Der Club der runden Gesichter - Jürgen Hogeforster - E-Book

Der Club der runden Gesichter E-Book

Jürgen Hogeforster

4,4

Beschreibung

Der Club der runden Gesichter wurde von der kleinen Elisabeth gegründet, die mit sehendem Herzen durch die Welt geht und vom Leben Weisheiten erfährt. Diese Lehren aus zweiundzwanzig alltäglichen Geschichten bezeichnet sie als ihr Saatgut. Mutig beschreitet sie den Weg der geistigen Meisterschaft und findet Erfüllung in ihrem Leben. Die Ringe des Lebens werden etwa zeitgleich von einem jungen Mann entdeckt. Er studiert das Leben, forscht nach den tiefen Ursachen und nach den Dingen hinter den Dingen. Die neun Ringe des Lebens begleiten fortan sein weiteres Lebensstudium. Auf seinem verantwortungsvollen Weg erreicht er wahre Freiheit und harmonisches glücklich Sein. Die Geistlosigkeit der Medien führen Elisabeth Hohenforst und Max Achterath etwa fünfunddreißig Jahre später zusammen. Sie geraten in die erbarmungslose Maschinerie der Medien, werden von der schweigenden Mehrheit gehetzt. Der Treibjagd können sie nur ihre Werthaltungen, die sie seit ihrer Jugend erworben haben, und ihren Anspruch auf einen eigenständigen Weg entgegensetzen. Für sie gibt es keine Alternative; nur Eines wird nicht verziehen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 212

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,4 (16 Bewertungen)
10
2
4
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In Dankbarkeit für Elisabeth und Max, die den Weg der geistigen Meisterschaft beschreiten und mein Leben begleiten.

Der Autor

wurde 1943 am linken Niederrhein geboren, ist gelernter Landwirt und bewirtschaftete einige Jahre ein Gut. Nach Wanderjahren in England, Schweden und Russland folgte ein Ingenieurstudium, anschließend studierte er Agrarwissenschaften und promovierte mit einem regionalpolitischen Thema. Langjährig war er als Politikberater in Deutschland und in der Schweiz tätig und widmete sich viele Jahre in Führungsfunktionen der Entwicklung des Handwerks und der mittelständischen Wirtschaft. Hogeforster baute die Zukunftswerkstatt auf, die er bis heute betreibt, und gründete das Hanse-Parlament, in dem er sich aktuell engagiert.

Der Autor hat zahlreiche Fachpublikationen veröffentlicht, verschiedene Erzählungen, die er als „Märchenbücher für Erwachsene“ bezeichnet, verfasst und moderiert eine monatliche Fernsehsendung.

Das Buch

Der Club der runden Gesichter

wurde von der kleinen Elisabeth Hohenforst gegründet, die mit sehendem Herzen durch die Welt geht und vom Leben Wissen erfährt, das sie als ihr Saatgut bezeichnet. Mutig beschreitet sie den Weg der geistigen Meisterschaft und findet Erfüllung in ihrem Leben.

Die Ringe des Lebens

werden etwa zeitgleich von dem jungen Max Acherath entdeckt. Er studiert das Leben, forscht nach den tiefen Ursachen und nach den Dingen hinter den Dingen. Die neun Ringe des Lebens begleiten fortan sein weiteres Lebensstudium. Auf seinem verantwortungsvollen Weg erreicht er wahre Freiheit und harmonisches glücklich Sein.

Die Geistlosigkeit der Medien

führen Elisabeth Hohenforst und Max Achterath etwa fünfunddreißig Jahre später zusammen. Sie geraten in die erbarmungslose Maschinerie der Medien, werden von der schweigenden Mehrheit gehetzt. Der Treibjagd können sie nur ihre Werthaltungen, die sie seit ihrer Jugend erworben haben, und ihren Anspruch auf einen eigenständigen Weg entgegensetzen. Für sie gibt es keine Alternative; nur Eines wird nicht verziehen.

Erster Teil

DER CLUB DER RUNDEN GESICHTER

Jürgen Hogeforster

Kathrin Seher (Graphiken)

Inhalt des ersten Teils

Der Club der runden Gesichter

DIE WEISHEITEN DES LEBENS

Der Vater

Die Freiheit des Adlers

Die Verantwortung des Löwenzahns

Der Geist der Raupe

Die Veränderung des Spiegels

Die Stärke des Wassers

Die Ursache des Hamsters

Die Wirklichkeit des Elefanten

Die Kräfte der Waldgeister

Die Ordnung der Ameisen

Die Energie des Getreides

Das Wissen der Schwalben

Die Ewigkeit der Birne

Der Wille des Tänzers

Das Universum der Bienen

Die Nähe des Schmetterlings

Das Wesentliche des Einhorns

Die Liebe der Mutter

Der Reichtum der Rose

Die Leidenschaft des Gras Hüpfers

Die Genialität des Pferdes

Der Erfolg des Fuchses

Das Wachstum des Baumes

Der Eremit

Der Vater

"Vati, können Blumen zu mir sprechen?", will die kleine Elisabeth wissen.

Der Vater sucht nach einer Antwort: "Kinder haben viel Phantasie, und vielleicht sprechen sie in ihrer Phantasie mit Blumen. Später als Erwachsene wissen sie dann, dass das nicht geht."

"Dann will ich nicht erwachsen werden", platzt Elisabeth heraus, "denn die Blumen, Tiere und Steine erzählen mir die schönsten Geschichten."

Der Vater ist ratlos: "Kinder halten vieles für möglich, was in der Wirklichkeit nicht existiert. Später finden sie dann das Richtige heraus und lachen selbst über ihren Kinderglauben."

"Was ist Wirklichkeit?", will nun Elisabeth wissen. "Ist es keine Wirklichkeit, wenn die Blumen mir Geschichten erzählen?"

"Doch, doch", beschwichtigt der Vater. "Die Geschichten der Blumen sind sicherlich schön. Doch in Wirklichkeit gibt es sie nicht. Schau, es gibt keinen Professor, der herausgefunden hätte, dass Blumen sprechen können."

"Dann will ich auch kein Professor werden", begehrt Elisabeth auf. "Die sind ja richtig dumm, wenn sie nicht mit Blumen reden können."

Der Vater denkt nach. "Ich habe eine Idee. Hier hast du ein schönes Buch mit vielen leeren Seiten. Darin kannst du ja deine Geschichten aufschreiben, die dir die Blumen erzählen. Später, wenn du erwachsen bist, kannst du dann die Geschichten nachlesen und dich daran freuen, dass du als Kind mit den Blumen sprechen konntest."

"Oh fein", antwortet Elisabeth begeistert, "das wird ein schönes Buch."

So begann Elisabeths Abenteuer mit den Geschichten, die ihr die Welt erzählte und die ihr Leben bestimmen sollten.

Die Freiheit des Adlers

In den Ferien an der See sieht Elisabeth oben am blauen Himmel einen Adler schweben. Sie ruft dem Adler zu: "Du bist ein großer, starker Vogel. Du bist so frei und kannst hinfliegen, wohin du willst." Der Adler fliegt auf Elisabeth zu und antwortet ihr: "Du bist auch als freier Menschgeboren und kannst ebenso ein Leben in Freiheit fuhren. Du bist einzigartig auf der Welt. Kein Mensch ist so wie du. Du bist für die Freiheit bestimmt."

"Nein, nein", entgegnet Elisabeth, "wir Menschen können nicht frei sein. Wir haben Pflichten. Mein Vater muss arbeiten. Ich muss zur Schule gehen. Ich muss meinen Teller leer essen und immer mein Zimmer aufräumen."

"Freiheit bedeutet Verantwortung haben", sagt darauf der Adler. "Die Menschen verwechseln immer Freiheit mit Frechheit. Wer Freiheit ohne Verantwortung will, der ist nicht frei, sondern nur frech."

"Das ist aber eine schwere Freiheit", meint Elisabeth, "das kann ich gar nicht verstehen."

"Schau, ich habe dort oben in der großen Eiche meinen Horst gebaut und darin drei Adlerküken ausgebrütet. Die füttere ich nun und ziehe sie groß. Deshalb bin ich aber doch nicht an meinen Horst und meine Küken gefesselt. Ich habe mich dafür entschieden und übernehme für diese Entscheidung und alle Folgen daraus die Verantwortung. Das ist Freiheit."

Elisabeth fragt nachdenklich: "Freiheit entsteht durch Verantwortung?"

"Ja, so ist es", bestätigt der Adler. "Wenn du für dein Denken und Handeln immer die volle Verantwortung übernimmst, dann wirst du ein Leben in Freiheit führen." Mit diesen Worten erhebt sich der Adler in die Lüfte, fliegt hoher und hoher der Sonne entgegen und zieht dort oben im Blau des Himmels frei, unabhängig und stark seine weiten Kreise.

Noch lange schaut Elisabeth dem Adler zu und denkt über seine Worte der Freiheit nach. Am Abend schreibt sie in ihr Buch, das ihr der Vater geschenkt hatte:

Vom Adler habe ich erfahren, dass ich einzigartig auf der Welt bin. Ich bin frei geboren. Ich kann ein freies Leben führen, wenn ich Verantwortung übernehme. Ohne Verantwortung gibt es nur Frechheit.

Die Verantwortung des Löwenzahns

Das mit der Verantwortung beschäftigt Elisabeth noch lange. Tage später sieht sie auf einem gepflasterten Gehweg in einer Ritze zwischen den Steinen einen Löwenzahn wachsen, der aus der kleinen Rosette seiner staubigen Blatter eine dunkel-gelbe Butterblume der Sonne entgegenstreckt.

Elisabeth hockt sich zu der kleinen Pflanze. "Du armer Löwenzahn. Du hast es hier zwischen den Steinen so schwer. Das macht dir sicherlich große Probleme."

"Was sind Probleme?", will der Löwenzahn wissen, "ich kenne das Wort nicht."

Elisabeth ist überrascht. Der Löwenzahn kennt keine Probleme? Stockend erklärt sie: "Probleme, das ist etwas Schweres. Wenn man nicht weiter weiß. Wenn man Kummer oder Sorgen hat."

"Warum soll ich denn etwas so Schreckliches haben?", fragt der Löwenzahn. "Warum haben die Menschen überhaupt Probleme erfunden? Wenn das so schwer ist, dann muss man doch sofort etwas tun, damit man es nicht hat. Nein, nein, ich habe so etwas nicht und will auch keine Probleme haben."

Hilfesuchend schaut sich Elisabeth um und sieht auf dem nahen Rasen viele große Löwenzahnpflanzen. "Schau, dort auf dem Rasen der Löwenzahn hat es gut. Der hat viel Platz zum Wachsen, ist nicht wie du eingeengt zwischen den Steinen. Macht es dir keine Probleme, dass du in diesem schmalen Spalt lebst und drüben der Löwenzahn im weichen Boden wachsen kann?"

"Warum sollte mir das Probleme bereiten? Drüben, mein Bruder, das ist er, und ich bin ich. Ich wachse hier. Das ist meine Chance. Ich habe die Verantwortung, dass ich hier an dieser Stelle gut wachse."

"Schon wieder diese verflixte Verantwortung", murmelt Elisabeth. "Was ist eigentlich Verantwortung? Und für wen und was hast du Verantwortung?"

"Dumme Frage", lacht der Löwenzahn. "Das ist doch ganz einfach. Zunächst hat man Verantwortung nur für sich selbst. Als ich als kleiner Samen hier hinkam, hatte ich die Verantwortung, Wurzeln zu schlagen und zu wachsen. Als ich dann größer wurde, habe ich auch immer mehr Verantwortung übernommen. Beispielsweise für die nächsten Löwenzahn-Generationen. Meine Blüte wird bald zur Pusteblume und ihren Samen weit verstreuen."

"Also, du wächst, weil du Verantwortung hast?", fragt Elisabeth.

"Na klar, weil meine Verantwortung immer größer wird, wachse ich auch."

"Welche größere Verantwortung hast du denn noch?"

"Oh, meine Verantwortung entfaltet immer größere Bereiche", erklärt der Löwenzahn strahlend. "Ich habe Verantwortung für die Menschen, damit sie sich an meiner Blume freuen oder die Kinder mit meiner Blüte als Pusteblume spielen können. Dann habe ich Verantwortung für die Tiere, für die Ameisen, die meinen Saft trinken, und für die Kaninchen, die meine Blatter fressen. Auch für den Boden habe ich Verantwortung übernommen. Mit meinen Wurzeln lockere ich das Erdreich auf. Ich sorge auch für die Luft und den Regen. Denn in meinen Blättern stelle ich Sauerstoff her und verdunste Wasser, das als Dampf zum Himmel steigt und später als Regen zurückkommt."

Elisabeth hört staunend zu: "Du hast ja Verantwortung für alles. Das habe ich ja gar nicht gewusst."

"Nun, ich mache es ja nicht allein", wirft der Löwenzahn ein. "Für mich selbst habe ich die Verantwortung allein. Die danach immer größer werdenden Verantwortungsbereiche teile ich mit allen anderen. Entscheidend ist, dass ich zunächst für mich selbst Verantwortung übernehme, um dann auch in die größeren Bereiche hineinwachsen zu können."

"Das ist ja toll", entfahrt es Elisabeth. "Wenn alle Menschen für sich Verantwortung übernehmen würden und dann in immer größere Verantwortungsbereiche hineinwachsen, gäbe es ja keine Umweltverschmutzung, keine Kriege, überhaupt gar keine Probleme mehr."

"Genauso ist es, Probleme gibt es nicht", bestätigt der Löwenzahn und strahlt mit der ganzen Pracht seiner Blüte in Elisabeths Herz hinein. Später kommt Elisabeth ihrer Verantwortung nach, holt etwas Wasser für den Löwenzahn und lockert mit ihren kleinen Fingern die Erde in der schmalen Steinritze, damit der Löwenzahn gedeihen und an seiner Verantwortung wachsen kann. Sie sieht den Löwenzahn mit völlig neuen Augen. Später schreibt sie in ihr Buch:

Der Löwenzahn kennt keine Probleme, sondern nur Chancen. Von ihm habe ich gelernt, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Ich wachse mit immer größer werdenden Verantwortungsbereichen, bis ich schließlich alles verantworten kann.

Der Geist der Raupe

Im Garten spielend, entdeckt Elisabeth eine kleine Raupe, die mühsam eine Kohlpflanze emporklettert. "Soll ich dir helfen, damit du schneller nach oben kommst?", bietet Elisabeth der Raupe ihre Hilfe an.

"Nein, nein, das geht schon", antwortet die Raupe. "Heute krieche ich noch auf meinem Bauch. Morgen kann ich fliegen und die ganze Welt erobern."

Eine unscheinbare Raupe will auf dem Bauch kriechend die Welt erobern? Darüber kann Elisabeth sich nur wundem. Als hätte die Raupe ihre Gedanken erraten, fährt sie fort: "Ja, wundere dich nur. Unser heutiges Denken bestimmt unsere Situation morgen. Heute bin ich eine Raupe. Aber mein Geist weiß, dass ich ein Schmetterling werde. Dieses Denken wird sich erfüllen. Ich werde ein Schmetterling."

"Du wünscht dir also, ein Schmetterling zu werden", entgegnet Elisabeth, "und hoffst, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht."

"Nein, Hoffen und Wünschen ist viel zu schwach", erklärt die Raupe, "das machen die Menschen. Sie hoffen und wünschen immer nur, und es tut sich nichts. Man muss es ganz fest wissen. Tief im Inneren muss man das sichere Wissen in sich tragen, was man morgen erreichen will. Wer die Welt verändern will, darf nicht mit dem Materiellen anfangen. Alles beginnt mit dem Geist. Wenn wir heute unser Denken verändern, schaffen wir morgen eine andere materielle Welt."

"Was bist du denn nun heute wirklich, Raupe oder Schmetterling?", will Elisabeth wissen.

"Ich bin das, was ich denke", erklärt die kleine Raupe einfach. "Du siehst mich heute noch als Raupe. In meinem Denken bin ich aber schon ein Schmetterling. Also werde ich morgen ein Schmetterling sein."

"Dann schafft ja dein Denken deinen Körper."

"Genauso ist es", versichert die Raupe. "Der Geist formt die Materie. Schau, viele Menschen denken immer, sie seien arm, klein und schwach. Und was werden sie dann? Genau das was sie denken: arm, klein und schwach. Nur wenige denken, dass sie reich, groß und stark sind. Und das werden sie dann auch."

Elisabeth denkt über diese Worte nach und findet viele Bestätigungen. Hat nicht der Lehrer in der Schule immer wieder gesagt, die Kinder würden ihn krank machen? Und nun ist er auch krank geworden. Hatte sie selbst nicht immer gedacht und gewusst, dass sie mit Pflanzen und Tieren sprechen konnte? Und nun unterhält sie sich mit der Raupe.

Bestätigend nickt die Raupe mit ihrem kleinen Kopf: "Siehst du, wie recht ich habe? Deshalb denke immer groß, in großer Qualität, in großer Verantwortung. Dann wirst du auch Großes erreichen."

Hier legt die Raupe eine kleine Pause ein, beißt herzhaft in das frische Kohlblatt und murmelt zwischen zwei Bissen: "Nun habe ich aber keine Zeit mehr für Gespräche. Ich will tüchtig von diesem köstlichen Kohl essen, damit ich für meine Verwandlung zum Schmetterling genügend Kraft habe."

Elisabeth war von dem Gedanken, dass das eigene Denken heute das Leben von morgen bestimmt, fasziniert. Gleichwohl konnte sie nicht so recht daran glauben. Jeden Tag schaute sie deshalb nach der Raupe, um festzustellen, ob sich deren Denken wirklich erfüllt hatte. Doch es tat sich wenig. Unter dem Kohlblatt entdeckte sie nur einen filzigen, dicht gewebten Kokon, der völlig leblos erschien.

Elisabeth zweifelte an den Worten der Raupe, bis sie eines Tages zusah, wie aus dem Kokon ein wunderschöner Schmetterling hervorschlüpfte. Sofort erkannte sie das niedliche Gesicht der kleinen Raupe und konnte vor Staunen kein Wort hervorbringen.

"Da bist du platt, was? Ich habe als Raupe gewusst, ich werde ein Schmetterling. Es hat zwar etwas länger gedauert, aber nun ist es Wirklichkeit geworden", spricht der Schmetterling, entfaltet seine Flügel und fliegt fröhlich davon, die Welt zu erobern Von Ferne hört Elisabeth noch sein Rufen: "Und nicht vergessen: immer groß denken! Denn du bist, was Du denkst. Und du wirst, was du denkst."

Schnell läuft Elisabeth ins Haus und schreibt in ihr Buch:

Ich habe zugesehen, wie eine Raupe dachte, sie würde ein Schmetterling. Und genau das ist auch einige Tage später eingetreten. Unser Denken bestimmt also, was aus uns wird. Ich werde deshalb die Raupe nie vergessen und immer groß denken.

Die Veränderung des Spiegels

Am nächsten Morgen ist Elisabeth mürrisch, weil sie früh aufstehen und in die Schule gehen soll. Beim Zähneputzen schaut ein griesgrämiges, trauriges Gesicht sie aus dem Spiegel an. Plötzlich denkt Elisabeth an den Schmetterling, der so lustig und vergnügt in die Welt geflogen war. Unwillkürlich lacht sie.

Aus dem Spiegel schaut sie nun ein fröhliches Mädchengesicht zustimmend an: "Siehst du, soeben warst du noch mürrisch und zerknirscht. Die ganze Welt schien dir dunkel, traurig und ungerecht. Nun lachst du, und die ganze Welt erscheint die fröhlich, bunt und lebendig."

"Bist du etwa über Nacht ein Zauberspiegel geworden, der die Welt verändern kann?", fragt Elisabeth erstaunt.

"Nein", erwidert das Gesicht im Spiegel. "Du selbst veränderst die Welt. Wenn du so mürrisch wie vorhin zur Schule gegangen wärst und alle Leute so finster angeschaut hättest, dann hättest du auch nur mürrische Klassenkameraden, einen finsteren Lehrer oder einen zerknirschten Busfahrer erlebt. Wenn du nun fröhlich in die Welt schaust, wird dir die Welt auch fröhlich begegnen."

"Das werde ich gleich ausprobieren", ruft Elisabeth spontan und läuft fröhlich herunter zur Mutter in die Küche, die sie vorhin selbst noch verschlafen mit schlechter Laune geweckt hatte. Hinter sich hört sie noch das Rufen des Spiegels: "Nicht vergessen: Die Welt ist dein Spiegel. Wenn du sie verändern willst, musst du dich selbst verändern."

Als die Mutter die unternehmungslustig hereinstürmende Tochter erlebt, ist ihre ganze Müdigkeit vergessen. Ein intensives Strahlen erfasst ihre Augen. Eine tiefe Liebe macht ihr Herz offen und sehend. Selten war ein Frühstück so fröhlich verlaufen wie an diesem Morgen.

Nach dem Frühstück läuft Elisabeth noch einmal schnell in ihr Zimmer, um ihrem Buch die neue Lehre dieses Tages anzuvertrauen. Und seltsam, die Mutter hat gar nicht geschimpft, dass Elisabeth noch so lange in ihrem Zimmer war und viel zu spät von zu Hause fortkam, um noch pünktlich die Schule erreichen zu können.

In ihrem Buch findet sich an diesem Tag folgende Eintragung:

Ich habe heute erlebt, dass ich meine Mutter, meine Klassenkameraden, meinen Lehrer, alle Menschen und die ganze Welt verändern kann, wenn ich mich selbst verändere. Der Spiegel in meinem Badezimmer hat mir gesagt, dass die Welt mein Spiegel ist. Diesen Zauberspiegel will ich nun immer nutzen.

Die Stärke des Wassers

Unten am nahen Fluss hat Elisabeth einen Lieblingsplatz. Unter einem dichten Weidenbusch kann sie versteckt am Flussufer sitzen, flache Steine über das Wasser flitzen lassen, einfach nur träumen oder dem von Stein zu Stein flink hüpfenden Wasser zuschauen und dem munteren, unaufhörlichen Geplauder des Flusses zu lauschen.

Am heutigen Tag erzählt der Fluss Elisabeth, mit den Füßen im Wasser stehend, eine höchst seltsame Geschichte: "Spürst du, wie weich mein Wasser ist? Es schmiegt sich zart an deine Füße. Die Tropfen streicheln deine Beine. Gleichwohl steckt in jedem schwachen Tropfen von mir eine ungeheuerliche Kraft."

"Gewiss, ich fühle das angenehme Wasser. Jedes Mal, wenn ich davon trinke, darin bade oder einfach nur wie heute darin herumlaufe, meine ich, eine Kraft zu spüren, die aus dem Wasser heraus in mir emporsteigt."

"Kaltes Wasser ist ein guter Energiespender", plätschert der Fluss. "Komme immer zu mir, wenn du Kraft brauchst. Ich gebe sie dir gem. Ich habe genug davon. Mein Wasser erscheint zwar schwach, aber es ist voller Leben und Stärke."

"Das verstehe ich gar nicht", entgegnet Elisabeth nachdenklich. "Mein Vater sagt immer, ich müsse den Teller leer essen. Weil ich so zart sei, würde ich viel Kraft brauchen, denn das Leben mache starke Menschen erforderlich. Und unser Nachbar hat neulich meiner Mutter erzählt, dass die tägliche Arbeit in der Fabrik harte, unnachgiebige Menschen erfordere."

Um Elisabeths Füße im Fluss bildete sich ein kleiner Strudel, der erregt gurgelt: "Das ist ja das so weit verbreitete Missverständnis der Menschen. Sie glauben, sie kämen mit Härte und der Kraft ihrer Muskeln weiter. Genau das Gegenteil ist der Fall. Schau, wenn ein Kind geboren wird, ist es schwach und zart, aber sehr lebendig. Später wird sein Körper immer starrer und härter, verliert immer mehr Leben, bis er ganz starr und tot ist. Genauso ist es mit den Pflanzen. Ein junger Baum ist weich, schmiegsam, passt sich dem Wind an und wird nicht entwurzelt. Dort drüben am anderen Ufer der Baum ist groß und hart. Nun stirbt er, weil er nicht mehr lebendig genug war, so dass ihn der Sturm vor wenigen Tagen entwurzeln konnte."

Elisabeth versteht dies alles nicht so recht. Unter ihren Füßen fühlt sie die Härte und Erstarrung der Steine, und an ihren Beinen spürt sie zugleich das weiche, zarte Wasser. Der Fluss bestätigt ihr Fühlen. "Das weiche Wasser höhlt jeden harten Stein. Das Weiche und Zarte ist lebendig und das wirklich Kräftige. Du kannst deine Muskeln gebrauchen und deine Feinde besiegen. Dauern wirst du aber nur, wenn du geistig entschieden bist, wenn du bis ins hohe Alter hinein weich, zart und lebendig bleibst."

"Das habe ich nun verstanden", erwidert Elisabeth. "Aber woher kommt die Kraft, die in deinem Wasser, die im Schwachen und Zarten wohnt?"

"Meine Kräfte wachsen, weil ich das Wachstum in anderen fördere", plätschert der Fluss. "Mit meinem Wasser versorge ich alle Pflanzen, damit sie wachsen und viele Blätter anlegen können. In den Pflanzen wird das Wasser gefiltert, mit Mineralien und Nährstoffen versorgt und schließlich zu Wasserdampf verdunstet. Daraus bilden sich Wolken, die mir das gereinigte, kräftige Wasser als Regen zurückbringen."

"Du hast mir ein wichtiges Geheimnis verraten", bedankt sich Elisabeth, "ich muss es schnell in mein Buch schreiben."

Am Flussufer unter der Weide sitzend und das Buch auf ihren angezogenen Knien haltend, diktiert der muntere Fluss Elisabeth folgende Eintragung:

Jeder wird wachsen, wenn er das Wachstum in anderen fördert. Das Wachstum zu fördern, ist stärker als Muskelkraft. Das angeblich Schwache ist das wahre Starke. Ich will deshalb immer lebendig, zart und stark bleiben.

Die Ursache des Hamsters

Zum Geburtstag bekommt Elisabeth einen Hamster geschenkt. Unaufhörlich rast der kleine Kerl in dem Laufrad, das an der Seitenwand seines Käfigs angebracht ist. "Warum rast du denn in einer Tour?", fragt Elisabeth den Hamster.

"Ich rase doch nicht", prustet der Hamster außer Atem. "Ich muss nur so schnell laufen, weil sich das Rad so schnell dreht."

Über so viel Dummheit muss Elisabeth lachen. "Du bringst das völlig durcheinander. Das Rad dreht sich nur, weil du es mit deinem Laufen antreibst. Wenn du nicht läufst, dreht sich das Rad auch nicht."

Der Hamster springt daraufhin aus dem Rad und sieht verwundert zu, dass sich auch bald das Rad nicht mehr dreht. Traurig stellt er fest: "Ich habe wieder einmal Ursache und Wirkung verwechselt. Aber deshalb brauchst du mich nicht gleich auszulachen. Tun das nicht die meisten Menschen? Neulich hat doch deine Freundin gesagt, ihr Vater wäre traurig, weil er so viel arbeiten müsste, um sich ein neues Auto kaufen zu können. Dein Vater schimpft mit dir, weil er mit deiner Mutter Krach hat. Und der Zoohändler, bei dem ich vorher wohnte, verbrauchte täglich tonnenweise unnütz Wasser und klagte zugleich über Umweltzerstörung, Wasserknappheit und steigende Preise. Immerzu sind die Menschen nur Wirkung. Immerzu klagen sie darüber, doktern an der Wirkung herum, ohne an den Ursachen etwas zu ändern."

"Du hast sicherlich damit recht", erwidert Elisabeth. "Wenn wir immer nur Wirkung sind, dann sind wir gar nicht frei, werden von anderen bestimmt, laufen immer hinterher, so wie du in deinem Rad hinterherläufst."

"Ja, und alles fing damit an, dass ich dachte, ich müsste so schnell laufen, weil sich das Rad so schnell drehte. Also fängt alles mit unserem Denken an. Das ist die Ursache."

Elisabeth klatscht begeistert in die Hände. "Klar, das hat mir ja schon die Raupe erzählt. Unser Denken ist die Ursache für das, was mit uns geschieht. Die Wirkungen sind immer nur eine Folge."

"Es ist schön, immer nur Ursache zu sein und damit die Folgen, die Wirkungen selbst zu bestimmen", stellt der Hamster aufgeregt fest. "Dann kann man das Leben selbst bestimmen, richtig gestalten. Dann muss ich ja gar nicht mehr länger auf das blöde Rad reagieren, sondern werde zum Führer des Rades und laufe nur dann und so schnell, wie es mir Spaß macht."

"Nun weiß ich auch endlich, was Freiheit ist", begeistert sich Elisabeth, "nämlich durch das eigene Denken selbst Ursache zu sein und die daraus folgenden Wirkungen zu verantworten, damit sie zum Wohle aller sind."

"Diese Erkenntnis musst du in deinem Buch aufschreiben", mahnt der Hamster. Zufrieden in seinem leicht schaukelnden Rad liegend, schaut er zu, wie Elisabeth in ihr Buch schreibt:

Der kluge Hamster und ich haben heute gemeinsam herausgefunden, dass wir Ursache oder Wirkung sein können. Wir sind frei und bestimmen alle Folgen selbst, wenn wir die Ursachen verändern. Wir haben deshalb heute gemeinsam beschlossen, dass wir beide ab sofort immer nur Ursache sein wollen, um zu unserem und zum Wohle aller anderen positive Wirkungen zu schaffen.

Die Wirklichkeit des Elefanten

Den Zirkus zu besuchen, ist für Elisabeth das aller größte Vergnügen. Atemlos schaut sie den fliegenden Artisten unter der Zirkuskuppel zu, verfolgt durch die schützenden Gitter hindurch aufgeregt die Löwendressur oder lacht Tränen über die Streiche der Clowns.

Doch heute ist ihr der Zirkusbesuch total vermiest worden. Hat doch ausgerechnet ihre beste Freundin behauptet, der Zauberer könne gar nicht zaubern. In Wirklichkeit hätte er das weiße Kaninchen schon vorher in den großen schwarzen Zylinder hineingesteckt.

"Die dumme Pute weiß doch gar nicht, was Zauberer wirklich können, was Wirklichkeit überhaupt ist", schimpft Elisabeth wütend durch die Tierzelte laufend. Da tippt ihr der riesige Elefant mit der Spitze seines Russel leicht auf die Schulter: "Weiß du denn, was Wirklichkeit ist?"

"Na klar doch", braust Elisabeth auf, "alles was meine Augen sehen. Und ich habe nicht gesehen, dass der Zauberer das Kaninchen in den Zylinder gesteckt hat. Also ist es auch keine Wirklichkeit."

"Wenn nun aber deine Freundin etwas anderes gesehen hat, dann ist es doch auch Wirklichkeit", sagt der Elefant vergnügt.

Erstaunt fragt Elisabeth: "Wie kann sie denn etwas anderes sehen als ich?"

"Ich will es dir erklären", meint der Elefant. "Vor vielen Jahren haben einmal Kinder der Blindenschule den Zirkus besucht. Ein Kind hat meinen Russel betastet und festgestellt: 'Der Elefant, das ist ein langes dickes Rohr.' Ein anderes Kind befühlte meine Beine und sagte voller Überzeugung: 'Der Elefant besteht aus vier starken Säulen.' Ein weiteres blindes Kind, das auf meinem Rücken ritt, meinte danach, ich sei so groß wie ein Haus und viel breiter als man die Beine spreizen könnte. Alle drei Kinder hatten nur ein Stuck von mir erlebt und dieses Stück genau beschrieben. Und damit hatten alle drei eigentlich recht."

"Dann ist aber doch Wirklichkeit nur das, was jeder selbst sieht, fühlt oder erfährt."

"Wie recht du hast", trompetet der Elefant. "Es gibt so viele Wirklichkeiten wie es Menschen auf der Welt gibt. Wenn die Menschen etwas anschauen, beispielsweise ein Haus, und das Gesehene in ihrem Kopf mit dem dafür vorgesehenen Namen benennen und mit ihren Erfahrungen zu diesem Namen vergleichen, dann haben sie bereits das Haus in ihrem Kopf verändert und damit ihre eigene Wirklichkeit geschaffen. Realität ist deshalb letztlich nur die eigene Erfahrung."

"Aber wozu gehe ich dann überhaupt in die Schule?", protestiert Elisabeth. "Dort wird mir doch auch alles Mögliche beigebracht, was ich selbst nicht erfahren habe. Und unser Lehrer sagt immer, das hätten kluge Leute bewiesen, das wäre wirklich so, und wir müssten es glauben."