzt ruhig.

Merenptah gab keine Antwort und ging an seine Geschäfte.

Als er wieder allein war, schloß der Pharao die Augen. Er fühlte keine Schmerzen, war weder hungrig noch durstig, doch er spürte das unregelmäßige Schlagen seines Herzens, das nur noch kläglich dahinstolperte, aussetzte und mühsam seinen Gang wiederaufnahm. Er wußte, daß er unsterblich war, Ptah selbst hatte es ihm eines Nachts verkündet. Er mußte jetzt Kräfte sammeln, um sein vierzehntes Sed-Fest zu feiern, das würde ihn erneuern und verjüngen.

Er sank in einen Dämmerschlaf und sofort – wie so oft in letzter Zeit – erschien der schakalköpfige Gott Anubis, beugte sich über sein Lager und griff sacht nach seinem Herzen. Ramses spürte den Aasgeruch aus dem Maul des Schakals und scheuchte ihn mit einigen Zauberworten fort. Dann füllten Gestalten den Raum, Götter und Menschen, denen er zulächelte, die er willkommen hieß. Seth, den viele haßten, weil er seinen Bruder Osiris getötet hatte, der Gott der Wüsten und Fremdländer – Ramses schätzte ihn und hatte ihm einen schönen Tempel errichtet. Die löwenköpfige Sachmet trat ein, schickte Seth hinaus; aus ihrem Rachen lohte Feuer, doch Ramses empfand keine Bedrohung, denn sie war auch die Göttin der Ärzte, von ihr ging Heilkraft aus. Hinter ihr tauchte die liebliche Bastet auf, schob Sachmet beiseite, hob ihre Hand mit dem fein klingenden Sistrum und begann zu tanzen. Ihr Katzenkopf blickte den König lächelnd an, sie schürzte ihr Kleid, zeigte ihre vollen Schenkel, hob es höher, bis die Scham entblößt war, öffnete ihr spitzzähniges Maul und ließ ein sinnverwirrendes Fauchen hören.

Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn, doch Bastet ließ das Kleid fallen und entschwand seinen Blicken. Der Raum füllte sich mit einem feinen Nebel, und aus ihm tauchten zwei weibliche Gestalten empor – Ramses erschrak. Waren dies Isis und Nepthys, Gemahlin und Schwester des Osiris, die an seiner Leiche wachten? Er schloß die Augen, doch es half nichts, sein Blick drang durch die Lider, und nun sah er, daß es Isis und Nefertari waren, die lächelnd auf ihn niederblickten. Aus dem Nebel kamen weitere Frauen: Isis-nefert, Maa-neferu-Re, Bent-Anta, die Großen Königlichen Gemahlinnen, hinter ihnen drängten sich die Konkubinen, Hunderte, er hatte ihre Namen längst vergessen; sie alle hatten ihm Söhne und Töchter geboren, hatten seinen göttlichen Samen empfangen, doch geliebt, wirklich geliebt hatte er nur eine – Nefertari, das heißt »die Allerschönste«.

Er flüsterte ihren Namen, und wie durch einen Zauber verschwanden alle anderen. Da stand sie vor ihm, die Geliebte, die Einzige, die Allerschönste. Ihr hatte er den Tempel in Kusch erbaut und das herrliche Grab in Theben, sie hatte ihn nach Kadesch zur großen Schlacht begleitet, für sie hatte er den Sieg errungen, ihre Söhne und Töchter waren seine liebsten Kinder gewesen: Amani, der Erstgeborene, seine drei Brüder, die zwei Schwestern Merit-Amun und Henut. Merit aber hatte die ganze Schönheit ihrer Mutter geerbt, dazu Stolz und Willensstärke, von ihm, ihrem Vater. Und sie war das Sorgenkind gewesen.

Nefertari nickte lächelnd und trat näher an das Bett. Sie schien zu verstehen, was er dachte; sie hatten sich auch im Leben immer gut verstanden, einer hatte den anderen ergänzt. Als Nefertari starb, blieb eine Leere, die alle anderen Frauen nicht ausfüllen konnten. Nicht die stolze, boshafte und ehrgeizige Isis-nefert, auch nicht ihre sanfte Tochter Bent-Anta, die er im Alter zur Frau nahm und die jetzt seine Große Königliche Gemahlin war. Sie hatten Kinder gezeugt, deren Vater und Großvater er zugleich war.

»Alles mußte gewaltig sein in deinem Leben, mein süßer Gemahl – deine Paläste, deine Tempel, die Zahl deiner Frauen und Kinder, dein hohes Alter, deine Vergöttlichung, die dich anbetend vor deinem eigenen Ka zeigt …«

Ja, dachte Ramses, du hast recht, meine Allerschönste, alles war gewaltig, und am gewaltigsten war meine Liebe zu dir. Ich habe getan, was kein ägyptischer König in über tausend Jahren unserer Geschichte tat – ich erbaute meiner Geliebten einen Tempel.

»Dafür danke ich dir, mein König. Ich möchte, daß du zu mir kommst, dich mit Osiris vereinigst und mit mir im Kreise der Götter und in ewiger Jugend die Tage im Westen genießt.«

Nefertari streckte ihre schlanken Arme aus, und Ramses erkannte deutlich das Armband mit dem Lapis-Skarabäen, sein Geschenk zur Geburt des ersten Sohnes. Sein allererstes Geschenk, ein goldenes Anch-zeichen, trug sie um den Hals. Eine ungeheure Sehnsucht ergriff ihn. Was bedeutete ihm, dem Uralten, noch der Thron, die Macht, der Harem, das tägliche, immer mühsamer werdende Einerlei? Aus dem strahlenden Horus war ein gebeugter Greis geworden, halb blind, fast kahl, mit lockeren Zähnen. Diener mußten ihn stützen, wenn er zu Tisch ging, Diener mußten ihn waschen, weil er zu kraftlos dazu war.

Wieder jung sein! Das Dasein genießen an der Seite Nefertaris – sie lächelte ihm aufmunternd zu und winkte. Aus dem Nebel trat Anubis, Nefertari nahm seine Hand und führte den Schakalköpfigen an das Lager. Sie beugte sich über ihn, küßte ihn auf die Lippen, während Anubis sanft das Herz des Königs aus der Brust nahm.

Da wußte der Pharao, daß er sterblich war, und er freute sich darüber.

Buch 1

Kapitel 1

Das ehrwürdige Abydos summte wie ein Wespennest. Sonst war die Stadt um die heiße Mittagszeit wie ausgestorben. Jeder Hund kroch in einen schattigen Winkel, und nicht einmal der strengste Herr schickte seine Sklaven hinaus vor die Tür.

Heute aber schien der Gluthauch des mächtigen Re niemand zu stören. Die Menschen liefen durcheinander, kleine und große Schiffe drängten sich unten am Hafen, und sie waren dabei, denen Platz zu machen, die man in Kürze erwartete.

Der dicke Bürgermeister saß in seinen Amtsräumen, der Schweiß strömte unter seiner etwas zerzausten Staatsperücke nur so hervor, und alle Augenblicke sprang ein kleiner, nackter Sklave hinzu und wischte das Gesicht seines Herrn trocken. Als er dies nun schon zum elften Mal tat, fegte ihn eine mächtige Ohrfeige in eine Ecke des Raumes.

»Ich halte das nicht mehr aus!« brüllte der dicke Kamose, »alle wollen etwas von mir, keiner tut, was ich sage, und der Gute Gott – Amun möge ihm Millionen Sed-Feste schenken – ist nur noch eineinhalb Tagesreisen entfernt! Und nichts ist vorbereitet, nichts geschehen! Ich werde Gift schlucken und als Osiris zu meinen Vätern gehen müssen.«

Wieder strömte der Schweiß über sein fettes Gesicht, und der kleine Sklave, hin- und hergerissen zwischen der Pflicht, seinem Herrn die Stirn zu trocknen, und der Angst vor der nächsten Ohrfeige, nahte sich furchtsam, hob die Hand mit dem Tuch, das ihm Kamose ungeduldig aus der Hand riß. Der Bürgermeister zog sich schnaufend die verfilzte Perücke vom Kopf und trocknete sein kurzgeschorenes, schweißfeuchtes Haar. Dann winkte er dem Schreiber.

»Wir dürfen uns jetzt nicht den Sinn verwirren lassen – prüfen wir noch einmal genau die Liste mit den Vorbereitungen.«

Der Amtsschreiber nickte geduldig und legte die Papyrusrolle auf den Tisch. Die beiden Würdenträger steckten die Köpfe zusammen und besprachen nochmals jeden einzelnen Punkt.

Waren ausreichende Vorräte an Wein, Öl, Korn, Früchten und Fleisch vorhanden? War der besonders kostbare Weihrauch aus den Vorratskammern des Tempels geholt? Hatten die Priester im Osiris-Tempel für reichlichen Blumenschmuck gesorgt? Hatten die faulen und unnützen Sklaven ihre stinkenden Körper gewaschen, damit ihr Geruch nicht die Nase des Erhabenen beleidigte?

Es gab so viel zu bedenken und zu bereden, daß der Bürgermeister und sein Schreiber an diesem Tag noch viele Stunden beieinandersaßen.

Die prunkvolle königliche Nilbarke, flankiert und begleitet von den Booten der Priester und Beamten, hatte vor einigen Stunden Memphis verlassen und bewegte sich jetzt vom ständig wehenden Nordwind getrieben, gemächlich nilaufwärts.

Der König des Landes Kemi, der Sohn der Sonne, der Gute Gott und Herr beider Länder, Men-Maat-Re Seti, Freund und Vertrauter der Götter, hatte sich in seinen Privatraum zurückgezogen. Er legte die Helmkrone und den schweren Schulterkragen ab – er tat es selbst, denn er wollte jetzt keine Diener um sich haben. In letzter Zeit fiel es ihm immer schwerer, angetan mit den Reichsinsignien, unbeweglich wie eine Götterstatue, von Weihrauch umwölkt auf seinem Thron zu sitzen, wie man es von ihm auch hier auf dem Schiff erwartete, wenn die königliche Flotte an größeren Orten vorbeifuhr. Auf dem Schiffsdeck war der erhöhte, goldfunkelnde Thron aufgebaut, und dort hatte der Pharao in erhabener Starre auszuhalten, bis die Stadt Memphis außer Sichtweite war.

Seti fühlte das nahende Alter, die vielen Kriegszüge hatten seinen Körper geschwächt, die Narben einiger schwerer Wunden machten ihm zusehends zu schaffen. Da war die Speerwunde aus einem der ersten Kriegszüge gegen das elende Chatti, die seine Schulter zeitweise fast unbeweglich machte. Szepter und Geißel, die Symbole der Pharaonenmacht, gekreuzt vor der Brust zu halten, wurde ihm mehr und mehr zur Qual. Der lange beschwerliche Feldzug ins ferne Naharina hatte ihm eine schwere Darmerkrankung eingetragen, und kaum war er genesen, traf ihn der Pfeil eines Scharfschützen in den linken Oberschenkel. Der Feldarzt hatte es nicht gewagt, die göttlichen Glieder zu berühren, doch Seti stellte ihn vor die Wahl, seinen Kopf zu verlieren oder den Pfeil herauszuschneiden. Der Arzt machte es dann sehr geschickt und wurde auch belohnt. Doch die Wunde schwärte und eiterte wochenlang, bis sie sich endlich schloß. Das Bein aber blieb seitdem schwach, und wenn der Pharao mehr als hundert Schritte gehen mußte, begann er zu hinken. In diese Verlegenheit kam er allerdings kaum noch, so daß niemand seine Behinderung bemerkte.

Noch war er voll Lebenskraft, doch manchmal sehnte er sich nach der Ewigen Wohnung, die im westlichen Wüstental längst für ihn vorbereitet war. Es war schon verlockend, daran zu denken: Man sitzt im Kreis der Götter als Gleicher unter Gleichen, von Osiris gerechtfertigt und genießt ein ewiges, herrliches und schmerzloses Dasein jenseits aller Sorgen und Pflichten.

Der Pharao seufzte und richtete sich auf. Wenigstens war ein tüchtiger Erbprinz vorhanden, der einzige noch lebende Sohn der Großen Königlichen Gemahlin Tuja. Er war gesund, kräftig und klug, und Ptah hatte dem Pharao im Traum zu verstehen gegeben, daß er auf dieses Kind seine Hoffnung zu setzen hatte. Seitdem begleitete ihn dieser Sohn auf allen seinen Fahrten – das Volk sollte ihn sehen und kennenlernen.

Ramses war die Hoffnung des Landes Kemi, er sah ihm so ähnlich, wie ein Sohn dem Vater ähnlich sehen kann. Seine kräftig gekrümmte Nase, sein rundes, straffes Gesicht, die großen, wachen Augen, das feste Kinn – Ramses hatte all dies geerbt, wenn seinem Antlitz auch etwas Derbes anhaftete, das einem jungen Burschen gleichwohl gut anstand – ein Erbteil der Mutter. Zudem war der Kronprinz ein Riese, der schon jetzt mit seinen fast dreieinhalb Ellen alle überragte. Er beherrschte die wichtigsten Schriftzeichen, seine Befehle waren knapp und überlegt. Ein eigener kleiner Hofstaat vergötterte ihn, seine Sklavinnen beteten ihn an, Tücke und Willkür waren ihm noch fremd. Der Bursche war wie klares Wasser.

So dachte Pharao Seti über seinen Sohn, und wie alle Väter war er sehr stolz auf ihn. Diese Gedanken erweckten in ihm das Verlangen nach Ramses’ Gegenwart. Der Klang der goldenen Handglocke war noch nicht verhallt, als die Bambustüre sich öffnete und das gebeugte kraushaarige Köpfchen einer kleinen Nubierin sichtbar wurde. Irgendein schwarzer Gaufürst hatte sie ihm mit seiner Tributzahlung übersandt. Sie war sehr geschickt und beherrschte verschiedene Griffe, um durch Streichen, Kneten und Pressen die Muskeln und Glieder zu lockern, und deshalb hatte der Pharao sie auf die Reise mitgenommen.

Nun war es der kleinen frechen Katze vor einigen Tagen gelungen, die göttliche Zeugungskraft des Königs in ihren Schoß zu locken, und Seti, der schon lange keinen Frauenkörper mehr genossen hatte, zeigte sich sehr gnädig. Er äußerte lobende Worte und ließ ihr einen goldenen Halskragen überreichen.

Jetzt also wollte die kleine Nubierin seine Gunst von neuem gewinnen und lauerte ständig vor seiner Tür. Die Wachen erlaubten es ihr, weil der König es duldete und öfter nach ihren heilenden Händen verlangte.

Der Pharao durchschaute sie und lächelte.

»Ich bin dir weiterhin gnädig gesinnt, meine schwarze Prinzessin, doch jetzt möchte ich lieber die Gesellschaft meines Sohnes genießen. Laß ihn also holen.«

Ob dieser müde alte Mann tatsächlich ein Gott ist? flog es der schwarzen Sklavin durch den Kopf. Zur Strafe schlug sie sich heftig auf beide Wangen. Was soll er denn sonst sein?! schalt sie sich in Gedanken selbst. Sein Wille bestimmte das Schicksal des Landes Kemi wie auch das der tributpflichtigen Länder. Wer so mächtig, ja allgewaltig war, stand weit, weit über den Menschen – wie die Götter.

Ramses trug einen knappen Lendenschurz und hielt noch den Bogen in der Hand, mit dem er auf Wasservögel geschossen hatte.

»Seth schenke dir einen schönen Tag, Majestät, lieber Vater.« Der Pharao winkte ab, sagte aber ehrerbietig:

»Die Wünsche Seths gehen wohl dahin, mich bald als Osiris begrüßen zu können. Mein Leib wird mir allmählich zur Last, sehnt sich nach dem ewigen Leben in der westlichen Wohnung.«

Ramses schüttelte heftig den Kopf.

»Das Land braucht dich noch, Majestät. Was soll ein kleiner Junge auf dem Thron der beiden Länder, der kaum fünfzehn Nilschwellen erlebt hat? Da würden die Amonpriester in Theben sich die Hände reiben! Dem Osiris Haremhab wurde es nie verziehen, daß er die Residenz wieder nach Memphis verlegte. Sie schätzen einen König, der sich leiten und zügeln läßt – einen schwachen oder einen sehr jungen König.«

Seti lachte schallend.

»Du bist zwar jung, mein Söhnchen, aber schwach bist du nicht. Müßte ich heute noch nach Westen gehen, ich wüßte die Krone bei dir in guten Händen. Du darfst nur eines nicht vergessen: Es gibt Götter und Menschen, der König aber steht dazwischen – kein Mensch mehr, aber auch noch kein Gott – mögen seine Titel verkünden, was immer sie wollen. Der Pharao kann ohne das Volk nicht existieren und das Volk nicht ohne ihn. Die Zeiten ohne einen starken Herrscher waren schrecklich, dein Lehrer wird dir davon erzählt haben. Die Götter aber stehen über allem, und welchen Gott ein Mensch auch verehrt – in dem einen betet er alle an. Es stört also Hathor nicht, wenn du Isis verehrst, und Month wird nicht eifersüchtig, wenn du zu Ptah oder Osiris betest. Sie aber, die Götter, brauchen die Menschen mit ihren Opfergaben, ihrer Verehrung, ihren Gebeten. So fügt sich eins ins andere wie bei einem schön gebauten Haus. Der Bauer hat darin so gut seinen Platz wie der Erbfürst, der König und schließlich die Götter.«

Ramses hatte seinem Vater mit höflicher Aufmerksamkeit gelauscht, doch als er eine Pause machte, bat er ihn:

»Erzähle mir jetzt von den Taten unserer Vorfahren – von den Heldenprinzen Kamose und Ahmosis, von Amenhotep, der das elende Kusch besiegte, von …«

Der Pharao freute sich über das Interesse seines Sohnes und erzählte bereitwillig von den Taten seiner Vorgänger. Dabei konnte er beobachten, daß Ramses mit Eifer und Würde seinen Berichten folgte. Manchmal zeigte sein junges, männliches Gesicht einen Zug von Wildheit, von Tatendurst und Entschlossenheit, der dem Pharao gefiel und ihm die Zukunftssorgen nahm.

Vor kurzem hatte Seti seinen Sohn zum Mitregenten ernannt und nun, da sie nach Theben und Abydos fuhren, sollten die Priester des Osiris und des Amun ihren künftigen König sehen.

Kapitel 2

Schon lange hatte die heilige Stadt Abydos keinen Pharao mehr gesehen. Hier war das Haupt des Gottes Osiris begraben gewesen, nachdem sein Bruder Seth ihn getötet und zerstückelt hatte. Abydos war eine Stadt der Gräber, doch in ihnen lagen nur selten Mumien. Meist waren es Scheingräber, die von Königen, Prinzen, hohen Beamten oder von wohlhabenden Leuten angelegt wurden, um wenigstens dem Namen nach an dem heiligen Ort bestattet zu sein. Abydos war dadurch groß und reich geworden und besaß eine Reihe gewaltiger Tempel, in deren Zentrum sich das Osireion erhob. Diese Tempel aber waren verfallen, der mehrmals begonnene Wiederaufbau war stehengeblieben, und fast schien es, als wären hier nicht nur die Pharaonen zum Schein begraben, auch der Wille zur Wiederherstellung der Tempel war nur Schein.

König Seti, der sich seit längerer Zeit dem Osiris so nahe fühlte wie keiner anderen Gottheit, hatte beschlossen, Abydos und seinen Tempeln wieder Glanz zu verleihen.

Und so war sie endlich da, die große Stunde, der erhabene Augenblick, da der Gute Gott zusammen mit dem Erbprinzen Ramses den heiligen Ort besuchte. So laut die Stadt in den letzten Stunden gewesen war, jetzt, da die königliche Barke sich näherte, herrschte weihevolle Stille.

Am Hafen warteten die Priester und Stadtbeamten, an ihrer Spitze Meri, Oberpriester des Osiris und der dicke, schwitzende Bürgermeister. Wie es der strengen Vorschrift entsprach, strahlten die kahlgeschorenen Priester vor Sauberkeit; ihre lilienweißen, hochgeschlossenen Kittel schauten unter dem Leopardenfell hervor, das wie ein Mantel ihre Körper umhüllte. Die Angehörigen der Amtsträger standen in zweiter Reihe – die Frauen und Kinder der Steuereinnehmer, Schreiber, Hafenverwalter, Gutsbesitzer und Priester.

Da! Alle horchten auf. Ein ferner Trompetenklang war zu hören, dazu dumpfer Trommelwirbel und das helle Gewimmer der Flöten. Die Töne kamen von dem Musikschiff, das bei solchen Anlässen der königlichen Flotte vorausfuhr, um die Majestät anzukündigen.

Die Musik wurde lauter und lauter und endete jäh, als das Boot am Hafen anlegte. Die Musiker, Sänger und Tänzerinnen stiegen aus, blickten hochmütig auf die Kleinstädter und stellten sich schnell und geschickt in die gewohnte und lange eingeübte Ordnung.

Dann kam die Königsbarke in Sicht, goldfunkelnd, ein kostbares Gefäß für den Guten Gott, den Herrn beider Länder.

Der Chorführer trat vor und begann einen Sprechgesang mit den Worten: »Höre Volk! Es naht der Vollkommene Gott, der Sohn Amun-Res, der Herr beider Länder, der Starke Stier, euer aller Vater und Herr, der König Men-Maat-Re Ptah-Meri-en-Seti im Glanz seiner Herrlichkeit!« Diese Worte hatte der Chorführer allein vorgetragen, jetzt fielen die Sänger ein:

»Guter Gott, der beide Länder, das der Binse und das der Biene, ernährt, daß die Speicher überfließen und das Fruchtland überschwemmt ist, denn unter deiner Herrschaft schwillt der Nil groß und mächtig. Thot schreibt für dich die Jubiläen neben dem Herrn des Alls, dem König der Götter. Du Erbe des größten der Götter, des Amun, des Stieres seiner Mutter, der dich geschaffen hat. Er gibt dir alle Länder durch die Kraft seines Armes. Du sitzt auf dem Thron des Re, und die Uräusschlange schützt dein Haupt, Men-Maat-Re Seti. Die Götter lassen dich über die Fremdvölker siegen, du, der die Menschen der Mitanni und Retenu, Naharina und Kusch niedergeworfen hat. Du göttlicher König, Vielgeliebter, Freund der Götter, der die beiden Länder beherrscht! Alle Menschen sind ergriffen von deiner Schönheit, die Truppen jubeln, deine Feinde erschauern.«

Dieser machtvolle Lobgesang setzte sich fort, bis die Prunkbarke anlegte, wo Seti in seinem Königsornat auf dem erhöhten Thron saß. Als kräftige, bis auf einen Lendenschurz nackte nubische Sklaven den Thron hochhoben, auf ihre Schultern luden und über feste Bohlen an Land schritten, fiel alles Volk zu Boden, sanken Priester, Bürgermeister, Sänger, Tänzer und alle anderen demütig in den Staub wie von der Sichel niedergemähte Halme. Keiner wagte, sein Gesicht zu erheben, jeder fürchtete den Blitz, der vom Anblick des Erhabenen ausgehen mußte. Hinter dem Thron des Pharao schritten hohe Beamte, in ihrer Mitte der Erbprinz Ramses mit seiner golddurchwirkten Prunkperücke, um die Stirn das breite Goldband mit Geier und Kobra, Symbole der königlichen Schutzgottheiten Nechbet und Uto.

Für den Erbprinzen war es nichts Besonderes, hinter dem Thron oder an der Seite seines Vaters zu schreiten; er hatte es auf dieser Reise oft getan und würde es – mit Hilfe Ptahs – noch oft tun.

Als der Zeremonienmeister den Stadtvätern, Beamten und Priestern das Zeichen zum Erheben gab, blickten alle scheu auf den Pharao, der in göttlicher Ruhe und Erhabenheit Heka-Szepter und Peitsche vor der Brust kreuzte, während auf seinem Haupt die rote und weiße Doppelkrone in der Morgensonne leuchtete.

Ramses trat nun an die rechte Seite seines Vaters, der Wesir Nibamun an die linke. Er war nach dem König der erste Mann im Reich und führte auch den Titel »Erzieher der Königskinder«, was aber eher eine symbolische Bedeutung hatte, denn er hatte weder die verstorbenen Prinzen und Prinzessinnen erzogen noch den Erbprinzen Ramses, der den alten, gescheiten Mann aber schätzte und verehrte.

Da der König niemals in der Öffentlichkeit sprach, ergriff der Wesir mit kräftiger, geübter Stimme das Wort.

»Verehrte Priester des Osiris, geschätzte Stadtoberen, treue Diener unseres Königs! Seine Majestät erweist euch heute eine Ehre, die weniger uns Menschen als dem erhabenen Osiris gilt …«

Er sprach noch viele schöne und klingende Worte, der alte Wesir, während der Pharao mit seinen schmerzenden Narben nur mühsam die starre göttliche Haltung bewahrte und Ramses seine großen, wachen Augen ein wenig über die demütig wartende Menge gleiten ließ.

In diesem Augenblick beschloß Osiris, das Schicksal des Erbprinzen in die ihm genehmen Bahnen zu lenken.

Hinter dem dicken Bürgermeister stand der reiche Gutsbesitzer Seneb, der schon viel für die Stadt und den Tempel getan hatte, neben ihm seine Frau Hatnufer und die dreizehnjährige Tochter Inet.

Der Kronprinz war dazu erzogen worden, bei solchen Gelegenheiten alle Anwesenden mit seinen Blicken zu erfreuen, doch nun vergaß er die guten Lehren, und sein Falkenblick verweilte lange bei den schrägen dunklen Augen der lieblichen Inet, die sofort den Kopf senkte. Sie wartete eine schickliche Zeit, und als sie annehmen konnte, der Prinz habe seinen Blick abgewandt, hob sie behutsam wieder die Augen. Da sah er sie noch immer an, und nun hielt sie dem Blick stand, ergab sich ihm, konnte nicht anders, er war der Jäger, sie die Beute.

Ramses, der schon einen eigenen Harem besaß und für den die körperliche Liebe bisher nicht mehr bedeutet hatte wie essen und trinken, fühlte sich von einem tiefen Entzücken durchdrungen. Dieses Mädchen war so schön, so jugendfrisch, so anmutig, als hätten Isis, Hathor und Bastet sich zu einer einzigen Person vereinigt.

Der in seiner Stellung selbstverständliche Gedanke, sie sofort seinem Harem einzugliedern, kam ihm gar nicht. Sie war etwas Besonderes, ein kostbares Kleinod. Wenn er sie mit seinen Haremsdamen verglich – willige dumme Tierchen, die auf einen Wink in sein Bett sprangen und die er vergaß, wenn er sie genossen hatte.

Doch die Prozession bewegte sich weiter, Ramses löste seinen magisch gebannten Blick, die schrägen, dunklen Augen verschwanden, doch sie hatten sich ihm eingebrannt – für immer.

Inet aber spürte eine süße Schwäche in den Beinen, wußte dieses unbekannte, doch keineswegs unangenehme Gefühl nicht zu deuten und überhörte zweimal eine Frage ihrer Mutter.

Helle Fanfarenstöße rissen sie aus ihren Gedanken. Langsam setzte sich der feierliche Zug zum Osiris-Tempel in Bewegung, angeführt von Sängern, Tänzern und Musikanten. Die jungen, fast nackten Tempeltänzerinnen begannen einen langsamen feierlichen Kulttanz, der für die Eingeweihten das Schicksal des Osiris wiedergab.

Osiris nämlich hatte von seinem Vater, dem Erdgott Geb, die Herrschaft über alles Irdische erhalten. Er gebot über Acker- und Weinbau und wurde der »Vollendete« genannt. Sein Bruder Seth, Herr des Südens, Gott der Fremdländer und der Wüsten, neidete ihm das Glück, lockte ihn in einen Sarg, den er fest verschloß und in den Nil warf. Isis, die Gemahlin des Osiris, zog trauernd durch das Land, um den Sarg aufzuspüren. Sie fand ihn am Fuß eines Baumes, dessen Wurzeln ihn schon ganz umwachsen hatten. Noch ehe sie etwas unternehmen konnte, hatte der König von Byblos den Baum fällen lassen, um ihn als Pfeiler in seinem Palast zu verwenden. Als Isis ihre Göttlichkeit enthüllte, schenkte ihr der König den Pfeiler. Sie legte den Sarg frei, öffnete ihn, und es gelang ihr, durch Zauberkräfte vom toten Osiris ein Kind zu empfangen. Danach kehrte sie in die Heimat zurück und verbarg sich in den Sümpfen des Deltas. Doch Seth entdeckte sie, als er dort jagte, holte den toten Bruder aus dem Sarg und zerriß ihn in vierzehn Stücke, die er über das ganze Land verstreute. Isis machte sich sofort auf, die Teile zusammenzusuchen, die sie auch fand, doch den Penis hatte Seth in den Nil geworfen, wo ihn die Fische fraßen. Isis formte einen neuen Phallus, setzte die Teile des Körpers zusammen und salbte ihn mit kostbaren Ölen. Sie hatte so zum ersten Mal den Ritus der Einbalsamierung vollzogen, wobei ihr Anubis und andere Götter halfen. Osiris aber konnte nicht mehr auf die Oberwelt zurückkehren und wurde so der göttliche Totenrichter in der Unterwelt, während Isis ihren Sohn Horus gebar, den sie zum Rächer ihres Gatten erzog. Seth, der alte Widersacher, spürte Horus in den Sümpfen auf, nahm die Gestalt einer giftigen Schlange an und biß das Kind. Mit Hilfe des Sonnengottes Re wurde der Knabe geheilt, und Seth war für diesmal besiegt.

Die meisten Menschen verstanden diese tänzerisch vorgeführten göttlichen Ereignisse, doch ihr Verständnis blieb an der Oberfläche – für sie war es eine schöne, altehrwürdige Geschichte, sonst nichts.

Doch Erbprinz Ramses, der eine umfassende Bildung genossen hatte, wußte, daß diese Geschichte wesentlich mehr enthielt. So war Horus das Sinnbild des Pharao, den Re vor seinen Feinden schützte. Denn wenn dem König ein Leid geschah, könnte Seth triumphieren und würde das schöne Land Kemi in eine unfruchtbare Wüste verwandeln.

Der Pharao aber schien von dem allen unberührt. Hoch über den Köpfen der Priester und Beamten, der Tänzer und Sänger saß er unbeweglich auf seinem goldfunkelnden Thron, die weiß-rote Doppelkrone auf dem Haupt, bewacht von der feuerspeienden Schlange mit ihrem drohend aufgerichteten Goldhaupt. Zwei Wedelträger fächelten ihm Kühle zu, eine Reihe von Tempeldienern trug schwelende Weihrauchtöpfe und hüllte den Guten Gott in duftende Wolken.

Das Volk von Abydos fiel zu Boden, streckte die Arme vor und murmelte ehrfürchtig und anbetend:

»Guter Gott Men-Maat-Re Seti, Horus, geliebt von Maat, groß an Macht, schön an Jahren, mächtiger Stier, der die Herzen belebt, mögest du Millionen Sed-Feste feiern, lebe, sei heil und gesund!«

Inet ging zwischen ihrer Mutter Hatnufer und ihrem Vater Seneb in der Prozession mit; die beiden kleinen Brüder waren zu Hause geblieben. Sie konnte die Augen des jungen Horus, des Erbprinzen Ramses, nicht vergessen, ihr war, als sei dieser Falkenblick tief in ihrem Innern wie ein unsichtbarer Pfeil haftengeblieben, und so schritt sie ganz vorsichtig dahin, als sei sie schwanger und fürchtete, ihr Kind zu verlieren.

Der immer noch halbfertige Osiris-Tempel bot einen kläglichen Anblick. Die beiden Pylonen – aus Nilschlammziegeln erbaut – waren zur Hälfte eingestürzt, den Schutt hatte man notdürftig zur Seite geräumt. Aus dem weitgeöffneten Tor zogen die Osiris-Priester mit der Barke des Gottes der königlichen Prozession entgegen, die jetzt anhielt.

Der Pharao löste sich aus seiner Starre und stieg leise ächzend von seinem Thron herab. Die Priester verbeugten sich und streckten ihre Arme vor. Meri, der Oberpriester des Osiris, trat heran und sagte:

»Sei willkommen, du gewaltiger Sohn der Sonne, Herr beider Länder, Horus, geliebt von Maat!«

Zusammen mit den Priestern, einigen hohen Stadt- und Tempelbeamten schritt der Pharao in den Innenhof, wo sich das Allerheiligste erhob. Die kleine Osiris-Kapelle hatte man, so gut es ging, wiederhergestellt. Dorthin wurde nun das verhüllte Kultbild getragen; der König und Meri folgten ihm ins Dunkel des kleinen Tempels.

Draußen wurde inzwischen das zwei Tage dauernde Kultfest vorbereitet, an dem jedermann teilnehmen konnte, während die geheimen Mysterien im Innern des Tempels nur von den höchsten Priestern und dem Pharao vollzogen wurden.

Obwohl Ramses an allem teilnahm, hatte sein Herz keinen Anteil daran. Das Bild des Mädchens hatte sich ihm tief eingegraben. Er sehnte sich danach, sie wiederzusehen, wollte ihren Namen erfahren, sie sprechen, anfassen, küssen, umarmen …

Wie ein Lauffeuer hatte sich inzwischen in der Stadt die Nachricht verbreitet, daß der Gute Gott Seti den Osiris-Tempel um ein Vielfaches größer neu errichten wollte mit gewaltigen Pylonen aus Stein, hohen Tempelmauern, weiten Säulenhallen und einem neugefertigten Kultbild aus purem Gold.

Freudig wie nie feierte das Volk die Mysterienspiele, die mit dem Auszug des Gottes begannen, den sein wilder Hund Upwaut in Gestalt eines Priesters mit Wolfsmaske begleitete. Das Spiel vom Tod des Osiris, seiner Bestattung und der Rache an seinen Feinden erstreckte sich über zwei Tage.

Inzwischen verhandelte der König mit den Priestern, ließ Baumeister, Steinmetzen und Maler holen, die ehrfürchtig die Befehle und Wünsche des Guten Gottes entgegennahmen.

Vor der Abreise war ein großes Fest geplant, zu dem der Pharao die Priester und Würdenträger der Stadt geladen hatte.

Dazu wurden ein großes Festzelt errichtet, erlesene Speisen bereitet, Musikanten, Tänzer und Akrobaten herbeigeholt.

Ramses hatte inzwischen Erkundigungen eingezogen, hatte die Namen des Mädchens und seiner Eltern herausgefunden und Befehl gegeben, die Familie einzuladen.

Seneb zählte zwar zum Provinzadel des Gebietes um Abydos, aber weder er noch seine Vorfahren hatten sich irgendwelche Verdienste erworben, um dem Pharao aufzufallen. Sein Gut war ein Lehen des Osiris-Tempels, dem er – wie sein Vater und Großvater – die festgesetzten Abgaben entrichtete. Gelegentlich hatte ein Familienmitglied ein Amt als Priester oder Verwalter am Tempel innegehabt, doch Seneb lebte mit seiner Familie sehr zurückgezogen und erschien nur selten in Abydos.

Als der königliche Bote seine Einladung überbrachte, meinte Seneb: »Kann da nicht eine Verwechslung vorliegen? Meine Familie ist Seiner Majestät gewiß nicht bekannt, ich wüßte also nicht, warum …«

»Andere würden viel geben für eine solche Verwechslung, mein Herr. Vielleicht hat ein Priester oder der Bürgermeister deinen Namen genannt. Du bist jedenfalls ausdrücklich mit Frau und Tochter geladen.«

Wie auf Wolken betrat Inet an der Hand ihrer Mutter das mit Standarten geschmückte und von der Leibtruppe bewachte Festzelt. Man wies ihnen einen Platz weit vorne an, wo der erhöhte Goldthron des Königs aufgebaut war. Der Thron war diesmal zweisitzig, denn der Gute Gott wollte Ramses als seinen Mitregenten vorstellen.

Fanfarenklänge ertönten, der Wesir und die Leibwache traten ein, die Trompeten schwiegen, die Häupter der Gäste beugten sich, und der Sonnensohn trat ein, begleitet von dem jungen Horusfalken. Beide trugen die blaugoldene Chepresch-Krone, denn die Doppelkrone war den großen öffentlichen Festen und den Staatsempfängen vorbehalten.

Der Wesir wies in seiner kurzen Ansprache darauf hin, daß der Gute Gott den Horusthron mit seinem Sohn Ramses von nun an teile und man dem jungen König nicht weniger Gehorsam schulde als dem alten.

König Seti hielt sich nur noch mit Mühe aufrecht. Die stundenlangen Feiern und Zeremonien der vergangenen Tage hatten seine Kräfte aufgezehrt. Er fühlte sich matt, krank und fiebrig, seine Kriegsnarben schmerzten, und alle Knochen taten ihm weh, ob er nun saß, ging oder stand.

Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung winkte er den Wesir an seine Seite.

»Verkünde den Leuten, daß sich meine Majestät wegen dringender Staatsgeschäfte zurückzieht. Da Ramses nun auch die Krone trägt, genügt es, wenn er dem Fest vorsteht.«

Was der König geflüstert hatte, verkündete der Wesir den Gästen nun laut. Und Seti schleppte sich mit schmerzenden Gliedern hinaus, begleitet von den gemurmelten Segenssprüchen der Geladenen.

»Die Majestät lebe, sei heil und gesund! Möge der Gute Gott Millionen Sed-Feste feiern!«

Vermutlich werde ich kein einziges feiern, dachte der Pharao bitter, denn die Sed-Feste wurden – auch wenn manche Herrscher sich nicht daran gehalten hatten – erst nach dreißigjähriger Regierung angesetzt. Sie galten als Feste der Erneuerung, sollten den König verjüngen und ihm frische Kraft verleihen. Die mit der Geschichte des Landes befaßten Priester wußten zu erzählen, daß die frühen Könige nach dieser Frist vom Volk getötet wurden, damit ein junger, unverbrauchter Nachfolger den Thron einnehmen konnte. Mit der steigenden Macht der Herrscher war man von diesem Brauch abgekommen, und aus der Tötung war ein Fest geworden.

Nun, dachte Seti, während ihm Krone und Prunkkragen abgenommen wurden, ich habe mich in meinem Sohn verjüngt. Wenn ich nach Westen gehe, wird er da sein, in ihm erneuere ich mich. Dieser Gedanke tröstete und beruhigte den Pharao und versetzte ihn in gute Laune. Anstatt mit den Priestern ein zeremonielles Nachtmahl einzunehmen, würde er heute mit einer seiner Haremsfrauen speisen und mit ihr die Nacht verbringen. Vielleicht würden dann auch die Schmerzen vergehen.

Während im Festzelt Speisen und Getränke aufgetragen wurden, rief der Wesir einzelne Personen auf, die vor dem Thron erscheinen mußten, worauf sie nach einer vom Schreiber verlesenen Liste beschenkt oder ausgezeichnet wurden.

Da kam steifen und gehemmten Schritts der Oberste der Wüstenmiliz. Er hatte im Vorjahr eine berüchtigte Räuberbande vernichtet und wurde nun mit einer großen Goldenen Fliege ausgezeichnet. Der dicke Bürgermeister erhielt für sich und seine Frau Staatsgewänder mit Goldkragen und den Titel »Freund des Pharao«. Auch wenn es diesen Ehrennamen im ganzen Land tausendmal gab, so war der Bürgermeister so erschüttert von dieser Ehrung, daß er vernehmlich schluchzte. Außerdem wurden an verschiedene Personen Sonderzuteilungen von Land, Vieh, Korn, Wein, Öl und andere begehrte Dinge vergeben.

Als die Ehrenliste durch war und der Schreiber sie zusammenrollte, ließ Ramses noch die Namen des Gutsherrn Seneb, seiner Frau Hatnufer und der Tochter Inet aufrufen. Nur wenige kannten die zurückgezogen lebende Familie, und so erstarben die leisen Gespräche, und es herrschte gespannte Stille.

»Erhebe dich, Seneb«, sagte Ramses, »und sei im Namen des erhabenen Osiris bedankt für die Unterstützung seiner Priester und die dem Tempel erwiesenen Wohltaten. Meine Majestät zeichnet dich dafür mit dem Gold-Osiris aus.«

Er winkte Seneb zu sich herauf und legte dem Niederknienden eine kostbare Fayencekette mit der fingerlangen Goldfigur des Osiris um. Hatnufer erhielt einen zierlichen, mit Skarabäen verzierten Goldkragen und Inet schließlich ein goldenes Anch-Amulett, das er dem vor Aufregung bleichen und zitternden Mädchen selbst um den Hals legte.

Nun sah er sie ganz nah, die schöne Inet. Ihre etwas schrägen, dunklen Augen hielt sie gesenkt, doch das feine Oval ihres lieblichen Gesichtes, den schlanken Hals und die kleinen, entzückend geformten Ohren rührten ihn auf seltsame Weise an. Wenn sie lächelte, erschienen winzige, kaum sichtbare Grübchen auf ihren runden Wangen, und Ramses wünschte, sie wollte oft für ihn lächeln.

Sein Hals wurde trocken, vor seinen Augen flimmerte es, und er mußte alle Kraft zusammennehmen, dieses Geschöpf nicht an sich zu reißen und ihr Gesicht, ihren Nacken, ihre Schultern, ihren ganzen herrlichen Leib mit Küssen zu bedecken.

»Höre Inet«, flüsterte er, »mir scheint dein Name falsch gewählt – ich würde dich Nefertari, die Allerschönste, nennen. Ich lade dich und deine Eltern in den königlichen Palast nach Memphis – sei dort mein Gast, und dann möge Bastet über uns bestimmen.«

»Ja, Majestät«, hörte er ihre leise, kaum vernehmbare Stimme.

Ramses hätte es nur ein Wort gekostet, und das Mädchen wäre ohne Umstände seinem Harem einverleibt worden, doch dafür war sie ihm zu schade. Ihr Schoß gehörte ihm, dem Herrn beider Länder, so, wie ihm alles von Nord bis Süd im Lande Kemi nach Recht und Gesetz gehörte, doch er wollte ihr Herz gewinnen.

Kapitel 3

Hätte man Piay gefragt, was seine früheste Erinnerung sei, so wäre es irgendeine Arbeit gewesen, die man ihm zuschob, begleitet von Prügeln, schmerzhaftem Ziehen an Ohren und Haaren, unflätigem Schimpfen und was man sonst noch einem Sklavenkind antun mochte. Von seinem Vater wußte er nur, daß er ein Kriegsgefangener aus Amurru war, der seine Mutter, eine Feldsklavin und Leibeigene des Osiris-Tempels, schwängerte. Sein Vater war ein hochgewachsener Mann, der sehr gut aussah und von den weiblichen Dienstleuten als Liebhaber überaus geschätzt war. Seinen fremdländischen Namen konnte hier niemand aussprechen, und so wurde er einfach Neferchai genannt, und das bedeutet »schön an Gestalt«. Der Name seiner Mutter war vergessen, Piay konnte ihn auch später nicht herausfinden. Die Eltern starben früh und hinterließen ihm nur seinen seltsamen unägyptischen Namen, für den ihn die anderen Kinder verspotteten und der ihm neue Prügel eintrug. Weiteren Spott und weitere Prügel bezog er wegen seiner schiefergrauen Augen, die ihm sein Vater vererbt hatte und die hier höchst ungewöhnlich waren. »Fischauge! Krötenauge!« riefen die anderen Kinder hinter ihm her, doch ihr Spott und ihre Abneigung erzeugten in Piay den Stolz, daß er anders war. Sie sind nur neidisch, tröstete er sich, weil ich etwas Besonderes bin.

Eines Tages war Piay groß genug, um zurückzuschlagen, was er freilich nur bei seinesgleichen tun durfte. Später, während seiner Lehrzeit beim Bildhauer Iramun, hieß es wieder, geduldig den Rücken hinzuhalten, denn hier durfte er nicht zurückschlagen. Doch Iramun war sparsam mit Schlägen und schenkte ihm eine Zuneigung, die er bisher nie erfahren hatte.

Wie aber konnte aus dem Sohn von Feldsklaven ein Lehrling bei dem tüchtigen Iramun werden?

Später erzählte man ihm, daß er schon zu Lebzeiten seiner Eltern, wenn sie während der Feldarbeit den Drei- oder Vierjährigen unter einen Busch in den Schatten setzten, aus der feuchten Erde Figürchen formte – Tiere, Menschen, Häuser und vieles andere. Auch als man ihn zur Arbeit heranzog, gab er diese Gewohnheit nicht auf; weder Schläge noch Schimpfworte hielten ihn davon ab.

Seine Eltern waren längst tot, da faßte Piay als etwa Zwölfjähriger den Mut, eine Reihe von Lehmfiguren zu formen, sie in der Sonne zu trocknen und in der Bildhauerwerkstatt beim großen Tempel vorzuweisen. Sein Glück war, daß nicht irgendein Gehilfe ihn als erster dort fand, sondern Iramun selbst, der gerade hinausging, um seine Blase zu entleeren.

»Und das hast du ganz allein gemacht?« fragte er mißtrauisch.

»Gib mir ein Stück Lehm, und ich mache es vor deinen Augen.«

»Werd bloß nicht frech, mein Bürschchen«, brummelte Iramun, nahm jede der Figuren in die Hand und betrachtete sie genau.

»In Stein oder Metall hast du noch nicht gearbeitet?«

»Nein, wie sollte ein Feldsklave das auch können?«

»Du arbeitest auf den Feldern des Osiris? Nun, für den erhabenen Gott wirst du auch hier tätig sein – nur auf andere Art. Wie heißt du?«

»Piay.«

»Na ja, es gibt Schlimmeres. Jedenfalls bleibst du gleich hier. Schlafen kannst du drüben im Vorratsraum, da ist Platz genug. Alles andere erledige ich.«

So kam es, daß aus dem vielgeprügelten Feldsklaven ein nur noch selten geprügelter Bildhauerlehrling wurde. Iramun teilte nur ganz gelegentlich Ohrfeigen oder Stockschläge aus, vor allem, wenn er, wie er sagte, die Dummheit und Unfähigkeit seiner Lehrbuben nicht mehr aushielt.

Doch er war ein anerkannter Meister seines Faches, und wen er nicht wegen mangelnder Begabung entließ, der hatte in den vier Jahren so viel gelernt, daß er selber als Meister gelten konnte.

Und noch eines schätzte Piay an seinem Meister: Iramun sprach bei den geringsten Anlässen seinen Tadel aus, ihm entging nicht der kleinste Fehler. Gefiel ihm aber etwas, dann scheute er sich nicht, ein warmes, ermunterndes Lob anzubringen, und für Piay gab es nach zwei Jahren fast nur noch Lobesworte.

Für den ehemaligen Feldsklaven begann damit ein neues Leben – und es war ein besseres Leben. Er, der bisher nackt auf den Feldern gearbeitet hatte, wurde nun mit einem Schurz bekleidet; er, der nur Roggenbrei, Brotfladen, Zwiebeln, Gemüse und an Festtagen einige Früchte gegessen hatte, lernte nun Tafelfreuden kennen, wie er sie sich nicht einmal erträumt hatte. Die Tempelwerkstätten wurden von den Priestern mit Nahrung versorgt, und so gelangte ein Teil der geopferten Stiere, Kälber, Schafe, Gänse und Tauben auch an die Kunsthandwerker, für die es ganz selbstverständlich war, eine gebratene Gans oder eine Hammelkeule auch an Werktagen auf dem Tisch zu finden.

Was für Piay aber das Wichtigste war: Er konnte jetzt den ganzen Tag genau das tun, wofür er vorher Prügel und Schelte bezogen hatte, und er tat es mit Hingabe, Eifer und Talent. Schon nach zwei Jahren rückte er zum Meisterschüler Iramuns auf, durfte kleinere Aufträge selber ausführen, lernte den Bronzeguß, das Flachrelief, das Arbeiten mit Holz und wurde für einige Monate von einem Maler in seiner Kunst unterwiesen.

Für Iramun war Piay längst so etwas wie ein Sohn geworden. Von seinen eigenen Kindern hatte nur eine Tochter überlebt, und die war bereits verheiratet. So lebte Piay jetzt im Haus des Iramun, wurde von dessen Frau verwöhnt und fand nun als junger Mann, was ihm die Kindheit versagt hatte: Vater und Mutter, ein Zuhause.

Als der Gute Gott seinen Besuch in Abydos ankündigte und zu erkennen gab, daß er den Tempel größer und prächtiger wiederherstellen wolle, war es für Iramun selbstverständlich, seinen Ziehsohn und Meisterschüler zu dem Treffen mit dem König mitzunehmen.

So sahen sie gemeinsam den Guten Gott in seinem Goldglanz auf dem Horusthron, ihm zur Seite den Erbprinzen und Mitregenten Ramses, der mit seinen gut dreieinhalb Ellen Körperlänge alle – auch seinen Vater – überragte und auf Piay einen tieferen Eindruck machte als der Gute Gott Seti. Der König nämlich wirkte zerstreut, schien nicht bei der Sache, war müde und abgespannt, während Ramses nicht das kleinste entging. Immer wieder richtete er Fragen an die Vorsteher der Maler, Bildhauer und Steinmetzen, ließ sich die Pläne zeigen, besah die eilends angefertigten Modelle und gab zu erkennen, daß er als künftiger König kein bequemer Auftraggeber sein würde.

Auf dem Heimweg sagte Iramun zu ihm:

»Das ist das Beste, was uns zustoßen konnte, mein Sohn. Bei den Priestern wird immer ein wenig geknausert, weil sie abhängig sind von den Pilgern und den Festtagen. Ist aber Seine Majestät der Auftraggeber, dann fehlt es an nichts. Dem König gehört das ganze Land – jeder Stein, jeder Baum, jede Kornähre, jede Quelle, der Nil, die Tiere und Menschen, das alles haben ihm die Götter geschenkt, und er kann nach Belieben darüber verfügen. Er kann aus einem Feldsklaven einen Wesir machen und aus einem Soldaten einen General, das kostet ihn nur ein Wort. Den guten König erkennst du daran, daß er alles gerecht, mit Vernunft und Maßen tut, der schlechte – nun, beim schlechten König ist es eben umgekehrt.«

»Ist Seine Majestät ein guter König?«

Iramun nickte ernst.

»Der Gute Gott Seti hat Kemi von seinen Feinden befreit, hat die Grenzen und damit den Frieden gesichert. Wenn ein Land nicht mehr bedroht wird und seine Kraft nicht mit der Ernährung und dem Unterhalt von Soldaten vergeuden muß, stellt sich der Wohlstand von selber ein. Daß wir nicht schlecht leben, siehst du ja.«

Das mag für alle gelten, dachte Piay, doch für die Feldsklaven gilt es nicht. Aber er behielt seine Gedanken für sich. Diese elende Zeit war vorbei, und Piay hatte alle Brücken zu seiner Vergangenheit abgebrochen.

Während der durch viele Aufenthalte unterbrochenen Rückreise nach Memphis ging der Erbprinz Ramses durch ein Wechselbad der Gefühle. Kaum hatten sie Abydos verlassen, warf er sich vor, das Mädchen nicht gleich mitgenommen zu haben. Er schalt sich feige, dumm und schwach, weil er seine Königsrechte nicht sofort genutzt hatte. Am nächsten Morgen aber lobte er sich für seinen, wie es ihm schien, weisen Entschluß. Schließlich sollte Nefertari kein Kebsweib in irgendeinem Winkel des Harems werden, sondern seine Gemahlin. Damit hätte er den guten Seneb und seine Frau vor den Kopf gestoßen. Einen treuen und nützlichen Untertan soll man hegen und pflegen, hatte sein Vater oft gesagt.

Sie fuhren gerade durch ein besonders üppiges Fruchtland, wo jetzt, im ersten Monat der Erntezeit viele Landleute auf den Äckern arbeiteten. Sie staunten mit offenen Mündern die königlichen Schiffe an, einige winkten, lachten, hüpften auf und ab, riefen Unverständliches. Der König saß bequem unter seinem Sonnensegel, einfach gekleidet, ohne ein Zeichen seines Ranges. Ihm zu Füßen hockte Ramses, auch er nur in einem kurzen Lendenschurz, und aß frische Trauben aus einem Silberteller.

»Da! Schau hinüber«, sagte Seti, »auf diesen Wurzeln ruht unser Land. Sie sind fleißig und genügsam, arbeiten das ganze Jahr hindurch, während die Priester nur zehren und nehmen – besonders die des Amun in Theben. Solange dort die Könige residierten, fühlten sie sich als die zweite Macht im Staat; ihr Besitz reichte von Kusch bis ins Delta. Daß der König der einzige Hohepriester in Kemi ist, wurde dabei ganz vergessen. Und sie sind noch immer unermeßlich reich, wenn auch nicht mehr so mächtig. Um sie ein wenig spüren zu lassen, wem sie ihre Macht verdanken, habe ich in Theben keinen neuen Hohenpriester ernannt und werde es nicht tun, solange ich lebe. Ich bin der Sonnensohn, mir gebührt die Macht, ich allein spreche mit Amun-Re, meinem göttlichen Vater, diese Priester sind nur Stellvertreter, Sklaven …«

Der König hatte sich in Zorn geredet, griff hastig nach dem Becher und nahm einen tiefen Schluck.

»Beruhige dich, Vater. In der Thutmosidenzeit wurden sie verwöhnt und maßten sich Rechte an, die ihnen nicht zustehen. Sie sind es nicht wert, daß du dich erregst. Schließlich haben nicht wir die Residenz von Theben nach Memphis verlegt, sondern schon der in Osiris ruhende Pharao Haremhab, und das ist jetzt ein Menschenalter her.«

In den Blick des Prinzen kam etwas Wildes, als er hinzufügte:

»Diese Herren müssen wieder lernen, daß sie nichts weiter sind als Sklaven des Königs, der geruht hat, sie zu Dienern ihres Gottes zu machen. Ein Wort von dir, erhabene Majestät, und selbst der höchste Priester verschwindet in einem Wüstenbergwerk oder wird der niedrigste Gehilfe in einem kleinen Tempel an der Grenze. Das müssen sie wissen! Und sollten sie es vergessen haben, erinnern wir sie daran!«

Der Pharao lächelte.

»Jetzt bist auch du in Eifer geraten, mein Sohn. Sie sind unseren Zorn nicht wert, die Kahlköpfigen. Ich habe mir folgendes überlegt: Der ganze umfangreiche Besitz des Amun in Memphis soll unter die Verwaltung des Ptah-Tempels kommen. Ptah ist schließlich der Herr unserer Stadt und wurde schon als Schöpfergott verehrt, als Amun nichts weiter als ein Dorffetisch war. Durch die Macht seines Wortes hat Ptah die Welt erschaffen – Götter und Menschen –, er ist also auch der Schöpfer Amuns.«

»Das wird sie schwer treffen«, meinte Ramses, »gerade weil sich ihr Besitz über ganz Kemi erstreckt, haben sie überall ihre Hände mit im Spiel. Theben war ihr rechtes, Memphis ihr linkes Bein. Sie werden aufbegehren, wenn du ihnen einen Fuß abschneidest.«

»Sollen sie! Ich fürchte sie nicht! Nur schwache Könige fürchten die Priester, merk dir das, mein Sohn!«

Damit war der Keim zu einem Zwist gelegt, der im Leben des Kronprinzen noch eine tragische Rolle spielen würde. Denn so machtlos, wie König Seti sie gerne gesehen hätte, waren die Amun-Priester noch lange nicht.

In Memphis drängte sich viel Volk am Hafen, denn König und Kronprinz waren lange weg gewesen. König Seti verzichtete diesmal auf einen zeremoniellen Einzug und ließ sich in einer geschlossenen Sänfte zum Palast tragen. Ramses aber liebte prunkvolle Auftritte. Er legte Paradekleider und prächtigen Schmuck an, setzte die blaue Helmkrone auf und fuhr im zweirädrigen Streitwagen langsam und vom jubelnden Volk umringt zum Palastviertel.

Während dieser Fahrt faßte er ganz plötzlich den Entschluß, dies alles mit der schönen Nefertari zu teilen. Vielleicht nahmen ihre Eltern seine Einladung gar nicht ernst, hielten sie bloß für höfliche Form, die nichts bedeutete und zu nichts verpflichtete?

Kaum hatte er seine Mutter Tuja begrüßt und umarmt, seine beiden jüngeren Schwestern Tija und Hentmire geküßt und seiner Amme eine kurze Aufwartung gemacht, ließ er den Schreiber kommen und diktierte einen Brief an den Gutsbesitzer Seneb und seine Frau Hatnufer.

»Es grüßt euch meine Majestät User-Maat-Re setep-en-Re Ramses und sendet euch in Eile den dringenden Wunsch, mit eurer Tochter Inet die Schönheiten meines königlichen Lebens zu teilen. Die Hälfte meines Herzens ist in Abydos geblieben, ich will sie aus der Hand von Inet-Nefertari zurückerhalten. Nehmt einen Schnellsegler, eilt, denn euer König ist in Gefahr, an seinem halben Herzen zugrunde zu gehen.«

Dann teilte er seinen Eltern den Entschluß mit. König Seti meinte:

»Du bist der Sohn meiner Hauptgemahlin, in dir strömt das göttliche Blut, jede gesunde und schöne Frau in Kemi wäre geeignet, dir legitime Nachkommen zu gebären. Daß du gut gewählt hast, setze ich voraus.«

Tuja, die Große Königliche Gemahlin, wollte es nach Frauenart schon genauer wissen. Ihr breites, etwas bäuerisches Gesicht strahlte Kraft und Klugheit aus. Sie hörte sich seinen ausführlichen Bericht an und meinte:

»Sie ist jung, man wird sie noch formen können. Es wird ja auch Zeit, daß du dich von deinen Kebsweibern ab- und einer richtigen Gemahlin zuwendest. Ich liebe Nefertari, weil du sie liebst, mein Sohn. Sie wird uns willkommen sein.«

Ramses hatte gewußt, daß seine Eltern ihm die Wahl einer Gemahlin freistellten, sie mußte nur gesund und aus gutem Hause sein. Nun würde er sich in Geduld fassen müssen, denn auch die Macht eines Königs konnte keine Entfernung kürzer, kein Schiff schneller machen. Um sich abzulenken, stürzte sich Ramses in Amtsgeschäfte, fuhr in die Wüste und jagte Antilopen, zeugte in seinem Harem drei Kinder, doch ohne große Freude, und half dem Wesir Nibamun auf Anordnung seines Vaters bei Rechtsgeschäften.

An den Wesir gelangten nur die begründeten Berufungsfälle, wo es um schwere Verbrechen und auch um schwere Strafen ging.

Der Wesir griff nach einer Schriftrolle.

»Was würdest du in diesem Fall tun, mein Prinz? Es geht um Meru, einen Sohn aus gutem Hause; sein Vater war dritter Vorlesepriester im Ptah-Tempel, einer seiner Brüder ist Offizier bei der Stadtmiliz. Als hätten ihm Sachmet und Sobek zugleich den Sinn verwirrt, hat dieser Meru immer nur das Falsche getan. Schon als Junge hat er einem seiner Lehrer ein Auge ausgeschlagen, als dieser ihm einige Hiebe verabreichen wollte. Seine Eltern haben das mit viel Gold in Ordnung gebracht. Dann finden wir ihn als Anführer einer Räuberbande, die Mädchen entführt und vergewaltigt, Häuser und Gärten plündert und dergleichen mehr. Er wurde erwischt, zu hundert Stockhieben und zum Abschneiden der Nase verurteilt. Der danach verfügten Zwangsarbeit im Steinbruch entzog er sich durch Flucht. Es ist nun zu vermuten, daß er sich jahrelang bei Räuberbanden herumtrieb, jedenfalls wurde er vor kurzem von den Niu (Wüstenpolizei) beim Grabraub ertappt und festgenommen. Der Richter erkannte auf schweren Raub im Rückfall, und nun lautet das Urteil: Abhacken einer Hand und Abschneiden beider Ohren. Die Familie hat sich längst von ihm losgesagt, doch nun wendet er sich an mich, den Wesir, behauptet, die Räuberbande habe ihn als Sklaven gehalten und zum Mitmachen gezwungen. Was würdest du in diesem Fall tun, mein Prinz?«

»Aufgrund seines Vorlebens ist es nicht glaubhaft, daß er als Sklave diente. Hat man noch andere bei dem Grabraub gefaßt?«

»Nein. Zwei starben beim Kampf, die anderen konnten entfliehen, außer Meru, den ein Wurfholz der Wüstenmiliz niederstreckte.«

Ramses dachte eine Weile nach, während Nibamun ihm die Schriftrolle hinschob.

»Wenn du gestattest, überlasse ich dir den Fall. Entscheide nach deinem Belieben und bedenke: Solange ein Mensch lebt, kann er sich bessern.«

Ramses hätte für schweren Raub im Rückfall auch die Todesstrafe verhängen können, doch er dachte: Davon hat niemand etwas, er soll wenigstens einen Teil des von ihm verursachten Schadens wiedergutmachen. So verfügte er das Abschneiden beider Ohren und lebenslange Zwangsarbeit in einem Bergwerk. Das entsprach einer verzögerten Hinrichtung, denn die Arbeit in den berüchtigten Steinbrüchen und Bergwerken überlebte auch der kräftigste Mann kaum länger als zwei oder drei Jahre.

Meru, der gefesselt im Kerker saß, erfuhr von einem Richter sein Urteil.

Der fügte noch ironisch hinzu: »Jedenfalls kannst du stolz sein, denn Seine Majestät, der junge König Ramses, hat deine Strafe abgeändert. Hören kannst du auch ohne Ohren, aber zum Arbeiten brauchst du beide Hände. Und wie du sie brauchen wirst, verehrter Meru!«

Der stierte nur finster vor sich hin. Das entstellte, nasenlose Gesicht, die verschorften Wunden auf dem geschorenen Kopf, die von der Wüstensonne braungebrannten muskulösen Arme – der ganze Mann bot einen furchterregenden Anblick, der durch die Hand- und Fußfesseln kaum gemildert wurde. In sein verstocktes, gewalttätiges Hirn brannte sich der Name des Richters ein: Ramses. Wie viele Verbrecher sah er die Strafe nicht als notwendige Folge seiner Taten, sondern als grausame Ungerechtigkeit. Ramses hat dir beide Ohren genommen, Ramses hat dich in den Steinbruch geschickt! Ramses muß dafür büßen!

Der von den Göttern dem Land Kemi für alle Zeiten geschenkte Nordwind blähte die Segel des schmalen, schnellen Botenschiffes, das mit Befehlen und Verfügungen aus Memphis in die Städte des Südens unterwegs war. So kam der Brief des Erbprinzen verhältnismäßig rasch in die Hände der Eltern Inets, die von nun an Nefertari heißen wird. Wie Ramses vermutet hatte, war Seneb sich lange nicht schlüssig, ob die mündliche Einladung des jungen Königs ernst zu nehmen sei. Seine Frau meinte, ein Prinz sage nicht etwas nur so dahin, er sei es gewohnt, daß man seinen Worten aufmerksam lauschte und seine Befehle befolgte. Seneb aber gelangte zu der Ansicht, ein junger König lerne auf solchen Reisen derart viele Menschen kennen, und wenn ein Mädchen sein flüchtiges Gefallen errege, dann spreche er – um höflich zu sein – eine Einladung aus und habe sie am nächsten Tag vergessen. Schließlich sagte er zu Hatnufer: »Wenn es ernst gemeint war, wird noch etwas Schriftliches kommen.«

Und damit hatte er recht gehabt. Nun hielt er das königliche Schreiben in Händen. Er rief seine Familie und las den Inhalt vor. Die Worte des verliebten Erbprinzen hatten auf die drei Menschen eine unterschiedliche Wirkung.

Seneb fühlte sich zwar geehrt, aber kaum erfreut. Er liebte seine einzige Tochter und gönnte sie keinem anderen Mann. Natürlich hatte er gewußt, daß sie eines Tages das Haus verlassen würde, doch diesen Tag dachte er sich noch fern und rechnete auch damit, daß sie in Abydos bleiben würde. Nun aber pochte plötzlich ein junger König an seine Tür und forderte die Tochter. Ein Aufbegehren oder gar eine Ablehnung kamen nicht in Frage, und so würde Seneb das Unabänderliche hinnehmen und zu einer Reise nach Memphis – das er nicht kannte – nützen. Er hatte nicht vor, dort zu bleiben, denn er hing mit allen Fasern an Abydos, am Tempel, verehrte den Gott Osiris vor allen anderen, ja eigentlich als einzigen. Was bedeuteten im Grunde die paar Jahre irdischen Daseins? Sie waren ein Nichts, verglichen mit der Ewigkeit des jenseitigen Lebens; wer aber saß auf dem Stuhl des Totenrichters, ließ die Herzen wiegen, entschied über die Zukunft der Körperschatten Ka und Ba? Osiris! Osiris, der einzige, herrliche, erhabene Erlösergott, der sich für die Menschen und ihr Wohl geopfert hatte.

Die meisten Gedankengänge des versponnenen Seneb endeten bei Osiris. Seine Gemahlin Hatnufer, eine lebenstüchtige und dem Irdischen verhaftete Frau, behielt ihre Gedanken nicht für sich, sondern sprach sie laut aus.